Wallfahrtsort, ein Jahrtausende altes Kontinuum?

Du hast ja die Archäologen gelesen, die von einer fortschreitenden Beigabenlosigkeit bei Gräbern sprechen, was nun mal ein starkes Indiz für eine fortschreitende Christianisierung der Region ist, die Vita Sancti Severini geht im Prinzip von einer rein christlichen romanischsprachigen Bevölkerung vor der Deportation nach Italien aus und auch die Germanen jenseits der Grenze werden bei aller Ihnen zugeschriebene Barbarei als Christen bzw als in einem Christianisierungsprozess befindlich beschrieben.

Eine Rückkehr zur keltischen Sprache würde eine Diglossie-Situation voraussetzen, also beispielsweise, dass Keltisch im Privatbereich gesprochen wurde, Latein im öffentlichen Raum. Für eine solche Diglossie sehe ich aber keine Anhaltspunkte. Das einzige, was eine allenfalls oberflächliche Romanisierung stützen könnte, wäre ein überlebendekr präromanischer Namenbestand dessen Lautung nach Slawisierung und Germanisierung eine römische Zwischenform unmöglich oder zumindest unwahrscheinlich machen würde. Wobei natürlich fraglich ist, ob der keltische und römische Lautbestand sich überhaupt so weit unterschieden, dass eine Unterscheidung überhaupt möglich ist.

Aber gesetzt dem hypothetischen Falle, die Bevölkerung wäre nach Abzug der Römer rekeltisiert worden - wofür es, wie gesagt keine überzeugenden Hinweise gibt - dann würde dies nicht automatisch auch eine Repaganisierung zur Folge haben.
 
Man muss sich nicht an dem Begriff „illyrisch“ festbeißen

Ich beiße mich nicht an dem Begriff fest.

Wie das Beispiel "Veterona" zeigt, umgeht Kranzmayer romanische Deutungen, indem er mit spekulativen nicht-romanischen Ableitungen hantiert, ohne sie zu belegen.

nimmt an dessen Stelle einfach „vorrömisch“ an.
Oh nein, Kranzmayer behauptet ja sogar nachrömische ("spätillyrische") Sprachstufen, ohne sie belegen zu können.

(Im übrigen ist auch bei Kranzmayer "Illyrisch" und "Vorrömisch" natürlich nicht dasselbe.)


Er vergleicht doch die Namen im Innernorikum mit denen in Rätien und Gallien
In dieser Hinsicht ist Kranzmayer wohl auch längst veraltet. Die Ortsnamenkunde der ehemals rätischen Gegenden ist eben auch nicht mehr auf dem Stand von 1956.
Dass Kranzmayer z. B. den etymologischen Teil des Rätischen Namenbuchs von Andrea Schorta (1964 in Bern erschienen) noch nicht benutzen konnte, kann man ihm natürlich nicht zum Vorwurf machen. Auch in der Tiroler und Friauler Ortsnamenkunde hat sich seither eine Menge getan.
Gerade der Vergleich der Kärntner Namen mit alten Namen aus dem übrigen Alpenraum zeigt, dass sich in Kärnten mehr romanische Namen erhalten haben, als Kranzmayer wahrhaben wollte.
Desgleichen zeigt sich, dass sich vorrömische Namen im gesamten Alpengebiet durch romanische Vermittlung gehalten haben. Kärnten macht da keine Ausnahme.

und stellt fest: In Innernorikum sind so gut wie keine oder weit weniger romanische Namen erhalten geblieben, obwohl in all diesen Gebieten Kelten gelebt
Noch einmal:

In den Regionen, wo keine oder nur sehr wenige romanische Namen erhalten sind, sind auch keine oder nur sehr wenige keltische Namen erhalten.

Und:

In dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zwischen Binnen- und Ufernorikum.

- Im Westen von Norikum (Salzburg, Osttirol) finden wir die meisten romanischen (einschließlich vorrömischen) Ortsnamen. Dort lässt sich auch eine romanischsprechende Bevölkerung noch bis ins hohe Mittelalter nachweisen.

- Weiter östlich (Oberösterreich, Oberkärnten) werden die romanischen (einschließlich vorrömischen) Ortsnamen seltener.

- Noch weiter östlich (Niederösterreich, Unterkärnten, Steiermark) gibt es dann noch ein paar Berg- und Flussnamen, aber so gut wie keine romanischen (einschließlich vorrömischen) Siedlungsnamen mehr.*

Kranzmayers Behauptung, die alten Ortsnamen seien durch eine nicht-romanische Bevölkerung weitergegeben worden, ist durch die neuere Ortsnamenforschung mitnichten bestätigt worden. Im Gegenteil:

Im Osten gingen die romanisierten und romanischen Namen (und Wörter) durch das Medium des Slawischen. Deshalb sehen die gleichen Namen im Osten, da sie slawische Lautveränderungen hinter sich haben, auch anders aus: einer Alfenz in Vorarlberg entspricht eine Lafnitz in der Steiermark: beide aus "alteuropäisch" *Albantia (über alad. Albanza). Mit den immerhin nicht gerade wenigen Namen dieser Art im ehemaligen Noricum läßt sich das Fortleben des Romanischen eindeutig dokumentieren. Die These der "Romanenauswanderung" ist aufgrund der Toponymie nicht mehr aufrechtzuerhalten. Der Tod Severins (482) bedeutet nicht das Ende der Romanität Noricums.
Otto Kronsteiner, "Alpenromanisch" aus slawischer Sicht
In: Das Romanische in den Ostalpen, Wien 1984

Der Altmeister der Kärntner Namenforschung, E. Kranzmayer, hat sich in seinem Ortsnamenbuch von Kärnten vehement gegen das Vorhandensein von romanischen Ortsnamen in Kärnten ausgesprochen. Seiner Meinung nach sei Kärnten nur oberflächlich romanisiert worden und zur Zeit der Einwanderung der Slaven und Baiern sei das romanische Bevölkerungselement längst ausgewandert gewesen. Im übrigen haben die Neuankömmlinge eine illyrisch- bzw. keltisch-sprachige Restbevölkerung vorgefunden, der es zu verdanken sei, daß einige vorrömische Toponyme in Kärnten weiterleben (darunter die Namen der großen Flüsse). Im großen und ganzen seien die Kärntner Ortsnamen teils deutscher, teils alpenslavischer bzw. slovenischer Herkunft, und für einige wenige evident romanische Namen werden ad hoc Erklärungen gefunden (z. B. Kosta, Monsell, Frondell) oder die Namen werden von Kranzmayer als "unklar" bezeichnet (z. B. Kuster und Egel), manches ist von ihm einfach nicht ins Ortsnamenbuch aufgenommen worden (z. B. Praditz) oder gewaltsam als slavisch (Kum, Kolm usw.) bzw. keltisch oder "illyrisch" (z. B. Kolbnitz) gedeutet worden. Kranzmayers Standpunkt ist in der Kärntner Namenforschung auch heute noch vorherrschend und sein (sicherlich sehr verdienstvolles) Ortsnamenbuch gilt als unantastbar.
Doch neuere Forschungen lassen die Frühgeschichte Kärntens in einem etwas anderen Licht erscheinen.
Heinz Dieter Pohl, Romanische Ortsnamen Kärntens.
In: Akten der Theodor Gartner-Tagung, Innsbruck 1987

