Warum musste Caecina einen Weg zum Varusschlachtfeld bahnen?

Bockstein

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Und noch einmal eine Frage:
Ich nehme an, daß Varus in seinem Sommerlager überfallen wurde. Zumindest die Örtlichkeit des Lagers müßte doch am Rhein bekannt gewesen sein.
Warum mußte Auslus Caecina sich einen Weg bahnen?War das Lager nicht in ein Straßennetz eingebunden?
 
Und noch einmal eine Frage:
Ich nehme an, daß Varus in seinem Sommerlager überfallen wurde. Zumindest die Örtlichkeit des Lagers müßte doch am Rhein bekannt gewesen sein.
Warum mußte Auslus Caecina sich einen Weg bahnen?War das Lager nicht in ein Straßennetz eingebunden?
Nun, deine Annahme steht im Widerspruch zu Velleius Paterculus, Tacitus und Cassius Dio. Nur wenn man diese Quellen ignoriert und Florus heranzieht, kann man auf deine Annahme kommen. Florus allerdings gilt als eher der Rhetorik und dem Stil als der Realität verpflichtet, weicht gerne mal inhaltlich von seinen Vorlagen ab.
Welchen Sinn ergibt es, einerseits die anderen Quellen zu Gunsten Florus' zu verwerfen, um dann wieder mit der Frage, warum Caecina einen Weg zum Varusschlachtfeld zu bahnen hatte, wieder auf eine dieser Quellen (denn diese Info steht nur bei Tacitus) zu rekurrieren?
 
Danke, El Quijote, wir wissen alle, daß die Quellen nicht eindeutig sind, sie lassen die Möglichkeit der Interpretation. Warum nicht einfach eine andere Quelle nehmen, wenn die bisherige zu einem bestimmten Punkt eine Leerstelle hat?
Ich habe mir in der Zwischenzeit die Kommentare zu den pontes longi durchgelesen.Viele Kommentare sind in sich logisch, manche verbesserungswürdig, aber sie bringen, was die Örtlichkeit als Erkenntnisobjekt beschreiben soll, 0 Ergebnis.
Deshalb versuche ich es jetzt eben anders.Aber noch eine Frage an Dich: Sind die Metallfunde in Kalkriese aufgeschlüsselt worden..zb Waffe, Zaumzeug, teller, häufig neu geschmiedet etc..
 
Den Widerspruch hast Du aber doch selbst bemerkt? Wenn Varus gerade arg- und waffenlos und im Sommerlager saß und Gericht hielt, als plötzlich die Mannen des Arminius hereinbrachen und drei Legionen zerschlugen, ist es doch erstaunlich, dass die unbestatten Leiber der Toten einige Jahre später mitten in der Wildnis aufgefunden worden sind?
 
Danke, El Quijote, wir wissen alle, daß die Quellen nicht eindeutig sind, sie lassen die Möglichkeit der Interpretation.
Richtig ist, dass die Quellen Interpretationsspielräume offen lassen. Aber warum die eine misstönende Stimme aus dem Chor der Quellen heranziehen von dem Autor, der von allen anderen abweicht und bekannt dafür ist, dass er gerne mal von seinen Quellen abweicht?

Lassen wir mal den Niederländer de Boer (1965) sprechen:

Eines der ältesten dieser allgemeinen kurzgefassten Geschichtsbücher ist die Epitome des L. Annaeus Florus. Ohne Senatstraditionen, Geschichten der Equites und imposante, das Volk ansprechende Einzelheiten ist sein Geschichtswerk undenkbar. Es bot ,,für jeden etwas". Dies erklärt vielleicht zum Teil seine Popularität in der Kaiserzeit und später. Mit Recht kann man hier vom erstenWerk sprechen, das das Geschichtsbild des Durchschnittsrömers im zweiten Jahrhundert nach Christus zeigt und für spätere Zeiten bestimmt hat.​
Es ist schwierig, ein gutes Wort über dieses Schulbuch zu sagen, das im Altertum, dem Mittelalter und der Neuzeit bis ins 18. Jahrhundert ein grosses Ansehen genoss. Joseph Scaligers preisende Worte "un très bel auteur" sind jedoch verklungen. Der Titel des Werkes nach der besten Handschrift, der Bambergensis, fasst viel Kritik moderner Geschichtsschreiber zusammen: "Epitoma de Tito Livio Bellorum Omnium Annorum DCC" "Condensed Livy" schreibt Ronald Syme, der in seinem Buch über Tacitus ein scharfes Urteil über Florus fällt.​
Selten hält man ihn der Ehre würdig, als Quelle von einiger Bedeutung zitiert zu werden.​
[...]​
Mit diesen vier Beispielen ist grosso modo angedeutet, wo Florus nicht nur als eine Quelle dritten oder vierten Ranges betrachtet wird, sondern ihm wirklich einige Bedeutung um seiner selbst willen zuerkannt wird. Aber auch dann, sogar bei der letztgenannten Stelle, dem Lob Trajans, sind die Historiker, die sie verwenden, niemals - soweit mir bekannt ist - auf den Gedanken gekommen, den Autor als Vertreter der rhetorischen Geschichtsschreibung des zweiten Jahrhunderts zu sehen. Dies fällt um so mehr auf, da unsere Quellen über diese Periode sehr spärlich sind. Die geringe Qualität dieses Werkes, das auch ich am allerwenigsten bewundere, ist wahrscheinlich die Ursache dafür gewesen, dass man sich selten oder niemals die Frage gestellt hat: was ist in diesem Buch typisch für das zweite Jahrhundert?​

