Souverän der USA

Zwischen Carl Schmitt und Hans Blumenberg entstand einmal eine Kontroverse über Goethes "nemo contra deum nisi deus ipse" (Niemand darf Gott in Frage stellen außer Gott selbst).

Schmitt wertete diesen Satz dahingehend, dass Feindschaften nicht aus der Welt zu schaffen sind, da diese von Gott gegeben seien. Dementsprechend verhaftete Schmitt beim Ausnahmefall des In-Frage-Stellens. Der Ausnahmefall-Entscheider war gottgleicher Souverän.

Blumenberg hingegen wertete diesen Satz polytheistisch. Viele Götter hatten auf vielfache Weise Macht. Die Feindschaften zwischen den Göttern wurde dadurch gezähmt, dass ein Gott den anderen in Schach hielt. Checks and balances im Götterhimmel als Mechanismus zur Angstreduktion (Blumenberg, Arbeit am Mythos. 2. Auflage 1979, S. 433-604).
 
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Ich persönlich neige inzwischen zu dem Standpunkt, dass Souveränität nichts weiter einen systemischen Referenzpunkt darstellt. Souverän ist demnach, nach wessen Ansprüchen/Bedürfnissen sich das gesamte gesellschaftliche System zu richten hat. Das meint jetzt nicht nur das politische oder rechtliche System, sondern wirklich alle Teile, wie etwa das wirtschaftliche, soziale, religiöse etc System. So wäre etwa Volkssouveränität dadurch zu verstehen, dass das gesamte System auf die Ansprüche/Bedürfnisse des Gesamtvolkes zugeschnitten sein muss (das Wirtschaftssystem des Fordismus wäre da etwa ein USA-Beispiel). Mit anderen Worten: Überspitzt formuliert: Souveränität ist nichts weiter eine Fiktion, um das System in seinen Prioritäten zu stabilisieren.

Ich glaube daher nicht, dass Souveränität sehr viel mit dieser Schmitt’sche Kraftmeier-Rhetorik zu tun hat, schon gleich gar nicht in den USA. Soweit ich Beispiele aus den USA kenne, wurden dort Freiräume für gewaltsame Übergriffe vor allem durch Recht, nicht über das Recht hinweg geschaffen. Der Ausnahmezustand ist eben ein ganz explizit ins Recht eingebetteter Zustand, was nötig ist, damit er stabil bleibt bzw. legitim ist.

Beispiele: In Guantanamo z.B. wurden rechtsfreie Räume dadurch hergestellt, dass Souveränität und damit konstitutionelle Verpflichtung für den Standort auf Kuba zurückgewiesen wurde (nicht etwa, wie bei Schmitt, durch die Exekutive an sich gerissen!). Historisch ist ein interessantes Beispiel auch das rechtliche Aufweichungsmanöver bei der ‚eingebetteten Souveränität’, die eigenhändig für indianische Stämmen erfunden wurde (damit man die Souveränität dieser Stämme über ihre Territorien eben nicht im völkerrechtlichen Sinne anerkennen musste, sondern rechtlich umdefinieren konnte).

Kleine Übersicht zum Indianerbeispiel hier. Bei diesem Beispiel ist mein Wissen über solche Allgemeinplätze hinaus ein bisschen schwammig; wenn jemand da gut Bescheid weiß, das wäre bestimmt interessant zu verfolgen. Da käme mal wieder was Historisch-Konkretes zu unserem arg theoretischen Thema hier hinzu. Aber weil’s trotzdem so schön ist, schnell zurück zur Theorie.

Wir haben mittlerweile durch unsere Diskussion hier festgestellt, dass ‚Souveränität’ mal ganz grundsätzlich schwer zu definieren ist. Auch meine oben angeführte persönliche Definition (Souveränität als Referenzpunkt) gilt nur unter bestimmten historischen Voraussetzungen. Louis XIV würde mir was husten bei dieser Definition!

Foucault hat dieses Grundproblem der Definition in einer Vorlesungsreihe [1] sehr schön nachgezeichnet und dabei auch den historischen Hergang des Begriffes „Souverän“ erläutert. (um mal wieder Foucault zu zitieren statt immer nur diesen ollen Schmitt - zumal Foucault im Gegensatz zu Schmitt Historiker war, was man sehr deutlich an der Rechercheleistung merkt. Schmitt neigt zu lausiger Recherche).

