Wie beeinflussbar, war Wilhelm der Zweite Wirklich?

Das fatale war, das der alte Kaiser Wilhelm I. die Probleme seines Enkels nicht wahrgenommen hatte.
 
Was nicht wirklich verwunderlich ist. Hat sie ihrem Sohn überhaupt so etwas wie Liebe entgegengebracht?

Liebe entgegengebracht sicher schon, aber nicht gezeigt. Sie war eigentlich eine ungewöhnliche Frau, eminent gebildet, in vielem sehr hellsichtig mit durchaus modernen und liberalen Ansichten, maß sie ihren Sohn immer am Idealbild ihres Vaters Albert von Sachsen-Coburg. Ihr Sohn sollte in allem Spitzenleistungen bringen, die seinen Körper überfordern mussten. Vicky war recht frustriert, sie war außergewöhnlich gut auf die Aufgaben einer Monarchin vorbereitet, an Bildung den meisten ihrer Standesgenossinen weit überlegen, wurde sie und ihr Mann politisch kaltgestellt. Das Kronprinzenpaar war die Hoffnung der Liberalen in Preußen. Politisch aber nie so recht zum Zuge gekommen. Auf Wilhelm wurden von seinen Eltern Hoffnungen und Forderungen projiziert, denen er nicht gerecht werden konnte. Die Behinderung seines Arms hat Vicky frustriert, und sie hat das Wilhelm merken lassen.

Kaiserin Sisi hat als sie von den Methoden des Erziehers ihres Sohnes erfuhr interveniert, wenn sie sich auch sonst nicht viel um ihre Kinder geschert hat.
 
:):DWobei ja allgemein bekannt ist, dass besagt Steuer, niemals ausgereicht hat, die Flotte auch nur annähernd zu finanzieren.

Aber Scherz beiseite! Viele der Fehler, die Wilhelm auszeichneten bzw. die von ihm begangen wurden, liegen sicherlich in seiner Kindheit und seiner Erziehung begründet! Dass er seine Mutter mit leidenschaftlich gehasst hat, mag daran liegen, dass sie ihn bewusst oder unbewusst wegen seiner Behinderung abgelehnt hat.

Es ist natürlich auch nicht einfach für ein Kind, wenn, mehrere Bezugspersonen, zur gleichen Zeit unterschiedliche Dinge von einem verlangen. Ich denke, mal wäre Wilhelm direkt von seinen Eltern erzogen worden, hätte sich sein Charakter anders entwickelt. Aber so versuchte er seine Ängste und seine Unsicherheit durch Aktivität zu überspielen. Was zu seinen teils irrationalen Verhaltensweisen geführt hat. Als adeliges Kind, noch dazu eines mit einer Behinderung, dürfte nur wenige echte Freunde gehabt haben. Eventuell, hätte man ihn dann davon überzeugen können, die Verfassung zu überarbeiten.

Beispiele für eine effektivere Verfassung gab es ja genügend! In direkter Nachbarschaft, existierte Dänemark. Etwas weiter weg lag Schweden. Diese Länder, hätten durchaus Modelle für Deutschland sein können.
 
Das ist schon richtig, aber die Mitttellage und die Eifersüchtelein unter den Europäern machen die Mittellage aber auch enorm schwierig.

Ja, die Lage war schwierig. Und genau deshalb wäre es wichtig gewesen, entweder zu England oder zu Russland einen gute Beziehung, besser noch ein Bündnis, zu unterhalten. Und was war gleich die erste Tat der Männer des sogenannten Neuen Kurses: Der Rückversicherungsvertrag mit Russland wurde gleich über Bord geworfen. Dieser ist zwar in seiner militärischen Komponente nicht überzubewerten, aber er bremste Paris zunächst bezüglich der Bündnisbemühung mit Petersburg aus.
 
