Typische Merkmale der Ständegesellschaft

CrispySkirezZ

Neues Mitglied
Hallo Community,
Ich beschäftige mich momentan bisschen mit dem Mittelalter und wollte fragen was so typische Merkmale der Ständegesellschaft sind.
Mir fallen nur ein, dass man in einen Stand hineingeboren wird und dass der Aufstieg sehr schwierig oder gar unmöglich war.
Gibt es noch weitere Merkmale oder sind das die ausschlaggebenden?
LG
 
Ich beschäftige mich momentan bisschen mit dem Mittelalter und wollte fragen was so typische Merkmale der Ständegesellschaft sind.
Mir fallen nur ein, dass man in einen Stand hineingeboren wird und dass der Aufstieg sehr schwierig oder gar unmöglich war.
Gibt es noch weitere Merkmale oder sind das die ausschlaggebenden?
Du hast schon zwei wichtige Merkmale genannt, die (tendenzielle) Undurchlässigkeit der Stände nach oben UND unten und das Hineingeborensein.
Wichtig ist noch, welche Stände es denn im Mittelalter gab. Was fällt dir da ein?
Und überlege dir, wie mittelalterliches "Steuerrecht" da hineinspielen würde.
 
Ein weiterer Aspekt ist, dass die Mitbestimmung der Untertanen gegenüber dem Landesherrn, so es sie gab, nicht über allgemein gewählte Volksvertretungen lief, sondern über Vertretungen der Stände bzw. allenfalls ständisch gegliederte Vertretungskörper.
 
Ein weiterer Aspekt ist, dass die Mitbestimmung der Untertanen gegenüber dem Landesherrn, so es sie gab, nicht über allgemein gewählte Volksvertretungen lief, sondern über Vertretungen der Stände bzw. allenfalls ständisch gegliederte Vertretungskörper.
Mir scheint, der "Gesellschaftsvertrag" der ständischen Gesellschaft ist ihr wichtigstes Merkmal, vielleicht sogar ein Alleinstellungsmerkmal. Denn zwar strebten die Stände zu allen Zeiten danach, die Macht der anderen zu brechen (im Falle des Dritten Standes natürlich erst mit dem Aufkommen von Bürger- und Kaufherrentum, dem "Geldadel").

Allein es galt doch als ausgemacht, dass jeder Stand für das Gemeinwesen wichtig war und festgelegte Aufgaben erledigte. Der Klerus sorgte für das Seelenheil, der Adel hatte für Sicherheit und Führung zu sorgen, der Nährstand ernährte die anderen beiden Stände im Gegenzug für Seelsorge und Sicherheit.

Deswegen sind auch gelegentlich zu lesende Vergleiche zwischen der europäischen Ständegesellschaft und dem indischen Kastenwesen in meinen Augen absolut deplatziert. Denn nicht nur bot die ständische Gesellschaft im direkten Vergleich ein höheres Maß an sozialer Mobilität.

Die Zugehörigkeit zum Stand lieferte auch gewisse Partizipationsmöglichkeiten, die dem Individuum verwehrt geblieben wären. Mochte der einzelne Adelige auch weit höher stehen als ein, sagen wir, Schuster, konnte es doch vorkommen, dass derselbe Adelige vor der Schuhmacherzunft als Bittsteller auftrat.

Solche Möglichkeiten hatten die Shudras zur Hochzeit des Kastenwesens nicht.
 
Ein erleuchtender Satz zur untersten Klasse:
Sprach der König zum Bischof: „Halt Du sie dumm, ich halt sie arm.“

In Kenntnis der Tatsachen, dass es im Mittelalter ausschließlich die Klöster und Bischöfe waren, die Schulen betrieben, dass die kirchlichen Institutionen im Lauf des Mittelalters auch Mitglieder niedriger Stände zunehmend Aufstiegsschancen boten (mit Coelestin V. schaffte es ein Bauernsohn sogar auf den Papstthron), ist dieser Spruch keineswegs "erleuchtend", sondern schlicht verdummend.
 
Sowohl kirchliche als auch weltliche Diktatoren waren stets bestrebt, die unterste Schicht unter Vorgaukeln einer goldenen Zukunft (Himmel oder Kommunismus) zum Dulden, d.h. lebenslanger schwerer Arbeit bei niedrigem Lebensstandard, zu bewegen. Dass es Ausnahmen gab, ist unbestritten. Zum Beispiel wurden erkannte Talente gefördert.
 
