Aus einem anderen Faden: Ich sehe erhebliche Unterschiede zwischen leichtbewaffneten Germanen des Arminius und den Legionären des Varus.
Ein
römischer Legionär hatte ein größeres Schild (als ein germanischer Krieger) und die metallene Rüstung zu tragen.
An Bewaffnung trug er das Kurzschwert, einen kurzen Wurfspeer und ein Messer oder Dolch.
Außerdem trug er Marschgepäck was zusammen mit der Rüstung und Bewaffnung mindesten
40 kg wog.
Hier kann man sehen, aus was ein
Marschgepäck bestand und wie das Ganze aussah.
Die schwereren Sachen wie Getreidemühle, Spaten für Erdarbeiten etc. befanden sich auf Maultieren (eines pro Zeltgemeinschaft) oder auf einem Wagen. Beides benötigte einen Trossknecht, was eine Legion um ca. 1000 Mann zusätzlich anwachsen lässt, bei 3 Legionen war der Tross also ca. 3000 Mann groß, die Knechte für die 3 Reiterabteilungen und 6 Kohorten nicht eigerechnet (Velleius Paterculus 2,117-119)
Ein
germanischer Krieger hatte vielleicht ein kleines Schild, aber sonst keine Rüstung.
An Bewaffnung trug er einen Speer, ein Schwert und ein Messer.
Falls es auch Bogenschützen gab, waren die Bogen wegen Regens genauso wenig zu gebrauchen wie die der Römer.
Ob sie auch Marschgepäck bei sich hatten, ist wenig wahrscheinlich.
Welche Rolle spielen die 3000 Trossknechte in deiner Argumentation?
Wie ist es den Römern eigentlich gelungen bis zur Varusschlacht zu kommen, wenn sie die 200 Jahre zuvor immer das Marschgepäck so behindert hatte? Wenn es Ihnen so sehr zum Nachteil gereichte?
Ob es wirklich regnete, wissen wir nicht. Das ist einer der vielen Gründe, die Cassius Dio für die Niederlage der Römer angibt - kein Vellius, kein Florus, kein Tacitus hält den Regen für erwähnenswert. Dass es regnete, ist natürlich plausibel. Aber ist es auch plausibel, dass der Regen den Römern zum Nachteil gereichte?
Hatten die Römer eine Schön-Wetter-Armee, die sich bei Regen auflöste? (Interessant nebenbei, dass Cassius Dio 160 Jahre später vom Regenwunder im Quadenland zu berichten weiß).
Legionäre marschierten sicher so ausgerüstet wie oben beschrieben, schließlich rechneten sie nicht mit einem Angriff. Das Marschgepäck war nicht wasserdicht, also wog das Ganze noch mehr als 40 kg. Es ist offensichtlich, dass Legionäre aufgrund des Gewichts mehr stolperten und ausrutschten als die leichtbewaffneten Germanen.
Okay, wir haben also die Römer in Germanien, die es über Jahre geschafft haben, jeglichen Marsch und jegliche Schlacht bei Sonnenschein oder zumindest halbwegs trockenem Wetter zu schlagen und jetzt endlich erwischt Arminus sie bei Regen - slippery when wet - Cassius Dio zu Folge, dem du ja offensichtlich alles glaubst, was er schreibt - was, wie gesagt, wegen seiner bestechenden Ausführlichkeit durchaus verlockend ist.
Nun hatten wir ja die Stelle besprochen, dass nach Cassius Dio die Römer ihren Tross, bzw. genauer gesagt, einen Teil davon, verbrannten. Als sie das taten... entledigten sich da die Römer nicht der Teile ihres Marschgepäcks, die für die unmittelbare Verteidigung ihrer Haut unnotwendig war. Hältst du es für plausibel, dass sie brav mit sämtlichen 40 kg weitermarschierten? Ich frag nur, um deine Vorstellungen zu verstehen.