Das ist alles sehr interessant und mir auch teilweise bekannt. Danke dafür.;) Natürlich, hatte auch Wilhelm, seine menschlichen, sprich charakterlichen Schwächen. Wie jeder von uns! Aber wenn, man dies wusste, warum hat man sich dann nicht bemüht, dem in seiner Erziehung entgegenzuwirken?

Nach der damaligen Vorstellung, musste ein Herrscher oder auch ein künftiger Herrscher, stark, belastbar, gebildet, möglichst gutaussehend und auch ehrgeizig sein. Das letzte war Wilhelm, das Vorletzte nicht, schon aufgrund seines verkürzten Armes.:rolleyes: Das kann man ihm aber nicht zum Vorwurf machen.

Natürlich, hat sein sprunghaftes und temperamentvolles Verhalten, sicherlich eine Menge Porzellan zerschlagen! Daran, kann gar kein Zweifel bestehen. Hier wäre es sinnvoll gewesen, ihn im Rahmen seiner Ausbildung, einen umfassenden Einblick in die Außenpolitik und die Diplomatie zugeben. Vielleicht hätten sich dadurch eine Menge Streitigkeiten vermeiden lassen. Es wäre sicherlich ein staatsmännischer Schachzug gewesen, Frankreich dadurch zu beruhigen oder zu besänftigen, Elsass-Lothringen, zurückzugeben. :cool: Allerdings, hätte er sich damit sicherlich zu Hause sehr, sehr unbeliebt gemacht.:eek: Galt doch Elsass-Lothringen, als rechtmäßige Kriegsbeute! Auch wenn, man dabei vollkommen außer Acht lässt, dass die dortigen Menschen, nicht nur die deutschstämmigen, alles andere als glücklich waren, dem Deutschen Reich anzugehören. Aber seinerzeit, war man noch lange nicht soweit, auf die Meinungen der Menschen einzugehen.

Der übertriebene Ausbau der Kriegsmarine war ja nicht unbedingt sehr hilfreich. Großbritannien, hatte Deutschland etwa 200 Jahre Erfahrung an Marinekriegsführung voraus. Von der Anzahl der Schlachtschiffe ganz zu schweigen.:rolleyes:
Nicht umsonst hat ihm der Reichstag viermal die Gefolgschaft verweigert, weil man es satthatte, dass das Geld der Bürger, für Kriegsschiffe ausgegeben wurde.

Sagt wer? Bunte, Gala und wie die Blätter alle heißen nähren die Vorstellung, dass Herrscher über diese Vorzüge verfügen. Im Gottesgnadentum muss ein Herrscher nur von königlichem Geblüt sein, und Gott hält schützend die Hand auch über so manch rechten Trottel und Vollpfosten. Wer unter Europas Monarchen entsprach denn schon diesen Vorstellungen?

Wieso soll seine Behinderung keinen Ehrgeiz zugelassen haben. Wilhelm II. war stolz darauf, trotz seiner Behinderung ein passabler Reiter und ein sehr guter Schütze zu sein. An Ehrgeiz mangelte es ihm sicher nicht.

Es war die Flottenaufrüstung aber kein Selbstläufer des Kaisers. Die Aufrüstung der Flotte wurde von durchaus nicht wenigen Deutschen begeistert mitgetragen. Der Deutsche Flottenverein wurde im April 1898 gegründet, und brachte es bei seiner Gründung auf mehr als 70.000 Mitglieder, die bis 1908 sprunghaft anstiegen auf mehr als 1 Millionen Mitglieder. Der Flottenverein wurde gegründet als Organisation von Vertretern der Schwerindustrie, Banken und Werften. Es gelang dem Verein aber, eine breite Öffentlichkeit für seine Aktivitäten zu gewinnen.