Mir kommt Deine Deutung anachronistisch vor. Denn Klerus und Adel standen in Konkurrenz zueinander und versuchten mehr einander zu übertrumpfen, als dass sie – wie das Bonmot suggeriert – einträchtig an der Unterdrückung des Dritten Stands gearbeitet hätten. Außerdem: Natürlich wimmelten die privilegierten Stände vor Machtmenschen, die unter Ausnutzung des Status Quo nur ihrem eigenen Vorteil dienten.

Dennoch ist nicht zu leugnen, dass die ständische Gesellschaftsordnung den meisten Menschen des Mittelalters – und gewiss noch einer deutlichen Mehrheit bis zu den Anfängen der Aufklärung – als gottgegebene Grundwahrheit galt. Wer Standesgrenzen infrage stellte, legte sich denn auch nicht nur mit den Vertretern anderer Stände an, sondern traf auch unter seinen Standesgenossen auf Widerstand.

Außerdem muss man den dritten Stand in seinen Untergliederungen differenziert betrachten. Zwar blieb die Bauernschaft, der ursprüngliche Nährstand also, fast bis zum Ende der Ständeordnung benachteiligt. Aber spätestens mit der wachsenden Macht der Städte ab dem Hochmittelalter kann man den den dritten Stand in seiner Gesamtheit schwerlich mehr nur als "Opfer" der anderen Stände betrachten.

Die Zünfte großer Städte prägten die Politik ganzer Landstriche. Die Hanse zog gegen Könige in den Krieg und diktierte ihnen ihre Bedingungen in die Feder. Kaufleute wie Jakob Fugger hatten mehr Anteil an der Kaiserwahl als mancher Kurfürst. Man wird nicht umhinkönnen, zumindest für die Kaufherren und die "ehrbaren" Handwerker ab dem Spätmittelalter eine faktische Emanzipation anzunehmen.
 
Sowohl kirchliche als auch weltliche Diktatoren waren stets bestrebt, die unterste Schicht unter Vorgaukeln einer goldenen Zukunft (Himmel oder Kommunismus) zum Dulden, d.h. lebenslanger schwerer Arbeit bei niedrigem Lebensstandard, zu bewegen. Dass es Ausnahmen gab, ist unbestritten. Zum Beispiel wurden erkannte Talente gefördert.

In vor- und frühindustrieller Zeit war Landwirtschaft schwere körperliche Arbeit, und wenn nicht der überwiegende Teil der Bevölkerung sich auf den Feldern abgerackert hätte, wäre halt der überwiegende Teil der Bevölkerung sehr bald verhungert. Um diese Tatsache zu akzeptieren, bedarf es weder besonderer Dummheit noch besonderer Intelligenz. Und man muss auch niemand eine goldene Zukunft vorgaukeln, schau Dir mal die verschiedenen Varianten konfuzianischer Staatsdoktrinen an.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir kommt Deine Deutung anachronistisch vor. Denn Klerus und Adel standen in Konkurrenz zueinander und versuchten mehr einander zu übertrumpfen, ...
Das ist mir wiederum zu pauschal. Auch wenn mit Coelestin V. ein Bauernsohn den Papstthron erklomm, so waren doch vor allem die höheren Ränge in der Kirche häufig durch Adelige besetzt - wenn man nicht gerade die kirchliche Hierarchie hinter den Klostermauern emporgestiegen war. Und wenn man sich den Investiturstreit ansieht, dann standen hier ja nicht einfach Adel und Kirche gegeneinander, sondern Papst und König/Kaiser. Kirche und Adel waren gespalten, mit Teilen der Kirche auf Seiten des Königs/Kaisers und Teilen des Adels auf Seiten des Papstes (berühmt etwa Magarethe von Tuszien).
 
Ich bezog mich dabei nicht auf soziale Mobilität, sondern auf das Verhältnis der Stände in ihrer Gesamtheit zueinander, das sich meiner Ansicht nach nicht wie oben charakterisieren lässt – zwei gegen einen.

Dass die höhere Kirchenhierarchie fast ausschließlich mit Adelssöhnen besetzt war, führte keineswegs zu einer Deckungsgleichheit adeliger und klerikaler Absichten. Die Machtbasis dieser Männer war nun die Kirche.

Selbst im Investiturstreit ging es der Salier-Partei im Klerus weniger um Heinrich und das Reich als vielmehr um ihren Zugang zu deutschen Kirchengütern und ihren Wunsch, möglichst wenige Herren über sich zu haben.

Eine nationale Kirche bedeutete einen unmittelbareren Zugang zur Macht.
 
Zurück
Oben