In selbiger Vorlesungsreihe jedenfalls legt Foucault den Finger auf zwei Probleme, um die wir hier in der Diskussion ständig rumeiern:

Erstens, dass man ja schön viel zu dem Begriff Souveränität sagen kann, aber nichts davon wirklich griffig auf die Systeme zu passen scheint, die wir uns anschauen. Das resultiert laut Foucault aus dem grundsätzlichen Problem, dass der Begriff „Souverän“ aus vordemokratischen und vorkapitalistischen Zeiten stammt, und es daher schwierig ist, den Begriff in einer westlichen Demokratie nur einem einzigen politischen Player zuzuweisen. Wir sehen hier in der Diskussion, dass dieser Einwurf nicht unberechtigt ist: Für die USA haben wir inzwischen eine ganze Sammlung von Souveränen, nämlich Volk, Kongress (Bodin), Bundesregierung insb. Präsident (Schmitt), Bürokraten (Butler), nicht zu vergessen, wie ich noch spitzfindig hinzufügen möchte, die einzelnen Bundesstaaten (Robert Cover) [2].

Zweitens weist Foucault auf ein Paradox im Souveränitätsbegriff hin, auf das ich mit meiner obrigens Referenzpunkt-Definition ein bisschen anspiele. Kurz vorab zur Begriffserklärung: Mit „Subjekt“ meint er so was wie Intersubjektivität, also dass Souveränität ein politisches Verhältnis verschiedener Menschen ausdrücke.Er schreibt (in meiner ad hoc-Übersetzung, ich hab das Buch nur auf Englisch; Originalzitat ist unten):

„Subjekt, vereinheitlichte Macht und Gesetz: die Theorie der Souveränität kommt, denke ich, im Zusammenspiel dieser Elemente zum Tragen. Sie setzt jene Elemente gleichzeitig voraus und versucht sie zu begründen.“ [3]

Der letzte Satz ist entscheidend: Souveränität ist eben auch ein retrospektiver Legitimitätsanspruch. Um sagen zu können, dass einem System ein Souverän zugrunde liegt der das System aushebeln kann (wie Schmitt argumentieren würde), muss das System erstmal existieren und so stabil sein, dass es durch die Existenz des Souveräns nicht direkt wieder in seinen Grundfesten bedroht wird. Die Katze beißt sich da in den Schwanz.


[1] Michel Foucault: “Society Must Be Defended.“ Lectures at the Collège de France, 1975 - 76. Editors: F. Bertani, A. Fontana. New York: Picador, 2009. (besonders die Sitzungen vom 14. und 21. Januar 1976).
[2] „The Constitution embodied the recognition in some measure of the formal sovereignty of states, with the attendant formal independence of tribunals.“ Robert Cover: Uses of Jurisdictional Redundancy. In: Martha Minow et al (eds): Narrative, Violence, and the Law. The Essays of Robert Cover. University of Michigan Press, 1995. S. 53.
[3] „Subject, unitary power, and law: the theory of sovereignty comes into play, I think, among these elements, and it both takes them as given and tries to found them.“ Society must be defended, S. 44.
 
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Mit einem, dem zum Stichwort “Souverän” nichts besseres einfällt als “Ausnahmezustand” oder “Diktatur” (fehlte gerade noch der “oberste Gerichtsherr” A.H.) kann ich persönlich in einer Diskussion, in der es um Volkssouveränität und demokratische Verfassung als eigentlicher Souverän geht, nichts anfangen .

Um nochmals auf den Eingangsbeitrag zurückzukommen: Wenn ich an den Artikel 19 des Grundgesetzes denke, läge für mich eher der Schluss nahe, das deutsche Volk habe zugunsten der “Ewigkeitsgarantie” für den Grundrechtskatalog einen Teil seiner, auch verfassungsändernden, Souveränität aufgegeben. In der US-Verfassung gibt es so etwas nicht. Insofern gilt, was anderswo zu Rousseaus “Gesellschaftsvertrag” geschrieben wurde - der Souverän kann den “Vertrag” ändern. Dass die Verfassung regelt, welcher Organe sich der Souverän bei der "Alltagsarbeit" bedient, heißt nicht, dass diese an seine Stelle tritt.
 