So gibt es auch keinerlei sprachliche Hinweise darauf, daß zumindest während der späteren Römerzeit das Keltische und jenes indogermanische Idiom fortbestanden, aus dem die indogermanisch-voreinzelsprachlichen Ortsnamen hervorgingen, oder daß diese Sprachen sogar über das Ende der Römerherrschaft hinaus weitergelebt hätten, wie dies Eberhard Kranzmayer annahm.
Peter Wiesinger, Antik-romanische Namentraditionen im Donauraum
In: Probleme der älteren Namenschichten, Heidelberg 1991

Meine Ausführungen zeigen, daß auch mit einer Schicht romanischer Namen in Kärnten zu rechnen ist, die größer ist, als von KRANZMAYER zugegeben. Gerade in der Oronymie ist der romanische Anteil am stärksten: alle vier von ihm (1956:143f.) als Kärntner Neuschöpfungen betrachteten oronymischen Appellativa (Nock, Kuster, Egel, Gupf) sind offensichtlich romanischer Herkunft.
Heinz Dieter Pohl, Zum romanischen Namengut Kärntens und Osttirols.
In: Studia onomastica et indogermanica, Graz 1995

Das Fortleben der romanischen Bevölkerung in Karantanien geht auch aus einigen Ortsnamen hervor, und neuerdings sogar etwas deutlicher als die Forschung lange angenommen hatte, wobei sich die Nachweise in Osttirol und Oberkärnten häufen und mancherlei Etymologie Hypothese bleibt.
Paul Gleirscher, Karantanien, Klagenfurt 2000

* Ein paar Ausnahmen (Kanaren, Muntferran) hatte ich genannt - die sind nun gerade romanisch, nicht vorrömisch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich behaupte nicht, dass Kranzmayer keine Fehler gemacht hatte. Er korrigiert sich auch selbst (vergl. § 20 der von mir geposteten Kopien), in dem er zugibt, dass er früher in Bezug auf die Romanität in Kärnten anders gedacht hatte. Außerdem: Wer arbeitet schon absolut fehlerfrei?

So wurde in diesem Thread behauptet, das weitgehende Fehlen der römischen oder romanisierten Namen im Innernorikum sei der planmäßigen Räumung des Norikum geschuldet, d.h. die eingewanderten Slawen fanden ein Land vor, in dem nur wenige römische oder romanisierte Menschen lebten, von denen sie die lateinische Namen übernehmen könnten. Und nun wird hier Otto Kronsteiner zitiert mit: Die These der "Romanenauswanderung" ist aufgrund der Toponymie nicht mehr aufrechtzuerhalten. Der Tod Severins (482) bedeutet nicht das Ende der Romanität Noricums."

Das die gleiche Funde unterschiedlich interpretiert werden, ist normal - für jede Deutung finden sich Befürworter und Gegner. Für mich ist die Erklärung Kranzmayers einleuchtend, dass die verschieden klingenden Namen in verschiedenen Sprachen mit gleicher oder annähernd gleicher Bedeutung größeres Gewicht haben als lediglich die gleich klingenden.

Vollends daneben ist die Behauptung, die Romanen-Bezeichnung "walh" (althochdeutsch) bzw. "vlah" (slowenisch) sei nicht auf Romanen, sondern "besser" auf Kelten zu beziehen.
So? Ich finde die Überlegungen Kranzmayers (vergl. Seite 42) zu dem Namen Walch bzw. slov. (V)Lah einleuchtend. Das Wort Lah bedeutet/e im Slowenischen früher wie auch heute so viel wie das Wort „Welsch“ früher (und teilweise noch heute) im Deutschen - Zitat aus Wikipedia:

Um die Zeitenwende wurde dieser Name von germanischen Sprechern verallgemeinernd auf alle Kelten übertragen. Der Name ist in einigen germanischen Sprachen eine Bezeichnung für diverse keltische Volksgruppen, etwa bei den Angeln, Jüten und Sachsen, die im 5. Jahrhundert die Insel Britannien besetzten und auf die dortige keltische Bevölkerung trafen: westsächsisch wilisc, wylisc, anglisch und kentisch welisc, wælisc, angelsächsisch walh oder wealh. Die Wurzel findet sich beispielsweise in Namen wie Wales (bzw. welsh, „walisisch“) und Cornwall wieder.

Spätestens nach dem Ende der Antike bezeichnet der Ausdruck zunehmend auch Romanen. Auf dem europäischen Festland waren bis zum Zusammenbruch des Weströmischen Reiches nahezu alle Kelten romanisiert worden; die germanische Bezeichnung für diese Völker blieb jedoch weiterhin dieselbe und erweiterte sich auf Romanischsprachige ohne nähere Differenzierung.


Das heißt: Was Kranzmayer dazu in den 50er-Jahren schrieb, ist heute Stand der Wissenschaft.

Aber gesetzt dem hypothetischen Falle, die Bevölkerung wäre nach Abzug der Römer rekeltisiert worden - wofür es, wie gesagt keine überzeugenden Hinweise gibt - dann würde dies nicht automatisch auch eine Repaganisierung zur Folge haben.
Aber genau das könnte passiert sein: Die ländliche Bevölkerung war wahrscheinlich weniger romanisiert und christianisiert als die in den Städten. Nach der slawischen Landnahme könnte das Wenige schnell ins Vergessen geraten haben, zumal die Slawen auch, wie ursprünglich die Kelten, an viele Götter glaubten.

Man muss sich nur vergegenwärtigen, dass nach neuerlicher Christianisierung ab dem 8. Jhdt. die heidnischen Riten und Bräuche vornehmlich in abgelegenen Gebieten bis ins Hochmittelalter praktiziert wurden, was z.B. dazu führte, dass 1184 der Papst Lucius III. in seiner Bulle Ad abolendam die Bischöfe anwies, 2 bis 3 Mal jährlich die Pfarreien zu besuchen, „von denen die Rede geht, dort wohnten Häretiker, und drei gut beleumundete Männer oder notfalls die ganze Nachbarschaft (viciniam) schwören lassen, daß sie Häretiker, Teilnehmer geheimnisvoller Versammlungen und solche, die sonst von christlichen Sitten abweichen, anzeigen werden;“.

Der Begriff Aberglaube, seit dem 15. Jahrhundert belegt, kommt ja auch nicht von ungefähr – Zitat:

Die Bekehrung der Heiden war in Europa zwar abgeschlossen, doch die lokalen Volksglauben lebten in gewissen Grenzen weiter: Zauber, Amulette, Böser Blick, heilige Bäume und heilige Haine sollten die Christen nicht vom wahren Glauben abbringen.