Deutscher Flottenverein – Wikipedia
 
Sagt wer? Bunte, Gala und wie die Blätter alle heißen nähren die Vorstellung, dass Herrscher über diese Vorzüge verfügen. Im Gottesgnadentum muss ein Herrscher nur von königlichem Geblüt sein, und Gott hält schützend die Hand auch über so manch rechten Trottel und Vollpfosten. Wer unter Europas Monarchen entsprach denn schon diesen Vorstellungen?

Wieso soll seine Behinderung keinen Ehrgeiz zugelassen haben. Wilhelm II. war stolz darauf, trotz seiner Behinderung ein passabler Reiter und ein sehr guter Schütze zu sein. An Ehrgeiz mangelte es ihm sicher nicht.

Wen sprichst du jetzt an?
 
Es war die Flottenaufrüstung aber kein Selbstläufer des Kaisers. Die Aufrüstung der Flotte wurde von durchaus nicht wenigen Deutschen begeistert mitgetragen.

Es entsprach durchaus den damaligen Zeitgeist und es wurde kräftig durch das Nachrichtenbüro mit seiner Propaganda des Reichsmarineamts nachgeholfen.
 
Warum? Bismarck war nicht mehr auf der Höhe der Zeit, aber allemal besser als ein Caprivi oder Hohenlohe im Amte des Reichskanzlers. Der britische Premier Salisbury äußerte bei Gelegenheit einmal, das der "den Scharfsinn des alten Herrn vermisse."

Und ganz wichtig. Mit Bismarck als Kanzler wäre der Rückversicherungsvertag verlängert worden; die russische Seite hatte 6 Jahre im Auge. 6 Jahre, in denen die französischen Bemühungen zur Herbeiführung eines Bündnisses doch erheblich gebremst worden wären. Wer weiß, wie die Dinge sich entwickelt hätten.



Das war nicht gerade einfach. Seine Majestät wünschte in extremer Weise um den Bart gegangen zu werden und der Bauch musste ordentlich gepinselt werden. Für starke Persönlichkeiten mit einer eigenen Meinung war an Wilhelms Hofe nicht unbedingt der richtige Platz.



...und vor allem, weil ihm Philipp Eulenburg dazu gemacht hatte.



Ganz wichtiger Punkt!



??

Bismarck war ein begnadeter Diplomat, und er hatte kapiert wie fragil, wie gefährdet das Deutsche Reich war- während Wilhelm II. sich nur darüber freute, dass der liebe Gott ihm dieses glanzvolle Reich anvertraut hatte. Bismarck hatte zuweilen äußerst machiavellistisch Politik gemacht, in seinen späteren Jahren wird man ihm zugestehen müssen, dass er ernsthaft am Erhalt des Friedens interessiert war.

Bismarck war aber reif für den Ruhestand. In der Innenpolitik hatte er eine weniger glückliche Hand. Zum Bruch mit Wilhelm war es ja auch wegen der sozialen Frage gekommen. Bismarcks Sozialreformen waren ihrer Zeit weit voraus, es waren diese Gesetze aber auch ein Instrumentarium, um den Einfluss der Sozialdemokraten zu brechen. Wilhelm hatte durchaus ein Gespür für die soziale Frage, wollte auch ein Kaiser der Arbeiter werden. Auch ihm ging es im Grunde um Neutralisierung der SPD, und er ging dabei ein Bündnis mit dem stockkonservativen, antisemitischen Hofprediger Stoecker ein. Bismarck aber hatte ein noch schärferes Sozialistengesetz befürwortet und war bereit, notfalls auf streikende Arbeiter zu schießen. Er behauptete, dass der Arbeiterschutz eher ein Arbeiterzwang sei und die Arbeiter gar keine gesetzliche Regelung von Arbeitszeiten wünschten. Das Sozialistengesetz fiel im Januar 1890 im Reichstag. Bismack war das recht, er sagte, die Sache müsste auf die Spitze getrieben werden, es müsste Blut fließen, und dann sei es Zeit für ein noch schärferes Sozialistengesetz. Das war selbst vom Standpunkt der Konservativen aus realitätsfern. Von einer sozialistischen Revolution war Deutschland 1890 weit entfernt, viel weiter jedenfalls als 1848.
 
