Verpasste Gelegenheiten?

Turgot

Aktives Mitglied
Zu den deutsch-englischen Beziehungen gehört auch, das England seit dem Ende des Berliner Kongresses sich immer wieder um eine Abmachung mit Deutschland und Österreich-Ungarn bemüht hatte.

Ein Beispiel:

Die Russen haben ja bekanntermaßten 1877 den Krieg gegen das Osmanische Reich, wieder einmal, gestartet. Damit haben die Russen, soweit ich es korrekt erinnere gegen den Pariser Vertrag verstoßen gehabt.

Gut, für die Briten war natürlich die gesicherte Verbindung zur See nach Indien von zentraler Bedeutung. Also der Suezkanal und Ägypten bildeten definitiv ein Rote Linie. Die Einhaltung bzw. der Erhalt der internationalen Abmachungen hinsichtlich der Meerengen sicher ganz ebenso und natürlich durfte Konstantinopel nicht an die Russen fallen. Aber ich habe den Eindruck, das man in London eher bemüht war, diese Ziele eher “passiv” als “aktiv” erreichen wollte; nur ja nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.

Andrassy dachte an den “kostenlosen” Erwerb von Bosnien, , keine Schaffung eines großen slawischen Staates (Bulgarien) und die Umschließung Serbiens, und hat sich das schon im Abkommen von Reichsstadt und etwas später in den Abmachungen der Budapester Konvention bestätigen lassem.

Nur, das interessierte die Russen am Ende des Tages, siehe San Stefano, herzlich wenig.

Nach den Maßstäben der damaligen Zeit, war es für Österreich-Ungarn und Großbritannien nun eine außerordentlich günstige Gelegenheit, eine potenzielle Bedrohung, für Wien, und/oder eben einen überaus lästigen Konkurrenten, eben für London, für längere Zeit nachhaltig zu schwächen.

Wenn die Briten in das Schwarze Meer eingelaufen wären, die Türken hätten die Meerengen mit Kußhand geöffnet, dann wären auf einem Schlag die russischen Nachschublinien unterbrochen. Es wäre der russischen Armee nicht anderes übrig geblieben, als schleunigst die Koffer zu packen.

Die Österreicher hätten unterdessen in Rumänien und Serbien einmarschieren können. Das hätte für die Russen übel ausgehen können. Aber, die Machtverhältnisse auf dem Balkan wären erst einmal wahrscheinlich zu Gunsten Österreich-Ungarns verändert, wobei man natürlich nie sicher sein kann, wie sich ein Krieg tatsächlich entwickelt. Aber es war eine reale Chance, den Panslawismus einen Riegel vorzuschieben und dann den Frieden für längere Zeit zu sichern.

Andrassy war durchaus kein Idiot und rechnete schon mit dem russischen Wortbruch, trotz Reichstadt und der Budapester Konvention, die dem russischen Vormarsch eben verhindern sollten. Deshalb schloß er mit der britischen Regierung in Form eines Notenwechsels im Sommer 1877 für diesen Fall eine Konvention ab, die ein gemeinsames Auftreten gegen die Russen vorsah. Sie sah die Verhinderung eines russischen Zugriffs auf Konstantinopel sowie die Verhinderung der Begründung eines großen slawischen Staates, Bulgarien, vor.

Nach Adrianopel bzw. San Stefano war der Zeitpunkt für eine Intervention gekommen, und Andrássy trat im österreichisch-ungarischen Ministerrat und beim Kaiser für einen sofortigen Krieg gegen das Zarenreich ein. Von Franz-Joseph erhielt er dafür grünes Licht aber unter 2 Bedingungen: Bismarck mußte seine Neutralität fest zusagen, und London mußte die Meerengen mit Kriegsschiffen abriegeln und an Wien entsprechende Subsidien zahlen.

Der britische Premier Disraeli konnte hierfür, trotz Unterstützung von Königin Victoria, keine Mehrheit in der konservativen Regierung finden. Insbesondere Außenminister Lord Salisbury stellte sich quer und zog die meisten Kabinettskollegen auf seine Seite. Die entsandten britischen Panzerschiffe, ein knappes Dutzend, blieben somit in der Besika Bay und stießen nicht durch die Meerengen in das Schwarze gegen die Russen vor.


