Antisemitismus in Polen während der Besetzung im Zweiten Weltkrieg

Carolus

Aktives Mitglied
Diese Szene habe ich auch noch nicht ganz verstanden. Der Partisanenführer hat gefragt, ob er Jude sei, doch seine polnische Begleiterin hat davon abgelenkt, so dass er als flüchtiger Deutscher durchging (und dann erst mal eingesperrt wurde).
Die Armia Kraiowa stand Juden offenbar negativ gegenüber; das steht so auch in der Wikipedia:

Judenretter ? Wikipedia

Die Partisanen wollten ihn dann offenbar wieder an die Deutschen ausliefern - so hat ichs verstanden, kann mich aber auch verhört haben. Deals und Verhandlungen mit den Besatzungstruppen oder auch verfeindeten Partisanengruppen kamen im Partisanenkrieg nicht selten vor.


Speziell zu den Szenen, in denen polnischer Antisemitismus thematisiert wird, habe ich einen Artikel gelesen, in dem ein polnischer Journalist die zu pauschale Darstellung der Polen kritisiert:

ZDF-Dreiteiler: Polen empört über Unsere Mütter, unsere Väter - B.Z. Berlin
 
Speziell zu den Szenen, in denen polnischer Antisemitismus thematisiert wird, habe ich einen Artikel gelesen, in dem ein polnischer Journalist die zu pauschale Darstellung der Polen kritisiert:

ZDF-Dreiteiler: Polen empört über Unsere Mütter, unsere Väter - B.Z. Berlin

Ich muss gestehen, dass ich nicht sagen kann, ob das ganze zu pauschal dargestellt wurde, aber grundsätzlich finde ich es nicht schlecht, dass dargestellt wurde, dass auch andere Leute bei den Verbrechen mitgemacht haben, dass dieses Gedankengut nicht nur bei den Deutschen vorhanden war, wobei ich nicht den Eindruck hatte, dass nicht versucht wurde die Schuld der Deutschen zu minimieren - also nach dem Motto: andere haben auch mitgemacht, also ist doch gar nicht so schlimm, was wir getan haben.

Pogrom von Kielce ? Wikipedia

Darüber habe ich auch einmal einen ziemlich schockierenden Spielfim gesehen, allerdings finde ich den Namen dazu nicht.
 
Ich muss gestehen, dass ich nicht sagen kann, ob das ganze zu pauschal dargestellt wurde, aber grundsätzlich finde ich es nicht schlecht, dass dargestellt wurde, dass auch andere Leute bei den Verbrechen mitgemacht haben, dass dieses Gedankengut nicht nur bei den Deutschen vorhanden war, wobei ich nicht den Eindruck hatte, dass nicht versucht wurde die Schuld der Deutschen zu minimieren - also nach dem Motto: andere haben auch mitgemacht, also ist doch gar nicht so schlimm, was wir getan haben.

Pogrom von Kielce ? Wikipedia

Darüber habe ich auch einmal einen ziemlich schockierenden Spielfim gesehen, allerdings finde ich den Namen dazu nicht.

In dem Wiki-Link wird ein Spielfilm genannt. Möglicherweise ist es der von Tela erwähnte:

Die Ereignisse wurden im Film Von Hölle zu Hölle (1996) thematisiert, einer deutsch-weißrussischen Koproduktion, an der Artur Brauner als Produzent und einer der Drehbuchautoren beteiligt war.
 
Speziell zu den Szenen, in denen polnischer Antisemitismus thematisiert wird, habe ich einen Artikel gelesen, in dem ein polnischer Journalist die zu pauschale Darstellung der Polen kritisiert:

ZDF-Dreiteiler: Polen empört über Unsere Mütter, unsere Väter - B.Z. Berlin

Nun, Polen war das Land, in dem im August 1945 ein Pogrom gegen jüdische KZ-Überlebende möglich war. Ich selbst habe ja schwiegerfamiliär einen sehr engen Bezug zu Polen und muss sagen, dass ich dort durchaus schon Formen von latenten bis offen aggressiven Antisemitismus begegnet bin, von antijudaistisch ("Im Johannesevangelium steht...") bis verschwörungstheoretisch ("Das Land, auf dem Birkenau stand, gehörte einem Juden..."). Und wenn der Cousin meiner Lebensgefährtin, der kein Deutsch spricht, in meinem Beisein seinem Schwager, der sich hinterm Garten damit abmüht, Industriemüll aus einem tief eingeschnittenen Bachlauf zu beseitigen auf Deutsch "Arbeit macht frei!" zuruft, dann ist das zwar noch kein Bekenntnis zu Antisemitismus oder Sympathie für faschistische Ideologien, für einen Lehrer aber ein bemerkenswert distanzloses Verhältnis zu einem Massenverbrechen. Im Übrigen war der polnische Antisemitismus durchaus auch ein Thema in Defiance. The Bielski Partisans, Schindlers Liste und Der Pianist.
Es steht völlig außer Frage, dass die Verbrechen an den Juden deshalb möglich waren, weil sie von den Deutschen gewollt waren und Deutsche hier die Hauptlast trugen etc. Der polnische Antisemitismus entlastet kein bisschen die Schuld Deutschlands an der Shoa. Aber es entlastet Polen nicht vom polnischen Antisemitismus, der auch in der nationalkatholischen Armia Krajowa seinen Platz hatte. Nur weil diese gegen die deutsche Besatzung kämpfte, und unter den Sowjets litt, macht es die Mitglieder dieser Gruppierung ja nicht automatisch zu besseren Menschen.