Ich denke, dass in den Jahrhunderten zuvor, also im Frühchristentum, dem nicht anders war: Die heidnischen Bräuche lebten in gewissen Grenzen weiter – und wurden vielleicht noch verstärkt gelebt, als die „Kontrolle“ durch das offizielle kirchliche Personal weitgehend entfiel (ab Ende des 6. Jhdt. gab es keine Bischöfe mehr im heutigen Kärnten). Man muss in diesem Zusammenhang auch die Herrschaft der (arianischen) Ostgoten ab Ende des 5. bis Mitte des 6. Jhdt. erinnern, die in religiösen Dingen wesentlich toleranter waren als die (katholischen) römischen Kaiser zuvor.

Deswegen ist es nicht auszuschließen, dass z.B. auf dem Hemmaberg trotz der dort inzwischen errichteten Kirchen auch die keltische Gottheit Iouenat weiter (heimlich) verehrt wurde, was sich nach der Landnahme durch Slawen (verstärkt?) fortsetzen könnte. Das gleiche wird ja auch in Bezug auf das Christentum angenommen: Dass sich die restlichen Christen auch während der Herrschaft der paganer Slawen (heimlich) trafen, um ihren Kult weiter auszuüben.
 
Ich behaupte nicht, dass Kranzmayer keine Fehler gemacht hatte. Er korrigiert sich auch selbst (vergl. § 20 der von mir geposteten Kopien), in dem er zugibt, dass er früher in Bezug auf die Romanität in Kärnten anders gedacht hatte. Außerdem: Wer arbeitet schon absolut fehlerfrei?

Niemand wirft Kranzmeyer vor, dass er Fehler gemacht hat. Auf einer als fehlerhaft erkannten Interpretation kann aber nun mal keine weitere Argumentation aufbauen. Das ist wie im Matheunterricht: Wenn du einmal einen Rechenfehler gemacht hast, mögen zwar alle weiteren Rechenschritte richtig ausgeführt sein, das Endergebnis wird dadurch aber nicht richtiger.

So wurde in diesem Thread behauptet, das weitgehende Fehlen der römischen oder romanisierten Namen im Innernorikum sei der planmäßigen Räumung des Norikum geschuldet, d.h. die eingewanderten Slawen fanden ein Land vor, in dem nur wenige römische oder romanisierte Menschen lebten, von denen sie die lateinische Namen übernehmen könnten. Und nun wird hier Otto Kronsteiner zitiert mit: Die These der "Romanenauswanderung" ist aufgrund der Toponymie nicht mehr aufrechtzuerhalten. Der Tod Severins (482) bedeutet nicht das Ende der Romanität Noricums."
Das besagt doch nur, dass das Noricum nicht völlig entvölkert wurde und auch die übrig gebliebenen Altsiedler weiterhin romanisch sprachen.
Was tatsächlich geschrieben wurde:
Was sagen uns die historischen Quellen? Die Vita Sancti Severini spricht von der Deportation der romanischen Bevölkerung aus dem Noricum nach Italien unter Odoaker. Von einer keltischen Bevölkerung ist dort keine Rede. Das Pseudo-Maurikion spricht ebenfalls von einer lateinisch-sprachigen Bevölkerung in der Region.
Die einleuchtendste Erklärung für das Verschwinden so vieler Ortsnamen aus der römischen Zeit wäre der drastische Bevölkerungsschwund, von dem ja schon die Rede war.

Es sind ja (vor allem im Osten Österreichs) nicht nur romanische Ortsnamen verschwunden, sondern auch fast alle vorrömischen/keltischen Ortsnamen. Was an keltischen Namen erhalten ist, sind meistens Flussnamen (Enns, Sulm, Kamp), und die beweisen in diesem Zusammenhang nichts.

Da, wo vorrömische Ortsnamen erhalten sind, wurden sie in in romanisierter Form weitergegeben:...
die Vita Sancti Severini geht im Prinzip von einer rein christlichen romanischsprachigen Bevölkerung vor der Deportation nach Italien aus und auch die Germanen jenseits der Grenze werden bei aller Ihnen zugeschriebene Barbarei als Christen bzw als in einem Christianisierungsprozess befindlich beschrieben.

Für mich ist die Erklärung Kranzmayers einleuchtend, dass die verschieden klingenden Namen in verschiedenen Sprachen mit gleicher oder annähernd gleicher Bedeutung größeres Gewicht haben als lediglich die gleich klingenden.
Das ist auch generalisiert gesprochen richtig. Wenn ein Ort in seiner Geschichte mehrere Sprachwechsel erlebt und dabei jedesmal umbenannt wird, diese Umbenennungen aber die gleiche Bedeutung haben, dann handelt es sich um Lehnübersetzungen:
Ein Beispiel wäre Grünberg :rechts: Zielona Góra. Gut, da könnte man noch sagen, dass dieselben topographischen Merkmale natürlich leicht zu demselben Namen führen. Nehmen wir also Hirschberg :rechts: Jelenia Góra.
Ein anderes Bsp. wäre das rumänische Alba Iulia, ein Kunstname für Bălgrad, aus einer Zeit, in der man in Rumänien gerne die römische Herkunft betonte und das slawische Element am liebsten vergessen haben wollte. Deutsch hieß die Stadt Weißenburg, ungarisch Fehérvár, die Bedeutung in der slawischen, ungarischen und deutschen Variante ist jeweils dieselbe, das rumänische Kunstprodukt dagegen hat zwar mit Alba das weiß erhalten, mit Iulia aber versucht, den Ortsnamen zu historisieren. Ob Bălgrad, Fehérvár oder Weißenburg, es handelt sich um Lehnübersetzungen voneinander. Lehnübersetzungen setzen aber ebenso eine Bevölkerungskontinuität voraus, wie die lautliche Verwandlung eines Stadtnamens im Laufe seiner Geschichte.

Lat. Septem (Fratres) :rechts: arab. Sabta :rechts: port./span. Ceuta

Iber./lat. Hispalis/Hispalia :rechts: 1. Jhdt. n. Chr. Ispale/Ispalia > arab. Išbīlīa > iber. mlat. Sibille > span. Sevilla (arabisch wiederum als Variante سيفييا Sīfīyā, im ägyptischen Wikipedia-Artikel als سيبييا Sībīyā oder sogar سيڤييا wiedergegeben, wobei das ڤein Buchstabe ist, der im Arabischen gar nicht existiert.)

Einen Zusammenhang zwischen Septem und Ceuta oder Hispalis und Sevilla würde man als Laie, ohne Kenntnisse der historischen Zwischenformen gar nicht erkennen.
Und sinngebende Pseudoetymologien, wie beispielsweise bei der niederländischen Hangmat aus dem französischen hamac oder britischen hamoc, aus dem karibischen über das spanische vermittelten hamaca sind hier noch gar nicht berücksichtigt. Auch die können, wie an hamac :rechts: hangmat gut erkennbar, leicht zu Modifizierungen führen, welche die eigentliche Etymologie eines Wortes verschleiern.



