Zwischen Pyrenäen und Ebrotal, Karolingerreich und Kalifat

El Quijote

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[Verschoben aus Johann von Gorze: Gescheiterter Dialog? - Text gekürzt]

Interessant dabei ist, dass Tortosa heute zwar beiderseits des Ebro, eigentlich nördlich des Ebro liegt. Es muss eine Art Brückenkopf des Kalifats gewesen sein, denn eigentlich hatte ja Ludwig der Fromme noch zu Lebzeiten seines Vaters die Marca Hispanica erobert, welche das Gebiet zwischen Pyrenäen und Ebro umfasste. Naja gut, in 150 Jahren kann viel passieren. Einige Jahrzehnte später sollte ja al-Manṣūr diverse Städte, darunter Santiago und Barcelona mehr oder weniger regelmäßig plündern und Zaragoza (Caesaraea Augusta - Saraqusṭa) wurde noch ein wenig später Hauptstadt eines Kleinkönigreiches, die erst im frühen 12. Jhdt. (1118) von Aragón erobert werden konnte. Allerdings lag die auch am südlichen Ufer des Ebro (wobei der Ebro auch hier nicht die Grenze bildete, bekannt ist beispielsweise die Eroberung von Babastro 1064 und Lérida/Lleida war zeitweise sogar Hauptstadt eines von Zaragoza abgespaltenen Kleinkönigreichs, Babastro und Lérida/Lleida lagen am Segre-Cinca-Flusssystem, welches seinen Ursprung in den Pyrenäen hat welches den Ebro von Norden her speist).
 
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Ins Kraut geschossene fixe Idee:

Wäre es hinsichtlich des Ebro nicht denkbar, dass dieser im Laufe der Jahrhunderte sein Flussbett in südlicher Richtung verlagert hat oder in früherer Zeit einen nördlicher verlaufenden Seitenarm besaß?
 
Vielleicht trifft der auf der Katalanischen Wiki-Seite dargestellte Grenzverlauf - weitab vom Ebro - doch eher die Realität.
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Vielleicht trifft der auf der Katalanischen Wiki-Seite dargestellte Grenzverlauf - weitab vom Ebro - doch eher die Realität.
Das ist sicher so. Wobei die Karte unterschrieben ist mit Beginn des 9. Jhdts, also sagen wir mal 801 - 814, dann aber Schlachten des 8. Jhdts. (721, 732, 778) darstellt (was legitim ist) dann aber auch vom Kalifat von Córdoba spricht, welches erst 927 ausgerufen wurde und somit leicht irreführend ist.
Man darf sich die Grenze natürlich weder statisch noch klar definiert vorstellen.
 
Lleida etwa liegt deutlich nördlich des Ebro, wurde zwar wohl von Ludwig geplündert, blieb aber weiterhin eine wichtige Stadt in al-Thaghr al-Ala. Die (maurischen) Festungen und die große Moschee wurden doch erst im 9. bzw. 10. Jahrhundert gebaut. Bis 1149 blieb Lleida andalusisch.
 
Jedenfalls war nach Johann von Gorze bzw. nach seinem Biographen Johann von St. Arnulf Tortosa die erste Stadt im Gebiet des Kalifats von al-Andalus:

Ist die Aussage so zu verstehen, dass der Distrikt Lerida/Tarragona noch nicht dem Kalifat zugehörig angesehen wurde?

Lerida ist oben schon angesprochen worden, entlang der Küstenroute lag noch Tarragona zwischen Barcelona und Tortosa.

Tarragona soll zunächst in Folge der Okkupation völlig entvölkert worden sein, und das war offenbar ein längerer Zustand. Nach der christlichen Rückeroberung von Barcelona ist einerseits davon die Rede, dass Tarragona und Umgebung vom Kalifat wieder besiedelt worden sein soll (offenbar auch eine militärisch sinnvolle Maßnahme, christliche Versuche zur Eroberung scheiterten), und andererseits wird südlich Barcelona auch von einer christlichen Wiederbesiedlung gesprochen. Offenbar waren da weite Gebiete längere Zeit devastiert und entvölkert.

Von Tortosa aus betrachtet (auch nördlich des Ebro), bildet jedenfalls die Linie Lerida-Tarragona eine schützende Barriere.
 
Lleida etwa liegt deutlich nördlich des Ebro, wurde zwar wohl von Ludwig geplündert, blieb aber weiterhin eine wichtige Stadt in al-Thaghr al-Ala. Die (maurischen) Festungen und die große Moschee wurden doch erst im 9. bzw. 10. Jahrhundert gebaut. Bis 1149 blieb Lleida andalusisch.
Ja, erstaunlicherweise recht lange, als Aragón längst das Ebrotal kontrollierte. Allerdings muss man auch sagen, dass es zwischen Barcelona und Larida (Lérida/Lleida) im 11. Jhdt. ein Bündnis gab. Wie lange dieses Bündnis fortdauerte, weiß ich nicht, eigentlich kann das nicht über die Inkorporation Laridas ins Reich der Almoraviden fortgedauert haben, muss also 1102 geendet haben. Seit 1118 dürfte Lérida damit ziemlich isoliert gelegen haben.
 
