Nationalsozialismus à la Otto Strasser

Sepiola

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Ein "Nationalsozialismus mit menschlichem Antlitz" wäre ein Widerspruch in sich gewesen, ein Ding der Unmöglichkeit, da die Ideologie per se unmenschlich war. Hätte man alles Inakzeptable (z.B. Antisemitismus-Rassismus, Ablehnung der Demokratie, unbedingter Kriegswille mit Lebensraumideologie, brutale Repression der Andersdenkenden) weggelassen, wären das nicht nur ein paar "Abwandlungen" gewesen, sondern der Kern der Ideologie wäre aufgegeben worden. Das Ergebnis wäre kein Nationalsozialismus mehr gewesen. Der Nationalsozialismus selbst war nicht reformierbar.

Ein heikles Thema, ich verlinke hier mal einen etwas provokanten Text von Wolfgang Abendroth aus dem Jahr 1960, in dem zumindest "zwischen dem Hitlerschen Nationalsozialismus und den Vorstellungen, die Dr. Otto Strasser und sein Kreis mit dem Worte Nationalsozialismus verbanden" unterschieden wird:

 
Otto Strasser musste allerdings nie die Probe der tatsächlichen Machtausübung bestehen und hatte außerdem ein Interesse daran, sich (zumindest im Nachhinein) als Hitler-Gegner zu inszenieren.

Wäre Hitler nie an die Macht gekommen (oder zwar an die Macht gekommen, aber Ende 1938 verstorben), würde er heute vermutlich auch viel harmloser gesehen.

Niemand kann wissen, wie Strasser an der Macht tatsächlich agiert hätte.
 
Das ist ein hochinteressantes Thema, da es eine Alternative zu Hitler gab: eine Diktatur. Es hätte sich vermutlich weniger um eine totalitäre Parteidiktatur wie unter Hitler gehandelt, sondern eher um eine Militärdiktatur. Helmut Schmidt sprach ganz zu Recht von 15 Jahren Diktatur. Für ihn war die Präsidialdiktatur bereits Teil der diktatorischen Phase. 1933 wurden die Lichtschalter nicht über Nacht umgestellt. Es gab auch für die Feinde der Demokratie Alternativen. Man muss sich den damaligen Vorgang wie ein langsames, aber kontinuierliches Hinübergleiten in die totalitäre Diktatur vorstellen. Viele Kräfte haben die Abschaffung der Weimarer Republik bewirkt. Viele hatten unterschiedliche Vorstellungen.
Am Ende stand kein Putsch. Einen "Nationalsozialismus mit menschlichem Antlitz" hätte es angesichts des unverdauten Traumas des 1. Weltkriegs, des Versailler Vertrags, der Reparationsforderungen, krasser Gesellschaftskonflikte und der enormen Armut weiter Bevölkerungskreise wohl kaum gegeben. Diktaturen können außerdem aus inhärenten Gründen nicht "human" sein. Das liegt an ihrer Funktionsweise.

Vermutlich hätte das Deutsche Reich aber nicht oder zumindest nicht so rasch diejenige Dynamik gewonnen, die in den 2. Weltkrieg mündete. Die Diktatur unter Hitler beruht auf einer Verbindung zwischen Kapital und Arbeit, zwischen nationalen Kräften und sozialistischen Gesellschaftsversprechen, also einem Widerspruch in sich selbst, der in eine exorbitante Staatsverschuldung/Aufrüstung mündete. Eine Diktatur in anderer Form hätte vermutlich auf die sozialistischen Versprechungen weitgehend verzichtet und mehr auf die Armee bzw. Paramilitärs gesetzt. Es hätte sich wahrscheinlich um eine schwächere Diktatur mit einem weniger starken Diktator und einer geringeren Ideologielastigkeit bzw. einer größeren Distanz zum Volk gehandelt. Vielleicht vergleichbar mit dem Franco-Regime. Das war viel schwächer, hat aber auch weitaus länger existiert.
 
Zieht man das damalige Europa und den europäisch geprägten Raum (also z.B. auch Südamerika) als Maßstab heran, scheint in der Tat auf den ersten Blick eine faschistische Diktatur naheliegender als ein Erfolg des Nationalsozialismus.