Fast noch wichtiger noch war, daß Bismarck keine Neutralitätserklärung abgeben und den Österreichern keine freie Hand für einen Krieg gegen Russland geben wollte. Sein Ausweg bestand darin, die Mächte zu einer Konferenz nach Berlin zu laden, wogegen er sich über Monate hinweg gesperrt und gewehrt hatte.

Damals wurde, was Bismarck später bedauerte, versäumt, die russische Aggression auf Jahrzehnte hinaus einzudämmen. Möglicherweise wäre es nicht zu einem Weltkrieg gekommen, zumindest wohl nicht der der Konstellation von 1914. Die russischen Expansionsgelüste wären wahrscheinlich für sehr lange Zeit eingedämmt gewesen.
 
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Nach dem Berliner Kongress kam es zu direkten Gesprächen zwischen Deutschland und Großbritannien.
Die Russen machten mittlerweile viel Lärm um das undankbare Deutschland, besonders heftig wurde Bismarck kritisiert, es wurden verstärkt Truppen an der Grenze zu Deutschland stationiert, abgeblich nur so lange, bis die russischen Festungen fertig seien, die Presse startete einen regelrechten Feldzug gegen Deutschland.
Der britische Botschafter, Morier, in Petersburg, äußerte bei Gelegenheit, das er zu Hause um Versetzung nach Moskau gebeten habe, um sich bei Herrn Katkow akkreditieren zu lassen.

Bismarck ließ den deutschen Botschafter , Münster, in London die Gespräche eröffnen. Die Gretchenfrage lautete, wie sich Großbritannien verhalten würde, wenn sich Deutschland auch weiterhin den russischen Zumutungen entzieht und dann von Russland angegriffen würde. Die britischen Staatsmänner gingen willig auf dieses Gespräch ein.

Die Briten waren bereit dafür Sorge zu tragen, das die Franzosen die Füße still halten würden. Damit wäre für Deutschland der Rücken frei und der Zweifrontenkrieg vermieden. und Bismarck notierte auf dem entsprechenden Bericht Münsters "Mehr nicht". Als Gegenleistung wurde Unterstützung hinsichtlich der Meerengen verlangt, eben das die Russen diese nicht verschließen können. Denn das Schwarze Meer war der wunde Punkt des Zarenreichs. Aber Bismarck reichts das nicht aus.

Salisbury war nicht eben entzückt, das “plötzlich“ von Bismarck nichte mehr kam. Salisbury war gereizt, dass Bismarck nach der ersten vertraulichen Anfrage durch Münster, die ja durch Beaconsfield und Salisbury durchaus positiv beantwortet worden war, sich in völliges Schweigen zurückgezogen hatte. Dabei hatte London doch seit nun zwei Jahren zusammen mit Wien Russland, unter dem Strich erfolgreich, Widerstand geleistet und Salisbury hatte gerade zuletzt wieder gegenüber Münster das “tiefe Interesse” zum Ausdruck gebracht, dass England daran nehme, Österreich nicht geschwächt zu sehen. Aber es war Salisbury natürlich nicht entgangen, das Münster eigentlich nichts mehr vorzubringen hatte.

Dieser Vorgang könnte möglicherweise bei Salisburys “Nein” Ende der 80ziger vielleicht eine Rolle gespielt haben.
 
Die Österreicher hätten unterdessen in Rumänien und Serbien einmarschieren können. Das hätte für die Russen übel ausgehen können. Aber, die Machtverhältnisse auf dem Balkan wären erst einmal wahrscheinlich zu Gunsten Österreich-Ungarns verändert, wobei man natürlich nie sicher sein kann, wie sich ein Krieg tatsächlich entwickelt.
Die Frage ist aber auch, was wären, wären die Russen hier zurückgeschlagen worden, die Folgen für das Osmanische Reich gewsen (mal von der Frage ab, wie ein solcher Krieg wirklich glaufen wäre)?

