Lieber Thane,
da sind wir ganz weit auseinander. Theoretisch wäre dies richtig, praktisch ist dies aber nicht so. Wenn Journalisten versuchen, die politische Meinung in diesem Land in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen, dann ist das nicht vierte Gewalt. Niemand hat diesen Journalisten das Recht gegeben, ihre persönlichen Vorlieben Fernsehzuschauern zu oktroyieren.
Auch wenn ich nicht Thane bin, darf ich mal platt fragen, wie ein solches Oktroyieren denn auch möglich sein sollte? Gibt es irgendein Gesetz, dass jemanden zwingen würde die Mattscheibe zu schauen oder sich einen bestimmten Standpunkt des dort Gesagten anzunehmen?
Jedem der sich Politmagazine ansieht, wird die moralinsaure Moderatorin kennen, welche sich über den Minister mokiert, der für ein Interview nicht zur Verfügung stand. Es gab nur eine schriftliche Stellungnahme. Skandalös.
Je nach Wichtigkeit des Anliegens wüsste ich nicht was grundsätzlich dagegen spricht es für einen Skandal zu halten, wenn ein Politiker sich nicht persönlich erklärt und stattdessen seinen Pressechef vorschickt.
Ich erzähle von einer Geschichte, welche Mitte der 200er Jahre spielte. Finanzskandal oder was Journalisten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen dafür halten. Anleger haben Geld verloren. Also will man die Verluste von seinem Kreditinstitut zurück. Man sucht sich einen prominenten Anwalt oder der prominente Anwalt sucht sich die Anleger. Man droht dem Kreditinstitut mit einem Reputationsschaden, da man die Medien einschalten wird.
Ein öffentlich-rechtlicher Sender wendet sich an das Kreditinstitut mit einem Interview-Wunsch. Die internationale Mutter des Kreditinstituts hat einen Medienberater geschickt. Der rät von einem Interview ab. Der Journalist würde ein Interview so kürzen und zusammenschneiden, dass man unsympathisch und geldgierig rüberkäme.
Der Chef des Kreditinstituts ist jedoch das, was man heute einen "alten weißen Mann" nennt. Halt beratungsresistent. Er ruft den Journalisten an und fragt, ob er fair berichten würde. Klar, dass wäre für dem Chef einen tolle Sache, er könne seinen Standpunkt darstellen.
Der Chef ist begeistert. Es kommt zu einem 50-minütigem Interview. Der Chef kommt aus dem Interview raus. Sagt seinem Stab, dass er nun ein gutes Gefühl habe und seine Entscheidung pro Interview richtig war.
Kurz darauf läuft der Bericht im öffentlich-rechtlichen. Das Interview wurde auf drei Minuten gekürzt und die Sequenzen immer gegen irgendeine ältere heulende Hausfrau geschnitten, die nun zur Tafel gehen muss. Der Chef sagt in den gesendeten Sequenzen, man müsse doch auch an das Kreditinstitut denken und jeder wäre ja mündig.
Wer ein Herz hat, sagt sich als Zuschauer, was für ein arrogantes Riesenarschloch.
Chef jammert, man hätte ihn gelinkt.
*wo ist der auf dem Boden liegende wiehernde Smiley, der mit den Fäusten auf den Boden haut*
Dabei habe ihm doch der Sender eine faire ausgewogene Berichterstattung versprochen. Und der Chef verlangt, dass wir das gesamte 50-minütige Interview schauen. Ja da ist der empathische Journalist, der wie Pfarrer Fliege auf den Chef eingeht. Nur wem juckts, die Öffentlichkeit wird das Material so nie sehen.
Es ist eigentlich jedesmal die gleiche Schablone, die diese Journalisten füllen. Und wenn dann irgend ein Depp aus dem Feindbildlager denen ein Interview gibt, dann werden die ihr Glück nicht fassen können.
Ein grober Keil ja, nur hat das für mich nichts moralisches oder ehrenwertes. Da nehme ich für mich Artikel 5 GG in Anspruch.
Deswegen ist der Chef ja auch klug und gibt der "Feindpresse" kein Exklusiv-Interview, sondern setzt eine Pressekonferenz an, bei der auch die Presse des eigenen Lagers zugegen ist, was es der "Feindpresse" dann schwierig machen wird, unwidersprochen das Interview zusammen zu streichen.
Das die interessierte Öffentlichkeit das in Gänze nicht zur Kenntnis nimmt, halte ich im Rahmen der heutigen technischen Möglichkeiten und Gegebenheiten für unwahrscheinlich.
Natürlich gibt es immer einen Anteil, der sich in seinen Vorurteilen von Fakten nicht beirren lässt. Das würde er aber genau so wenig, wenn die Presse anderes geschrieben hätte. Entweder es ergibt sich eine zufällige Übereinstimmung zwischen Berichtetem und Sentiment odernicht, dann wird diese eben opportunistisch zur "Lügenpresse" umdeklariert, genau das erleben wir doch im Augenblick (ohne allzuweit in die Tagespolitik abdriften zu wollen).