Seit 1118 dürfte Lérida damit ziemlich isoliert gelegen haben.

1122 kam es ja zu einer erfolglosen Belagerung durch Alfons I. Die Almoraviden konnten sich wohl auch damals hauptsächlich durch die Unterstützung Barcelonas halten. Raimund Berengar (III.) wollte in erster Linie den Machtzuwachs Aragons verhindern. Schließlich eroberte sein Sohn dann die Gegend für Barcelona.
 
Mir war gar nicht bewusst, wie arabisiert (mutmaßlich) die Region am Cinca-Segre-System war. Es scheint, als hätte es hier ein regelrechtes Zentrum arabischsprachiger Ansiedlung gegeben, mutmaßlich gezielt von Córdoba aus. Da gibt es beispielsweise den Fluss Alcanadre (al-qanāṭir '(Fluss) der Brücken'), der wiederum vom Guatizalema gespeist wird (bzgl. des Guatizalema sagen spanische und deutsche Wikipedia, dass das ruhiger Fluss heiße, das könnte von der Übersetzung her richtig sein, aber die dargestellte Segmentierung offenbart Unkenntnisse, hier ist irgendwie der andalusische - andaluz* - Ortsname Guadix (andalusí* - Wādī Aš von lat. (Colonia Iulia Gemella) Acci) mit eingeflossen: Das -z- gehört mit einiger Sicherheit zum zweiten Wortteil und war mal ein Sīn oder Ṣād, aber kein Šīn. Denkbar wäre wādī salama. Da es unwahrscheinlich ist, dass der Fluss in zeitgenössischen Quellen vorkommt, müsste man sich mal den Lauf anschauen, ob der Name passt). Aber auch Alfarràs wirkt zumindest (teil)arabisch, Almenar ist ein häufiger Ortsname, die weibliche Forma (Almenara) heißt soviel wie 'der Turm', 'das Minarett' (wenn hier nicht zufällig ein anderes Etymon zugrundliegt), Alguaire, Algerri, Albesa, Binèfar, Benabarre - man müsste allerdings mal genauer schauen, ob hier nicht auch schon entweder baskische oder indoeuropäische Ortsnamen arabisch scheinen oder ggf. auch Hybridbildungen (arab. Artikel + vorarabisches Toponym) zugrundeliegen.


*andaluz = auf die Autonome Region Andalusien bezogen; andalusí = auf das historische al-Andalus bezogen
 
Ins Kraut geschossene fixe Idee:

Wäre es hinsichtlich des Ebro nicht denkbar, dass dieser im Laufe der Jahrhunderte sein Flussbett in südlicher Richtung verlagert hat oder in früherer Zeit einen nördlicher verlaufenden Seitenarm besaß?
Also im Holozän sicher nicht mehr. Da ich kein Geologe bin, unterlasse ich Aussagen über frühere Erdzeitalter.
 
Also im Holozän sicher nicht mehr.

Wie man oben sieht, scheint die Ebro-Grenze mehr dem Wunsch- bzw. Anspruchsdenken der Karolinger als der Realität zu entsprechen. Auch die Gegend um Huesca in Aragon war noch lange Zeit maurisch, die fränkischen Grafschaften dürften tatsächlich nicht über die Pyrenäen hinaus gegangen sein.
 
Mir war gar nicht bewusst, wie arabisiert (mutmaßlich) die Region am Cinca-Segre-System war. Es scheint, als hätte es hier ein regelrechtes Zentrum arabischsprachiger Ansiedlung gegeben, mutmaßlich gezielt von Córdoba aus.

Auch die Region um Pamplona scheint stark arabisiert gewesen zu sein. Interessant finde ich, wie das christliche Königreich Pamplona/Navarra unter der Dynastie Ximenez(Íñiguez) nur durch massive Unterstützung der muslimischen Banu Qasi entstehen konnte, wobei anzumerken ist, dass diese konvertiertem, altem westgotischen Adel entstammten.
 
Auch die Region um Pamplona scheint stark arabisiert gewesen zu sein.

Das nächste, was ich bei einem oberflächlichen Survey finde, ist Alfaro in der Rioja, knapp südl. des Ebro, was arabisch sein könnte; Asín Palacios (Contribución a la toponimia árabe de España, Madrid 1944) unterstützt die arabische Deutung. (Es gibt zwar auch jüngere Bücher, aber Asín Palacios ist, was die Deutung arabischer Ortsnamen angeht, für mein Dafürhalten der zuverlässigste, auch zuverlässiger als Seco de Lucena, der in den siebzigern ein Buch zur arabischen Toponomastik auf der iberischen Halbinsel herausgab (Topónimos árabes identificados, Granada 1974); Federico Corriente hat noch nichts zur Toponomastik vorgelegt, das ist die lebende Koryphäe bzgl. des andalusischen Arabisch.
 
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