Reduziert man die Ideologien stumpf auf ihre "Marktreife", ist der Faschismus das "attraktivere" Produkt, weil er von Anfang an mehr Raum für die Integration der bisherigen Eliten und weiterer gesellschaftlicher Kräfte bietet.

Hitler hat diese Hürde auf seinem Weg zur Macht ja selbst erkannt, indem er das Großkapital umgarnte und die SA entmachtete, die den wahrscheinlich sozialrevolutionärsten Teil der NS-Bewegung darstellte. Auch die widerwillige Duldung kirchlichen Widerspruchs (z.B. Kardinal Galens) ist in dieser Hinsicht bemerkenswert, der klassische Faschismus hätte ein solches Problem gar nicht gehabt.

Die inhärenten Widersprüche des Nationalsozialismus sind so groß, dass man ihren schrecklichen Erfolg in Deutschland vielleicht nicht so sehr auf die Ideologie an sich zurückführen kann, sondern eher auf ihre absolute Skrupellosigkeit. Den kompromisslosen fanatischen Rassenhass einmal ausgenommen, waren die Nazis ziemlich flexibel und z.B. längst nicht so ideologisch stringent unterwegs wie zeitgleich die Stalinisten.

Ich frage mich, ob nicht der (von Hannah Arendt dafür kritisierte) Franz Neumann doch Recht hatte, als er den NS-Staat einen Gangsterstaat nannte. Besonders die vergleichende Beschäftigung mit gewissen Parallelen zu Putins Russland führt mich immer mehr an diese Sichtweise heran. Hitlers und Goebbels "Meisterstück" scheint mir gewesen zu sein, dass sie das Mitläufertum belohnten, anstatt es (wie Stalin) zu erzwingen.

Außerdem ist der Nationalsozialismus nicht ohne den preußischen Obrigkeitsstaat mit seiner straffen Organisation zu denken. Indem sich die Nazis der Exekutive bemächtigten, hatten sie ein Herrschaftsinstrument, das die faschistischen Diktaturen ihrer Zeit nicht hatten, weil deren Exekutiven weniger strukturiert, weniger akzeptiert und mehr von Patronage abhängig waren.

Insofern ist der "Erfolg" des Nationalsozialismus wohl nur in Deutschland möglich gewesen. Und wenn dem so ist, dann lässt sich vermuten, dass Strasser, hätte er Hitlers Platz einnehmen können, entweder irgendwann den gleichen Weg eingeschlagen hätte, oder halt ganz einfach gescheitert wäre.
 
Es hätte in der Konstellation von 1931/1932 verschiedene Alternativen gegeben, vorrausgesetzt, dass bestimmte Schlüsselakteure anders gehandelt hätten.

Helmut Schmidt sprach ganz zu Recht von 15 Jahren Diktatur.
Nein, das ist eingentlich Unfug. Und zwar deswegen, weil Hindenburg zwar angefangen hatte mit Präsidialverordnungen in den politischen Tagesbetrieb einzugreifen, sich aber 1932 der Wiederwahl stellen musste.
Nun trugen SPD und Zentrum die Wiederwahl Hindenburgs mit weil sie der Meinung waren den zu brauchen um Hitler zu besiegen.

Nichts desto weniger war Hindenburg demokratisch gewählter Reichspräsident, den man durchaus auch hätte abwählen können oder auf dessen Wiederaufstellung SPD und Zentrum auch hätten verzichten können.
Wie die Reichspräsidentenwahl 1932 ausgegangen wäre, hätten SPD und Zentrum einen anderen Kandidaten präferiert wissen wir nicht genau.

Außerdem war das System der Präsidialverordnungen ja nicht von oben erzwungen, sondern überhaupt nur dadurch gangbar, dass sich das Parlament selbst blockierte.
Ob es da aber so absolut überhaupt keinen Ausweg draus gab, wissen wir auch nicht so genau.
In Frankreich und Spanien sind, in den 1930er Jahren zwischenzeitlich so genannte "Volksfrontregierungen" also Mitte-Links-Bündnisse unter Einbeziehung der Kommunisten entstanden.
Es muss nun Spekulation bleiben, ob man so etwas ähnliches auch in Deutschland hätte erreichen können, wenn die Parteien der Weimarer Koalition darauf hingearbeitet hätten, als sich abzeichnete, dass es in der politischen Mitte keine Mehrheiten mehr gab.