Da wäre, denke ich zu unterscheiden, an solchen Nachrichtenkonsumenten, die ein Interesse an der Sachlagen ahben und solchen, deren Interesse einfach nur einem Skandal gilt, der ihre wie auch immer geartete Weltanschauung bestätigen soll.
Letzterer wird ohnehin nur das für voll nehmen, was ihm gefällt und sich für die Sache selbst nicht näher interessieren. Er wird dann vielleicht 2 Wochen faktenbefreiten Krawall schlagen und danach ist das Thema für ihn gegessen.
Wer ein ernsthaftes Interesse daran hat, wird sich auch ein 50-Minuten Interview ansehen, zumal er die Möglichkeit ja heute hat. In diesem Sinne wundert mich im Übrigen auch, dass die Medien im besonderen in der heutigen Zeit als manipulativ empfunden werden, denn objektiv gesehen sind die Möglichkeiten ihnen Fehler nachzuweisen durch die technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts so groß wie nie.
Da hatten die Medien des vergangenen Jahrhunderts ganz andere Möglichkeiten die Meinung der Öffentlichkeit unwidersprochen zu manipulieren.
Das "Schmierenblatt" ist das einzige Massenmedium, welche nicht bei Pipi Langstrumpf in die Lehre gegangen ist. "Ich mach mir meine Welt, wie sie mir gefällt". Die SZ oder Frankfurter Rundschau schreibt zu einer aufsehen erregendenden Straftat , "der 34-jährige deutsche Staatsangehörige ...", Bild nennt den Vornamen des Verdächtigen und zitiert den Vermieter des Angeklagten "kann nur gebrochen deutsch sprechen".
Ergebnis:
Hass auf die Zeitung, weil sie die Welt nicht so darstellt, wie man sie gerne hätte.
Ne, dat ist auch ein bisschen simpel.
Da wäre dann, ohne allzusehr in medias res der Tagespolitik gehen zu wollen nicht das Problem, dass die Berichterstattung nicht sie gewünschte Richtung hat, was das besagte Schmierblatt betrifft, sondern dass es der ganzen Sache offenkundig an Neutralität mangelt, im Umgang mit den jeweiligen Protagonisten.
Entweder entscheidet man sich dafür (und das gilt dann auch für die anderen Medien) das bei Berichtenn über Straftaten der pdersönliche Hintergrund des mutmaßlichen Täters relevant ist oder nicht. Hält man ihn für relevant, würde eine neutrale Berichterstattung eine vollständige umschreibung dieses Hintergrunds erfordern und zwar grundsätzlich bei allen vergleichbaren Fällen, auch bei denen der Täter blond ist und sehr gut deutsch spricht.
Die sinnvolle Abwägung ist da wohl eher die zwischen den Persönlichkeitsrechten des Verdächtigten (im Besonderen so lange noch nicht endgültig überführt/rechtskräftig verurteilt) und dem öffentlichen Interesse in der Sache.
Genau das findet bei besagtem Schmierblatt mit den 4 Buchstaben aber nicht statt, sondern da wird immer nur in eine Richtung skandalisiert.
Man muss die Berichterstattung der SZ oder der Frankfurter Rundschau deswegen nicht für korrekt und neutral halten.
Einer Angelegenheit, die man für nicht neutral hält, eine andere vorzuziehen, die offenkundig durch den gesamten Stil ihrer Berichterstattung noch weniger neutral ist, dafür aber in die andere Richtung zielt, ist schlichtweg bescheuert.
Wenn Teile der Gesellschaft der Meinung sind, sie müssten dieser Verhaltensweise nacheifern, ist das bedauerlich, allerdings, inwiefern wäre das anders, wäre die Berichterstattung der SZ oder der Frankfurter Rundschau eine andere?
Die Band "die Ärzte" singt über die BILD Angst, Hass, Titten und der Wetterbericht. So what. Aber ich möchte die wahre Geschichte lesen und nicht die, welche der Redakteur einer 'seriösen' Zeitung für mich durch Weglassen zensiert.
Und inwiefern macht es das Schmierblatt im beispielhaften Fall besser, in dem es den Vornamen und die Sprachkenntnisse des mutmaßlichen Täters thematisiert, aus dem Kalkül heraus die eigene Leserschaft in ihren Sentiments zu bedienen aber die damit verbundene deutsche Staatsbürgerschaft verschweigt?
Wenn das Auslassen des Vornamens in der SZ eine Zensur darstellt (welche Definition von "Zensur" sollte darauf eigentlich passen) warum ist dann das Auslassen der Staatsbürgerschaft des mutmaßlichen Täters durch die Bild keine Zensur?
Das ist wohl ein bisschen sehr mit zweierlei Maß gemessen.