Ich finde die Überlegungen Kranzmayers (vergl. Seite 42) zu dem Namen Walch bzw. slov. (V)Lah einleuchtend. Das Wort Lah bedeutet/e im Slowenischen früher wie auch heute so viel wie das Wort „Welsch“ früher (und teilweise noch heute) im Deutschen
Die Slowenen werden eher mit den ihnen benachbarten Balkanromanen (Walachen, Wlachen) als mit Walisern in Berührung gekommen sein. Weshalb eine Herleitung Kranzmeyers des slowenischen (v)lah als 'keltisch' gegenüber der Deutung als 'romanisch' eindeutig abzulehnen ist.


- Zitat aus Wikipedia:

Um die Zeitenwende wurde dieser Name von germanischen Sprechern verallgemeinernd auf alle Kelten übertragen.
Das Wikipedia-Zitat führt uns nicht wirklich weiter. Wir haben keinen Beleg für den Begriff welsch im Germanischen der Zeitwende. Die frühesten Belege für dieses Wort im Althochdeutschen bezeichnen schon die Römer.

Der Name ist in einigen germanischen Sprachen eine Bezeichnung für diverse keltische Volksgruppen, etwa bei den Angeln, Jüten und Sachsen, die im 5. Jahrhundert die Insel Britannien besetzten und auf die dortige keltische Bevölkerung trafen: westsächsisch wilisc, wylisc, anglisch und kentisch welisc, wælisc, angelsächsisch walh oder wealh. Die Wurzel findet sich beispielsweise in Namen wie Wales (bzw. welsh, „walisisch“) und Cornwall wieder.
Eben: Dort, wo eine frühmittelalterliche nordwestgermanischsprachige Bevölkerung auf eine sich selbst als gälisch bezeichnende Bevölkerung traf, sprach sie von einer welschen Bevölkerung.
Bei dem letzten Teil des Wikipedia-Zitats erlaube ich mir mal nur Hervorhebungen:
Spätestens nach dem Ende der Antike bezeichnet der Ausdruck zunehmend auch Romanen. Auf dem europäischen Festland waren bis zum Zusammenbruch des Weströmischen Reiches nahezu alle Kelten romanisiert worden; die germanische Bezeichnung für diese Völker blieb jedoch weiterhin dieselbe und erweiterte sich auf Romanischsprachige ohne nähere Differenzierung.
Wie gesagt, der Wikipedia-Artikel ist hier arg fragwürdig. Denn es gibt vor dem frühen Mittelalter keinen Beleg der Begriffsverwendung.
Unausgesprochen basiert diese Behauptung auf der Vorstellung, der Begriff welsch basiere auf dem keltischen Stammesnamen Volcae.

Besser wäre hier wohl mal ins RGA zu schauen (Reallexikon der germanischen Altertumskunde), allerdings nicht in die vierbändige Reiche der 1920er Jahre, sondern in die neuere 35bändige.


Man muss sich nur vergegenwärtigen, dass nach neuerlicher Christianisierung ab dem 8. Jhdt. die heidnischen Riten und Bräuche vornehmlich in abgelegenen Gebieten bis ins Hochmittelalter praktiziert wurden, was z.B. dazu führte, dass 1184 der Papst Lucius III. in seiner Bulle Ad abolendam die Bischöfe anwies, 2 bis 3 Mal jährlich die Pfarreien zu besuchen, „von denen die Rede geht, dort wohnten Häretiker, und drei gut beleumundete Männer oder notfalls die ganze Nachbarschaft (viciniam) schwören lassen, daß sie Häretiker, Teilnehmer geheimnisvoller Versammlungen und solche, die sonst von christlichen Sitten abweichen, anzeigen werden;“.
Es geht dabei um Häretiker, nicht um Heiden oder heidnisch-christlichen Synkretismus. Es geht um Leute, wie Bogumilen oder Katharer, die aus katholischer Sicht eine falsche Leere aus der Bibel zogen. Wenn kirchliche Würdenträger heidnisches anzuprangern hatten, dann haben sie es auch so benannt: paganus.

...dass z.B. auf dem Hemmaberg trotz der dort inzwischen errichteten Kirchen auch die keltische Gottheit Iouenat weiter (heimlich) verehrt wurde, was sich nach der Landnahme durch Slawen (verstärkt?) fortsetzen könnte.
Die Slawen haben also plötzlich einen keltischen Gott verehrt?

Mit deinem "heimlich" und "es ist nicht auszuschließen" enthebst du dich gewissermaßen der Historikerpflicht in den historischen Quellen Belege oder doch zumindest belastbare Indizien für deine Hypothese zu finden.

Deswegen ist es nicht auszuschließen,...
Die Frage ist eher, ob es für diese deine Vorstellung einen Beleg gibt.

Bisher haben wir, wenn wir den Thread mal zusammenfassen, folgendes: Eine hypothetische Kontinuität eines heidnischen Heiligtums ohne Beleg trotz Überlieferungslücke und deutlicher christlicher Anwesenheit, eine hypothetische Rekeltisierung ohne Beleg nach Jahrhunderten römischer Herrschaft, und eine hypothetische Verstärkung des nur noch hypothetisch existierenden keltisch-heidnischen Elements durch die Zuwanderung der Slawen.

Versteh mich nicht falsch: Ich habe überhaupt nichts gegen eine christliche Nutzung heiliger heidnischer Stätten einzuwenden. Weder, dass dies absichtsvoll geschah ("unser Gott ist mächtiger als eure", "wir besetzen euren Kultplatz"), noch dass dies zufällig geschah, etwa weil ein mehrfach genutzter Kultplatz einfach verkehrsgünstig lag oder die Landschaft das ästhtische Befinden religiöser Menschen an einem Ort besonders ansprach. Ich kenne auch Beispiele aus Bolivien, wo Kirchen in lokale existierende präkolumbische Kulte einbezogen werden, auch architektonisch. Synkretismen gibt es durch die gesamte Kirchengeschichte.

Worum es mir geht, das sind belastbare Belege ohne Hilfshypothesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Slowenen werden eher mit den ihnen benachbarten Balkanromanen (Walachen, Wlachen) als mit Walisern in Berührung gekommen sein. Weshalb eine Herleitung Kranzmeyers des slowenischen (v)lah als 'keltisch' gegenüber der Deutung als 'romanisch' eindeutig abzulehnen ist.
Dazu kommt die Nähe der Örtlichkeiten (St. Peter am) Wallersberg, Kanaren und Muntferran.
Also mehrere Hinweise für eine romanische Bevölkerung in einem Umkreis von nur wenigen Kilometern, aber keine Hinweise auf keltische Siedlungen.

Nebenbei: Pohl (1995) unterfüttert die romanische Etymologie von Kanaren (*canariu = "Hundsdorf") mit dem sinngleichen slowenischen Flurnamen Pesjak.

