Carter, Reagan und die Geiselverhandlungen

flavius-sterius

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Jimmy Carter wird in den Geschichtsbüchern mit den US-Geiseln in Teheran in Gedächtnis bleiben. Sein Vorgehen in dieser Geiselnahme wurde damals als schwach wahrgenommen. Ins Bild passte da die fehlgeschlagene Befreiungsaktion im Iran. Die Weltmacht USA verlor dadurch an Reputation.
Weniger öffentlich war die Auswirkungen seiner Politik auf das US-Militär, welches in seiner Amtszeit stark geschwächt war. Noch Ende der 1980er Jahren gab es bei US Militärs kein freundliches Wort für seine Politik. Zumindest bei denen, mit welchen ich bei der NATO Kontakt hatte.
 
Jimmy Carter wird in den Geschichtsbüchern mit den US-Geiseln in Teheran in Gedächtnis bleiben. Sein Vorgehen in dieser Geiselnahme wurde damals als schwach wahrgenommen. Ins Bild passte da die fehlgeschlagene Befreiungsaktion im Iran. Die Weltmacht USA verlor dadurch an Reputation.
Weniger öffentlich war die Auswirkungen seiner Politik auf das US-Militär, welches in seiner Amtszeit stark geschwächt war. Noch Ende der 1980er Jahren gab es bei US Militärs kein freundliches Wort für seine Politik. Zumindest bei denen, mit welchen ich bei der NATO Kontakt hatte.

Das betrachtet Carter aber zu sehr aus Sicht der Hardliner beim Militär. Aus meiner Sicht spricht das alles eher für Carter.
Er war wirklich um eine deeskalierende, ehrlichere Politik bemüht.

Schmutzig wurde es, als Reagan mit Hilfe des Geheimdienstes die Geiselbefreiung verzögerte, um seinen Wahlsieg nicht zu gefährden, dafür im Gegenzug heimlich Waffen an Khomeini lieferte.
 
Das betrachtet Carter aber zu sehr aus Sicht der Hardliner beim Militär.
Das denke ich auch. Das Militär versuchte die von ihnen dilettantisch geplante, durchgeführte und letztlich gescheiterte Befreiungsaktion Carter anzuhängen. Und es wird dabei vergessen, dass Carter es war, der durch Verhandlungen die Freilassung der Geiseln erreichte: Sie wurden am 20. Januar 1980, dem Tag der Inauguration des neugewählten Präsidenten, freigelassen. Das war ein Geschenk Carters an Reagan, der damit ohne Klotz am Bein durchstarten konnte.
 
… so lange gebremst hatten, bis die Freilassung Reagan zugerechnet wurde.
Das glaube ich nicht - selbst die als etwas einfältig geltenden Amerikaner können 2 und 2 zusammenzählen und sehen, der Reagan konnte es nicht gewesen sein, wenn am Tag seiner Amtseinführung die Geiseln nach monatelangen Verhandlungen freikommen. Dass manche Republikaner das hinterher trotzdem so darstellten, zeigt nur: Ihre mangelnde Treue zur Wahrheit war schon damals vorhanden, wurde unter George W. Bush verstärkt, um den Kreuzzug gegen Irak zu rechtfertigen, um dann mit Trump eine Höhe zu erreichen, von der aus die Lüge als alternative Wahrheit leichter verkauft und gekauft wird.
 
Zumindest in meinem Umfeld, in den Printmedien, die ich damals zum Lesen hatte und in den Sendern, die wir damals hatten (Multikanäle-Fernsehen und Internet waren damals noch nicht erfunden), wurde die letztendliche Freilassung der Geiseln durchwegs noch Jimmy Carter zugeschrieben und nicht schon seinem Nachfolger Ronald Reagan.
 
Nicht alles.
Aber dass Reagan den Mullahs Waffen verkauft hat, kam ja einige Zeit später ans Licht.
Eine bessere Erklärung dafür wurde zumindest nicht geliefert.
Iran-Contra-Affäre – Wikipedia

Man darf auch nicht die zweite Komponente des Affäre nicht vergessen = Nicaragua.