Bismarck war ein begnadeter Diplomat, und er hatte kapiert wie fragil, wie gefährdet das Deutsche Reich war- während Wilhelm II. sich nur darüber freute, dass der liebe Gott ihm dieses glanzvolle Reich anvertraut hatte. Bismarck hatte zuweilen äußerst machiavellistisch Politik gemacht, in seinen späteren Jahren wird man ihm zugestehen müssen, dass er ernsthaft am Erhalt des Friedens interessiert war.

Bismarck war aber reif für den Ruhestand. In der Innenpolitik hatte er eine weniger glückliche Hand. Zum Bruch mit Wilhelm war es ja auch wegen der sozialen Frage gekommen. Bismarcks Sozialreformen waren ihrer Zeit weit voraus, es waren diese Gesetze aber auch ein Instrumentarium, um den Einfluss der Sozialdemokraten zu brechen. Wilhelm hatte durchaus ein Gespür für die soziale Frage, wollte auch ein Kaiser der Arbeiter werden. Auch ihm ging es im Grunde um Neutralisierung der SPD, und er ging dabei ein Bündnis mit dem stockkonservativen, antisemitischen Hofprediger Stoecker ein. Bismarck aber hatte ein noch schärferes Sozialistengesetz befürwortet und war bereit, notfalls auf streikende Arbeiter zu schießen. Er behauptete, dass der Arbeiterschutz eher ein Arbeiterzwang sei und die Arbeiter gar keine gesetzliche Regelung von Arbeitszeiten wünschten. Das Sozialistengesetz fiel im Januar 1890 im Reichstag. Bismack war das recht, er sagte, die Sache müsste auf die Spitze getrieben werden, es müsste Blut fließen, und dann sei es Zeit für ein noch schärferes Sozialistengesetz. Das war selbst vom Standpunkt der Konservativen aus realitätsfern. Von einer sozialistischen Revolution war Deutschland 1890 weit entfernt, viel weiter jedenfalls als 1848.

Ist ja nicht falsch, was du sagst. Das Problem war nur, das Bismarck außenpolitisch schier unersetzbar war. Innenpolitisch war Bismarck schon aus der Zeit gefallen.

Und Wilhelm II. hatte schnell das Interesse an der Arbeiterfrage verloren, da diese ihm nicht dankbar genug waren und weiterhin sozialdemokratisch wählten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wer konnte Wilhelm II. im Weltkrieg beeinflussen? Der Kaiser soll sich für das Geschehen an der Front nicht interessiert haben. Seine Adjutanten spielten mit ihm Skat oder machten Ausflüge in die Umgebung. Dass sich der Monarch nicht in die operative Führung einmischte, möchte ich ihm zugute halten - seine Fähigkeiten auf dem Gebiet der Truppenführung waren begrenzt.

Aber auch grundlegende Entscheidungen auf dem Gebiet der großen Strategie scheinen ihn wenig interessiert zu haben. Bethmann-Hollweg hatte wohl Bedenken gegen den uneingeschränkten Einsatz von Unterseebooten, aber Wilhelm II. lieh sein Ohr den Militärs, die ihm zu Beginn des Jahres 1917 versicherten, damit könne man den Krieg gewinnen.