Eine pauschale Darstellung der Polen kann man eigentlich nicht festmachen. Weder waren das Mädchen, welches die Flucht aus dem Zug initiiert hat, noch der Anführer der Partisanengruppe als richtige Antisemiten dargestellt. Dies galt in erster Linie für die beiden Bauern und für den Partisan, der Victor immer so scheel ansah.
 
Genau!

Das hatte sehr viele Aspekte, von dem eigenen "Judenreferat" der Sektion VI der Hauptkommandantur der Heimatarmee, das Untergetauchten Hilfe leistete, bis hin zu antisemitischen Vorfällen, und antisemitischem "Programm" der Kollaborateure.

Einen sehr abgewogenen Beitrag liefert dazu, auch in der Analyse der sehr unterschiedlichen Darstellungen polnischer Historiker, Golczewksi in dem MGFA-Band zur Armia Krajowa im Zweiten Weltkrieg ("Die Heimatarmee und die Juden", S. 635-676).
 
Genau!

Das hatte sehr viele Aspekte, von dem eigenen "Judenreferat" der Sektion VI der Hauptkommandantur der Heimatarmee, das Untergetauchten Hilfe leistete, bis hin zu antisemitischen Vorfällen, und antisemitischem "Programm" der Kollaborateure.

Einen sehr abgewogenen Beitrag liefert dazu, auch in der Analyse der sehr unterschiedlichen Darstellungen polnischer Historiker, Golczewksi in dem MGFA-Band zur Armia Krajowa im Zweiten Weltkrieg ("Die Heimatarmee und die Juden", S. 635-676).


Zur Haltung der Polen zu Juden während des Warschauer Aufstandes 1944 habe ich eine Sammlung von Aufsätzen hier gefunden:

TRANSODRA 6/7, Frühjahr 1994, S. 46 - 47
Polen und Juden - Öffentliche Debatte über ein dunkles Kapitel des Warschauer Aufstandes im August/September 1944

in: TRANSODRA Nr. 6/7: Gazeta Wyborcza: Debatte ueber Verbrechen der polnischen Heimatarmeee an Juden

Die aufgeführten Berichte zeigen zwar keinen einheitlichen Antisemitismus, aber durchaus viele, erschreckende Beispiele dafür.

@MODERATORES: Könnte man die letzten Beiträge vielleicht in einen eigenen Thread "Antisemitismus in Polen" (oder ähnlicher Titel) verschieben?
 
Das ZDF hat Vorwürfe wegen der Darstellung der Polen und polnischen Widerstandskämpfer im Weltkriegsdrama "Unsere Mütter, unsere Väter" zurückgewiesen.

Man bedauere es sehr, wenn die Darstellung der Polen in dem Mehrteiler "als ungerecht und verletzend empfunden wird", erklärte der Sender auf Anfrage am Donnerstag in Mainz. "In keiner Weise sollten historische Tatsachen oder gar die Verantwortung der Deutschen relativiert werden."

Mehr unter

"Unsere Mütter, unsere Väter" - ZDF zu polnischen Vorwürfen - SPIEGEL ONLINE
 
Danke sehr. Man sieht an dem Verlauf, wie sensibel das Thema ist.

Schade, dass das ZDF nicht auf den oben angesprochenen MGFA-Band zu der Frage Armia Krajowa verwiesen hat. Das wäre angebracht gewesen, da dort auch polnische Historiker zu Wort gekommen sind, und in sehr abgewogener und ruhiger Art über die interne polnische Historikerkontroverse der vergangenen Jahrzehnte um Thema berichtet haben.
 