Ich persönlich neige inzwischen zu dem Standpunkt, dass Souveränität nichts weiter einen systemischen Referenzpunkt darstellt. [Der] Souverän ist demnach, nach wessen Ansprüchen/Bedürfnissen sich das gesamte gesellschaftliche System zu richten hat. Das meint jetzt nicht nur das politische oder rechtliche System, sondern wirklich alle Teile, wie etwa das wirtschaftliche, soziale, religiöse etc System. So wäre etwa Volkssouveränität dadurch zu verstehen, dass das gesamte System auf die Ansprüche/Bedürfnisse des Gesamtvolkes zugeschnitten sein muss (das Wirtschaftssystem des Fordismus wäre da etwa ein USA-Beispiel). Mit anderen Worten: Überspitzt formuliert: Souveränität ist nichts weiter eine Fiktion, um das System in seinen Prioritäten zu stabilisieren.

Da komme ich, auch "weil's so schön ist", glatt ins Assoziieren bzw. Herumeiern:

  1. Einerseits soll Souveränität soll (nur) ein "systemischer Referenzpunkt" bzw. "eine (systemstabilisierende) Fiktion" sein.
  2. Andererseits gibt es einen körperlich vorhandenen, d.h. nicht nur fiktiven Souverän.
Zu 2.
Als Beispiel aus "vordemokratischen und vorkapitalistischen Zeiten" wird gern auf den schon mehrfach erwähnten Bodin Bezug genommen, dessen S.-Konzept von Maissen [1] so beschrieben wird, "dass alle Hoheitsrechte im Inneren eines Landes von einer einzigen Quelle ausgehen und dass diese oberste Gewalt durch keine fremde - geistliche oder weltliche - Macht eingeschränkt wird". Die Quelle ist natürlich der Monarch, der aber für Bodin seinerseits an das Gesetz gebunden ist und "auch die 'mores civitatum' und 'antiqua consuetudo', also Privilegien und Herkommen, nicht ohne Zustimmung der Betroffenen (oder ihrer ständischen Institutionen) ändern" darf [2]. Ludwig XIV. hatte auch hiermit seine Probleme...

Damit landen wir wieder bei der Staatsformenlehre: Was für Bodin der Monarch bzw. die Monarchie war, war für manche alten Griechen die Aristokratie und ist für uns die Demokratie bzw. das Volk, welches in bestimmter Weise seine Ansprüche/Bedürfnisse zur Geltung bringt "in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe", wobei letztere nach dem Gewaltenteilungsprinzip organisiert sind.

In der traditionellen Staatslehre spielen bekanntlich drei "Elemente" eine Hauptrolle [3]: 1. das Staatsgebiet, 2. das Staatsvolk und 3. die Staatsgewalt, und ein großer Teil der Literatur kreist um die Frage, wie Staatsgewalt und S. zusammenhängen [4], so dass man sagen könnte: der S.-Begriff hängt hauptsächlich davon ab, auf wieviele und welche Schultern (bzw. "Player") die mit ihm verbundene Machtstellung verteilt ist.

Zu 1.
Die Foucaultsche Formel, wonach "die Theorie der Souveränität" im Zusammenspiel der Elemente 1. Subjekt/Intersubjektivität, 2. vereinheitlichte Macht und 3. Gesetz zum Tragen kommt und diese gleichzeitig voraussetzt, gefällt mir gut, weil/obwohl ich sie nicht voll verstehe, insbesondere was das erste Element betrifft.

Vorab frage ich mich, ob das skizzierte "System" als zeitlos gedacht ist oder seinerseits einer bestimmten historischen Situation Rechnung trägt. Dies beiseite gelassen, finde ich den Hinweis auf die verschiedenen Subsysteme natürlich gut und richtig. Bei Bodin konnten die noch nicht im Blick sein; Luhmann meint, dass die Souveränitätsproblematik bzw. die Lehre von der Staatsraison erst im 18. Jh. "alle Funktionssysteme erfaßt (hat), vor allem auch die Wissenschaft, die Wirtschaft, das Recht, die Erziehung, die schönen Künste" [5].