Kranzmayer selbst gibt im 2. Teil des Ortsnamensbuchs von Kärnten (1958) den slowenisch-mundartlichen Namen von St. Peter am Wallersberg mit Vłašîn(i)ca an und bemerkt dazu: "gehört ... zu vlah 'Romane'".
Ob ihm mit der steilen These eines slowenischen "vlah = Kelte" selber nicht mehr ganz wohl war? :D


Das besagt doch nur, dass das Noricum nicht völlig entvölkert wurde und auch die übrig gebliebenen Altsiedler weiterhin romanisch sprachen.
Was tatsächlich geschrieben wurde:
... berücksichtigt die Belege für die Aufgabe von Siedlungen und einen deutlichen Bevölkerungsrückgang vor dem Eindringen der Slawen und Awaren.

Während Kranzmayer für das weitgehende Fehlen romanischer (und vorromanischer) Siedlungsnamen in den östlichen Gegenden die "wilden", "grausamen" und "barbarischen" Awaren verantwortlich macht.

Die sollen "ihrem Wesen gemäß" alles Leben ausgerottet haben...
 
Das die gleiche Funde unterschiedlich interpretiert werden, ist normal - für jede Deutung finden sich Befürworter und Gegner. Für mich ist die Erklärung Kranzmayers einleuchtend, dass die verschieden klingenden Namen in verschiedenen Sprachen mit gleicher oder annähernd gleicher Bedeutung größeres Gewicht haben als lediglich die gleich klingenden.

Dann müssten Dir doch auch Pohls Erklärungen einleuchten:
Kanaren - Pesjak (lat. canis = sl. pes = "Hund")
Muntferran - Ruda (lat. ferrum = Eisen, sl. ruda = Erz)

Damit sollte Kranzmayers Behaupung, das romanische Element sei "völlig ausgeschaltet", lateinische Doppelnamen kämen nicht vor, eigentlich schon widerlegt sein.

Erstaunlicherweise nennt Kranzmayer mit Gurnitz (Podkrnos) selbst ein Beispiel, das sich ohne weiteres mit einer lateinischen Etymologie verbinden lässt. Auf den etymologischen Zusammenhang mit "Horn" (lateinisch cornu) weisen die alten Belege Hornaresdorf und Skarbin hin.
Das lateinische cornu zu unterschlagen, stattdessen eine keltische Ableitung zu behaupten und diese Behauptung dann als "Beweis" für die Umgehung des Lateinischen zu präsentieren, ist schon ein starkes Stück.

Es wird aber noch skurriler:
Nachdem die Römer als Zwischenglied zwischen Kelten und Slowenen ausgeschaltet sind, bringt Kranzmayer ein neues Zwischenglied ins Spiel: Die Langobarden!
Von denen sollen die Slowenen die Namensform Podkrnos übernommen haben.
Wie Kranzmayer auf eine langobardische Besiedlung Kärntens kommt, ist einen eigenen Beitrag wert.
Ich zitiere hier nur mal den neueren Stand der Wissenschaft:

"sl. ‘unter der Flur *krnos (zu lateinisch cornu ‘Horn’) gelegen’ (urk.
860 Gurniz, 10. Jhdt. Curnuz), im 12. Jhdt. Mons Karnotenus,
gleichbedeutend mit dt. Hornwald, sl. Škrbinj (→ Skarbin)"
http://www.volksgruppenbuero.at/images/Ortsnamenverz_komplett.pdf

"Dafür, daß Langobarden im Norikum Herrschaft ausübten, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Gänzlich zu verwerfen ist der Versuch, für den Ortsnamen von Gurnitz wie auch für den Namen der Wippa im oberen Gurktal - vgl. dazu die Wippach westlich von Gorizia (Görz) - einen langobardischen Ursprung vorzuschlagen. Da bislang insbesondere keine Waffengräber bekannt wurden, zeichnet sich archäologisch keine langobardische Truppenpräsenz im Norikum ab. In zwei Gräbern in Teurnia (St. Peter in Holz) fanden sich langobardische Trachtelemente, was sich im Rahmen nachbarschaftlicher Kontakte und Diplomatie erklärt und auch an verheiratete Frauen denken läßt." (Gleirscher 2000, S. 19)
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie Kärnten langobardisch besiedelt wurde

Nach der Besetzung Sloweniens 1941 planten die Nazis, die deutsch besetzten Teile auf Dauer dem deutschen Reich einzugliedern.

Die lokalen Machthaber machten sich daran, den Führerbefehl "Machen Sie mir das Land deutsch" umzusetzen und die slowenische Ethnie im deutsch besetzten Teil auszulöschen.

Dies sollte teils durch Massendeportationen und -umsiedlungen erfolgen, teils durch die Eindeutschung derjenigen Bevölkerungsteile, die man für "rassisch wertvoll" hielt.
Ersteres erwies sich bald als kaum durchführbar oder gar "kontraproduktiv", so dass man nun vor allem die Germanisierung der slowenischen Bevölkerung betrieb. Zu diesem Zweck wurde die Behauptung aufgestellt, die (rein slowenische) Oberkrainer Bevölkerung sei von Anfang an stark germanisch geprägt gewesen, es handle sich also eigentlich um eine Re-Germanisierung.

Rassenpolitische Vorgaben mit einem (pseudo)wissenschaftlichen Mäntelchen zu versehen war das Metier der SS-Forschungsgemeinschaft "Das Ahnenerbe".
In einem Protokoll vom 6. Oktober 1941 liest sich das so:

"Hier muss nun die wissenschaftliche Arbeit einsetzen. Bisher mangelt es noch völlig an wissenschaftlichen Unterlagen für eine derartige volkspolitische Ausrichtung des Oberkrainer Slowenentums. So wie die Dinge hier einmal liegen, nützt es gar nichts, wenn wir die Behauptung aufstellen, dass die Oberkrainer etwas wesentlich anderes sind als die Laibacher oder Südkrainer. Es muss dies auch bewiesen werden. Dazu aber bedarf es des Einsatzes einer ganzen wissenschaftlichen Mannschaft, die das Beweismaterial zu erarbeiten hat. Dass sich die Oberkrainer rassisch und volkstummässig von den Südkrainern unterscheiden und dass sich in der Oberkrain viel germanisch-deutsches Volksgut erhalten hat, ja, dass es sich hier in vielen Zügen um ein Land handelt, das nach deutscher Art lebt, ist augenfällig. Für die Volkstumsarbeit aber benötigen wir forschungsmässige Unterlagen, deren Erstellung bei dem gänzlichen Mangel an deutschen wissenschaftlichen Arbeiten über das Gebiet eine Aufarbeitung aller Fragenkreise von Grund auf notwendig machen."
ICH WÄHLE NICHT

Man glaubte u. a., die langobardischen Feldzüge in eine langobardische Besiedlung Kärntens und Krains umschreiben zu können. Durch die Gründung einer wissenschaftlichen Forschungsstätte, die mit strammen Nazis besetzt werden sollte, sollte die zur Geschichtsklitterung erforderlichen "Beweise" herbeigeschafft werden. Die entsprechende Aufgabenbeschreibung war bereits am 17. Juni 1941 formuliert worden:

"Überprüfung und Neudarstellung der politischen Geschichte, gründliche Erforschung und eingehende Darstellung der deutschen Besiedlung...

