Langfristig ja.Das Bündnis mit Ö-U war ja schließlich fatal weil man sich an das Schicksal des instabilen Balkans band.
Mittelfristig, hatte es aber erstmal den Vorteil Frankreich zu isolieren. So lange Deutschland und Frankreich in ihrer demographischen und wirtschaftlichen Entwicklung noch einigermaßen nah bei einander waren, so dass Frankreich einen Revanchekrieg durchaus hätte wagen können (sagen wir mal in den 1880er und Anfang der 1890er Jahre), hatte das durchaus eine stabilisierende Wirkung.
Das übersieht, dass Deutschland in die "halbhegemoniale" Rolle, die es in der Wilhelminischen Zeit inne hatte, erst einmal hineinwachsen musste.Brauchte das wirtschaftlich und militärisch starke DR wirklich andere Verbündete als solche des Handels und kulturellen Austausches?
Und das wäre, wenn man sich nicht abgesichert hätte, angesichts eines revanchistischen Frankreichs, möglicherweise in dieser Form nicht passiert.
Hat die Teilnahme am Imperialismus Deutschland am Ende geschadet, oder hat ihm viel eher geschadet, dass es nicht imperialistisch genug aufgetreten war?Eine Neutralität hätte auch bedeutet nicht am Imperialismus teilzunehmen.
Das wäre dem DR gut bekommen und es hätte in Ruhe den weiteren Erfolg auf fast allen Gebieten der Kultur aufbauen können, statt mit Europa in die Katastrophe zu gehen.
Frankreich und Russland, die außereuropäisch wesentlich agressiver auftraten und wesentlich mehr Territorien unter ihre Kontrolle brachten, schafften es dadurch so viele Reibungsflächen mit Großbritannien zu erzeugen, dass sich dieses am Ende in eine Klärung der Einflusszonen und eine Verständigung einlassen musste.
Man kann ja, die Vorstellung, der Regierungen Bülow und Bethmann-Hollweg, Großbritannien qua Säbelgerassel und Flottenrüstung zur Freundschaft nötigen zu wollen für irrsinnig halten.
Allerdings, wenn man sich ansieht, wie Großbritannien und Frankreich nach Faschoda zu einer Einigung fanden, und wie das zwischen Großbritannien und Russland lief, gerade auch vor dem Hintergrund der britischen Befürchtungen wegen Indien, könnte man durchaus konstatieren, dass die Deutschen Regierungen genau das versuchten, was Frankreich und Russland gelungen war.
Frankreich ist vielleicht noch etwas komplizierter, aber bei Russland lief es darauf hinaus.
Lag das Problem also darin, dass sich Deutschland zu aggressiv verhielt (warum wurden dann die USA und Japan nicht als übermäßig agressiv empfunden, die tatsächlich Krieg um koloniale Positionen mit anderen Kolonialmächten führten, was Deutschland in dieser Form nie getan hatte) oder lag das Problem mehr darin, dass Deutschland in der Ära Bismarck zu wenig "koloniales Kapital" angehäft hatte um als Ernsthafter Akteuer auf dieser Ebene berücksichtigt werden zu müssen und geriet es deswegen ins Abseits, weil es zu wenig außereuropäische Probleme fabrizierte um in das koloniale Interessenkartell (man kann die Entente ja durchaus vorrangig als solches sehen) mit einbezogen zu werden?
Ich denke, die Frage kann man auf der technischen Ebene durchaus stellen.
So etwa ab der Jahrhundertwende vielleicht, aber da musste es erstmal hinkommen.Ich spekuliere mal, dass es stark genug dafür war.
Mit der Vorstellung, dass das Bündnis mit Österreich-Ungarn am Ende verderblich war und das man das bei Zeiten besser beendet hätte rennst du bei mir offene Türen ein.... .. wer solche Verbündete hat wie das DR (Italien, Ö-U) braucht ja wirklich keine Feinde mehr.![]()
Ob es aber ratsam gewesen wäre auf Bündnisse vollständig zu verzichten, ist eine andere Frage.
Die Meinung zum Thema Italien teile ich nicht.
Berlin und Rom kamen ja durchaus ganz gut miteinander aus, zumal sich Italien und Frankreich lange auch nicht wirklich grün waren.