Im Zusammenhang mit dem Prozeß gegen den ukrainischen SS-Wachmann Demjanjuk brachte der Spiegel vor einigen Jahren einen Artikel über die Zusammenarbeit der lokalen Bevölkerung und Verwaltung mit den Deutschen:

http://wissen.spiegel.de/wissen/ima...009/05/16/ROSP200902100820092.PDF&thumb=false

Es wird in dem Artikel erwähnt, dass auch einen weiteren Anlaß für antijüdische Ressentiments gab:

Denn die Annahme, dass "die" Juden eine Art Basis für die sowjetische Herrschaft bildeten, zog weite Kreise, weil Kommunisten jüdischer Herkunft zeitweise in einigen Bereichen des sowjetischen Apparats überrepräsentiert waren. Die Täter machten daher "die" Juden für jene Verbrechen verantwortlich, welche die Sowjets in den Jahren der Besatzung Ostpolens zwischen 1939 und 1941 begangen hatten.
 
Die aufgeführten Berichte zeigen zwar keinen einheitlichen Antisemitismus, aber durchaus viele, erschreckende Beispiele dafür.
es hatte und hat immer noch in Polen antisemitische Haltungen, wenn auch heute eher hinter vorgehaltener Hand und auch nicht überall - es ist schwer das zu erklären oder Beispiele zu geben (ElQ hat dazu schon was sehr richtiges gesagt).
 
Ich bin auf ein Interview gestoßen, das Thomas Blatt ? Wikipedia, KZ-Insasse in Sobibor und Überlebender des dortigen Aufstandes (Aufstand von Sobibór ? Wikipedia) anläßlich des Demjanjuk-Prozesses dem Spiegel gegeben hat.

Darin beschreibt er die Schwierigkeiten, sich nach dem Aufstand in Polen zu verstecken:

Blatt: Die Freiheit war schwierig. Wenn ich ein Christenjunge gewesen wäre, hätte ich bessere Chancen gehabt. Die Leute hätten sich um mich gekümmert. Doch wohin sollte ich? Mein Heimatort Izbica hatte keine jüdische Gemeinde mehr, und die polnischen Bauern sahen in uns vor allem die Christusmörder. Ein Bauer versteckte mich und einige andere zunächst gegen Geld, das wir aus Sobibór mitgenommen hatten. Später versuchte er, uns zu erschießen. Die Kugel steckt noch immer in meinem Kiefer. Ich habe mich dann im Wald oder in leerstehenden Gebäuden versteckt.


DER SPIEGEL*20/2009 - Ich will die Wahrheit
 
Dass Antisemitismus in Polen ein Problem war, räumt Botschafter Marganski ja laut Spiegel ein. Aus dem von Jacobum verlinkten Artikel:

Polens Botschafter Marganski präzisierte indessen am Donnerstag im "ZDF Morgenmagazin" seine Vorbehalte gegenüber dem Film. Dass es in der polnischen Bevölkerung Antisemitismus gegeben habe, sei in Polen eine "geläufige Wahrheit" und auch die antisemitischen Exzesse in der Heimatarmee seien in der polnischen historischen Literatur ausführlich beschrieben worden.
Die Kritik kann ich allerdings nicht teilen:
Unmut habe aber ausgelöst, dass der polnische Antisemitismus im ZDF-Dreiteiler als "die ganze Wahrheit" dargestellt werde. Die Vorwürfe seien weniger gegen das ZDF gerichtet, die die Produktion mit interessanten historischen Dokumentationen begleitet habe, als gegen die Autoren des Films, so Marganski.
Ich habe die Polen bzw. die polnischen Guerilleros der Armia Krajowa in dem Film als sehr viel heterogener wahrgenommen, als dies die polnische Kritik (oder müssen wir sagen die in Dtld. veröffentlichte polnische Kritik?) will. Es haben ja nun nicht viele Polen eine Rolle in dem Dreiteiler gespielt, vielleicht neun oder zehn. Davon waren ein Partisan, der Bauern (Vater) und die zwei Bauern, die an die Partisanen (ungern!) Lebensmittel verkauft haben, von denen einer später die Deutschen zum Partisanenlager führte, also 4 Leute als überzeugte Antisemiten gekennzeichnet. Bei anderen Figuren ist das nicht klar.

Kritisch ist die Sache mit dem Zugüberfall. Dass Viktor als einziger zurück ging und die Zugtüren öffnete (nachdem der Partisanenführer sie zunächst wieder geschlossen hatte und der Typ der Viktor immer so scheel ansah quasi gesagt hatte, die Juden im Zug sollten doch verrecken) muss man das Verhalten als Antisemitismus interpretieren? War das so intendiert?
 
Es gibt einen neueren polnischen Spielfilm ("Poklosie"), in dem das Thema Antisemitismus in Polen thematisiert wird.

Auch hier gab es heftige Reaktionen. Zitat aus "Spiegel Online":

Wir waren Opfer, keine Täter! So lautet das Credo vieler Polen, wenn es um den Zweiten Weltkrieg geht. Nun spaltet ein Kinofilm die Nation: "Poklosie" zeigt polnische Bauern beim planmäßigen Mord an Juden. Im Internet werden Regisseur und Schauspieler als Vaterlandsverräter geschmäht.