Mit "dem fiktiven Referenzpunkt" assoziiere ich (auch) so etwas wie eine "Philosophie", "ein durchgehendes Prinzip" oder einen "allgemeinsten Zweck", worauf ein System ausgerichtet ist. Das klassische Beispiel geben hierbei die USA - womit ich glücklich bei der Ausgangsfrage gelandet bin: In der wohl berühmtesten Passage der "Declaration of independence" heißt es:
"We hold these truths for self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by the Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty, and the pursuit of Happiness" [6].
Der zuletzt genannte Punkt steht einzigartig da: "The pursuit of happiness is a uniquely American dynamic and outlook that continues to shape our destiny... This has important implications for spiritual, political, and human capital" [7].

Hypothese: Legitimität kann im System der USA (nur) dasjenige beanspruchen, was dem obersten Staatszweck, nämlich der Ermöglichung des "Strebens nach Glück", entspricht, und dies hat Konsequenzen für alle gesellschaftlichen Bereiche. Und mehr noch: In der Deklaration heisst es weiter, dass dann, wenn das "Government" hierbei versagt, das Volk nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet ist, "to throw off such government and to provide new Guards" zur Sicherung der Grundwerte.

Das spricht allerdings nochmal sehr stark für die Volkssouveränität - oder bin ich im Abseits gelandet?


[1] Die Geburt der Republic ... - Google Bücher S. 47
[2] aaO, S. 48
[3] Allgemeine Staatslehre. 3. Aufl. Berlin 1914, S. 394-434
[4] z.B. aaO, S. 435-474
[5] Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt 1997, S. 963 f.
[6] zitiert nach Demokratietheorien: historischer ... - Google Bücher
[7] Renewing American culture: the ... - Google Bücher - S. 2
 
  1. Einerseits soll Souveränität soll (nur) ein "systemischer Referenzpunkt" bzw. "eine (systemstabilisierende) Fiktion" sein.
  2. Andererseits gibt es einen körperlich vorhandenen, d.h. nicht nur fiktiven Souverän.

Dieser Einwand ist gut, das wird auch bei Foucault nicht immer trennscharf genug unterschieden. Ich denke, hier kommt es wirklich auf den Kontext an. Wenn man von einer Volkssouveränität ausgeht (so wie ich implizit), ist meiner Ansicht nach ausschließlich ein symbolischer, fiktionaler Souverän denkbar; ich denke mir das ähnlich wie die legal fictions à la "der rationale Mensch" etc. Geht man dagegen von einer Monarchie aus, überschneidet sich dieser symbolische, fiktionale Referenzpunkt mit einem identifizierbaren Amt und kann so von einem Menschen verkörpert werden. Das kann durchaus dazu führen, dass sich der Souveränitätsbegriff im Einzelnen etwas ändern würde.

Die Foucaultsche Formel, wonach "die Theorie der Souveränität" im Zusammenspiel der Elemente 1. Subjekt/Intersubjektivität, 2. vereinheitlichte Macht und 3. Gesetz zum Tragen kommt und diese gleichzeitig voraussetzt, gefällt mir gut, weil/obwohl ich sie nicht voll verstehe, insbesondere was das erste Element betrifft.

Ich habe mit dem Subjekt ehrlich gesagt auch so meine Schwierigkeiten. :grübel: Ich nehme an, dass Foucault hier einfach auf sein übliches Argument hinaus will, nämlich seine dezentrale Theorie von der Macht. Nach Foucault ist Macht grundsätzlich nicht in einer Institution konzentriert ("der Staat", "der souveräne Herrscher" etc) sondern konstituiert sich in einem interaktiven Netz aus allen möglichen Machtbeziehungen bis hinunter ins kleinste soziale Glied. Ich vermute jetzt einfach mal, dass er bloß betonen wollte, dass der Aufbau von Institutionen, die einen Referenzpunkt namens Souveränität brauchen, eben auf allen Ebenen auf diesen zwischenmenschlichen Machtbeziehung fußt. Jeez, war das ein langer Schachtelsatz jetzt. Sorry.

Hypothese: Legitimität kann im System der USA (nur) dasjenige beanspruchen, was dem obersten Staatszweck, nämlich der Ermöglichung des "Strebens nach Glück", entspricht, und dies hat Konsequenzen für alle gesellschaftlichen Bereiche. Und mehr noch: In der Deklaration heisst es weiter, dass dann, wenn das "Government" hierbei versagt, das Volk nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet ist, "to throw off such government and to provide new Guards" zur Sicherung der Grundwerte.

