das steinerne Schandmal

dekumatland

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...den hier Carl Peters – Wikipedia hatte ich auf Helgoland nicht erwartet... die Historie des Eilands ist nicht nur ruhmreich und edel, und im Juli 1931 hatte man die Muße, ein Peters-Denkmal auf die Insel zu verfrachten:
Schandmahl 2.png

Schandmahl 1.png


(vor dem Helgolandmuseum Museum, wo sich auch die Replik der Steinkiste befindet)
 
So, so Mahnmal...
Kolonie Deutsch Ostafrika, heute sind es die Länder Tansania, Burundi, Ruanda, sowie ein Stück Mosambik.
Ursprünglich gabs ja auch mal die Erwägung Ostafrika „Petersland“ zu nennen. Dies lehnte er aber wohl selbst ab.

Mein Vater hatte mal 2 Alben zu „Deutsche Kolonien“. Kleine Bilder mit kurzen Text. Bilder waren zum selbst einkleben.
Kann man sogar noch heute kaufen
Am Anfang des Albums eine „Kolonial Ehrentafel“.
11 Männer wurden da abgebildet:

· Adolf Lüderitz
· Dr. Carl Peters,
· Friedrich Wilhelm-der Große Kurfürst,
· Otto von Bismarck,
· Gustav Nachtigal,
· Jean Cesar Godeffroy,
· Hermann von Wissmann,
· Paul von Lettow-Vorbeck,
· Victor Franke,
· Theodor Gotthilf Leutwein und
· Ferdinand Freiherr von Richthoven

Man hatte damals in den 50igern leider noch kein Internet.
Im sozialistischen Teil Deutschlands konnte man auch keinen über all diese Männer fragen wer sie sind und im Schulunterricht so ab 1949 das war sehr riskant, besser man fragte nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
So, so Mahnmal...
Das kommt sicherlich durchaus auf die Art und weise der Präsentation an und eine bewusst umgekippte im Splitt liegende Büste würde ich von ihrer Form her als Mahnmal durchaus durchgehen lassen.
Und wenn man dafür das Orriginalmaterial eines früheren Ehrenmahls verwendet und die Herkunft auf einer Tafel entsprechend ausweist, halte ich dass an und für sich für eine einigermaßen gelungene Umwidtmung.

@dekumatland

Kannst du zufällig sagen oder in Erfahrung bringen, ob es da neben der abfotografierten Tafel weitere informationstafeln hinsichtlich Peters konkretem Wirken in Afrika und dessen Rezeption gibt? Der kurze Abschnitt, auf der präsentierten Tafel erscheint mir persönlich etwas dünn für eine Gedenkstätte.


Man hatte damals in den 50igern leider noch kein Internet.
Im sozialistischen Teil Deutschlands konnte man auch keinen über all diese Männer fragen wer sie sind und im Schulunterricht so ab 1949 das war sehr riskant, besser man fragte nicht.

Warum genau konnte man in der DDR keinen nach diesen Persönlichkeiten fragen?

Würde mich ganz einfach deswegen interessieren, weil sich das Wirken jedenfalls einiger dieser Persönlichkeiten, doch eigentlich wunderbar hätte eignen müssen einen (Schein)Beweis für die Richtigkeit der leninschen Imperialismustheorie zu liefern?

An einer Persönlichkeit wie Bismarck wird man wohl auch im Unterricht in der DDR kaum vorbeigekommen sein. Ich muss dazu sagen, dass ich nicht weiß, welches Bismarck-Bild man in der (frühen) DDR zu vermitteln bemüht war, das ist mir unbekannt.
Wenn man sich aber gerade die Aufbringung des späteren Kolonialen Territoriums durch private Unternehmungen deutscher Großkaufleute wie Lüderitz anschaut und die spätere Erklärung zu Schutzgebieten des Reiches, ebenso wie die virulent werdende Koloniallobby, vor allem bei den Kaufleuten und Bismarcks zeitweiliges Nachgeben in dieser Frage, so wie dass spätere Agieren der Reichsregierungen unter Wilhelm II. in diesen Dingen, wären die doch eigentlich ganz gut geeignet gewesen, die (scheinbare) Usurpation der politischen Macht und Lenkung der Politik durch Kapitalinteressen herauszustellen und ebenfalls die Unmenschlichkeit der Handlung anderen Bevölkerungen den Kapitalismus als Wirtschaftsform aufzudrücken, zu unterstreichen.

Gleichsam wäre es möglicherweise geeignet gewesen den stalinistischen Terror mit Verweis darauf teilzulegitimieren.

Von dem her, auch wenn ich die Verhältnisse nicht kenne, erscheint es mir eigentlich eher so, als dass die DDR durchaus ein Interesse daran gehabt haben müsse, dass es einen (gelenkten) Diskurs über diese Persönlichkeiten oder wenigstens Teile davon gab.

Der große Kurfürst und Lettow-Vorbeck da vielleicht mal ausgenommen, weil die in diesen Diskurs nicht wirklich hereinpassen.