Einen "Nationalsozialismus mit menschlichem Antlitz" hätte es angesichts des unverdauten Traumas des 1. Weltkriegs, des Versailler Vertrags, der Reparationsforderungen, krasser Gesellschaftskonflikte und der enormen Armut weiter Bevölkerungskreise wohl kaum gegeben.
Auch wenn ich mit der Formulierung "Nationalsozialismus mit menschlichem Antlitz" generell ein Problem habe, da ich nicht davon ausgehe, dass sowas existieren könnte:

Der Erste Weltkrieg und nicht zufriedenstellende Friedensverträge und Probleme gab es ja auch in anderen Ländern.
Österreich hatte in der Hinsicht ja ein ähnliches Schicksal und wurde ab 1934 nach autoritärem Modell regiert. Von dem her sollte es jedenfalls durchaus denkbar sein, dass sich auch in Deutschland durchaus ein ähnliches Regime, ohne die spezifischen totalitären Zuspitzungen des NS hätte entwickeln können.

Gewaltfrei, oder im Vergleich zur Zeit vor dem Weltkrieg gewaltarm und in irgendeiner Hinsicht freiheitlich, wäre aber auch das nicht gewesen.
So ziemlich alle autoritären Regimes der Zwischenkriegszeit, sind Hinsichtlich Möglichkeitsräumen für persönliche Freiheiten ja deutlich hinter das zurückgefallen, was in den gleichen Territorien vor 1914 galt.

Diktaturen können außerdem aus inhärenten Gründen nicht "human" sein. Das liegt an ihrer Funktionsweise.
Was ist deine Definition von human?

Diktaturen, können von ihrer Funktionsweise her keine umfassenden politischen Freiheiten und Partizipation garantieren und wahrscheinlich auch keine Rechtsstaatlichkeit, jedenfalls keine vollumfängliche.
Aber warum sollte ein diktatorisches Regime grundsätzlich nicht in der Lage sein zu versuchen seine Herrschaft einigermaßen human und erträglich zu gestalten?
Das kommt, denke ich sehr auf den spezifischen Charakter des Regimes selbst an und auch, was die realistische Alternative wäre.

Vielfach haben diktatorische Regimes in der Bevölkerung vor allem deswegen einen gewissen legitimatorischen Rückhalt, weil Teile der Bevölkerung fürchten, dass die realistische Alternative zu diesem Regime noch schlimmer wäre. Das kann gut oder weniger gut begründet sein.

Wenn z.B. in einem multinationalen und multiethnischen Imperium ein diktatorisches Regime vorhanden ist, dass sich Mühe gibt die verschiedenen Interessen innerhalb des Landes einigermaßen gegeneinander auszutarieren um die Ordnung aufrecht zu erhalten, kann das objektiv für die Bewohner, was ihre Lebensmöglichkeiten angeht, zummindest kurz bis mittelfristig besser sein, als wenn dieses Regime implodiert und in der Folge ein Bürgerkrieg losbricht, bei der jede Gruppe versucht ihre eigenen Interessen kompromisslos allen anderen aufzuzwingen.

Vermutlich hätte das Deutsche Reich aber nicht oder zumindest nicht so rasch diejenige Dynamik gewonnen, die in den 2. Weltkrieg mündete.
Ich denke doch.

- Die Grundlagen für die Aufrüstung waren gegeben, dafür hatten die Weimarer Regierungen, die in Hinsicht auf die militärischen Beschränkungen den Versailler Vertrag stets unterlaufen hatten gesorgt.
- Das endgültige Ausbrechen aus dem Versailler Vertrag, was Rüstungsbeschränkungen und das Rheinland angeht, war wegen der Entwicklung der innenpolitischen Situation in Frankreich möglich, die war unabhängig von Hitler und diese Gelegenheit hätten wahrscheinlich auch andere ergriffen.
- Das Militär hatte Interesse an Aufrüstung, an der Rückgewinnung des polnischen Korridors (denn der erschwerte ja auch die Verteidigung Ostpreußens) und zum Teil an einem Revanchekrieg gegen Frankreich.
- Wiedereinführung der Wehrpflicht, war volkswirtschaftlich betrachtet immerhin eine Möglichkeit die nominelle Arbeitslosigkeit ein wenig einzudämmen und (wenn auch subventionierte) Beschäftigung zu verschaffen.