Das Problem war halt mehr dass sich Deutschland in Form von Östereich-Ungarn und Italien mit zwei Mächten verbündet hatte, die miteinander nicht wirklich konnten.
Italien war kein besonders starker Verbündeter, hätte aber im Konfliktfall immerhin französische Truppen binden können und im Gegensatz zu Österreich-Ungarn brachte es keine enormen außenpolitischen Hypotheken, wie eben die Feindschaft Russlands mit in das Bündnis ein.
Nur wären ja auch die außenpolitische Lage und die Möglichkeiten und Zwänge der anderen Mächte zu berücksichtigen gewesen.
Für Österreich-Ungarn wäre, wenn Deutschland nicht zu einem Bündnis bereit gewesen wäre, das zunehmend drückend überlegene Russland im Osten auf Dauer ein massives Problem geworden.
Darauf hätte Wien auf zwei Arten reagieren können:
1. Sich mit Russland arrangieren und alle Großmachtsambitionen in Richtung Balkan abschreiben.
Das hätte aber bedeutet, dass sich im Osten Deutschlands ein enormer Machtblock zusammengeballt hätte, der Berlin kaum hätte gefallen können. Zumal Österreich, wenn es zu Gunsten eines Ausgleichs mit Russland auf den Balkan und Polen als imperiale Spielplätze verzichtet hätte, sich eben nur im Westen Neue hätte schaffen können.
2. Es hätte sich dann um sich vor Russland zu sichern in eine Allianz mit Frankreich flüchten können, was Deutschland ebenfalls nicht hätte gefallen können, weil dann damit hätte gerechnet werden müssen, dass sich die beiden früher oder später zu einem Revanchekrieg bereitfinden würden, zumal eine Abtrennung Süddeutschlands schon aus strategischen Gründen dann wahrscheinlich im Interesse eines solchen Blocks gewesen wäre, um eine Landverbindung zu haben (neben den anderen denkbaren Motiven).
Deutschland 1914 wäre vielleicht in der Lage gewesen das 2. Szenario einigermaßen ruhig hinzunehmen, anno 1880 wäre es das mit Sicherheit nicht gewesen und das 1. Szenario eines großen russisch-österreichischen Machtblocks im Osten, bei gleichzeitig revanchistischem Frankreich im Westen, wäre wahrscheinlich zu keine Zeitpunkt aushaltbar gewesen.
Ich denke nicht, dass Neutralität funktioniert hätte, dazu waren in dieser Konstellation der französische Revanchismus und das Machtgefälle zwischen Österreich-Ungarn und Russland zu gravierend.
Andere Bündnisse (Vertiefte Zusammenarbeit mit Italien + Neutralisierung Russlands durch Trennung von Österreich-Ungarn als Partner oder Bündnis mit Russland allein oder zusätzlich zu Italien) hätten möglicherweise in Europa ein tragbares Gleichgewicht erhalten können.
Naja, Bismarck hat sich ja daran versucht den Bruch mit Frankreich zu heilen, als er der Regierung Ferry sehr weit in den kolonialen Fragen entgegen kam und Frankreich de facto dabei half sein Kolonialreich aufzurichten.Es wurden schon weit größere Erbitterungen durch eine kluge Diplomatie geheilt.
Die Rivalität zwischen Frankreich und Deutschland hat das nicht beilegen können.
Und was Österreich-Ungarn betrifft, wie gesagt, dieses Land stand vor dem Problem eines zunehmend übermächtigen Russlands im Osten, mit dem Wien hätte umgehen müssen. Was entweder auf einen Großen Machtblock im Osten hinausgelaufen wäre, bei gleichzeitigem Revanchismus der Franzosen im Westen oder auf ein Französisch-Österreichisches Bündnis, womit sich Wien an den französischen Revanchismus drann gehängt hätte.
Letzteres wäre für Deutschland mit Italien und mindestens neutralem oder verbündetem Russland wahrscheinlich aushaltbar gewesen, allein, ohne Verbündete auf die Dauer kaum.
Wäre das angesichts des französischen Revanchismus und der dadurch bestehenden Notwendigkeit Frankreich Bündnisoptionen zu verbauen sinnvoll gewesen?Eine andere Frage ist: wurde eine Neutralität des DR zur fraglichen Zeit diskutiert?