Noch vernichtender als de Boer ist Jared M. Hudson (2019):

Florus’ Tableau (Jal's chosen title) simply doesn't read as mere paraphrase of Ab urbe condita. He frequently reshuffles, omits, or contradicts material found in Livy, or covers content that Livy does not include, or does not reach chronologically. Alongside Livy, Cato, Caesar, Sallust, Virgil, Seneca the Elder, Lucan, and (seemingly) Tacitus are conspicuous presences in Florus. Much has been said about how Florus fails to be a proper epitome. However, and perhaps more significantly as regards the reception of Florus’ quirky historiography, Goodyear's emphatic non-definition reinforces a summary dismissal of Florus’ value as a text. That is to say, in such a portrayal (and in that of many others), Florus suffers double punishment. He ‘has little to say which is new or remarkable’, but at the same time definitely fails as a reliable compiler. Derivative, and yet faithless: whatever Florus may be, he is something worse than epitome.​
Ich habe mir in der Zwischenzeit die Kommentare zu den pontes longi durchgelesen.Viele Kommentare sind in sich logisch, manche verbesserungswürdig, aber sie bringen, was die Örtlichkeit als Erkenntnisobjekt beschreiben soll, 0 Ergebnis.
Geschichte ist eben kein Wunschkonzert. Wir können nur mit den Quellen arbeiten, die wir haben. Wir können uns keine Quellen nach unserem Gusto backen.
 
Der französische Altphilologe Guillaume Flamerie de Lachapelle schreibt 2009 über Florus (La part biographique dans une œuvre historique condensée. L’exemple de Florus):

Le moins qu’on puisse dire de l’œuvre de Florus  est qu’elle ne jouit pas d’une grande faveur auprès de la plupart des historiens. On ne prête en effet quelque attention à notre auteur que dans le cadre d’une Quellenforschung dans laquelle il est seulement un maillon sans intérêt intrinsèque, ou pour examiner des événements dont il est l’unique garant. Aux yeux de la science positiviste, l’Epitome s’est longtemps réduite à un amas de figures vulgaires et de mauvais goût, surtout remarquable par la série d’anachronismes, d’erreurs flagrantes ou de mensonges qu’elle contient . Se pencher sur un tel écrivain peut donc sembler singulier : se pencher sur un tel écrivain pour parler de biographie paraîtra même, de prime abord, tout à fait absurde.​
Das Mindeste, was man über das Werk des Florus sagen kann, ist, dass es sich bei den meisten Historikern keiner großen Beliebtheit erfreut. Unserem Autor wird tatsächlich nur im Rahmen einer Quellenforschung Aufmerksamkeit geschenkt, in der er lediglich ein Glied ohne eigenen Wert ist – oder dann, wenn es um Ereignisse geht, für deren Überlieferung er die einzige Quelle darstellt. Aus der Sicht der positivistischen Wissenschaft beschränkte sich die Epitome lange Zeit auf eine Ansammlung von vuulgären nd geschmacklosen Darstellungen, die vor allem durch eine Reihe von Anachronismen, offensichtlichen Fehlern oder Lügen auffällt. Sich mit einem solchen Schriftsteller zu beschäftigen, mag daher ungewöhnlich erscheinen – sich mit ihm unter dem Gesichtspunkt der Biographie zu beschäftigen, erscheint auf den ersten Blick sogar geradezu absurd.​
 
Noch einmal zur Definition eines Sommerlagers: Es wird obligat einen Flussanschluss gehabt haben. Alle römischen Lager in Germanien, die mehr als ein Marsch- oder Übungslager waren, hatten eine Versorgung über Wasserwege. Anders wäre es auch von der Logistik her nicht gegangen.
 