Schon vor dem Krieg fiel auf, dass der Kaiser wenig Neigung zum Aktenstudium hatte. Wer ihm Vortrag halten durfte, musste das Problem in eine amüsante Geschichte "verpacken". Gleichzeitig erhob er den Anspruch, er könne die deutsche Politik bestimmen. Abgesehen davon, dass ihm die Verfassung Grenzen setzte, fehlte Wilhelm II. fast alles, was einen (guten) Politiker ausmacht: Sinn für das Machbare, Geduld, aber auch Konsequenz, wenn es darauf ankommt. Und natürlich gibt es in einer Monarchie jede Menge Hofschranzen, die ihrem Tagebuch ihre wahre Meinung anvertrauten (Röhl nutzte solche Quellen in seiner monumentalen Biografie intensiv), aber ergeben lächelten, wenn "S.M." ihnen den größten Blödsinn erzählte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die ganze Verfassung des Reiches, welches Bismarck aufgesetzt hat, nach dem Vorbild der Norddeutschen Bundes, hätte jemanden benötigt, der entweder ein intensives Aktenstudium betrieb oder sich auch jemand verlassen konnte der ihm zu arbeitete. Nur war Wilhelm II jemand, der gerne in Urlaub fuhr und sich nicht gerne mit Akten beschäftigte. Und hat sich nicht auf einen zuverlässigen Zuarbeiter verlassen. Sondern ließ sich als Oberbefehlshaber von Tirpitz in Marinefragen beraten. Von Moltke in Sachen Heer. Und dann von seinen Reichskanzlern in Sachen Reichstag und die Zivilverwaltung. Gerade das Auswärtige Amt war nach dem ausscheiden von Bismarck nicht gerade mit kompetent gesegnet, bzw. gab es hier jede menge Grabenkämpfe, bezüglich der Ausrichtung.

Das Heer und die Marine haben so gut wie nie miteinander gesprochen, sie wurden geradezu von Wilhelm II getrennt gehalten. Beispiel ist die mangelnde Ausrichtung der Marine zur Unterstützung des Schlieffenplanes.
Und die Militärs auf der anderen Seite wollte auch nichts mit dem Parlament zu tun haben, ausser Geld.

Elsaß-Lothringen war auch einer der vielen Schwachpunkte des Reiches, welches nie angegangen wurde. Elsaß-Lothringen war seit 1871 bis zum Untergang des Reiches unter Militärverwaltung. Das Militär wollte Elsaß.Lothringen wohl auch nicht vergeben. Die Wehrpflichtigen aus dem Bericht wurden nur fernab der Heimat eingesetzt. Und wenn klagen über das Heer kamen, wurde dies einfach ignoriert. Es scheint so, als wenn hier das Reich Anleihen genommen hat an die Generalitätslande in den Niederlanden im 17. & 18. Jahrhundert. Das ist den Niederlanden auch mehr oder minder umzieh Ohren geflogen.
 
Wenn Wilhelm II. 1913 gestorben wäre, hätte man ihn als einen (schon für damalige Verhältnisse) etwas bizarren Monarchen mit einer nicht schlechten Bilanz in Erinnerung gehalten. Die Lebensverhältnisse der Arbeiterschaft waren 1913 besser als 1888. Im Bereich Wissenschaft und Forschung stand Deutschland sehr gut da. Wilhelm II. förderte die technische Bildung und hatte sich für eine Aufwertung der technischen Hochschulen eingesetzt. In der Sozialpolitik hatte er vernünftige Ideen. Allerdings begriff er nicht, dass ein fürsorglicher Sozialkonservatismus ohne demokratische Reformen scheitern musste.

Der Flottenbau war in großen Teilen der deutschen Bevölkerung populär. Viele Deutsche dachten wie der Kaiser: Wir wollen auch eine Flotte haben, aber wir wollen keinen Krieg gegen die Engländer führen - also was regen die sich auf?

Vielleicht zeigt das Beispiel des letzten deutschen Kaisers, dass eine Monarchie, die keinen schwachen Monarchen verträgt, zum Scheitern verurteilt ist. Wobei der Ausdruck "schwacher Monarch" in Bezug auf Wilhelm II. nicht unproblematisch ist. Aber es gab keine politische Elite, die diese Defizite ausgleichen konnte. Erst 1917 bildete sich im Reichstag eine Mehrheit aus Mehrheitssozialdemokraten, dem Zentrum und den Linksliberalen, die für eine parlamentarische Monarchie eintraten. Aber Wilhelm II. hatte nicht die Zeichen der Zeit erkannt und sperrte sich gegen das, was er am 29. September 1918 auf Druck der Militärs zugestand.

