Wappen auf Wandpfeiler des frühgotischen Turmes der Pfarrkirche Bad Deutsch Altenburg

Das Löwenwappen scheint mir als Hochrelief direkt mit dem Strebepfeiler zusammenzuhängen. Ich hatte auch schon kurz an eine spätere Ergänzung gedacht, den Gedanken aber wieder verworfen. Könnte natürlich sein, ich kenne mich mit den bautechnischen Details nicht aus. Klar ist, dass das Mauerwerk an dieser Stelle etwas anders aussieht, dazu das offensichtlich völlig andere "Dach", das mir definitiv nicht gotisch vorkommt. Da gebe ich Mashenka Recht.

Wie würde das denn aussehen? Kann man statisch so ein Stück Mauer austauschen und durch ein neues ersetzen (das dann ein Relief trägt)? Und kann man das vor allem, ohne irgendwelche entsprechenden Spuren zu hinterlassen?
 
So, jetzt wird's interessant. Die unterschiedliche Perspektive bei den Fotos des Löwenwappen im Vergleich zu den anderen hat mich da drauf gebracht: Im Wikipedia-Artikel zur Kirche gibt es eine gute Seitenansicht. Am Turm auf der linken Seite sieht man unten das Löwenwappen, im Zoom erkennt man es (und an der Tafel rechts daneben, die auch auf dem Foto im ersten Beitrag ist). Das gerade Dach darüber scheint an allen unten vorhanden zu sein, mindestens bei dem einen, den man noch am Rand sieht. Interessant wäre jetzt, ob auch die anderen Pfeiler dort unten Wappen tragen.
Zusätzlich hat jeder Pfeiler weiter oben ein Wappen, das (ebenfalls im Zoom gut zu erkennen) sind nämlich die auf den anderen Fotos, mit dem deutlichen gotischen Dach. Da der Pfeiler mit dem Löwenwappen ganz vorne steht, sieht man gut, dass dieser also zwei Wappen trägt.

Zwei Fragen @Grantler :
Haben denn die anderen Pfeiler ebenfalls Wappen oder Symbole am unteren Ende (die möglicherweise eine ähnliche, zeitlich nicht zu den oberen passende Ikonographie haben)?
Und hast du vielleicht einen Grundriss des Turms/der Kirche? Das fände ich jetzt hilfreich.
Bad_Deutsch-Altenburg_-_Kirche_(2).jpg
 
Da haben einige kleinadelige Rittergeschlechter, deren Herrschaften in Deutsch Altenburg eingepfarrt waren zusammen gelegt und den Turm bauen lassen. Das scheint plausibel. Mich hätte nur interessiert: Für welche Geschlechter stehen die Wappen.
Im Heraldikforum gibt es noch keine Mitteilungen.

Mashenka, das Gebäude wurde zwar gegen Ende des 19. Jahrhunderts "generalsaniert", aber es gibt keinen Hinweis, dass damals dieses Löwenwappen neu eingesetzt wurde. Zudem werden 1856 die Wappen bei E. Frh. von Sacken, Die Baudenkmale des Mittelalters an der Stelle Carnuntums (Sitzungsbericht der philosophisch-historischen Klasse der Akademie der Wissenschaften, IX., 1852, S 766 - 770) auf Tafel VIII bereits abgebildet. Das Löwenwappen ist dabei!
 
Kann man statisch so ein Stück Mauer austauschen und durch ein neues ersetzen (das dann ein Relief trägt)?
Zumindest bei den anderen Wappensteinen wäre das Einfügen ohne wochenlange Vorbereitungen möglich gewesen, da der Wappenstein direkt unter der Verdachung keine allzu große statische Funktion haben dürfte (und somit auch en délit eingefügt werden kann). Da hätte ein seitliches Abstützen mit gut verankerten, dicken Balken gereicht. Beim Stein mit dem Löwenwappen bin ich mir nicht sicher, der scheint noch etwas tiefer zu sein als die Vorkragung darüber. Wenn man bedenkt, dass die statischen Kräfte eher außen verlaufen, würde man da für das Wechseln eines größeren Steins sehr viel mehr Aufwand für die Sicherung betreiben müssen.