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Noch einmal zur Definition eines Sommerlagers: Es wird obligat einen Flussanschluss gehabt haben. Alle römischen Lager in Germanien, die mehr als ein Marsch- oder Übungslager waren, hatten eine Versorgung über Wasserwege. Anders wäre es auch von der Logistik her nicht gegangen.
Logistisch gesehen hast du Recht. Aber dann bekommen wir bei Hedemünden und evtl. Minden ein Problem. Theoretisch zwar über die Weser zu versorgen, aber die Römer haben nicht gelernt mit dem Wattenmeer umzugehen. Mit den Gezeiten hatten sie wiederholt Probleme (Germanicus 15, während Caecina sich an den pontes longi herumschlug, und 16, als die Flut beim Überqueren der Emsmündung auflief wobei Hilfstruppen verunglückten), was nicht gerade für große Erfahrung spricht.
 
Ich lasse mal Florus weg. Dann stellt sich noch immer die Frage nach dem Weg, den die Pioniere vorbereitet haben. Der dürfte sich unterschieden haben von dem Weg, den Varus zu seinem "Sommerlager" gezogen ist.Dieser war den Überlebenden bekannt, und offen sichtlich beschwerdefrei zu bewältigen. Über diese beiden Wege zum gleichen Ziel ist nicht viel zu lesen.
Was mich noch zusätzlich beschäftigt, ist der Zeitfaktor. Kann man eine Aussage treffen, wie lange der Weg zum Lager 9 und 15 gedauert hat?
 
Ich lasse mal Florus weg. Dann stellt sich noch immer die Frage nach dem Weg, den die Pioniere vorbereitet haben. Der dürfte sich unterschieden haben von dem Weg, den Varus zu seinem "Sommerlager" gezogen ist.

Natürlich waren das zwei verschiedene Wege. Varus ist (laut Dio) aus dem Cheruskergebiet in Richtung Schlachtfeld gezogen, Germanicus ist (laut Tacitus) aus dem Brukterergebiet in Richtung Schlachtfeld gezogen.


Was mich noch zusätzlich beschäftigt, ist der Zeitfaktor. Kann man eine Aussage treffen, wie lange der Weg zum Lager 9 und 15 gedauert hat?

Was soll "Lager 9" , was soll "Lager 15" sein? An den Tagen, an denen Pioniere gebraucht wurden, um die Überquerung von Flüssen und Sumpfgebieten zu bewerkstelligen, ging es langsamer voran als an den Tagen, an denen man keine besonderen Hindernisse zu bewältigen hatte.
 
Kann man eine Aussage treffen, wie lange der Weg zum Lager 9 und 15 gedauert hat?
Um eine Entfernung von A
(Varus: Sommerlager und/oder Ausgangspunkt,
Germanicus: Ausgangspunkt des Umweges von den Brukterern zum Schlachtfeld)
nach B (= Kalkriese) zu kennen, musst Du wissen, wo denn genau Punkt A liegt.
Weiß aber keiner... Darüber rätseln die Gelehrten seit mehr als 500 Jahren.
Und selbst wenn wir es wüßten, würde unser Fußgänger-Navi von heute nicht die Hindernisse und Sümpfe von damals kennen.
 
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Was soll "Lager 9" , was soll "Lager 15" sein?
Ich glaube, er meint das Jahr 9 und das Jahr 15.
Jeweils das Sommerlager des Varus.
Er geht ja davon aus, dass (laut Florus) die Varusschlacht ein Angriff auf ein Lager war.
Er denkt also, Caecina und Germanicus waren am Sommerlager des Varus und haben da den Tumulus gebaut.


Ergibt nur keinen Sinn, weil es ja die Fundregion Kalkriese gibt. Kalkriese passt weder örtlich zu einem Sommerlager, noch passen die Befunde zu einem Angriff auf ein Lager, noch passt Florus, noch passt irgendwas.
 
Ich glaube, er meint das Jahr 9 und das Jahr 15.
Jeweils das Sommerlager des Varus.
Er geht ja davon aus, dass (laut Florus) die Varusschlacht ein Angriff auf ein Lager war.

Er wollte doch Florus beiseitelassen. Dann erübrigt sich die vermeintliche Lagerschlacht. Und es wird auch kein "Sommerlager anno 9" benötigt.
Ein "Sommerlager anno 15" hat es nach Tacitus' Darstellung ohnehin nicht gegeben, die Truppen waren ja die ganze Zeit in Bewegung. (Ein Standlager an der Lippe wird erwähnt, das war jedoch kein "Sommerlager", sondern auch den Winter über besetzt, Haltern könnte damit gemeint sein.)
 