Man könnt ja durchaus argumentiren, dass der Verlust der zunehnd schwer kontrollierbaren Peripherie zumindest im Ostbalkan, so sehr das prestigemäßig sicherlich weh tat, dass Osmanische Reich von innenpolitischen Problemen auch entlastete.
In Bosnien, und Albanien, wo mindestens in Teil der Bevölkerung muslimisch war und neben aufkommenden nationalistischen Vorstellungen die religiösen Problme vielleicht nicht gannz so sehr eine Rolle spielten, mag das etwas anders gewesen sein, aber die Zentrifugalkräfte durch die aufkommenden Nationalbewegungen und gerade auch bei den orthodox-christlichen Minderheiten des Osmanischen Reiches, waren ja vorhanden.
Ob es für das Osmanische Reich am Ende besser gewesen wäre diese problematischen, peripheren Gebiete weiterhin zu halten, weiß ich nicht.

Aber es war eine reale Chance, den Panslawismus einen Riegel vorzuschieben und dann den Frieden für längere Zeit zu sichern.
Offen gesagt verstehe ich nach wie vor nicht, warum du dich am Panslawismus als Konzpt immer so abarbeitest.

Russland hat zu der Zeit de facto keine panslawische Politik betrieben. Wir reden immerhin noch von der Zeit vor der Revolution von 1905, in der das russische Regime in den polnischen und den ukrainischen Gebieten repressiv war. In der Presserzeugnisse und Literatur in polnischer oder ukrainischer Sprache unterbunden oder zumindest stark repressiert wurden.

1877 war der große polnische Aufstand von 1863/1864 in dessen Folge die Repression der Polen im Zarenreich nochmal deutlich verschärft wurde.

Faktisch war Russland zu diesem Zeitpunkt selbst eine Macht, in der die slawischen Untertanen, sofern nicht russisch zum Teil schlechter behandelt wurden, als etwa die Deutschbalten in den Ostseeprovinzen.

Als gegen Ende des Jahrhunderts und mit der Revolution von 1905 die Repressionen gegen das Kulturleben, die Literatursprachen etc. der slawischen Minderheiten in Russland zurückgefahren wurden, und auch die für die Polen so bedeutende katholische Kirche etwas mehr Aktionsfreiheit bekam, konnte man sich in Russland vielleicht in die Pose werfen, irgendwie der Freund aller anderen Slawen zu sein.
Aber 1877 doch nicht, jedenfalls nicht wenn man ernst genommen werden wollte.
Jeder wusste zu der Zeit, wie die Russen mit ihren polnischen "Brüdern" umgesprungen waren, als die sich aus der als zu fest empfundenen Umarmung lösen wollten.

Auch sonst weiß ich nicht, warum du das Thema "Pansalwismus" immer wieder ausgräbst. Eigentlich müsste spätstens der 2. Balkankrieg doch bewiesen haben, dass auch den Akteuren des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts durchaus klar war, dass im Ernstfall von der palslawischen Brüderlicheit zu Gunsten nationaler oder imperialer Interessen auch mal abgesehen wurde.
 
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Nun, der Panslawismus war ja nichts Geringeres als das Bestreben alle südslawischen Völkerschaften politisch und kulturell, selbstverständlich unter russischer Vorherrschaft, zu vereinigen. Erwähnt sei im gegebenen Kontext die von Russland unterstützen Aufstände gegen das Osmanische Reich, die schließlich nach erfolgreichen Niederschlagen direkt zur russischen Kriegserklärung an Konstantinopel führte, danndie in San Stefano erzwungene Schaffung eines Großbulgarien.
 
Auch sonst weiß ich nicht, warum du das Thema "Pansalwismus" immer wieder ausgräbst. Eigentlich müsste spätstens der 2. Balkankrieg doch bewiesen haben, dass auch den Akteuren des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts durchaus klar war, dass im Ernstfall von der palslawischen Brüderlicheit zu Gunsten nationaler oder imperialer Interessen auch mal abgesehen wurde.

Das wäre ein Thema für einen separaten Faden. Aber die Russen fühlten sich den"slawischen Brüdern in Serbien" so verbunden, das sie es nicht duldeten, das Österreich-Ungarn seine Strafexpedition gegen Belgrad durchführt.
 
