Das im Unterschied zu Diktatoren, bei denen Moral, wenn überhaupt, unter ferner liefen existiert.
Ist das tatsächlich so, dass ausgerechnet darin ein maßgeblicher Unterschied besteht?
Ich möchte das jetzt explizit nicht so verstanden wissen, dass ich Diktatoren besondere moralische Qualitäten andichten wollte, gleichwohl finden sich durchaus Beispiele dafür, dass Diktatoren oder Personen, die eine quasidiktatorische Position einnahmen parziell durchaus in der Lage waren und sind, moralisch zu handeln.
Nimm als Beispiel dafür etwa Chruschtschow, der nach Stalins Tod begann den stalinistischen Terrorapparat in der Sowjetunion abzubauen, das Gulag-System aufzuösen und der auch bereit war über die Rückführung der noch verbliebenen Kriegsgefangenen zu verhadeln.
Das wird man dem Mann, bei allen Verbrechen, die das Sowjetische Herrschaftssystem auch unter seiner Ägide gegen die Grundrechte seiner eigenen Bevölkerung beging, durchaus zum Teil als moralisch durchaus beachtliche und Positive Einzelfallentscheidungen anrechnen können, im Hinblick auf die Entstalinisierung möglicherweise sogar mehr als dass, während das Herrschaftssystem an und für sich in dieser Form zutiefst amoralisch blieb.
Und man könnnte hier durchaus argumentieren, dass auch hier Moral in gwissem Sinne vor Macht ging, denn mit dem Abbau des stalinistischen Terrorapparats nahm Chruschtschow der KPdSU und de facto auch seiner eigenen Herrschaft natürlich durchaus ein real einsetzbares Machtmittel, mit dem er seine Herrschaft hätte stützen können.
Hätte der den stalinistischen Terrorapparat nicht abgebaut, sondern beibehalten und ihn so eingesetzt, wie Stalin vor ihm ihn eingesetzt hat, wäre er wahrscheinlich nicht entmachtet und durch Breschnew ersetzt worden.
Nun wird man den historischen US-Präsidenten kaum vorwerfen können, im Inland ein vergleichbar amoralisches Herrschaftssystem praktiziert zu haben, wie die diktatorisch regierenden Machthaber in der Sowjetunion.
Aber du wirst keinen US-Präsidenten (jedenfalls nicht nach dem 19. Jahrhundert) finden, der keine moralisch durchaus fragwürdige Latein-Amerika-Politik betrieben hat, denn die fand in Permanenz statt.
Insofern sehe ich auch hier amoralische und moralische Entscheidungen ambivalent nebeneinander stehen.