Kurzum: Die wenigen in der Umgebung des Kaisers, die ihm widersprachen wie Bethmann-Hollweg, hatten kaum Einfluss. Bethmann, ein gemäßigter Konservativer, trat im Juli 1917 zurück, weil er sich gegen die Oberste Heeresleitung nicht durchsetzen konnte. Und Bethmann war keineswegs für einen Frieden ohne Annexionen oder eine Parlamentarisierung.

Michael Balfour kam in seiner immer noch lesenswerten Biografie über den Kaiser zu dem Schluss:

„In der Stellung, die er einnahm, hätte er vieles tun können, um den in seiner Umgebung wirkenden Tendenzen entgegenzuwirken, statt dessen verlieh er ihnen gesteigerten Nachdruck. Während er für sich eine Führerrolle in Anspruch nahm, folgte er tatsächlich anderen und ließ sich durch seine Umgebung formen, anstatt sie durch seine Persönlichkeit zu prägen. Er hätte es sehr ungern gehört, aber er war ein bourgeoiser Monarch nach den Begriffen des deutschen Bürgertums. Er verkörperte die Schwächen des deutschen Mittelstandes, übernahm kritiklos die Traditionen der preußischen Großgrundbesitzer und suchte, sie in einer Situation in die Tat umzusetzen, der sie nicht mehr gewachsen waren. Aus Angst, nicht das Maß zu erreichen, das man von ihm erwartete, verfiel er in Übertreibung“ (Balfour 1973, S. 473).


Zum Schluss eine kleine Literaturliste:

Michael Balfour, Der Kaiser. Wilhelm II. und seine Zeit, Berlin 1973

Christopher Clark, Wilhelm II. Die Herrschaft des deutschen Kaisers, 7. Aufl., München 2019

Virginia Cowles, Wilhelm II.. Der letzte deutsche Kaiser, 2. Aufl., Frankfurt/M.
1978

Gordon A. Craig, Das Ende Preußens. Acht Porträts, München 1985

Friedrich Hartau, Wilhelm II., Reinbeck 1984

Christoph Nonn, 12 Tage und ein halbes Jahrhundert. Eine Geschichte des Deutschen Kaiserreiches 1871 – 1918, München 2020

Wolfgang J. Mommsen, War der Kaiser an allem schuld? Wilhelm II. und die preußisch-deutschen Machteliten, Berlin 2005

John C. G. Röhl, Wilhelm II. Der Aufbau der persönlichen Monarchie, München 2001

John C. G. Röhl, Wilhelm II. Der Weg in den Abgrund 1900 – 1941, München 2008

Wilhelm Schüssler, Kaiser Wilhelm II. Schicksal und Schuld, 2. Aufl., Berlin, Frankfurt, Zürich 1962

Tyler Whittle, Kaiser Wilhelm II. Ein Monarch, der geliebt werden wollte, Bergisch-Gladbach 1982

Johannes Ziekursch, Das Zeitalter Wilhelms II., Frankfurt/M. 1930

Balfour und Clark haben mir sehr gut gefallen. Röhl mit seiner dreibändigen Biografie (ich besitze nur die Bände 2 und 3) zeichnet ein quellengesättigtes, sehr kritisches Bild des Kaisers. Bei Gordon A. Craig findet man einen schönen Essay. Das Buch von Wilhelm Schüssler ist überholt, bietet aber eine interessante Charakterstudie. Cowles und Whittle sind populärwissenschaftliche Bücher mit seriösen Informationen. Mommsen betont die Verantwortung der Umgebung des Kaisers und mit Ziekursch hat man einen Klassiker der politischen Geschichte in der Hand: Gut lesbar mit einer liberalen Grundhaltung, die 1930 in der Historikerzunft für Kritik sorgte.
 