In einem Gespräch mit dem deutschen Botschafter Hatzfeld, August 1887, Prinz Ferdinand hatten den bulgarischen Thron bereits bestiegen, führte Salisbury aus, das der wirkliche und gefährliche Feind Englands wie Deutschlands nicht Russland, sondern Frankreich sei! Russland sei fest entschlossen, sich jeder Aktion zu enthalten, bei der es zu einen kriegerischen Konflikt zwischen Berlin und Paris kommen könnte. Diese Politik der Russen würde die feindliche Haltung Frankreich sowohl gegen England als auch Deutschland bestärken und dort läge die wirkliche Gefahr für den Frieden in Europa.
Mit der Erreichung einer Regelung hinsichtlich der afghanischen Grenze war es gelungen ein Streitpunkt zwischen London und petersburg erst einmal aus der Welt zu schaffen. Die Zustände im Osmanischen Reich müssten aber vermutlich im verlauf der Zeit für Europa unerträglich werden.
Und jetzt kommt es faustdick:
England wird also den Sultan unter Umständen den Sultan sein Schicksal überlassen. Schon Randolph Churchill, genau der Churchill der sich in den 80zigern immer wieder um eine Abmachung mit Deutschland bemüht hatte, hatte geäußert, das Großbritannien kein Lebensinteresse am Bosporus hat, dessen Wahrnehmung einen Krieg rechtfertigen würde. Das hat noch ein paar Jahre zuvor ganz anders geklungen.
Hier bereitet sich das Zurückziehen der welltpolitischen Interessenlinie Englands vor. Österreich-Ungarn stand dann allein auf dem Balkan gegen das Zarenreich. Großbritannien wollte nunmehr verhindern, das die Russen sich wieder nach Asien zurück orientieren, sondern sich "auf dem Balkan" austoben. Selbstverständlich wünsche Großbritannien nicht, das dabei Österreich-Ungarn geschädigt werden würde.

Nun ja, wir wissen ja, wie es tatsächlich gekommen ist.

Bismarck hat die ganz Zeit, eigentlich wider besseren Wissens, an Russland festgehalten, trotz zahlreicher Zumutungen wie beispielsweise Bündnisfühl in Rom und Paris, starke Truppenkonzentrationen an der ostpreußischen Grenze, den abgrundtiefen Hass gegen Österreich-Ungarn, den russischen Pressefeldzug gegen Deutschland, die einsetzende Diskriminierung der Baltendeutschen etc.
 
Erst mit dem Verlust des Krimkriegs machte sich auch Russland die panslawistische Bewegung zu eigen, um seinen Einfluss in Mitteleuropa und auf dem Balkan im Zuge des wachsenden Imperialismus zu stärken. Russland wurde zum Machtzentrum eines zukünftigen allslawischen Reiches erhoben. Ausführlich konzipierte dies Nikolai Danilewski, indem er die Vorherrschaft des germanisch-romanischen Westeuropas für beendet erklärte. Russlands Expansion war für Danilewski eine welthistorische Mission, dies aufgrund seiner spirituellen Werte und seiner Sicht der Russen als einzigem gottesfürchtigem Volk
Wikipedia Panslawismus.
Dass die ursprünglich nationalromantische west- & südslawische Bewegung spät von Großmacht Russland adaptiert und auf Russland als Zentrum umgemünzt wurde, bot wohl einigen Zündstoff!
 
Das wäre ein Thema für einen separaten Faden. Aber die Russen fühlten sich den"slawischen Brüdern in Serbien" so verbunden, das sie es nicht duldeten, das Österreich-Ungarn seine Strafexpedition gegen Belgrad durchführt.
Das hatte aber nichts mit Panslawismus zu tun, sondern damit, dass sich Russland für Serbien und gegen Bulgarien als strategischem Partner auf dem Balkan entschieden hatte.

Das die russische Außenpolitik nicht panslawisch ausgerichtet war, beweist der Umstand, wie sie mit dem 2. Balkankrieg umging. In dessen Folge bedienten sich Rumänien (nördliche Dobrudja) und Griechenland ("Ägäis-Mazedonien") an bulgarischen oder von Bulgarien jedenfalls beanspruchten Territorien.
Heißt Russland hatte im 2. Balkankrieg geduldet, dass zwei nicht slawische Staaten sich am Staatsgiet eines slawischen Staates bedienten ohne einzuschreiten, obwohl man mittels Aufmarsch an der gemeinsamen Grenze mindestens Rumänien ohne weiteres zum Einlenken hätte zwingen können.