Wiederaufrüstung wäre auch von einem anderen Regime sehr wahrscheinlich betrieben worden (wahrscheinlich allerdings langsamer) und sehr wahrscheinlich hätte auch ein anderes Regime versucht Frankreichs innenpolitische Probleme für eine, jedenfalls mit Drohungen unterlegte Revisionspolitik zu nutzen.
Vielleicht in anderer Weise.
Ein mehr von den preußischen Militärs mitgetragenes Regime ( so wie sich das v. Schleicher wohl dachte, als er mit seiner "Querfront-Idee" und der Kooperation mit dem Strasser-Flügel spielte) hätte vielleicht unter dem Einfluss der Militärs eher versucht mit der Tschechoslowakei gemeinsame Sache gegen Polen zu machen und sich die verlorenen Gebiete dort zurück zu holen, als in Richtung südosten zu schauen, wie Hitler das tat.
Und ein anderes Diktatorisches Regime, dass nicht Hitler gewesen wäre, hätte wahrscheinlich nicht die bescheuerte Idee gehabt ein Kolonialreich in Osteuropa auf Kosten der Sowjetunion aufbauen zu wollen, aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit, es zum Krieg gekommen wäre, sehe ich da durchaus.

sozialistischen Gesellschaftsversprechen
Welche denn?
 
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Auch die widerwillige Duldung kirchlichen Widerspruchs (z.B. Kardinal Galens) ist in dieser Hinsicht bemerkenswert, der klassische Faschismus hätte ein solches Problem gar nicht gehabt.
Wie viele Priester landeten im KZ? In Dachau gab es den sogenannten "Pfaffenblock". Bischof von Galen war einfach zu mächtig, um sich seiner gleich zu entledigen. Dies war für "nach dem Endsieg" geplant. Die renitenten westfälischen Bauern sollten in die Ostgebiete als Wehrbauern umgesiedelt werden und so das katholische Ems- und Münsterland von Galen als Basis entzogen werden, bevor man sich seiner entledigte. Nun, zum Endsieg ist es nie gekommen und von Galen starb kurz nach dem Krieg.

wenn dem so ist, dann lässt sich vermuten, dass Strasser, hätte er Hitlers Platz einnehmen können, entweder irgendwann den gleichen Weg eingeschlagen hätte, oder halt ganz einfach gescheitert wäre.
Nu ja... gleicher Weg? KZ-System, Krieg, Holocaust?

In Frankreich und Spanien sind, in den 1930er Jahren zwischenzeitlich so genannte "Volksfrontregierungen" also Mitte-Links-Bündnisse unter Einbeziehung der Kommunisten entstanden.
Die PCE spielte in Spanien vor dem stalinschen Eingreifen in den Bürgerkrieg keine Rolle. Die sozialistische/sozialdemokratische PSOE und die sozialistische/sozialdemokratische bzw. anarchistischen Gewerkschaften UGT bzw. CNT/FAU sowie die trotzkistische POUM waren im linken Lager die wichtigen Körperschaften. Erst mit dem stalinschen Eingreifen gewann die PCE an Gewicht.
 
Die PCE spielte in Spanien vor dem stalinschen Eingreifen in den Bürgerkrieg keine Rolle. Die sozialistische/sozialdemokratische PSOE und die sozialistische/sozialdemokratische bzw. anarchistischen Gewerkschaften UGT bzw. CNT/FAU sowie die trotzkistische POUM waren im linken Lager die wichtigen Körperschaften. Erst mit dem stalinschen Eingreifen gewann die PCE an Gewicht.
Aber am Ende war ja auch POUM im weiteren Sinne eine kommunistische oder zummindest in Teilen kommunistisch ausgerichtete Partei, auch wenn sie sich deren Mitglieder oder Teile davon mit Trotzki auf einen anderen Anführer und eine etwas andere Doktrin berief, als der PCE.
Es standen also die ideologischen Grundsätze zwischen kommunistischer Ideologie und bürgerlicher Demokratie nicht grundsätzlich einer Kooperation im Wege.
Ob das mit der stalinistischen KPD in Deutschland so machbar gewesen wäre, ist natürlich eine andere Frage und spekulativ.
Deren politische Doktrin sprach eher dagegen, aber ob die durchgehalten worden wäre, hätte eine reale Beteiligung an der Macht und zummindest soziale Zugeständnisse im Raum gestanden, ist eine andere Frage.
 