Habe gerade folgendes Buch durchgearbeitet und es hat mir gut gefallen, Es hat auch die Entwicklung in den anderen Ländern im Blick.

Rainer F. Schmidt, Kaiserdämmerung,Klett-Cotta, Stuttgart, 2021
 
Wenn Wilhelm II. 1913 gestorben wäre, hätte man ihn als einen (schon für damalige Verhältnisse) etwas bizarren Monarchen mit einer nicht schlechten Bilanz in Erinnerung gehalten. Die Lebensverhältnisse der Arbeiterschaft waren 1913 besser als 1888. Im Bereich Wissenschaft und Forschung stand Deutschland sehr gut da. Wilhelm II. förderte die technische Bildung und hatte sich für eine Aufwertung der technischen Hochschulen eingesetzt. In der Sozialpolitik hatte er vernünftige Ideen. Allerdings begriff er nicht, dass ein fürsorglicher Sozialkonservatismus ohne demokratische Reformen scheitern musste.

Der Flottenbau war in großen Teilen der deutschen Bevölkerung populär. Viele Deutsche dachten wie der Kaiser: Wir wollen auch eine Flotte haben, aber wir wollen keinen Krieg gegen die Engländer führen - also was regen die sich auf?

Vielleicht zeigt das Beispiel des letzten deutschen Kaisers, dass eine Monarchie, die keinen schwachen Monarchen verträgt, zum Scheitern verurteilt ist. Wobei der Ausdruck "schwacher Monarch" in Bezug auf Wilhelm II. nicht unproblematisch ist. Aber es gab keine politische Elite, die diese Defizite ausgleichen konnte. Erst 1917 bildete sich im Reichstag eine Mehrheit aus Mehrheitssozialdemokraten, dem Zentrum und den Linksliberalen, die für eine parlamentarische Monarchie eintraten. Aber Wilhelm II. hatte nicht die Zeichen der Zeit erkannt und sperrte sich gegen das, was er am 29. September 1918 auf Druck der Militärs zugestand.

Kurzum: Die wenigen in der Umgebung des Kaisers, die ihm widersprachen wie Bethmann-Hollweg, hatten kaum Einfluss. Bethmann, ein gemäßigter Konservativer, trat im Juli 1917 zurück, weil er sich gegen die Oberste Heeresleitung nicht durchsetzen konnte. Und Bethmann war keineswegs für einen Frieden ohne Annexionen oder eine Parlamentarisierung.

Michael Balfour kam in seiner immer noch lesenswerten Biografie über den Kaiser zu dem Schluss:

„In der Stellung, die er einnahm, hätte er vieles tun können, um den in seiner Umgebung wirkenden Tendenzen entgegenzuwirken, statt dessen verlieh er ihnen gesteigerten Nachdruck. Während er für sich eine Führerrolle in Anspruch nahm, folgte er tatsächlich anderen und ließ sich durch seine Umgebung formen, anstatt sie durch seine Persönlichkeit zu prägen. Er hätte es sehr ungern gehört, aber er war ein bourgeoiser Monarch nach den Begriffen des deutschen Bürgertums. Er verkörperte die Schwächen des deutschen Mittelstandes, übernahm kritiklos die Traditionen der preußischen Großgrundbesitzer und suchte, sie in einer Situation in die Tat umzusetzen, der sie nicht mehr gewachsen waren. Aus Angst, nicht das Maß zu erreichen, das man von ihm erwartete, verfiel er in Übertreibung“ (Balfour 1973, S. 473).