Erforschung der langobardischen Besiedlung und des langobardischen Einflusses im Lande; Erforschung der Spuren germanischen Lebens in der grossgermanischen oder Völkerwanderungszeit...

Erforschung der Bevölkerungs-, Rassen- und Siedlungsverhältnisse der Vorzeit unter besonderem Augenmerk auf die Völkerwanderungszeit, ganz besonders wieder auf die Langobardenzeit[/quote]

ICH WÄHLE NICHT

Im Schreiben vom 17. Juni 1941 wird handschriftlich Kranzmayer als einer der zukünftigen Mitarbeiter der Forschungsstelle aufgeführt.

Im Protokoll vom 6. Oktober 1941 wird Kranzmayer als Leiter der Forschungsstelle vorgeschlagen.

Die Forschungsstelle wurde schließlich am 10. Oktober 1942 unter dem Namen "Institut für Kärntner Landesforschung" gegründet.

Leiter dieses Instituts war Eberhard Kranzmayer.
ICH WÄHLE NICHT
 
Lehnübersetzungen setzen aber ebenso eine Bevölkerungskontinuität voraus, wie die lautliche Verwandlung eines Stadtnamens im Laufe seiner Geschichte.
Im Prinzip ja, es sei denn, jemand wie Ettore Tolomei hätte da seine Finger im Spiel gehabt. :D

Die Slowenen werden eher mit den ihnen benachbarten Balkanromanen (Walachen, Wlachen) als mit Walisern in Berührung gekommen sein. Weshalb eine Herleitung Kranzmeyers des slowenischen (v)lah als 'keltisch' gegenüber der Deutung als 'romanisch' eindeutig abzulehnen ist.
Möglich, aber das ändert nichts. Das slowenische Lah bezieht sich ausschließlich auf heute westlich Sloweniens lebende und/oder italienisch sprechende Menschen. Interessant auch diese Aussage zu Walachen – Zitat:

Der Begriff Walachen kommt ursprünglich aus dem Germanischen und wurde durch südslawische und dann teilweise lateinische und griechische Vermittlung in verschiedenen Gebieten zur Bezeichnung vor allem romanisierter oder romanischer Volksgruppen verwendet. Das zugrundeliegende germanische Wort „Walchen“ (Adjektiv „welsch“), althochdeutsch walha (Adjektiv walhisk), ist höchstwahrscheinlich aus dem keltischen Ethnonym (Volksnamen) der Volker entlehnt (durch die Erste Lautverschiebung verändert). Als die keltischen Nachbarn der germanischen Stämme romanisiert wurden, benutzten die Germanen den Begriff „welsch“ für ihre Nachbarn weiter, wodurch es die Bedeutung „romanisch“ erhielt. Weitere Beispiele für die Verwendung des germanischen Wortes in unterschiedlichen Teilen Europas sind Wales auf der Insel Großbritannien und Wallonien, in beiden Fällen als Bezeichnung keltischer Siedlungsräume.
[…]
Auch andere romanische Völker haben Exonyme, die aus dem Begriff "Welsche" hervorgegangen sind. Italiener zum Beispiel werden im Ungarischen olasz genannt, während die ältere ungarische Bezeichnung für Rumänen oláh ist. Deutsche in Südtirol nannten früher ihre italienischen Mitbürger „Walsche“. Im Polnischen ist die Bezeichnung Włosi für Italiener und Włochy für Italien gebräuchlich, während die alte Bezeichnung für Rumänen Wołoch ist. In den westslowenischen Mundarten werden die Friauler als Lah bezeichnet. In Siebenbürgen nannten die Siebenbürger Sachsen die rumänische Bevölkerung „Blochen“ oder „Blechen“.


Dazu muss man sagen, dass die Slowenen zu den Rumänen noch heute mitunter auch das Wort Vlah verwenden, d.h. dass in diesem Punkt unterschieden wird zwischen Italienern und Rumänen.


Unausgesprochen basiert diese Behauptung auf der Vorstellung, der Begriff welsch basiere auf dem keltischen Stammesnamen Volcae.
Ob das Wort Lah oder Welsch aus dem Keltischen stammt ist weniger wichtig als die Tatsache, dass es für (romanisierte) Kelten verwendet wurde.


Man muss sich nur vergegenwärtigen, dass nach neuerlicher Christianisierung ab dem 8. Jhdt. die heidnischen Riten und Bräuche vornehmlich in abgelegenen Gebieten bis ins Hochmittelalter praktiziert wurden, was z.B. dazu führte, dass 1184 der Papst Lucius III. in seiner Bulle Ad abolendam die Bischöfe anwies, 2 bis 3 Mal jährlich die Pfarreien zu besuchen, „von denen die Rede geht, dort wohnten Häretiker, und drei gut beleumundete Männer oder notfalls die ganze Nachbarschaft (viciniam) schwören lassen, daß sie Häretiker, Teilnehmer geheimnisvoller Versammlungen und solche, die sonst von christlichen Sitten abweichen, anzeigen werden;“.
Es geht dabei um Häretiker, nicht um Heiden oder heidnisch-christlichen Synkretismus.
Das von mir Hervorgehobene ist eine Aufzählung, in der die Häretiker lediglich als erste von insgesamt dreien genannt werden.


...dass z.B. auf dem Hemmaberg trotz der dort inzwischen errichteten Kirchen auch die keltische Gottheit Iouenat weiter (heimlich) verehrt wurde, was sich nach der Landnahme durch Slawen (verstärkt?) fortsetzen könnte.
Die Slawen haben also plötzlich einen keltischen Gott verehrt?
Nein. Gemeint ist, dass während der Römerherrschaft Iouenat anfangs legal, und nachdem alle heidnische Kulte verboten wurden, eben illegal verehrt wurde. Die Landnahme der heidnischen Slawen könnte wieder zur legalen Iouenat-Verehrung der einheimischen Heiden geführt haben, während die einheimischen Christen sich in die Illegalität zurückziehen mussten.


Synkretismen gibt es durch die gesamte Kirchengeschichte.
Eben. Und deswegen ist es denkbar, dass sich die Heiden ihre Sitten und Gebräuche dei alten Kultplätze zurückholten, wann immer das möglich war, d.h. wenn die Kontrolle wegfiel. Glaube war (damals) nichts, was man eben so abstreifte, sondern was Essentielles sowohl für das Leben als auch für den Tod.


Mit deinem "heimlich" und "es ist nicht auszuschließen" enthebst du dich gewissermaßen der Historikerpflicht in den historischen Quellen Belege oder doch zumindest belastbare Indizien für deine Hypothese zu finden.
Das stimmt, die Belegsituation ist keine erfreuliche. Aber man kann aus dem Verhalten von Menschen in ähnlichen Situationen, die belegt sind, Analogien schleißen. In Bezug auf Religionen gibt es zahlreiche Beispiele für deren Weiterleben im Untergrund, wenn sie verfolgt wurden. Dies gilt vor allem für Christen und ich sehe nicht ein, dass das für andere Religionen und Kulte nicht gelten soll.