Wäre die russische Außenpolitik paradigmatisch auf die Unterstützung aller slawischen Staaten hinausgelaufen hätte St. Petersburg vielleicht die Übernahme eines Großteils der umstittenen Gebiete in Mazedonien, die Bulgarien beanspruchte durch Serbien hinnehmen können.
Aber nicht eine Verkleinerung Bulgarien zu Gunsten Rumäniens und Griechenlands.

Als das aber passierte, war St. Petersburg der Umstand, dass es sich bei den Bulgaren um Slawen handelte, bei den Griechen und Rumänen aber nicht und das bulgarische Slawen dadurch unter Fremdherrschaft gerieten, ziemlich egal.
 
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die einsetzende Diskriminierung der Baltendeutschen etc.
Was verstehst du so unter Diskriminierung? Das die seit Peter dem Großen bestehenden, Uralt-Privilegien der deutsch-baltischen Ritterschaften in den Ostseeprovinzen allmählich abgebaut wurden?

Auf Ebene der staatlichen Funktionäre jedenfalls gab es keine systematische Diskriminierung, bis in den 1. Wetkrieg hinein blieben die Deutschbalten gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil weit überproportional in herausgehobenen Postionen vertreten.

Was es seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert gab, waren verstärkte Bemühungen einer Russifizierung vor allem der staatlichen Strukturen und die Förderung der russischen Sprache und russischer Kandidaten die Funktionselite des Reiches.
Das war aber nicht einseitig gegen die Deutsch-Balten gerichtet, sondern betraf dann im Umkehrschluss sämtliche nicht russischen Bevölkerungsgruppen, die in der Elite des Landes bisher überproportional vertreten waren, deren Anteile, was die hohen Staatsämter und Militärposten angeht, sich verringerte.

Im Gegensatz zum Polnischen und zum Ukrainischen wurde das Deutsche als Literatursprache und in Presseerzeugnissen nie verboten und die zarischen Behörden taten auch nichts, um die lutherische Kirchenorganisation der Deutsch-Balten anzugreifen (wohingegen die katholische Kirche in Polen und Litauen nach Strich und Faden drangsaliert wurde).

Im Vergleich mit der Rechtsstellung und den Möglichkeiten, was kulturelle Autonomie betrifft, die die nicht russischen Slawen innerhalb des russländischen Reiches hatten, ging es der Deutsch-Baltischen Oberschicht in den Ostseeprovinzen und dem deutschsprachigen Bürgertum in den Ostseestädten auch um die Jahrhundertwende herum noch vergleichsweise gut.
 
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Das hatte aber nichts mit Panslawismus zu tun, sondern damit, dass sich Russland für Serbien und gegen Bulgarien als strategischem Partner auf dem Balkan entschieden hatte.

Das die russische Außenpolitik nicht panslawisch ausgerichtet war, beweist der Umstand, wie sie mit dem 2. Balkankrieg umging. In dessen Folge bedienten sich Rumänien (nördliche Dobrudja) und Griechenland ("Ägäis-Mazedonien") an bulgarischen oder von Bulgarien jedenfalls beanspruchten Territorien.
Heißt Russland hatte im 2. Balkankrieg geduldet, dass zwei nicht slawische Staaten sich am Staatsgiet eines slawischen Staates bedienten ohne einzuschreiten, obwohl man mittels Aufmarsch an der gemeinsamen Grenze mindestens Rumänien ohne weiteres zum Einlenken hätte zwingen können.

Wäre die russische Außenpolitik paradigmatisch auf die Unterstützung aller slawischen Staaten hinausgelaufen hätte St. Petersburg vielleicht die Übernahme eines Großteils der umstittenen Gebiete in Mazedonien, die Bulgarien beanspruchte durch Serbien hinnehmen können.
Aber nicht eine Verkleinerung Bulgarien zu Gunsten Rumäniens und Griechenlands.

Als das aber passierte, war St. Petersburg der Umstand, dass es sich bei den Bulgaren um Slawen handelte, bei den Griechen und Rumänen aber nicht und das bulgarische Slawen dadurch unter Fremdherrschaft gerieten, ziemlich egal.