Das spricht allerdings nochmal sehr stark für die Volkssouveränität - oder bin ich im Abseits gelandet?

Deine Hypothese leuchtet mir völlig ein; muss sie ja auch, weil ich mit meinem Referenzpunkt ja auch nichts so wesentlich anderes sage. ;) Wenn man den Souverän also als die idealisierte Verkörperung des Staatszweckes sieht, hat die USA eine Volkssouveränität. Ich könnte mich durchaus darauf einigen.

Die ganzen anderen genannten Träger für Souveränität kommen wahrscheinlich zustande, weil viele Theoretiker davon ausgehen, dass ein Souverän per Definition aktiv und planmäßig agieren können muss. Schmitts Definition ist dafür ja das krasseste Beispiel. Aber auch wenn man die subtileren Theoretiker wie Bodin oder Cover heranzieht, glaube ich herauszuhören, dass sie beide zumindest ein durchgehendes, gestaltendes Agieren im *Rechtssystem* des Staates als Voraussetzung für Souveränität ansehen.

Für mich ist dieser in sich halbwegs konsequente Wille eines Souveräns allerdings keine unbedingte Grundvoraussetzung. Ich denke, solange der Souverän das theoretische Potenziel hat, gestaltend zu handeln (wie in dem von dir zitierten revolutionären Joch-Abwerfen des Volkes) reicht dieses theoretische Aktionspotenzial aus, um seine systemische Funktion als Souverän deutlich zu machen. Zudem ist ja die demokratische Struktur mit Wahlen etc. gerade dazu da, damit das gesamte Volk die Möglichkeit hat, ständig in die Machtverhältnisse im Staat einzugreifen und kleine Mini-Revolutionen unblutig durchzuziehen. Wären z.B. die Bundesstaaten wirklich souverän, könnte man als politisches System fast eine Aristokratie vermuten.

Stimmt schon: Es würde eigentlich gar keinen Sinn machen, dass die USA eine Demokratie ist, wenn nicht das Volk der Souverän wäre... :autsch:
 
Mit einem, dem zum Stichwort “Souverän” nichts besseres einfällt als “Ausnahmezustand” oder “Diktatur” (fehlte gerade noch der “oberste Gerichtsherr” A.H.) kann ich persönlich in einer Diskussion, in der es um Volkssouveränität und demokratische Verfassung als eigentlicher Souverän geht, nichts anfangen .
Carl Schmitt wurde von "jschmitt" in die Diskussion eingeführt, der es fast schon bereut, dies getan zu haben.=) Andererseits sollte man den Feind der liberalen Moderne (gemeint ist Carl Schmitt) schon deshalb kennen, um diese besser verteidigen zu können. Das erklärt auch, warum Carl Schmitt gegenwärtig so stark rezipiert wird (sowohl von den Aliberalen als auch von Liberalen).

Im Problemfeld "Souveränität", bei dem es - juristisch betrachtet - um die EINZIGARTIGKEIT der staatlichen Gewalt geht (die keine andere, insb. private Gewalt neben sich duldet), würde CS über die "Staatlichkeit" argumentieren. Der Staat (das Monster Leviathan) habe die Aufgabe, durch seine Allmacht den sonst zwischen den Bürgern drohenden Bürgerkrieg zu unterdrücken. Gerät der Staat in eine Krise, in der seine Existenz auf dem Spiel steht, muss der Staat unbedingt gerettet werden, um diesen Bürgerkrieg zu verhindern. In einer solchen Ausnahmesituation müsse alles der Rettung des Staates weichen, da alles ohne den Staat nichts sei. Werte, Regeln, Grundsätze wie "Volkssouveränität" sind bei einem solchen Verständnis nur etwas für die "Schönwettertage" und in der "Stunde der Wahrheit" bedeutungslos. Das sind die Vorstellungen, die den "Ausnahmezustandsentscheider" in der Welt von CS zum Souverän erklären.