Bisher haben wir, wenn wir den Thread mal zusammenfassen, folgendes: Eine hypothetische Kontinuität eines heidnischen Heiligtums ohne Beleg trotz Überlieferungslücke und deutlicher christlicher Anwesenheit, eine hypothetische Rekeltisierung ohne Beleg nach Jahrhunderten römischer Herrschaft, und eine hypothetische Verstärkung des nur noch hypothetisch existierenden keltisch-heidnischen Elements durch die Zuwanderung der Slawen.
Möglicherweise gab es gar keine Rekeltisierung. Die Kärntner Slowenen sind der lebende Beweis dafür, dass auch eine 1000-jährige Fremdherrschaft (fremder Zunge) nicht in der Lage war, ihre Sprache zum Verschwinden zu bringen. Umso mehr muss man also zweifeln, dass den Römern das mit den Kelten in eben diesem Gebiet gelang, schließlich haben sie dafür nur wenige Jahrhunderte Zeit gehabt.

PS: Eine Antwort an Dich, Sepiola, erfolgt morgen.
 
Voher war das Argument noch, vlah wäre für Kelten benutzt worden, nun sind es plötzlich Romanen oder romanisierte Kelten. Ausgangspunkt der Diskussion war ja, das vlah al Beleg dafür herangezogen wurde, dass die Slowenen in Kärnten den Begriff auf eine keltische, nichtromanische Bevölkerung anwendeten, da ja Ausgangspunkt der ganzen Behauptung war, dass das Norikum nie richtig romanisiert worden sei. Da stellt sich mir jetzt die Frage: Wenn wir uns einig sind, dass vlah eigentlich für Romanen steht, worüber diskutieren wir eigentlich noch?

Nein. Gemeint ist, dass während der Römerherrschaft Iouenat anfangs legal, und nachdem alle heidnische Kulte verboten wurden, eben illegal verehrt wurde. Die Landnahme der heidnischen Slawen könnte wieder zur legalen Iouenat-Verehrung der einheimischen Heiden geführt haben, während die einheimischen Christen sich in die Illegalität zurückziehen mussten.
Gibt es dafür irgendwelche bealstbaren Anhaltspunkte? Ich sehe keine.

Das stimmt, die Belegsituation ist keine erfreuliche. Aber man kann aus dem Verhalten von Menschen in ähnlichen Situationen, die belegt sind, Analogien schleißen. In Bezug auf Religionen gibt es zahlreiche Beispiele für deren Weiterleben im Untergrund, wenn sie verfolgt wurden. Dies gilt vor allem für Christen und ich sehe nicht ein, dass das für andere Religionen und Kulte nicht gelten soll.
Das ist gar nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass du für solche Überlegungen Anhaltspunkte benötigst. Ohne Anhaltspunkt keine sinnvolle Hypothese, für die man dann weitere Belege suchen würde. Aus der Luft gegriffene Behauptungen sind keine Hypothesen.

Die Kärntner Slowenen sind der lebende Beweis dafür, dass auch eine 1000-jährige Fremdherrschaft (fremder Zunge) nicht in der Lage war, ihre Sprache zum Verschwinden zu bringen. Umso mehr muss man also zweifeln, dass den Römern das mit den Kelten in eben diesem Gebiet gelang, schließlich haben sie dafür nur wenige Jahrhunderte Zeit gehabt.
Die Kärntner Slowenen sind in allererster Linie der lebende Beweis dafür, dass es Kärntner Slowenen gibt. Über das Stattfinden oder Nichtstattfinden von Verdrängungsprozessen des Keltischen unter römischer Herrschaft geben sie keinerlei Aufschluss.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kranzmayer selbst gibt im 2. Teil des Ortsnamensbuchs von Kärnten (1958) den slowenisch-mundartlichen Namen von St. Peter am Wallersberg mit Vłašîn(i)ca an und bemerkt dazu: "gehört ... zu vlah 'Romane'".
Ob ihm mit der steilen These eines slowenischen "vlah = Kelte" selber nicht mehr ganz wohl war?
Es könnte sein, dass damals mit vlah Kelten, romanisierten Kelten und Römer gemeint waren. Analog zu dem germanischen Begriff Welsch, der ursprünglich wohl für Kelten galt, später für romanisierten Kelten und zuletzt auf alle romanischsprachige.

Während Kranzmayer für das weitgehende Fehlen romanischer (und vorromanischer) Siedlungsnamen in den östlichen Gegenden die "wilden", "grausamen" und "barbarischen" Awaren verantwortlich macht.
Dass in den östlichen Gebieten romanische Siedlungsnamen fehlen, obwohl dort laut der Grabsteine romanisierte Bevölkerung lebte, ist ein Fakt, das einer Erklärung bedarf: Kranzmayer versucht dies, nicht mehr und nicht weniger.


Es wird aber noch skurriler:
Nachdem die Römer als Zwischenglied zwischen Kelten und Slowenen ausgeschaltet sind, bringt Kranzmayer ein neues Zwischenglied ins Spiel: Die Langobarden!
Kranzmayers Kärnten ist nicht das heutige Kärnten: Er zählte dazu auch das Kanal- und das Mießtal. Das Gebiet, Karnien genannt, war nacheinander: … keltisch, römisch, ostgotisch, langobardisch, slawisch, deutsch, venezianisch, österreichisch und italienisch. Und Tolmezzo, die Hauptstadt dieser historischen Region, ist nur 12 Stunden Fußweg von Cividale, der einstigen Langobarden Hauptstadt, entfernt. Dass die Langobarden da - ebenso wie die anderen Völker - ihre Spuren hinterlassen haben, ist sehr wahrscheinlich.


Die entsprechende Aufgabenbeschreibung war bereits am 17. Juni 1941 formuliert worden:

"Überprüfung und Neudarstellung der politischen Geschichte, gründliche Erforschung und eingehende Darstellung der deutschen Besiedlung...

Erforschung der langobardischen Besiedlung und des langobardischen Einflusses im Lande; Erforschung der Spuren germanischen Lebens in der grossgermanischen oder Völkerwanderungszeit...

Erforschung der Bevölkerungs-, Rassen- und Siedlungsverhältnisse der Vorzeit unter besonderem Augenmerk auf die Völkerwanderungszeit, ganz besonders wieder auf die Langobardenzeit.“
[…]
Die Forschungsstelle wurde schließlich am 10. Oktober 1942 unter dem Namen "Institut für Kärntner Landesforschung" gegründet.

Leiter dieses Instituts war Eberhard Kranzmayer.
Wenn Du meinst, mit diesen Hinweisen Kranzmayers Forschung diskreditieren zu können, bitte. Zu diesem Thema meine ich grundsätzlich: Kranzmayer war ein Kind seiner Zeit und wir sind Kinder unserer Zeit. Unsere Sicht der Dinge ist eine andere als seine, aber ob sie richtiger als die von Kranzmayer oder sonst wem ist, werden nicht wir entscheiden, sondern die, die nach uns kommen.
 