Da kann und darf man geteilter Meinung sein. Wir diskutieren hier nicht über den 2.Balkankrieg.
 
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Als das aber passierte, war St. Petersburg der Umstand, dass es sich bei den Bulgaren um Slawen handelte, bei den Griechen und Rumänen aber nicht und das bulgarische Slawen dadurch unter Fremdherrschaft gerieten, ziemlich egal.
...lies doch einfach mal als ersten Ansatz Panrussismus – Wikipedia und dann wird dich nicht erstaunen, dass es eine Gleichsetzung von "russisch = orthodox" (drittes Rom Blabla) gab, sodass die orthodoxen Griechen da ganz prima reinpassten in das Ideologiekonglomerat.
 
Was verstehst du so unter Diskriminierung? Das die seit Peter dem Großen bestehenden, Uralt-Privilegien der deutsch-baltischen Ritterschaften in den Ostseeprovinzen allmählich abgebaut wurden?

Auch das gehört nicht zum Thema. Ganz kurz das Folgende:

Die Baltendeutschen hatten es im Zarenreich in Verwaltung, Militär und Politik zu hohen und höchsten Positionen und damit auch zu einigen Wohlstand gebracht.
Das erweckte den Neid der russischen Bevölkerung und als angesichts der russischen Bevölkerungsentwicklung die Baltendeutschen nicht mehr gebraucht wurden, ging man gegen sie vor. Der Panslawismus, ja auch der spielte eine Rolle, denn der hatte jede Menge gegen die Überfremdung Russlands durch Ausländer, ganz besonders aber gegen Deutsche aber auch Juden, einzuwenden, machte hier auch entsprechend deutschfeindliche Stimmung. 1871, von einem tag auf den anderen, wurde den Baltendeutschen ihre Privilegien genommen. Das bedeutete u.a., das Ihnen das Recht zur Selbstverwaltung genommen wurde. Die Baltendeutschen sollten russifiziert werden.

Vielleicht könnten wir ja jetzt bitte beim eigentlichen Thema bleiben.
 
...lies doch einfach mal als ersten Ansatz Panrussismus – Wikipedia und dann wird dich nicht erstaunen, dass es eine Gleichsetzung von "russisch = orthodox" (drittes Rom Blabla) gab, sodass die orthodoxen Griechen da ganz prima reinpassten in das Ideologiekonglomerat.
Natürlich passten die Griechen in ein Konzept, dass auf dem Fundamten gleicher oder verwandter orthodoxer Religion funktionierte.
Auf diesen Ideen beruhte ja bereits im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, die russische Unterstützung für die griechische Unabhängigkeit. Darauf hatten ja auch schon die Ideen beruht, die Katharina II. mal gegenüber Joseph II. ventiliert hatte und letztendlich führte der russische Versuch sich zur Schutzmacht aller orthodoxen Christen aufzuschwingen ja auch in dem Krimkrieg.
Der entzündte sich ja mitunter auch an der russischen Forderung eines Protektorats über die orthodoxen Christen innerhalb des Osmanischen Reiches.

Man muss doch aber sehen, dass diese Vorstellungen selbst in dieser panrussischen Zuspitzung in Konkurrenz zur panslawischen Ideenwelt stehen mussten, weil ja nunmal ein nicht ganz unwesentlicher Teil der Slawen innerhalb wie außerhalb des russländischen Reiches nicht orthodox waren, sondern katholisch.

Man konnte also entwerder auf eine panslawische Denke abstellen, dann konnte man aber nicht Teile Bulgariens den Rumänen und den Griechen opfern, oder auf religiös motivierte Vorstellungen und den gemeinsamen orthodoxen Glauben. Dann konnte man Rumänien und Griechenland in das Systemm irgendwie einbauen, aber Polen und die ganzen katholischen Slawen innerhalb der Donaumonarchie nicht.


Letztendlich war die russische Außenpolitik an keinem dieser beiden Konzepte ausgerichtet, sondern sie war relativ pragmatisch.
 
Die russische Außenpolitik war aggressiv imperialistisch. Waren es nicht die Panslawisten, die gerade das russisch-französische Bündnis das Wort redeten. Der panslawistische Nationalismus und die russische Außenpolitik beeinflussten und stützen sich gegenseitig.
 
