Zum eigentlichen Bruch der griechischen Neutralität kam es doch im Mai 1916 als die bulgarische Armee in den griechischen Teil Mazedoniens einmarschierte, weil die Mittelmächte Bulgarien dieses Gebiet als Beute versprochen hatten. Konstantin untersagte seiner Armee gegen die Invasion vorzugehen.
So und jetzt nochmal hierzu:
- Die Streitkräfte der Entente landeten im September/Oktober 1915 auf Limnos. Wohl mit Billigung von Venizelos aber so weit ich das überblicke ohne dass Konstantin I. das autorisiert hätte, denn nachdem die Streitkräfte der Entente in der Ägäis gegen das Osmanische Reich aggierten, wäre es mit der Neutralität des Landes nicht vereinbar gewesen, diesen dort Operationsbasen zu überlassen.
- Im Oktober 1915 landeten Truppen der Entente, ohne Zustimmung Konstantins in Thessaloniki.
- Die Truppen der Entente die gelandet waren, blieben nicht in Thessaloniki, sondern rückten teilweise nordwärts ins serbische Mazedonien vor und stießen am 21. Oktober im Gebiet von Valandovo bei Demir Kapija mit bulgarischen Kräfte zusammen, was Gefechte zwischen den Entente-Truppen und den Bulgaren zur Folge hatte.
Die Truppen der Entente griffen damit über griechisches Territorium die bulgarischen Streitkräfte in Serbien an.
Spätstens in dem Moment, in dem von griechischem Territorium aus Kriegshandlungen unternommen wurden, konnte Griechenland nicht mehr die Unverletzlichkeit seines Territoriums gegenüber Bulgarien auf Grund von Neutralität beanspruchen (sollte eigentlich klar sein, die Diskussion was alles zu unterbleiben hat, wenn man nicht Kriegspartei werden möchte, haben wir ja derzeit regelmäßig in Sachen Ukraine).
Im Fall, dass ein vormals neutraler Staat zustimmt, dass von seinem Territorium aus Kampfhandlungen unternommen werden, wird er Kriegspartei.
Nun wird man im Fall Griechenland einwenden können, das das offizielle Griechenland dies der Entente überhaupt nicht erlaubt hatte, sondern
dass diese sich entsprechenden Zutritt selbst ohne Erlaubnis dazu verschafft hatte.
Man wird hier also mit Fug und Recht behaupten können, dass Griechenland zu diesem Zeitpunkt keine Kriegspartei war, weil das offizielle Griechenland (in seiner Gesamtheit, das Handeln einzelner Politiker ist davon zu unterscheiden) an dem Umstand, dass es in einer Art in den Krieg involviert wurde, wie es für ein neutrales Land nicht vereinbar ist keine Schuld trifft, weil kein aktives Eigenverschulden vorlag.
Sich außerstande zu sehen sich der britischen und französischen Militärmacht entgegen zu stellen und angsichts eines hoffnungslosen Kräfteverhältnisses die Verletzung des eigenen Territoriums zwecks Kriegshandlungen unter Protest hinzunehmen, ist sicherlich kein aktives Verschulden.
Nur, wenn sich das offizielle Griechenland außersstande sah etwas gegen Militäraktionen der Entente über das eigene Territorium gegen Bulgarien zu unternehmen, und sich auf den Standpunkt stellte, der Verpflichtung bestimmte Dinge nich zuzulassen, an die Staaten gebunden sind, wenn sie als neutral gelten wollen, mit dem Verweis auf höhere Gewalt, nicht nachkommen zu können, dann musste das auch anders herum gelten.
D.h. wenn es Offensiven der Entente über griechisches Territorium gegen Bulgarien unter Protest hinnahm, musste es sich, wenn es keine Partei ergreifen wollte auch im umgekehhrten Fall bulgarischen Vorgehenns gegen die Entente-Truppen in Griechenland darauf beschränken.
Insofern war Konstantins Verhalten in Sachen Neutralität konsequent.
Die Behauptung, es hätte zwischen den Zentralmächten und Bulgarien ein Abkommen gegeben, dass Bulgarien griechische Territorien versprach und Bulgarien somit ermuntert hätte einfach mal Griechenland zu überfallen um dort Beute zu machen, ist in dieser Form ein Märchen.
Es gab ein Abkommen, in dem die Zentralmächte Bulgarien griechisches Territorium in Aussicht stellten, für den Fall eines Anschlusses Griechenlands an die Entente und Kriegseintritt gegen die Zentralmächte.
Da aber Konstantin I. sich gegen beides kategorisch wehrte und vernehmbar gegen die Behandlung Griechenlands durch die Entente protestierte, war dieser Fall offensichtlich nicht gegeben.
Die bulgarische Offensive dürfte mehr was damit zu tun gehabt haben, die auf griechischem Territorium stehenden Truppen der Entente zu verdrängen und die Gefahr für den Süden des eigenen Landes, der daraus resultierte abzuwehren.
Das wiederrum, stellte für sich genommen durchaus keinen illegitimen Akt dar.
Venizelos Handeln mit der bulgarischen Offensive zu rechtfertigen, ist insofern ein wenig sehr wohlfeil, als dass Venizelos mit seinem Handeln die Entente zur Landung bei Saloniki erst ermutigte (im Übrigen gegen den Willen Konstantins) und damit dafür sorgte, dass für Bulgarien eine permanente Bedrohung im Süden entsstand, auf die dieses irgendwie reagieren musste.
Man könnte also durchaus sagen, dass Venizelos das eindringen bulgarischer Kräfte nach Griechenland nachgerade provoziert hatte, insofern er sich für eine Landung der Entente einsetzte und dabei half, dieser von griechischem Territorium aus Offensiven in Richtung Mazedonien und Bulgarien zu ermöglichen.
So schaut es mal aus.