Die Frühzeit der Hebräer lässt sich vermutlich nur hypothetisch erschließen. Allerdings ist die Meinung verbreitet, dass es im Palästina des 2. Jahrtausends v. Chr. ein sesshaftes und ein nomadisches (oder halbnomadisches) Element gegeben hat. Das letztere wird in der Regel mit den frühen Hebräern identifiziert.
Es gibt Wissenschaftler, die die Hebräer durchaus mit Nomaden gleichsetzen. Unter anderem dieser:
Was Manfred Clauss da geschrieben hat, ist in der Literatur der letzten 20 Jahre ganz sicher nicht "die Regel". Mit der Gleichsetzung von "Hebräern" und "Nomaden" und mit seiner Annahme einer "Einwanderungswelle" befindet sich Clauss außerhalb des wissenschaftlichen Konsenses der letzten Jahre.
Meinetwegen kann er aber bei seiner Meinung bleiben.
Was mich interessiert, sind jedenfalls nicht Meinungen, sondern Fakten. Im letzten Beitrag hatte ich Dich nach dem vorliegenden urkundlichen und archäologischen Material zu den Hebräern gefragt.
Die Frage hast Du zwar zitiert, aber von urkundlichem und archäologischem Material zu den
Hebräern lese ich in Deinem Beitrag keine Silbe.
Stattdessen schreibst Du:
Dieter schrieb:
Das hier mehrfach zitierte Bibellexikon definiert den Begriff
"Hebräer" so:
Der Ausdruck Hapiru / Habiru ist nicht als Ethnikon, sondern durchgehend appellativisch zu verstehen. Er bezeichnet eine soziale Gruppe der bronzezeitlichen Klassengesellschaft. Die Hapiru / Habiru sind fast durchgehend Migranten, Landesfremde. Aufgrund dieser Situation sind sie recht- und schutzlos und stehen in der sozialen Rangordnung noch unter den Sklaven. So bezeugen Dokumente aus der nordmesopotamischen Stadt → Nuzi, dass sich Hapiru / Habiru durch Dienstverhältnisse in Palästen und Tempeln oder auch als Sklaven zumindest minimale Rechte erwarben. Die Gründe für das Auftreten von Hapiru / Habiru im 2. Jahrtausend v. Chr. sind den Texten selbst nicht zu entnehmen. In der Forschung wird vermutet, dass es sich um Menschen handelte, die der verbreiteten Schuldsklaverei durch Migration entgehen wollten (Liverani; Lemche). Ein anderes Deutungsmodell geht davon aus, dass die bronzezeitlichen Gesellschaften durch eine enge wirtschaftliche und rechtliche Verflechtung von städtischen Zentren, landwirtschaftlich genutztem Hinterland und nomadischen Gruppen geprägt waren. Infolge des wirtschaftlichen Niedergangs oder der kriegerischen Zerstörung einer Stadt konnten die von ihr abhängigen Bauern und Nomaden recht- und schutzlos werden und daher gezwungen sein, eine gewisse Zeit als Hapiru / Habiru zu leben, bevor sie wieder in ein neues geregeltes Rechts- und Schutzverhältnis gelangen konnten (Rowton).
Zweifellos wird im zitierten Textabschnitt der Ausdruck
"Hebräer" überhaupt nicht verwendet, geschweige denn "definiert". Hier ist von
Hapiru / Habiru die Rede.
Soll ich nun also die Gleichsetzung von
Hebräern und
Hapiru als Fakt akzeptieren?
Oder einigen wir uns darauf, dass wir zu den
Hebräern leider keine urkundlichen und archäologischen Fakten vorliegen haben?
"Das Wort „Hebräer“ עִבְרִי ‘ivrî (Plural: עִבְרִים ‘ivrîm) ist ein Gentilizium vom Stamm עבר ‘BR „hinübergehen / überschreiten“. Eine sinnvolle Ableitung ergibt sich jedoch aus dieser Bestimmung nicht. Daher werden noch weitere Etymologien vorgeschlagen (Loretz, 235-248), von denen keine eine breite Zustimmung gefunden hat ...
Genau diesen Absatz habe ich vor wenigen Tagen zitiert:
http://www.geschichtsforum.de/786926-post26.html
Wozu zitierst Du ihn noch einmal?
Falls Du Dich näher mit dem Thema befassen möchtest: In "Welt und Umwelt der Bibel" 3/2008 haben sich verschiedene Fachleute zum Thema "Die Anfänge Israels" geäußert.
Darunter:
- Detlef Jericke: Woher kam das Volk Israel? Die verschiedenen Landnahmetheorien
- André Lemaire: Frühe Inschriften aus Palästina und die Frage nach den Anfängen Israels
- Jens Kamlah: Die Entstehung Israels aus archäologischer Sicht. Palästina während der frühen Eisenzeit
Letzterer schreibt:
"... auch Nichtsesshaftigkeit hinterlässt archäologische Spuren, nämlich Reste von Zeltlagerstätten uhd Friedhöfe. So ist zum Beispiel für die Zeit von ca. 2200 bis 2000 v. Chr. bezeugt, dass in dieser Periode die meisten Menschen in Palästina nicht sesshaft waren. Solcherlei Spuren für Nichtsesshaftigkeit fehlen jedoch für die späte Bronzezeit, sodass in dieser Phase nur mit einem geringen Anteil an nichtsesshafter Bevölkerung gerechnet werden kann. Daher ist es wahrscheinlich, dass die meisten der Menschen, die in der frühen Eisenzeit im Gebirge Dörfer gründeten, vorher sesshaft waren. Die Israeliten sind damit als ethnische Gruppe aus der kanaanäischen Kultur hervorgegangen. Ihre ethnische Identität bildete sich erst am Ende der frühen Eisenzeit heraus.
...
Die Kultur der früheisenzeitlichen Dörfer hat sich während der Eisenzeit-II nahtlos fortgesetzt. Aus den Surveys geht deutlich hervor, dass die Siedlungen weiter bestanden oder ausgebaut wurden. Zusätzlich entstanden in der mittleren Eisenzeit (Eisenzeit-II) wieder überall in Palästina Städte. Mit den Städten bildete sich im Land eine neue politische Struktur heraus, nämlich die der Kleinkönigtümer. Zu diesen zählten auch die Staaten Israel und Juda. Dass die Einflüsse der früheisenzeitlichen Dorfkultur sich auch in den wiedererstandenen Städten der Eisenzeit-II durchgesetzt haben, ist aus zahlreichen Ausgrabungen klar ersichtlich. In den Bereichen Architektur, Keramik, Sprache und Schrift bestehen eindeutige Verbindungen zu den früheisenzeitlichen Wurzeln. So lässt sich mit großer Gewissheit eine kulturgeschichtliche Schlussfolgerung ziezhen: Die stärkste der verschiedenen Quellen, aus denen die Kultur der israelitisch-judäischen Königszeit gespeist wurde, entsprang den früheisenzeitlichen Dörfern des Berglands."
Ob man nun ein Migrationsmodell oder ein Revolutionsmodell befürwortet oder der Meinung ist, dass die Landnahme der nachmaligen Israeliten ein landesinterner („indigener“) Vorgang war, bleibt umstritten.
Stand der wissenschaftlichen Debatte (2008) nach Detlef Jericke:
In den Debatten, die dem "Revolutionsmodell" folgten, hat sich die Annahme durchgesetzt, dass die an der Landnahme beteiligten Gruppen nicht von außen ins Land kamen, sondern größtenteils schon zuvor in Palästina lebten.