Aus einem Bericht vom 02.September 1887 des deutschen Botschafters Schweinitz in Petersburg erfahren wir ein bisschen über die dortige Stimmung; konkret über die immer stärkere Annäherung Russlands an Frankreich. “Die Allianzbestrebungen seien der praktischen Ausführbarkeit näher gerückt worden.” Es sei “unter ziemlichen allgemeiner Zustimmung” ausgesprochen worden, das Russland gern der französischen Regierung die Hand reichen werde, sobald sie stark und stabil sei. Die republikanische Staatsform scheint nicht mehr ein offizielles Hindernis der Annäherung zu sein. “Auch die persönlichen Eigenschaften des Zaren”, schrieb Schweinitz, könnten “das berechtigte Misstrauen” gegen die Unaufrichtigkeit der russischen Politik nicht beseitigen.” Warnend fügte Schweinitz hinzu, dass die kriegerischen Strömungen gefährlich werden könnten, ehe der Zar dies erkenne. Seinem Vorgänger jedenfalls ist dies 1876/77 nicht gelungen.

Schweinitz schloss mit dem Hinweis, das Giers im Ministerrat noch im Reichsrat über Einfluss verfüge, und (extra für @Shinigmai) “daher weder vexatorische Maßregeln gegen die Deutschen, noch Anfeindungen durch die Presse oder die Beraubung der Deutschen durch die Fremdengesetze verhinden könne.”

Bismarcks ganzes Liebesmühe über die vergangenen Jahre war also letzten Endes vergeblich. Die Russen verlangten nach wie vor Gefolgschaft. Erst sollten die Deutschen 1877 den Krieg, zumindest diplomatisch, unterstützen und im verlauf der Battenbergkrise wurde auch Gefolgschaft erwartet. Ja, Bismarck sollte den russischen General Ernroth als bulgarischen Regenten durchsetzen. Bismarck war wohl da der Meinung, das die ganze deutsche Politik den Russen in Bulgarien zu Diensten sein müsse, in diesem Sinne wurde ja auch immer in Wien gewirkt, um eben den Zweifrontenalbtraum zu vermeiden. Die deutschen Bemühungen sind in Russland jedenfalls auf undankbaren Boden gefallen.

Der russische Pressechef Feoktistow, das Herz und die Seele der ganze Pressehetze gegen Deutschland, der Vizegouverneur Neklidow und der Vizegouverneur Barannow, beides Gegner Deutschlands, welche den Franzosen Dérouléde von der Patriotenliga durch seine Agitationsreise durch Russland begleiteten ,wurden vom Zaren mit hohen Orden dekoriert.

Herbert Bismarck war nur mäßig amüsiert. Er schrieb nach Petersburg. “Deutschland habe im Lauf der vergangenen Jahre der russischen Politik wichtige Dienstleistungen ohne Zahl erwiesen, dass alles Entgegenkommen absichtlich missdeutet und entstellt werde. Die Sprache de russischen Blätter sei derzeit noch bitterer und unfreundlicher gegen Deutschland als je zuvor. Der Schaden, der dadurch angerichtet wird, könne gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Nach dieser seit Jahren unter Zustimmung des russischen Ministers des Inneren betriebenen Verhetzung der öffentlichen Meinung Russlands gegen Deutschland könne man sich allerdings nicht mehr darüber wundern, dass Dérouléde von russischen Privatleuten mit enthusiastischen Ovationen aufgenommen wurde.”

Trotzdem hielt Bismarck unbeirrt an seine russenfreundlichen Politik fest. 1887 wäre es vielleicht möglich gewesen, mit Großbritannien etwas abzumachen gewesen.
 
Die Stimmung in Deutschland hatte sich also erheblich eingetrübt. Der Rückversicherungsvertrag stand auf der Kippe.

Unterdessen hatten die Botschafter Italiens, Englands und Österreich-Ungarns in Konstantinopel sich Gedanken über den Balkan gemacht.