Der liberale Gegenentwurf verlangt nicht die Bewahrung des Staates um dessen selbst willen als vielmehr die Bewahrung dessen, was den liberalen Verfassungsstaat auszeichnet (freiheitlich-demokratische Grundordnung), auch wenn ihn dies schwächer macht. Dafür macht es ihn der liberalen Theorie zufolge aber auch sanfter, erträglicher, überzeugungsfähiger, wandlungsfähiger, überlebensfähiger, nachhaltiger,...
Ich persönlich neige inzwischen zu dem Standpunkt, dass Souveränität nichts weiter einen systemischen Referenzpunkt darstellt. Souverän ist demnach, nach wessen Ansprüchen/Bedürfnissen sich das gesamte gesellschaftliche System zu richten hat. Das meint jetzt nicht nur das politische oder rechtliche System, sondern wirklich alle Teile, wie etwa das wirtschaftliche, soziale, religiöse etc System. So wäre etwa Volkssouveränität dadurch zu verstehen, dass das gesamte System auf die Ansprüche/Bedürfnisse des Gesamtvolkes zugeschnitten sein muss (das Wirtschaftssystem des Fordismus wäre da etwa ein USA-Beispiel). Mit anderen Worten: Überspitzt formuliert: Souveränität ist nichts weiter eine Fiktion, um das System in seinen Prioritäten zu stabilisieren.

Ich glaube daher nicht, dass Souveränität sehr viel mit dieser Schmitt’sche Kraftmeier-Rhetorik zu tun hat, schon gleich gar nicht in den USA.
Wie wäre es mit dem "monarchischen Prinzip" von John Adams, aus dessen "Discourses on Davila"?

Alle stabilen Regierungen würden eine einzige Gestalt erfordern, die bevollmächtigt sei, den Willen der Nation zu verkörpern und die einfachen Bürgern vor der unausweichlichen Anhäufung von Macht durch die Reicheren und Höhergestellten zu schützen. In den meisten europäischen Staaten sei dies der Erb-"Monarch", in den USA würde der Bevollmächtigte gewählt.
 
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Eine "Klärung" kann ich vorerst nicht anbieten, aber mir ist vorhin wieder jene berühmt-berüchtigte Definition von Carl Schmitt eingefallen:
"Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet"
hieß der erste Satz seiner Politischen Theologie (1922).
Übrigens: Carl Schmitt war Alkoholiker.
 
Es gibt wenige Thread zum politischen System der USA. Das direkte ist - aus guten Gründen - nicht zugänglich.

Deshalb eine Antwort hier:

btw.:mad:thanepower ist der Avatar ein ehrliches Statement oder eine Anspielung auf den hysterischen Umgang der Medien mit Trump?

Das System der Demokratie basiert auf der Idee der Gewaltenteilung, die durch Montesquieu entwickelt worden ist. Sie wurde von Madison aufgegriffen und bildet eine zentrale Idee im Rahmen der US-Verfassung:

Wiki:
"First exhibited by James Madison, the model is a philosophy of the use of the presidential powers. The Madisonian model is a structure of government in which the powers of the government are separated into three branches: executive, legislative, and judicial. This came about because the delegates saw the need to structure the government in such a way to prevent the imposition of tyranny by either majority or by a minority"

Diese Idee der "Checkc & Balances" wurde erweitert durch die "Vierte Gewalt", die ein Korrekturinstrument ist und zur Reflektion von Politik beiträgt. Und natürlich ein zentrales Instrument der Vermittlung und Legitimierung von Politik bildet

https://de.wikipedia.org/wiki/Checks_and_Balances

Sofern ein Präsident dieses Konzept in öffentlichen Reden mehrfach kritisiert und die Vertreter eines dieser Säulen zu Feinden des "Volkes" erklärt, stellt er sich gegen die Vorstellungen von Demokratie wie sie bei - konservativen - Autoren wie Dahl, Mayo und Sartori für die USA formuliert wurden.

Die Grafik erhält zudem ihre Berechtigung durch gleichlautende Aussagen von ausgewiesenen Wertkonservativen Republikanern wie Bush jr, seinem früheren außenpolitischen Berater (beide in einem TV-Interviev im Rahmen einer Sondersendung des "auslands-Journal", vgl. Link) oder durch ein Interview von MacCain (früherer republikanischer Präsidentschaftskandidat und vgl. dazu FN 56 im Link)

https://www.zdf.de/politik/auslandsjournal

https://de.wikipedia.org/wiki/John_McCain#Einordnung_in_das_politische_Spektrum

Sofern dann noch ein Präsident die Legislative kritisiert wird eine weitere Säule des demokratischen Modells der USA angegriffen. In diesem Fall widersprach sogar sein eigener Kandidat - ein "ultra" konservativer - für das Amt eines "Obersten Richters" der Aussage des Präsidenten.