Edit: die Frage hat sich also erledigt.
 
Ja, der Pfeiler mit dem Löwen trägt noch ein weiteres Wappen, es ist dies das Wappen mit dem Buschen am Helm. Alle anderen Pfeiler besitzen nur ein Wappen. Ich lade morgen einen Plan mit der Pfeilerzuordnung hoch.
 
Danke Mashenka. Und danke Grantler, da bin ich gespannt.

Alle anderen Pfeiler besitzen nur ein Wappen.
Daraus würde ich jetzt den Schluss ziehen, dass dieses einzelne aus einer anderen Zeit stammt. Wenn man nach Mashenkas Erläuterung davon ausgeht, dass ein Austausch zu späterer Zeit wenigstens unwahrscheinlich ist, könnte das Wappen aus einem früheren Bauabschnitt stammen? Gab es eventuell schon (mehr oder weniger) deutlich vor dem Turm ein Fundament dieser Grundform, auf dem man später nur aufgebaut hat? Oder ist die Bauweise des Turms zu einheitlich dafür? Ich fürchte schon, das kann so nicht sein, war nur grade eine Idee.

Aber grundsätzlich kann das ja durchaus sein. Man baut schließlich von unten nach oben, man könnte also im unteren Bereich ein Wappen (aus welchem Grund und für wen auch immer) angebracht haben. Und später dann völlig unabhängig davon (und damit stilistisch auch nicht zusammenhängend) die sechs im oberen Teil für zum Beispiel eben beteiligte Familien. Du hattest ja anfangs auch gesagt, dass der Turm in etwa 30 Jahren gebaut wurde.
 
Korbi, das sind abgetreppte Pfeiler mit einem kleinen Pultdach am jeweiligen Rücksprung. Das ist alles original, genauso wie die gotischen Dächer über den Geschlechterwappen.
 
Wie lange am Turm gebaut wurde ist natürlich nicht bekannt. Er wird von der kunsthistorischen Forschung in den Zeitraum zwischen 1350 und 1380 gesetzt. Der Turm wurde in einem Zug gebaut: unten ein Quadrat, das oben in ein Achteck übergeht.
 
Diese Löwenwappen hat meiner Meinung nach sicher etwas mit der Vorgeschichte der Kirche zu tun. Bauphase 1: 1050!
Da stimme ich dir zu. Jegliche andere Theorien sind bisher widerlegt, es macht ja auch wirklich Sinn. Da standen wir auch heute früh schonmal:D
Und der Kontext kann einfach nicht der gleiche sein wie bei den anderen. Anderer Ort, andere Größe, anderer Stil, das sind dann doch einige Hinweise. Ich bin echt gespannt, ob die Heraldiker die Theorie bestätigen können.
 
Stimmt. An den Chorpfeilern sind allerdings nur mehr zwei Wappen - die der Familie Dörr - vorhanden.
Ich vermute, dass die zum Sprengel der Pfarre gehörenden Kleinadelsgeschlechter über die einstige Bedeutung der Kirche als eine im 11. Jh. direkt dem Kaiser unterstehende Reichsabtei Bescheid wussten und nun ihrerseits versuchten, daraus Kapital zu schlagen. Das ging am einfachsten durch die Etablierung einer Wallfahrt, wofür die romanische Kirche dem Stil der Zeit entsprechend umgebaut werden musste. Eine erste Umbauphase hat es aber schon um 1215 durch den Anbau des Emporenjochs und das Höherziehen des Lichtgadens gegeben. Aus dieser Zeit stammen auch die Portale, Fenster und Blendarkaden. Die Marienkirche gilt heute noch als "alte" Wallfahrtskirche. Sollte morgen direkt den zuständigen Pfarrer anrufen, ob das Wallfahrtswesen noch existiert. Da die Kirche bei den Ungarn als Gründung Stephans des Heiligen gilt , wird sie im Sommer von zahlreichen Ungarn - viele kommen sogar in Bussen - besucht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Korbi, bei den Anhängen findest du den (veralteten) Plan mit den Wappen.
 

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