Auf Grundlage der ihn vorgelegten Informationen beschloß Lord Salisbury im Herbst 1887 einen letzten Versuch zu starten. Zunächst stärkte er den Willen zur Begründung einer Balkanentente oder neuen Mittelmeerentente, wie immer man das Kind auch nennen möchte, in dem er anläßlich des jährlich stattfindenden Banketts des Lord Mayor of London die lebhafte Sympathie Großbritanniens bekundete, die bezüglich der orientalischen Frage im allgemeinen und Bulgarien im besonderen in den öffentlichen Reden Crispis und Kalnokys zum Ausdruck gebracht worden war.

Als nächstes verpasste den Brainstorming der drei Botschafter den aus seiner Sicht nötigen Feinschliff zu geben. Salisbury wollte vermeiden, die Abmachung dem Parlament vorlegen zu müssen, also durfte es keine bindenden materiellen Verpflichtungen enthalten. Der Entwurf Salisburys enthielt 8 Punkte:


  1. Aufrechterhaltung des Friedens,

  2. Erhaltung des status quo im Orient auf Basis der Verträge von 1856, 1871 und 1878,

  3. Erhaltung des Autonomiestatus verschiedener Völker innerhalb des Osmanischen Reiches und
    Verhinderung der Dominanz einer einzelnen Macht über diese,

  4. Wahrung der Integrität des Osmanischen Reiches,

  5. Verbot der Abtretung türkischer Hoheitsrechte über Bulgarien an eine andere Macht,

  6. Beitritt der Pforte zu diesem Agreement,

  7. Beistandszusage für das Osmanische Reich zur Abwehr für Fall eines Angriffs einer fremden Macht,

  8. Sanktionsdrohung gegen das Osmanische Reich bei aktiver wie passiver Unterstützung illegaler Handlungen einer fremden Macht .
Das Abkommen richtete sich klar gegen den russischen Expansionsdrang. Salisbury wollte eigentlich auch die kleinasiatischen Küsten des Osmanischen Reiches mit in die angestrebte Abmachung aufnehmen.

Nächster Schritt war die Haltung der Wilhelmstraße zu erkunden. Die beiden Unterredungen Hatzfeld mit Salisbury, vor und nach der Kabinettssitzung, sind wohl die bedeutendsten zwischen den beiden Ländern während der Kanzlerschaft Bismarcks werden. Wichtig ist hierbei das Telegramm Hatzfelds, welches dieser nach der Kabinettssitzung nach Berlin sandte. Salisbury gab den Wunsch des Kabinetts weiter, vor einer Entscheidung über den Abschluß eines Agreements die “approbation morale” der Reichsregierung zu erlangen.

Alternativ sei denkbar, dass Großbritannien einfach den Zweibund zwischen Berlin und Wien beitritt.

Bismarck merkte lediglich dazu an:”Wäre sehr gut, stimmt aber nicht mit den jüngsten Abkommen - damit dürfte wohl der Rückversicherungsvertrag und die Mittelmeerentente gemeint sein - , “außerdem wäre Betheiligung Englands kaum anders als durch Parlaments-Acte möglich.”

Fortsetzung folgt.
 
Ich werde bemüht sein, mich kurz zu fassen, denn das Interesse ist hier ja doch nicht soo groß.

Hartzfeld informierte Bismarck am 12.November darüber, das Salisbury eine Versicherung dahingehend zu haben wünsche, das im Falle der Thronbesteigung Prinz Wilhelms die Grundlinien der deutschen Außenpolitik unverändert bleiben.


Das war das Resultat der Ablehnung des Battenbergers und das Eintreten für die Russen durch Prinz Wilhelm. Bismarck war, mit Einverständnis von Wilhelm, bemüht die englischen Befürchtungenin einem ausführlichen Brief an Salisbury zu widerlegen.

Dieses Schreiben Bismarcks bot unter dem Strich aus Sicht Salisburys nichts wirklich Neues, was eine enge Bindung an das Deutsche Reich inspiriert hätte.

Die zweite Mittelmeerentente wurde dann am 12.Dezember 1887 vollzogen. Zum Schwur ist es nicht gekommen, da die bulgarische Krise im Frühjahr 1888 beigelegt werden konnte.

Was folgte war eine Außenpolitik Salisburys, die der Parallelität der Politik aufgrund der Identität der Interessen, aber keine intime Bindung.

Am Ende des Weges stand die Entente Cordiale und der Ausgleich mit Russland.
 
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