Lange Rede kurzer Sinn, die Kritik an Trump ist nicht "hysterisch", sondern entspringt einer anderen Sicht auf Demokratie. Und an Bush und McCain wird deutlich, dass auch sehr konservative Zeitgenossen in den USA die Kritik teilen und die Wahrnehmung einer Bedrohung quer durch die politischen Lager geht.

https://en.wikipedia.org/wiki/The_Spirit_of_the_Laws


Dahl, Robert A. (1961): Who governs? Democracy and power in an American city. New Haven: Yale Univ. Press.
Dahl, Robert A. (1984): Modern political analysis. London: Prentice-Hall
Dahl, Robert A. (1989): Democracy and its critics. New Haven: Yale Univ. Press.
Dahl, Robert A. (2008): How Democratic Is the American Constitution? New Haven: Yale University
Mayo, Henry B. (1963): An introduction to democratic theory. New York: Oxford Univ.Pr.
Montesquieu, Charles de Secondat (1977): The spirit of laws ; Berkeley: University of California Press.
Sartori, Giovanni; Wildenmann, Rudolf (1992): Demokratietheorie. Darmstadt: Wiss. Buchges.
 
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Nun ganz egal was man von Trump hält, persönlich halte ich von den gegenwärtig tätigen Medien in den USA und Europa, noch wesentlich weniger da diese mM ihrer Arbeit nicht tun, die Demokratie nicht stützen sondern sogar untergraben, so es ihnen oder ihren Favoriten(im Linken oder Rechten pol. Spektrum) nutzt. Sie wenden ohne Skrupel das an was sie beim Gegner vorhin noch scharf kritisiert haben, ohne Rücksicht auf die Realität, oder den möglichen Schaden der am Ende steht. Sind super happy mit Zensur, so es die richtige Meinung ist die Zensiert wird, und schreiben ansonst nichts unbequemes so der den es betrifft ihnen gefährlich werden könnte.

Das blödeste was ich dabei im Bereich Trump und Co sehen durfte war als Rachel Maddow die Sache mit dem Pepe-Meme so aufbließ als ob Adolf Hitler in Form eines Cartoon-Frosches auferstanden wäre. Die paar Minuten in denen eine Journalistin, von der ich eine hohe Meinung hatte, fröhlich auf das Niveau eines Voll$%& wie Glenn Beck rutschte sind das traurigste bisher.

Auch die Geschichte als CNN, ohne eigene Nachfroschungen anzustellen, die "Golden shower gate"-Sache von Buzzfeed übernommen hat, -Buzzfeed eine angebliche "Nachrichtenseite" die selbst die Bild aussehen läßt wie eine seriöse Zeitung- sollte uns sehr zu denken geben.

Es sei in diesem Fall aber auch erwähnt dass Obama es Trump gleichtat (oder besser:vortat) und für lange Zeit "Fox News" von Pressekonferenzen und Interviews ausschloß (die er anderen Sendern gewährte) da er meinet Fox sende keine Nachrichten sondern Meinungen und mache Politik gegen ihn. Gut, im Gegensatz zu Trump hat er sich gewählter ausgedrückt.

Aber der Neidergang der vierten Gewalt hat bereits vorher angefangen und ein Trump wird die USA und die Demokratie nicht umstürtzen so diese auf festen Beinen stehen, denn nochmehr als max. acht jahre Trump muß man die Fürchten die seit Jahrzehnten daran arbeiten das System durch Materialermüdung umzustürtzen und daran noch kräftig verdienen.
 
An einer weiteren politischen Diskussion der Politik von Trump werde ich mich nicht beteiligen. Deswegen waren meine Hinweise auch in den Kontext der Verfassung eingebunden.

Vor dem Hintergrund der Veränderungen politischer Institutionen in den USA kann man sicherlich mehrere Phasen erkennen.

