Gerade bei den Ladinern kann das aber doch nicht die Sprache gewesen sein, die dort "schon immer" gesprochen wurde?
Was heißt hier schon immer? Auch Ladiner waren natürlich verschiedenen Einflüssen unterworfen, die ihre Spuren in ihrer Sprache hinterlassen haben.
Ein anderes Beispiel: Ich wanderte im Sommer 2022 zu Recherchezwecken über die Alpen. Dabei kam ich auch in ein Dorf namens Sauris (deutsch Zahre), wo ich auf dem Friedhof eine Frau mittleres Alters ansprach. Als sie die auf italienisch gestellte Frage, ob sie von Sauris sei, bejahte, frage ich sie, ob sie mir noch ein paar Worte in ihrem Dialekt sagen kann. Da sagte sie wörtlich: „O Gott, ich lebe schon seit 30 Jahren in Udine, bin hier nur zu Besuch, und jetzt soll ich
deutsch sprechen?“ Sie sprach da trotzdem ein paar Sätze in ihrem eigentümlichen Dialekt, die ich aber kaum verstand. Das war kein Wunder, denn sie sprach ein Deutsch, das sich in den 7 Jahrhunderten seit ihrem Ankommen dort kaum verändert hat.
Auch dieses Dorf, eigentlich sind es 2 Dörfer, war jahrhundertelang von der italienisch sprechenden Umgebung abgeschnitten und bewahrte daher die mitgebrachte Sprache. Will sagen: Besteht keine Notwendigkeit, wird die Sprache nicht gewechselt, selbst wenn alle Welt um einen herum, eine andere Sprache spricht.
....und die Männer wechseln die Sprachen wie die Unterhosen?
Nein, Männer wechseln die Sprache, wenn es notwendig ist. Bei Eroberung eines Landes passen sich autochthone Männer schneller der Sprache der Eroberer an als Frauen. Dann wir in Kommunikation nach außen die Sprache der Eroberer gesprochen, zuhause aber weiter die eigene. Das kann man auch bei heutigen Migranten beobachten, die ein patriarchales System mitbringen: Männer arbeiten draußen im dauernden Kontakt mit der Mehrheitsbevölkerung, Frauen bleiben zuhause mit wenig Kontakt nach draußen und sprechen deswegen kaum die für sie fremde Sprache.
Es war Politik, Veteranen Farmland in den Provinzen zu geben, um der römischen Herrschaft ein Rückgrat zu schaffen.
Hast recht – habe ich nicht daran gedacht. Wie groß der Einfluss der Veteranen auf die Sprache ihrer Umgebung war, weiß ich nicht. Aber ich nehme an, dass war so ähnlich wie zur Zeit der deutschen Ostlandnahme im 13. bis 15. Jahrhundert: Die deutschen Siedler sprachen unter sich deutsch, die autochthone Bevölkerung aber weiterhin in ihren eigenen Sprachen.
oder liegt es nicht eher daran, dass diese Gruppen religiös in sich geschlossen sind und z.B. Modernisierung ablehnen? Damit streng endogam leben?
Ja, bei den Amischen könnte das eine der Mitursachen sein, aber bei den Ladinern und Zahrern – siehe oben – eher nicht.