Näheres kann man hier nachlesen:

Antisemitismus in Polen: Pasikowskis Film "Poklosie" sorgt für Streit - SPIEGEL ONLINE
 
Ich möchte mich den Ausführungen von El Quijote zum Film "Unsere Mütter - unsere Väter" anschließen. Es ist keine Schwarz-Weiß-Darstellung, allerdings vermittelte der Film mir den Eindruck, dass der Antisemitismus eher die Regel als die Ausnahme bei der Darstellung der Polen war.

Zu dem in dem von Jacobum genannten Spiegel-Artikel erwähnten Film Poklosie gibt es auch zwei weitere Artikel, die sich mit dem Thema des polnischen Antisemitismus beschäftigen:

Verdrängter Antisemitismus in Polen | Kultur | DW.DE | 10.01.2013 und Antisemitismus in Polen: Ein Bedauern hat es nie gegeben - Sachbuch - FAZ

Neu war für mich, dass es laut dem Wiki-Artikel Geschichte der Juden in Polen ? Wikipedia bereits in der Vorkriegszeit einen zunehmenden Antisemitismus in Polen gegeben hat.

In dem ZEIT-Artikel (Antisemitismus: Die Juden waren der innere Feind | Dossier | ZEIT ONLINE) wird ein weiterer Grund für antisemitische Tendenzen angegeben:

als nach über 120 Jahren nach dem Ersten Weltkrieg der polnische Nationalstaat wieder entstand, war ein ethnisch und konfessionell einheitlicher Staat (d. h. polnisch-katholisch) haben.

Letztlich ist die Frage, wie stark der Antisemitismus bei den (nicht-jüdischen) Polen ausgeprägt war. War es eher die Ausnahme oder eher die Regel?
 
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Letztlich ist die Frage, wie stark der Antisemitismus bei den (nicht-jüdischen) Polen ausgeprägt war. War es eher die Ausnahme oder eher die Regel?

Vor vielen Jahren habe ich mir in Buenos Aires einen Vortrag zum Aufstand des Warschauer Ghettos angehört, anlässlich eines Jahrestages. Anwesend war ein Überlebender des Aufstandes so wie ein alter jüdischer Professor, der vor dem Krieg in Polen studiert hatte. Er berichtete in seinem Vortrag ausführlich über den alltäglichen Antisemitismus in der damaligen polnischen Gesellschaft und kam mit der für mich seinerzeit erstaunlichen Aussage an, dass sie damals überrascht waren, dass die Judenverfolgung von den Deutschen ausging. Von den Polen hätten sie so etwas erwarten können, Deutschland hielten sie bis dahin jedoch für das aufgeklärtere und tolerantere Land.
 
Interessant wäre es zu wissen, ob §5 des Gesetzentwurfs Gesetz wurde.

"Paragraf 5 besagt: „Wer dem polnischen Volk oder dem polnischen Staat öffentlich Mitverantwortung für Verbrechen zuschreibt, die durch die Nazi-Besatzer begangen wurden“, habe – auch als Ausländer! - bis zu drei Jahre Gefängnis zu gewärtigen. Deshalb will ich wenigstens drei von vielen Tatsachen anführen, deren Nennung mich künftig ins polnische Gefängnis bringen könnte. "
Götz Aly: Nationalgeschichte auf polnische Art

Es ist schon befremdlich, dass eine deutlich nationalistische Regierung hier Handlungsbedarf sieht.
Denn es bleibt die deutsche Tatherrschaft ja unbestritten.
Ebenso wie auch die Kollaboration in den überfallenen Gebieten (Polen, Ukraine, Weißrussland).
 
Es ist schon befremdlich, dass eine deutlich nationalistische Regierung hier Handlungsbedarf sieht.
Denn es bleibt die deutsche Tatherrschaft ja unbestritten.
Ebenso wie auch die Kollaboration in den überfallenen Gebieten (Polen, Ukraine, Weißrussland).
Jede nationalistische Regierung ist bestrebt, die eigene Nation zu glorifizieren, sonst wäre sie nicht nationalistisch. Dazu gehört auch, die vorhandenen Makel zu beseitigen oder zumindest unsichtbar zu machen. Das beginnt bei Geschichtschreibung in den Schulbüchern und setzt sich fort in Museen, Ausstellungen und Kunst. Die letzte Stufe sind Gesetze, die das Offensichtliche verbieten zu sagen.

Wir haben ja solche Versuche auch gehabt, obwohl wir nach dem II. Weltkrieg noch keine nationalistische Regierung gehabt haben – siehe Historikerstreit.
 
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