1. Phase: Bis zur Präsidentschaft von Theodore Roosevelt gab es eine vergleichsweise "schwache" Zentralregierung.

2. Phase: Er und nach ihm Wilson bauten parallel zur zunehmenden Bedeutung der USA (Monroe Doktrin) als Großmacht, die zentralen staatlichen Strukturen aus. Und stärkten vor allem die Position und die Handlungsfähigkeit des Präsidenten. In der Amtszeit von FDR verfestigte sich die herausgehobene Position des Präsidenten.

https://de.wikipedia.org/wiki/Theodore_Roosevelt

3. Phase: Die deutlichste Veränderung, so Herring, erfolgte durch Truman im Anschluss an den 2. WW-Krieg. Die zunehmende Bedeutung der außenpolitischen Instrumente, wie CIA, JCS, NSC etc., erweiterte die Konzentration der Exekutive. Und im Rahmen des Kalten Krieges wurde das Regieren durch "Präsidenten-Erlasse" (Executive Orders)

https://de.wikipedia.org/wiki/Executive_Order

4. Phase: Die letzte Veränderung bzw. der Beschleunigung der zunehmenden Machtfülle der zentralen Institutionen wurde durch den Anschlag "9/11" eingeleitet.

Diese Veränderung des politischen Systems der USA ist in eine umfangreiche Diskussion über das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive eingebettet, die sich teilweise auf Diskussionen stützt, wie beispielsweise Glennon, die durch Carl Schmitt angestoßen worden sind.

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Schmitt

Im Kern steht das Problem, dass der Präsident einer Supermacht zeitnah handlungsfähig sein muss oder sollte. Diese Handlungsfähigkeit sollte auch ohne die vorherige Legitimation durch die Legislative in der Grauzone zwischen einer Absicherung durch ein Gesetz und der Absicherung durch die "Executive Orders" vorhanden sein. So zumindest tendenziell die Position von Schmitt.

Diese Entwicklung der Stärkung der Exekutive kann man zudem vor dem Hintergrund der ausführlichen Diskussion in den siebziger und achtziger Jahren über die zunehmende Bedeutung einer "Technokratie", also der Herrschaft der "Verwaltungs-Manager", und der damit zusammenhängenden "Konvergenztheorie" sehen (vgl. Link).

http://www.geschichtsforum.de/f39/kapitalismus-und-sozialismus-konvergenzen-und-divergenzen-theorie-und-praxis-39131/

Mit dieser kurzen Darstellung sollte aufgezeigt werden, dass die Entwicklung der politischen Strukturen ein wenig komplexer ist wie bei Nergal ausformuliert. Zudem bin ich nicht auf einzelne "Thesen" eingegangen, weil er keinerlei Belege für seine Behauptungen anführt. Und einzelne publizistische Entgleisungen sind mir ehrlich egal.


Brzezinski, Zbigniew K.; Huntington, Samuel P. (1966): Politische Macht. USA / UdSSR. Ein Vergleich. Köln: Kiepenheuer & Witsch.
Glennon, Michael J. (2015): National Security and Double Government. Oxford, New York u.a.: Oxford University Press.
Herring, George C. (2011): From colony to superpower. U.S. foreign relations since 1776. New York: Oxford Univ. Press
Koch, Claus; Senghaas, Dieter (Hg.) (1970): Texte zur Technokratiediskussion. Frankfurt am Main: EVA
 
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Tagespolitischer Beitrag gelöscht.

Bitte könntest Du das genauer erklären. Vorallem wieso Du nicht bereits ab Beitrag #28 Alles wegen Tagespolitik gelöscht hast.

Nochdzau ist mein eigener Beitrag darunter (also die Antwort auf #28) weit tagespolitischer als der, der gelöscht wurde. Auch bezieht sich das ganze weniger auf die Politik sondern auf die Presse und das wollte ich hervorheben.
 
Bitte könntest Du das genauer erklären. Vorallem wieso Du nicht bereits ab Beitrag #28 Alles wegen Tagespolitik gelöscht hast.

Nochdzau ist mein eigener Beitrag darunter (also die Antwort auf #28) weit tagespolitischer als der, der gelöscht wurde. Auch bezieht sich das ganze weniger auf die Politik sondern auf die Presse und das wollte ich hervorheben.

Ganz einfach: es gibt eine Toleranzschwelle.

Wenn die überschritten ist, und es trotzdem munter weiter geht, dann ist irgendwann "Schicht im Schacht". Das war hier der Fall.

Wenn es weitere Nachfragen gibt, dann bitte per PN.
 
Weltanschauungen über Presse können anderswo ausgetauscht werden.
Letzter Hinweis auf die Forenregeln bzgl. Tagespolitik etc.
 
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