In Frankreich ist der Tag des Waffenstillstandes ein gesetzlicher Feiertag. Auch in Großbritannien, Australien, Neuseeland, Belgien etc. wird dem Ende des Krieges und an seine Opfer erinnert. In Deutschland geschieht nichts dergleichen. Der Juli 1914 oder auch der 150. Jahrestag der Begründung des Deutschen Kaiserreichs interessiert hier fast niemanden und hat auch keinen oder keinen groß wahrnehmbaren öffentlichen Widerhall gefunden
Da muss man aber fairerweise dazu sagen, dass für Frankreich und Großbritannien der 1. Weltkrieg der verlustreichere der beiden Weltkriege gewesen ist und dass schon allein deswegen im allgemeinen Gedächtnis einen anderen Stellenwert einnimmt.
Bei Frankreich kommt im Bezug auf den 2. Weltkrieg noch die militärische Niederlage und die heikle Frage betreffs des Vichy-Regimes und der "Collaboration" hinzu, die sicherlich auch als Themen der Erinnerungskultur aus offensichtlichen Gründen nicht so besonders beliebt sind.
Ich denke so viel wird man dem Unterschied in der Erinnerungskultur und dem größeren Interesse in Großbritannien und Frankreich schon beigeben müssen.
das am 09.November 1918 die Monarchie am Ende gewesen war und die Republik gleich zweimal ausgerufen worden war, weiß wahrscheinlich so gut wie niemand.
War die Monarchie damit de jure am Ende? Ich würde meinen, dass sie das erst im Moment der Verabschiedung der Weimarer Verfassung 1919 tatsächlich war, denn ungeachtet der Thronvakanz nach der Abdankung von KWII und der Ausrufung der Republik durch Scheidemann und Liebknecht war dadurch ja noch nirgendwo die rechtliche Verankerung einer republikanischen Staatsform greifbar.
Der Akt der Ausrufung der Republik mag symbolisch bedeutsam sein, aber der Tatsächliche Beginn der Republik ist doch erst 1919.
Das sind Spitzfindigkeiten, aber wenn wir von von der Vergessenheit von Teilen der öffentlichen Erinnerungskultur reden, dann finde ich es eigentlich eher interessant, dass die Daten der Abdankung von KWII und des Waffenstillstands von Compiègne (das ist jedenfalls meine Wahrnehmung) präsenter sind, als diejenigen des Abschlusses des Versailler Friedens und der Verabschiedung der Weimarer Verfassung, die ich im Hinblick auf die deutsche Geschichte für bedeutender halte, aber die sich natürlich weniger als plakative Symbole eignen.
Möglicherweise erinnert sich der eine oder andere an den großen Historikerstreit
"Den großen Historikerstreit" ist ein Bisschen schwierig, denn davon gab es ja mehrere und der Begriff wird ja gleichsam auf verschiedene Kontroversen, wie die sowohl um die Thesen Fischers, als auch um die Einlassungen Noltes verwendet.
Insofern bin ich immer etwas irritiert wenn in den Medien von "dem Historikerstreit" die Rede ist, weil ich dann ohne Kontext nicht weiß ob die Auseinandersetzung um die Kriegsschuldfrage bei Fischer oder Notes Einlassungen über einen angeblichen Zusammenhang zwischen rotem Terror und Holocaust die Rede ist.
Da wird man einfach einräumen müssen, dass diese Verschlagwortung, die sich in der Erinnerungskultur durchgesetzt hat sehr geeignet ist zusätzliche Verwirrung zu stiften.
Auch Clark oder Schmidts Buch haben für Aufregung gesorgt, weil diese Historiker schnell unter dem Verdacht standen die deutsche Schuld zu relativieren oder sich gar des Revisionismus schuldig gemacht zu haben.
Hilf mir auf die Sprünge, wer, der vom fachlichen her einigermaßen Anhnung hat, hätte einem von beiden explizit Revisionismus vorgeworfen?
Sicherlich gab es da ein paar Feuilleton-Komentare, bei denen man sich fragen konnte, ob die Autoren den Inhalt der Werke überhaupt zur Kenntnis genommen haben und hin und wieder den Hinweis auf eine sehr schräge Rezeption Clarks bei einigen Leuten, aber das ist ja keine grundsätzliche Kritik an Clark.
Nach meinem Eindruck ist eigentlich im Besonderen Clarks Werk beim Publikum sehr wohlwollend aufgenommen worden (dafür sprechen auch die Verkaufszahlen) und kritische Stimmen kommen da weniger aus dem Bereich der Fachwelt und der öffentlichen Meinung als aus Teilen der veröffentlichen Meinung.
So manch deutsche Historiker hat noch heute die Neigung, den Drang der Alleinschuld, beim Zweiten Weltkrieg ist das ja vollkommen unstrittig, oder zumindest doch der Hauptschuld Deutschland anzulasten. Und wehe einer tanzt aus der Reihe.
Da muss ein Australier namens Clark kommen und die Dinge dann wahrnehmbar zurechtzurücken.
Jetzt bin ich ein kleines Bisschen irritiert, denn wo hat Clark sich in seinen "Schlafwandlern" explizit dahingehend geäußert, dass er Fischers vorstellung einer "Haputschuld" oder nennen wir es besser "Hauptverantwortung" Deutschlands für den Ausbruch des Krieges für nicht anschlussfähig hält?
Das hat er so weit ich mich erinnere nicht getan, er hat es einfach vermieden das Thema Schuldverteilung in seinem Buch anzugehen.
Deswegen verstehe ich diesen postulierten Gegensatz Fischer vs. Clark nicht so ganz.
Clark bietet uns einen anderen Blickwinkel an, aber das war es im Grunde auch.
Ich denke viele sind was die Deutsche Position betrifft einfach überkritisch.
Das denke ich um ehrlich zu sein nicht.
Ich denke dafür aber, dass im Hinblick auf die Vorgeschichte des 1. Weltkriegs noch immer sehr stark die falschen Diskurse geführt werden.
Was bei denjenigen, die Deutschlands Verantwortung gerne ausblenden würden und die nicht müde werden die deutschen Handlungszwänge in der Julikrise 1914 zu betonen, gerne einmal übersehen ist der Umstand, dass ein guter Teil dieser Handlungszwänge hausgemacht war.
Und in dieser Hinsicht werden mMn noch sehr viel zu viel die richtigen Fragen nicht gestellt und vollkommen unkritische Narrative übernommen.
Z.B. die Vorstellung des Schlieffenplans als für sicher gehaltenem Siegesrezept wird mir noch entschieden zu oft hochgehalten, dass war er schlicht nicht.
Auch über die internen Vorgänge im Besonderen in Generalstab und Kriegsministerium wird mir zu wenig geredet, darüber, dass Moltke d.J. mit dem modifizierten Schlieffenplan an einer Operationsplanung festhielt, für die er überhaupt nicht die zulänglichen Truppen zur Verfügung hatte und es unterließ Kaiser und Reichsregierung zu informieren ist z.B. etwas, worüber kaum ein Wort verloren wird.
Es ist im Juli 1914 aber entscheidend, weil Berlin, wenn der Regierung davon Kenntnis gehabt hätte, sicherlich ganz anders gehandelt hätte.