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Den kompromisslosen fanatischen Rassenhass einmal ausgenommen, waren die Nazis ziemlich flexibel und z.B. längst nicht so ideologisch stringent unterwegs wie zeitgleich die Stalinisten.
Waren die Stalinisten ideologisch stringent unterwegs? Ich würde sagen der Umstand, dass dauernd Parteifunktionäre in den K-Parteien unter die Räder kamen (und dass auch nach dem Krieg), weil sie abrubte Richtungswechsel Moskaus nicht hatten kommen sehen oder neue Direktiven, die in komplett andere Richtungen gingen als vorherige nicht oder nicht zufriedenstellend ausführten, spricht für mich eigentlich dagegen.

Die Stalinisten waren relativ strikt, wenn es um Gehorsam gegenüber Moskau ging, aber da Moskau selbst beliebte zuweilen ziemlich irren ideologischen Zickzack-Kurs zu fahren, war das in meinen Augen von ideologischen Standpunkt her eig alles andere als stringent.

Zumal der Stalinismus im Gegensatz zum Kommunismus an und für sich in meinen Augen auch nie eine einigermaßen kohärente Leitideologie hatte, insofern in der offiziellen sowjetischen Staatsideologie des Marxismus-Leninismus ja versatzstücke zweier politischer Ansätze durcheinander geworfen wurden, die sich theoretisch eigentlich wechselseitig ausschlossen.
Was da rauskam, war ein ideologisch ziemlich unausgegorener Frankrenstein, mit dem sich alles und nichts rechtfertigen ließ, was denn auch ganz im Sinne der autokratischen Herrschaft Stalins und seiner Nachfolger war.
Wäre ja, aus deren Sicht, noch schöner gewesen, wenn es eine verbindliche einigermaßen widerspruchsfreie Ideologie gegeben hätte, auf die man sie hätte festnageln können.
 
Die PCE spielte in Spanien vor dem stalinschen Eingreifen in den Bürgerkrieg keine Rolle. Die sozialistische/sozialdemokratische PSOE und die sozialistische/sozialdemokratische bzw. anarchistischen Gewerkschaften UGT bzw. CNT/FAU sowie die trotzkistische POUM waren im linken Lager die wichtigen Körperschaften. Erst mit dem stalinschen Eingreifen gewann die PCE an Gewicht.
Aber am Ende war ja auch POUM im weiteren Sinne eine kommunistische oder zummindest in Teilen kommunistisch ausgerichtete Partei, auch wenn sie sich deren Mitglieder oder Teile davon mit Trotzki auf einen anderen Anführer und eine etwas andere Doktrin berief, als der PCE.
Es standen also die ideologischen Grundsätze zwischen kommunistischer Ideologie und bürgerlicher Demokratie nicht grundsätzlich einer Kooperation im Wege.
Ob das mit der stalinistischen KPD in Deutschland so machbar gewesen wäre, ist natürlich eine andere Frage und spekulativ.
Deren politische Doktrin sprach eher dagegen, aber ob die durchgehalten worden wäre, hätte eine reale Beteiligung an der Macht und zummindest soziale Zugeständnisse im Raum gestanden, ist eine andere Frage.
Auch die POUM war in den 1930ern eine der kleineren Parteien ohne wirkliche Massenbasis. Beide, PCE & POUM, waren an dem Volksfrontbündnis 1936 beteiligt, aber nicht die entscheidenden Akteure. Das waren einige bürgerliche Parteien, die Sozialisten (PSOE & UGT) und, durch Verzicht auf Boykott und Widerstand, die Anarchisten (CNT/FAI; nicht FAU... ;) ).

Allerdings ist der Vergleich mit der KPD schwierig. Die Linie der Komintern und der in ihr zusammengeschlossenen KPs bzgl Volksfrontregierungen hat sich nach 1933 geändert, eben durch die Geschehnisse in in Deutschland.
 