Es könnte sein, dass damals mit vlah Kelten, romanisierten Kelten und Römer gemeint waren.

Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt.

Dass in den östlichen Gebieten romanische Siedlungsnamen fehlen, obwohl dort laut der Grabsteine romanisierte Bevölkerung lebte, ist ein Fakt
Nicht ganz, es gibt ja romanische Siedlungsnamen.
Nur keine keltischen.

Im Westen lässt sich eine romanischsprechende Bevölkerung bis ins Mittelalter nachweisen, aber keine keltische.

Das sind die Fakten.

Wie kann man sich da auf die Behauptung versteigen, es habe in der Spätantike bzw. Frühmittelalter keine nennenwerte romanische Bevölkerung in Kärnten gegeben, dafür aber eine (illyrisch-)keltische?


Kranzmayers Kärnten ist nicht das heutige Kärnten: Er zählte dazu auch das Kanal- und das Mießtal. Das Gebiet, Karnien genannt, war nacheinander: … keltisch, römisch, ostgotisch, langobardisch, slawisch, deutsch, venezianisch, österreichisch und italienisch. Und Tolmezzo, die Hauptstadt dieser historischen Region, ist nur 12 Stunden Fußweg von Cividale, der einstigen Langobarden Hauptstadt, entfernt. Dass die Langobarden da - ebenso wie die anderen Völker - ihre Spuren hinterlassen haben, ist sehr wahrscheinlich.
Gurnitz liegt weder im Kanal- noch im Mießtal, und es geht auch nicht darum, ob Langobarden irgendwelche Spuren hinterlassen haben, sondern um die Behauptung, dass sich langobardische Siedlungsnamen in Kärnten erhalten hätten.

Wenn Du meinst, mit diesen Hinweisen Kranzmayers Forschung diskreditieren zu können, bitte.
Mir geht es überhaupt nicht darum, Kranzmayers Forschung als solche zu diskreditieren. Kranzmayers Wirken weist eine große Bandbreite auf, von solider Grundlagenarbeit auf der einen Seite bis zu haarsträubenden Thesen auf der anderen Seite. Das sollte man unterscheiden und nicht miteinander vermengen.

Zu diesem Thema meine ich grundsätzlich: Kranzmayer war ein Kind seiner Zeit und wir sind Kinder unserer Zeit. Unsere Sicht der Dinge ist eine andere als seine, aber ob sie richtiger als die von Kranzmayer oder sonst wem ist, werden nicht wir entscheiden, sondern die, die nach uns kommen.
Über Kranzmayers Sicht haben bereits die entschieden, die nach ihm kamen. Seine empirischen Forschungen behalten ihren Wert. Was er an unhaltbaren Hypothesen aufgestellt hat, ist ad acta gelegt.

Die Sicht der heutigen Forschung wird in dem einen oder anderen Punkt sicher eines Tages überholt sein.

Wir können aber im Moment nichts besseres tun, als uns mit dem heutigen Forschungsstand vertraut zu machen.

Überholte Thesen von vorgestern als gleichwertig mit dem heutigen Forschungsstand zu behandeln, wäre mit Sicherheit der falsche Weg.
 
Zuletzt bearbeitet:
In (Irschen) Kärnten wurde jetzt eine Kirche aus dem 3. Jhdt. ausgegraben:
Kärnten: Archäologen entdecken gut erhaltene frühchristliche Kirche - Archäologie - derStandard.at ? Wissenschaft
Der Ortsname Irschen wird im Übrigen vom Personennamen Ursus (lat. Bär) abgeleitet.


Danke für den Hinweis, beim Lesen stelle ich allerdings vor einem sprachlichen Problem:

Denn die Römer bauten ihre Bergstraßen gerne ohne Kehren, die damals Monumentalbauten waren, so der Wissenschafter. - derstandard.at/2000048029211/Kaernten-Archaeologen-entdecken-gut-erhaltenefruehchristliche-Kirche

Was zum Kuckuck sind Kehren? In der Liste https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Austriazismen#K findet sich dieser Ausdruck nicht. Aus dem Kontext vermute ich eine Art von Serpentine.

EDIT: https://de.wikipedia.org/wiki/Kehre_(Straße), eine Haarnadelkurve
 
Ich nehme an, es sind künstliche Kehren gemeint, also Serpentinen, die erst mit viel Aufwand angelegt werden müssen. Kehre ist eher ein alter denn ein österreichischer Ausdruck.
 
Danke für den Hinweis, beim Lesen stelle ich allerdings vor einem sprachlichen Problem:

"Denn die Römer bauten ihre Bergstraßen gerne ohne Kehren, die damals Monumentalbauten waren, so der Wissenschaftler."


Was zum Kuckuck sind Kehren? --> eine Haarnadelkurve

Du hast es ja nun herausgefunden, aber ich stehe vor einem Verständnisproblem:

Wieso sind Kehren "Monumentalbauten", und was ist die vernünftige Alternative dazu? Der Weg wird länger, ja, aber sonst?

Ohne Kehren bedeutet doch, dass man dann eine wesentlich steilere Steigung in Kauf nehmen muss.
M.E. benutzt(e) man aber Kehren nur dann, wenn es eben ohne diese zu steil wird - mit "gerne" hat das nix zu tun...
Niemand baut aus Jux und Dollerei Kehren...

https://upload.wikimedia.org/wikipe...en,_norway.JPG/1200px-Trollstigen,_norway.JPG

Gruss, muheijo
 
Wenn du Serpentinen baust, musst du einerseits dafür sorgen, dass die Straße nicht nach unten wegbricht, andererseits aber von oben nichts herabstürzt. D.h. du musst jede Menge Volumen Fels, Geröll und aufliegende Erdschichten bewegen. Der Reisende sieht nur den Weg, nur die Fahrspur, der Ingenieur sieht den ganzen Berg, mit Auf- und Abstieg, mit den umgebenden Tälern...
Dass die Römer immer nur geradeaus bauten, ist natürlich ein Stück weit auch ein Mythos (wenn die Realität diesem Mythos auch vielfach recht nahe kommt). Die Römer haben bei Steigungen Straßen gerne leicht gestuft, so dass Zugtier etwa einen Halt fanden, wenn ihr Zuggewicht nach unten zog. Gleichzeitig zeigen Spurrillen genormte Achsbreiten an.
 
die Vita Sancti Severini geht im Prinzip von einer rein christlichen romanischsprachigen Bevölkerung vor der Deportation nach Italien aus
Im Prinzip ja. Es gibt eine Ausnahme: Im castellum Cucullae (Kuchl) soll ein Teil der Leute heimlich "frevelhafte Opfer" verrichtet haben. Von Severin auf wundersame Weise enttarnt, sollen sie ihre Verfehlungen gebeichtet und fortan ein geradezu vorbildliches Christentum praktiziert haben.
 
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