Während der Regierung von Carter wurde das Somoza-Regime in Nicaragua gestürzt. Zu Somoza hat sich Franklin Delano Roosevelt sinngemäß geäußert:

Somoza ist ein Schweinehund, aber er ist unser Schweinehund.

Carter verwehrte den 1979 gestürzten Somoza-Sprössling Asyl in den USA.

Der damals starke Mann der Rebellen - Ortega - regiert seit einigen Jahren wieder in Nicaragua.

Carter hat den Friedensnobelpreis auch deswegen bekommen, weil er Moral über Machtinteressen gestellt hat. Kann man machen, aber für den Führer einer Weltmacht in einer zweigeteilten Welt doch ungewöhnlich.
 
Carter hat den Friedensnobelpreis auch deswegen bekommen, weil er Moral über Machtinteressen gestellt hat.
Das im Unterschied zu Diktatoren, bei denen Moral, wenn überhaupt, unter ferner liefen existiert. Und dann ist sie oft auch nicht das, was wir darunter verstehen, sondern irgendwas Verbrämtes, womöglich Ideologisches, Religiöses oder Völkisches.
 
Das im Unterschied zu Diktatoren, bei denen Moral, wenn überhaupt, unter ferner liefen existiert.
Ist das tatsächlich so, dass ausgerechnet darin ein maßgeblicher Unterschied besteht?

Ich möchte das jetzt explizit nicht so verstanden wissen, dass ich Diktatoren besondere moralische Qualitäten andichten wollte, gleichwohl finden sich durchaus Beispiele dafür, dass Diktatoren oder Personen, die eine quasidiktatorische Position einnahmen parziell durchaus in der Lage waren und sind, moralisch zu handeln.

Nimm als Beispiel dafür etwa Chruschtschow, der nach Stalins Tod begann den stalinistischen Terrorapparat in der Sowjetunion abzubauen, das Gulag-System aufzuösen und der auch bereit war über die Rückführung der noch verbliebenen Kriegsgefangenen zu verhadeln.

Das wird man dem Mann, bei allen Verbrechen, die das Sowjetische Herrschaftssystem auch unter seiner Ägide gegen die Grundrechte seiner eigenen Bevölkerung beging, durchaus zum Teil als moralisch durchaus beachtliche und Positive Einzelfallentscheidungen anrechnen können, im Hinblick auf die Entstalinisierung möglicherweise sogar mehr als dass, während das Herrschaftssystem an und für sich in dieser Form zutiefst amoralisch blieb.
Und man könnnte hier durchaus argumentieren, dass auch hier Moral in gwissem Sinne vor Macht ging, denn mit dem Abbau des stalinistischen Terrorapparats nahm Chruschtschow der KPdSU und de facto auch seiner eigenen Herrschaft natürlich durchaus ein real einsetzbares Machtmittel, mit dem er seine Herrschaft hätte stützen können.
Hätte der den stalinistischen Terrorapparat nicht abgebaut, sondern beibehalten und ihn so eingesetzt, wie Stalin vor ihm ihn eingesetzt hat, wäre er wahrscheinlich nicht entmachtet und durch Breschnew ersetzt worden.


Nun wird man den historischen US-Präsidenten kaum vorwerfen können, im Inland ein vergleichbar amoralisches Herrschaftssystem praktiziert zu haben, wie die diktatorisch regierenden Machthaber in der Sowjetunion.

Aber du wirst keinen US-Präsidenten (jedenfalls nicht nach dem 19. Jahrhundert) finden, der keine moralisch durchaus fragwürdige Latein-Amerika-Politik betrieben hat, denn die fand in Permanenz statt.
Insofern sehe ich auch hier amoralische und moralische Entscheidungen ambivalent nebeneinander stehen.
 
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