Zugegeben, nur Cassius Dio berichtet von Frauen und Kindern im Tross, aber weil beide (Cassius Dio und Velleius Paterculus) von Sorglosigkeit des Varus berichten, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das stimmt;
So einfach kann man es sich nicht machen. Varus war ein erfahrener Feldherr, der über 20 Jahre militärische Führungserfahrung hatte. Wir wissen auch, dass er unter Augustus ein ehrenvolles Begräbnis erhielt. Die frühen Quellen (Ovid, 10 n. Chr. geschrieben, datiert nach der Angabe, dass er nun den zweiten Winter im Exil verbringe, schreibt nur von
fraude locorum, Manilius beklagt dass
foedere rupto cum fera ductorem rapuit Germania Varum interfecitque trium legionium sanguine campos - also dass die wilde, vertragsbrüchige Germania den Anführer Varus geraubt habe und drei Legionen auf blutigem Feld tötete; in das gleiche Horn stößt Strabon: οἱ δὲ πιστευθέντες τὰ μέγιστα κατέβλαψαν, καθάπερ οἱ Χηροῦσκοι καὶ οἱ τούτοις ὑπήκοοι, παρ᾽ οἷς τρία τάγματα Ῥωμαίων μετὰ τοῦ στρατηγοῦ Ὀυάρου Κουιντιλλίου παρασπονδηθέντα ἀπώλετο ἐξ ἐνέδρας. (Denen man am meisten Vertraute, die Cherusker und ihre Klienten, brachen den Vertrag und töten die Römer und Varus aus dem Hinterhalt.)
Varus hatte genau das getan, was Augustus von ihm erwartete. Es war die Politik des Kaiserhauses. Vermutlich fand erst nach dem als Erfolg verbrämten Scheitern Germanicus‘ der Paradigmenwechsel in der Varusperzeption statt. Während Strabon ihn noch als Opfer der Germanen sieht, steht gewissermaßen zeitgleich Velleius Paterculus für die Zäsur und nimmt Tiberius aus der Schusslinie, indem er alle Verantwortung für die verfehlte Germanienpolitik eines in den dunkelsten Farben (dumm und habgierig) auf Varus abschiebt. Dass das Erfolg hatte, erfahren wir bei Seneca, der davon missbilligend berichtet, wie ein Rhetorik-Lehrer Varus‘ Sohn abkanzelte:
filium obiurgabat, patri male dixit - um den Sohn zu tadeln, sprach er Schlechtes über dessen Vater.
Velleius Paterculus und Cassius Dio bestätigen einander also nicht, sondern Cassius Dio hängt einer Tradition an, die Velleius etwa 15 Jahre nach der Varusschlacht begründet hatte.
Aus diesem Grund glaube ich, dass Cassius Dios Darstellung der Geschehnisse glaubhaft ist.
Es ist ja nicht so, als sei die Römische Geschichte des Cassius Dio nur die Passage um die Varusschlacht, die 200 Jahre nach den Ereignissen mit vielerlei Informationen aufwartet, die bezeichnenderweise keine andere, frühere Quelle kennt. Du hast dich sehr auf den Regen und das römische Marschgepäck fokussiert (und natürlich auf die Parallelen der Varusbewertung mit Velleius Paterculus - dabei handelt es sich eben
nicht um voneinander unabhängige Quellentraditionen, die sich gegenseitig bestätigen könnten, sondern um dieselbe Erzähltradition.
Ausgelassen hast du die ganze Physik. Warum rutschen die Germanen nicht aus? Warum werden nur Römer von Baumkronen erschlagen?
Cassius Dio - um den obigen Satz wieder aufzugreifen, dass Cassius‘ Text weit mehr umfasst, als nur die Erzählung zu Varusschlacht, erzählt Ereignisse nach, die er z.B. aus Caesars
de Bello gallico entnimmt. trotzdem kommt Caesar bei ihm besser weg, als Caesar in der Eigendarstellung. Ist doch komisch, oder?
An anderer Stelle - da sind wir wieder bei Physik - lässt er Caesar von einem Schiff ins Wasser stürzen. Caesar entledigt sich im Wasser seines Mantels und schwimmt an Land. So weit, so gut. Nun hat Caesar aber beim Sturz ins Wasser ein Schriftstück dabei und dieses bringt er
trocken an Land. Caesar ist demnach beim Sturz ins Wasser nicht nur nicht eingetaucht, nein, er hat sich auch noch offensichtlich einhändig seines Mantels entledigt und ist einhändig an Land geschwommen, ohne dass das Dokument nass wurde.
Ich kann den Drang, Cassius Dio glauben zu wollen, gut nachvollziehen, denn er ist ja letztlich der einzige Autor, der detailliert über das Schlachtgeschehen schreibt, Velleius kündigt einen ausführlichen Bericht für ein späteres Werk an, dass er nie geschrieben/veröffentlicht hat, Tacitus beschreibt, teils elliptisch, einen klimakterischen Bericht über die Schlachtfeldbegehung, aber nicht über Schlacht selbst. Aufidius und Plinius’ Germanenkriege sind nicht auf uns gekommen. Nur ist Cassius Dio eben ein Schwätzer, der das dürre Gerippe der Überlieferung regelmäßig und gerne wortreich ausgestaltet, und das zieht sich durch sein Gesamtwerk.