Ich möchte nochmal verdeutlichen, wie meine Örtlichkeit entsteht anhand der Bewegungen der Geretteten.
Wenn ich lese, daß Sumpf-und Moorgebietge sowie Flüsse zu überwinden waren, dann könnte ich mir vorstellen, daß die Truppe am Fuß des Gebirges entlangmarschiert istund hat dann die die dort vorhandenen Sümpfe und vom Gebirge abfliessenden Bäche gequeert.
Die im Jahre 9 Geretteten begleiten Germanicus, folgen also den Pionieren, die Widerstände entfernen, zum Schlachtfeld.Da Sepiola meint, die Wege von Varus und Germanicus seien unterschiedlich gewesen, haben die Geretteten das Schlachtfeld gefunden, obgleich sie den Weg nicht kannten. Sie kannte n natürlich auch den zurückgelegten Weg bis zum Schlachtfeld, den das ja bewegliche Heer des Varus genommen hatte.
Zumindest wäre auf diese Art klärbar, auf welchem Weg vom Schlachtfeld weg im Jahre 9 die später Geretteten geflohen sind(eben der Weg, den sie 15 durch Brukterergebiet genommen haben.(Anmerkung: das klingt sehr absolut, aber man kann darüber reden.)
@Nutzer: der Tumulus wurde auf dem Schlachtfeld errichtet, und :aber was passt denn wirklich?Meine Auffassungen müssen nicht passen, sondern können angepasst werden, ebenso andere Auffassungen, die eben auch Richtungen zeigen, aber auch nicht gänzlich passen
@Sepiola: Anreppen war Sommer wie Winter ein Lager, wenn auch nicht lange
 
Zumindest wäre auf diese Art klärbar, auf welchem Weg vom Schlachtfeld weg im Jahre 9 die später Geretteten geflohen sind(eben der Weg, den sie 15 durch Brukterergebiet genommen haben.
Nein, eigentlich nicht.
Germanicus kam 15 von Xanten aus mit drei Heersäulen gleichzeitig an der Ems im Münsterland oder Emsland an:
1. Flottenoperation über die Nordsee, in die Ems rein,
2. Reiterei durch das Gebiet der Friesen,
3. Caecina lief mit Truppen zu Fuß von Xanten zur Ems.

Soweit ich weiß, ist Rheine an der Ems ein vermuteter Vereinigungsort der drei Heeressäulen.
Von dort aus verwüstete man das Brukterland.

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Überlebende der Varusschlacht dagegen flüchteten dann eben aus Kalkriese(oder/und Umgebung, war ja ein mehrtägiger Marsch-Kampf)
zur Lippe. In ein Lager, was dann direkt belagert wurde(Aliso/Haltern?). Der Lagerpräfekt wird lobend erwähnt.
Es gelang mit Tricks die Flucht zum Rhein, offensichtlich die Lippe entlang.
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Das sind unterschiedliche Bewegungswege zwischen Geflüchteten und Germanicus-Heer.

Aber in der Tat: Gut möglich, dass die Geflüchteten dabei waren, um bei der Suche nach dem Schlachtfeld zu helfen. N Bisschen rumsuchen musste man sicher.


Anreppen war Sommer wie Winter ein Lager, wenn auch nicht lange
Was hat Anreppen mit der Varusschlacht und Germanicus zu tun?


Das gilt spätestend 6 als aufgelöst, gilt als ehem. Winterlager des Tiberius.


P.S.: Die Überlebenden der Varusschlacht waren echt Pechvögel.
Geraten erst in die Varusschlacht, hetzten hunderte Kilometer in Sicherheit zur Lippe, werden direkt wieder belagert, hungern, hetzten die Lippe entlang.
Bekommen dann von Augustus das Verbot, Italien zu betreten und müssen dann nochmal mit den Germanicus-Truppen los, die dann auch nochmal n schwere Gefechte verwickelt werden.
Echte Pechvögel.
 
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Da Sepiola meint, die Wege von Varus und Germanicus seien unterschiedlich gewesen, haben die Geretteten das Schlachtfeld gefunden, obgleich sie den Weg nicht kannten.

Bei Truppenbewegungen abseits bekannter Straßen wird in erster Linie an ortskundige Einheimische als Führer zu denken sein. Es waren ja immer auch Germanen auf römischer Seite beteiligt (einer davon war der Bruder des Arminius).
 
@Nutzer, Danke für Deine Antwort.
Die Geretteten bei Germanicus zeigten, wo Varus sich ins Schwert stürzte, wo die Schädel der Centurionen angenagelt waren.....Die Soldaten waren also 9 auf dem Schlachtfeld und bezeugen 15 die Hergänge. Ist eine Textstelle.
 
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