Ich kann mir allerdings kaum vorstellen, dass es in irgendeiner Weise in der DDR ein großes Politikum gewesen wäre, sich über Person und Wirken des alten Friedrich Wilhelm auszulassen, der war mitten im 17. Jahrhundert.
Welche tagespolitische Frage hätte das in der DDR groß tangieren können, über diese Person etwas mehr wissen zu wollen?

Lettow-Vorbeck, den man sicherlich kaum in den Kontext irgendwelcher leninscher Theorien stellen konnte und dessen Wirken im 1. Weltkrieg vielleicht 30-40 Jahre später noch ein gewisses Diskurspotential hatte mal ausgenommen, hätten sich die anderen aber doch eigentlich ganz passabel in die Narrative des Regimes eingefügt?
 
...den hier Carl Peters – Wikipedia hatte ich auf Helgoland nicht erwartet... die Historie des Eilands ist nicht nur ruhmreich und edel, und im Juli 1931 hatte man die Muße, ein Peters-Denkmal auf die Insel zu verfrachten:
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(vor dem Helgolandmuseum Museum, wo sich auch die Replik der Steinkiste befindet)

Helgoland war ja bis 1890 britisch. Die Insel wurde 1890 gegen den sogenannten Caprivi-Zipfel in "Deutsch-Südwest" und die Insel Sansibar getauscht und wurde deutsch. Dieser Tausch wurde von deutschen Kolonialenthusiasten seinerzeit geradezu mit Schaum vor dem Mund kommentiert. Das Deutsche Reich habe sich vom "perfiden Albion" gründlich über den Tisch ziehen lassen. Es wurde ein angebliches Zitat des Afrikaforschers Henry M. Stanley bemüht: "Man habe eine Hose gegen einen Knopf eingetauscht."

Von den Nazis wurde Carl Peters, übrigens noch nicht mal zu Unrecht, als ein Bruder im Geiste und visionärer Kolonialgründer verehrt, dem Juden und Sozialdemokraten den Nachruhm neideten. In mehreren deutschen Städten, so z. B. in Hannover wurden "dem großen Niedersachsen" Carl Peters Denkmäler gestiftet.

Dass der ungeliebte (und zum großen Teil vergessene) und gestürzte Held auf einer ungeliebten Insel sozusagen als Kuriosum seine letzte Ruhe findet, könnte man als eine Ironie der Geschichte deuten.

König Leopold II. von Belgien hat, zumindest in Belgien, bisher noch kein Ikonoklasmus vom Gaul gestürzt. Er steht in Ostende und Brüssel noch eisenfest. In Leopoldville, heute Kinshasa hat man ihn und "Bula Matari (Felsenbrecher) Stanley gestürzt, und die (bronzenen) Helden verrotten in einer Vorstadt von Kinshasa. Der kongolesische Historiker M´Bokolu sagte dazu:
"Für mich war es nicht sein Denkmal, nein! Es war Leopold selbst. So groß, so mächtig. Es schien als wolle er mich unterdrücken und zerquetschen. Man musste hinten um das Denkmal gehen, ihm auszuweichen. Es schien mir, als müsste ich den Geruch der Pferdeäpfel dieses ehernen Reiters einatmen. Selbst nach der Unabhängigkeit des Kongo stand er immer noch da. Das war wirklich eine große Provokation! Schließlich kam der Tag, als die jungen Leute, ich war dabei, ihn vom Sockel stürzten. Was war das eine Freude, zu sehen, dass dieser Skandal endlich am Boden lag, da wohin er gehörte..."
 
Wenn die Büste schon einen musealen Platz hat, wäre eine etwas genauere Erklärung auf der Tafel tatsächlich wünschenswert.
Das Denkmal kam 1931 nach Helgoland durch Beschluss der Kolonialen Reichsarbeitsgemeinschaft und mit Bewilligung des Gemeinderats von Helgoland mit einer Stimme Mehrheit.
Deutsche Kolonialzeitung 1930
Hamburger Echo 1930

Der Senat von Hamburg scheint Ende der 1920er Jahre, trotz bürgerlicher Mehrheit, gezögert zu haben, das aus Daressalam zurückgekehrte Denkmal in Hamburg aufzustellen, obwohl die Deutsche Kolonialgesellschaft dies forderte. Weiß jemand warum genau?
Hamburger Nachrichten , 5.5.1927
Bei den Vertretern der Kolonial-Gesellschaften kann ich für damals, außer einem "trotz allem" keine Distanzierung zu Peters bezüglich "Menschenverachtung und Brutalität" erkennen.