Zum Schluss eine kleine Literaturliste:

Michael Balfour, Der Kaiser. Wilhelm II. und seine Zeit, Berlin 1973

Christopher Clark, Wilhelm II. Die Herrschaft des deutschen Kaisers, 7. Aufl., München 2019

Virginia Cowles, Wilhelm II.. Der letzte deutsche Kaiser, 2. Aufl., Frankfurt/M.
1978

Gordon A. Craig, Das Ende Preußens. Acht Porträts, München 1985

Friedrich Hartau, Wilhelm II., Reinbeck 1984

Christoph Nonn, 12 Tage und ein halbes Jahrhundert. Eine Geschichte des Deutschen Kaiserreiches 1871 – 1918, München 2020

Wolfgang J. Mommsen, War der Kaiser an allem schuld? Wilhelm II. und die preußisch-deutschen Machteliten, Berlin 2005

John C. G. Röhl, Wilhelm II. Der Aufbau der persönlichen Monarchie, München 2001

John C. G. Röhl, Wilhelm II. Der Weg in den Abgrund 1900 – 1941, München 2008

Wilhelm Schüssler, Kaiser Wilhelm II. Schicksal und Schuld, 2. Aufl., Berlin, Frankfurt, Zürich 1962

Tyler Whittle, Kaiser Wilhelm II. Ein Monarch, der geliebt werden wollte, Bergisch-Gladbach 1982

Johannes Ziekursch, Das Zeitalter Wilhelms II., Frankfurt/M. 1930

Balfour und Clark haben mir sehr gut gefallen. Röhl mit seiner dreibändigen Biografie (ich besitze nur die Bände 2 und 3) zeichnet ein quellengesättigtes, sehr kritisches Bild des Kaisers. Bei Gordon A. Craig findet man einen schönen Essay. Das Buch von Wilhelm Schüssler ist überholt, bietet aber eine interessante Charakterstudie. Cowles und Whittle sind populärwissenschaftliche Bücher mit seriösen Informationen. Mommsen betont die Verantwortung der Umgebung des Kaisers und mit Ziekursch hat man einen Klassiker der politischen Geschichte in der Hand: Gut lesbar mit einer liberalen Grundhaltung, die 1930 in der Historikerzunft für Kritik sorgte.

Wobei bei Mommsen ein gewisse Vorsicht geboten ist. Der berichtet über die Marrokkokrise Teil 2 schlicht Blödsinn, wie Röhl nachgewiesen hat.
 
Die verrückte Präventivkriegsidee Wilhelm II. 1889 ist ja auch nicht auf seinen "eignen Mist gewachsen". Das ist auf dem Einfluß von dem Generalquartiermeister Waldersee zurückzuführen. Es hatte Bismarck einigen Aufwand gekostet, Wilhelm II. von dieser Verrücktheit abzubringen.
Es ist auch Waldersee, der damit begann und Wilhelm II. einzuflüstern, das es ja nicht schaden könne, mehrere Meinungen, nicht nur die der Botschafter, sondern auch die der Militärattachés, zu hören. Waldersee war größenwahnsinnig und es war ihm zu Kopf gestiegen, das er 1880 kurzzeitig als Staatssekretär des Äußeren im Gespräch war. Waldersee war eine einheitlich auswärtige Politik nicht wichtig; wichtig war die Durchsetzung seiner Wünsche. Er war auch maßgeblich am Sturze Bismarcks beteiligt.
Bismarck hatte über Moltke versucht, Waldersee von seinem Posten zu entfernen, damit dieser schon rein geographisch nicht mehr in der Lage ist, so einen Einfluß auf Wilhelm II. auszuüben. Vergeblich. Auch Kaiser Friedrich III. hatte sich diesbezüglich an Moltke gewandt. Moltke war aber stur und hielt an Waldersee fest. Warum der Kaiser Moltke nicht einfach einen entsprechenden Befehl erteilte, weiß ich nicht. Schwer zu verstehen.
 
Wobei, Präventivkriege waren doch nichts neues bei den Hohenzollern. Friedrich II und die Schlesischen Kriege waren ja schon mehr oder minder Präventivkriege.
 
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