So, wie es auf der Tafel steht, könnte man meinen, das Denkmal sei im Krieg zerstört worden und liege nun seit 1966 wieder so auf Helgoland.
Tatsächlich kam die ursprüngliche Bronzefigur nach dem 2. WK auf noch ungeklärte Weise zu einem Schrotthändler in Bremen. Die Büste wurde aber 1966, kurz bevor die Denkmäler für Wissmann und Dominik in Hamburg durch Studenten gestürzt wurden, erneut als Denkmal auf der Strandpromenade Helgolands vor der Jugendherberge aufgestellt und erst 1989 nach einem Artikel in der Zeit und vor dem Besuch des Botschafters von Tansania zum hundertsten Jahrestags des Helgoland-Sansibar-Vertrags entfernt und ins Museum überführt.
afrika-hamburg.de peters
Ich frage mich auch, wie hoch der Anteil Ehrenmal noch ist, wenn da geschrieben steht "mehr Mahnmal, als Ehrenmal" und so wie die Büste da liegt.
Vielleicht die Inschrift daneben: "Ihm verdankt Helgoland die Zugehörigkeit zu Deutschland".
 
Kannst du zufällig sagen oder in Erfahrung bringen, ob es da neben der abfotografierten Tafel weitere informationstafeln hinsichtlich Peters konkretem Wirken in Afrika und dessen Rezeption gibt?
@Shinigami vor Ort (draußen, neben dem Eingang des Helgoland Museums) befanden sich keine weiteren Informationen zu Peters oder zur Kolonialzeit. ABER wenn man den QR Code der Tafel scannt, kommt man zu Nr.16 des Audio Guide:
Screenshot_20211114-135303_Chrome.jpg



Screenshot_20211114-135318_Chrome.jpg


Screenshot_20211114-135330_Chrome.jpg
 
@dekumatland

Ich bedanke mich. Wobei ich dann sagen muss, dass ich das doch etwas unglücklich finde, Informationen zu einer Gedenkstätte vor Ort beziehen zu können, sollte mMn nicht vom Besitz eines Smartphones oder dem Wissen um den korrekten technischen Umgang damit abhängig sein.
 
@Shinigami ...auf kleinen Inseln ist zu wenig Platz für große/viele Infotafeln (wäre eine humorige Erklärung) - das Museum soll sehr interessant sein, leider war es ein paar Tage geschlossen, als wir auf der Insel waren.
 
Das Denkmal kam 1931 nach Helgoland durch Beschluss der Kolonialen Reichsarbeitsgemeinschaft und mit Bewilligung des Gemeinderats von Helgoland mit einer Stimme Mehrheit.
Die Kommunalpolitik auf Helgoland war zu der Zeit mehr als verwirrend.

Es gab unter den Einheimischen Helgolands eine Art Separatismus-Bewegung, die angeblich den Anschluss Helgolands an England oder Dänemark anstrebte. Gustav Etzel, der Landrat von Helgoland, wollte gegen diesen Separatismus vorgehen, geriet deswegeb auch in Streit mit der Gemeinde Helgoland und gründete den quasi deutsch-nationalen "Club von Helgoland" als Mittel zur propagandistischen Bekämpfung des Separatismus. In diesem Club spielten die einheimischen Helgoländer gar keine Rolle. Die neu aufgetauchten Nazis ergriffen 1929 Partei für die Separatisten und hetzten antisemitisch gegen den deutsch-nationalen Club von Helgoland, der tatsächlich auch nahmhafte jüdische Mitglieder hatte. (siehe auch https://www.spurensuche-kreis-pinneberg.de/spur/juden-auf-helgoland/)
Gustav Etzel wurde 1931 nach Wiesbaden versetzt.

Die Hintergründe, warum der Gemeinderat von Helgoland 1931 ein Denkmal für Peters wollte, bleiben für mich immer noch völlig unklar.
 
Das ist kein schlechtes Vorbild für den Umgang mit Denkmälern, an denen sich Teile der Gesellschaft stören. Auch wenn es natürlich gegen das Wesen einer Büste ist, dass sie auf der Seite liegt und man den Dargestellten nicht mehr richtig betrachten kann. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie einfach auf den Boden zu stellen. Wortspiele hätten sich immer noch angeboten, z.B. "auf den Boden der Realität zurückgeholt".
 
Das ist kein schlechtes Vorbild für den Umgang mit Denkmälern, an denen sich Teile der Gesellschaft stören. Auch wenn es natürlich gegen das Wesen einer Büste ist, dass sie auf der Seite liegt und man den Dargestellten nicht mehr richtig betrachten kann. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie einfach auf den Boden zu stellen. Wortspiele hätten sich immer noch angeboten, z.B. "auf den Boden der Realität zurückgeholt".
Ich finde gerade gut, dass sie auf der Seite liegt, weil sie so den Eindruck des gestürzten Denkmals macht, ohne dass, wie "Kritiker" gerne behaupten "Aus den Augen, aus dem Sinn" greifen würde. (Weswegen ich mich ja auch immer für die Lösung des Gegendenkmals ausspreche.)
 
Der Fall des bronzenen Peters von Helgoland zeigt auch, dass eine unvollständige Zerstörung einer Statue keinen dauerhaften Ikonoklasmus bedeutet. Der abgetrennte Kopf verweilte ca. 10 Jahre auf dem Schrottplatz, konnte aber 1966 umgebaut zur Büste nach Helgoland zurückkehren.
 
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