Auch die POUM war in den 1930ern eine der kleineren Parteien ohne wirkliche Massenbasis.
Die Größe der Basis ist doch Nebensache. Für die Frage, ob in Deutschland die parlamentarische Blockade hätte aufgelöst werden können, ist doch mehr die Frage interessant, wäre ein solches Bündnis zwischen Kommunisten, Sozialdemokraten und Teilen der Liberalen denkbar gewesen, oder wegen der ideologischen Gegensätze nicht?

Die Beispiele aus Frankreich und Spanien legen zummindest nahe, dass das theoretisch denkbar hätte sein können.

Die Linie der Komintern und der in ihr zusammengeschlossenen KPs bzgl Volksfrontregierungen hat sich nach 1933 geändert, eben durch die Geschehnisse in in Deutschland.
Ist mir bekannt, die Frage ist halt, wäre die KPD den Vorgaben der Komintern zwingend gefolgt, wenn reale Beteiligung an der Regierung und greifbare Vorteile in Aussicht gestanden hätten, oder wäre sie es nicht?

Es hatte ja um 1923 rumm durchaus auf Landesebene in Sachsen und in Thürringen schonmal vergleichbare Zusammenarbeiten zwischen der KPD und der SPD gegeben.
Das war natürlich noch nicht die Thälmann-KPD, sondern noch unter der Ägide Heinrich Brandler/August Thalheimer, die dann nach dem misslungenen Aufstandsprojekt 1923 abgesägt wurden, aber die KPD hatte ja nun schon so einiges an Führungs- und Richtungswechseln hinter sich, während Ernst Thälmann als Parteichef durch die Wittorf-Affäre Ende 1928 ja durchaus ein stück weit politisch beschädigt und angreifbar war, so dass KPD-Basis und Führungsriege durchaus einen Vorwand gehabt hätten ihn loszuwerden und jemanden zum Chef zu machen, der für so eine Zusammenarbeit vielleicht zu haben gewesen wäre, wenn es in Aussicht gestellt worden wäre.
 
Für die Frage, ob in Deutschland die parlamentarische Blockade hätte aufgelöst werden können, ist doch mehr die Frage interessant, wäre ein solches Bündnis zwischen Kommunisten, Sozialdemokraten und Teilen der Liberalen denkbar gewesen, oder wegen der ideologischen Gegensätze nicht?

Die Beispiele aus Frankreich und Spanien legen zummindest nahe, dass das theoretisch denkbar hätte sein können.
Wie gesagt, änderte sich die Linie der Komintern in dem Punkt grade durch die Machtübernahme der Nazis, die den Untergang der KPD bedeutete, und damit ein Versagen der bisherigen Politik.
 
Wie viele Priester landeten im KZ? In Dachau gab es den sogenannten "Pfaffenblock". Bischof von Galen war einfach zu mächtig, um sich seiner gleich zu entledigen.
Freilich.

Meine Behauptung war indes, dass die zeitgenössischen faschistischen Diktaturen solche "Probleme" gar nicht hatten, weil die Berufung auf angebliche christliche Werte und die Einbindung des Klerus zu ihrer Programmatik gehörten. Der Faschismus konnte mit Christentum und Kirche koexistieren, der Nationalsozialismus nicht. In der mittelfristigen Planung der Nazis war nicht einmal mehr für kollaborierende Kleriker ein Platz.

Es hat seinen Grund, dass Hannah Arendt den Faschismus nicht zu den totalitären Systemen zählte. Er griff weniger umfassend als der Nationalsozialismus in bestehende Strukturen ein, zumindest theoretisch war es deswegen leichter für jene, auf dessen zumindest Untätigkeit der Faschismus angewiesen war, sich mit ihm zu arrangieren.

Insofern meinte ich: Es ist merkwürdig (im Wortsinne), dass sich in Deutschland nicht "nur" eine faschistische Diktatur bildete. Obwohl eine solche vermutlich wesentlich einfacher zu errichten gewesen wäre, und von Anfang an mehr Unterstützung gehabt hätte.

Hitler musste erst seine Ideologie ummodeln und sich verstellen, um Erfolg zu haben. Angesichts des Wertekanons der maßgeblichen Bevölkerungsschichten und deren gewaltiger Unzufriedenheit mit der demokratischen Republik stellt sich mir da automatisch die Frage, warum nicht eine augenscheinlich anschlussfähigere faschistische Diktatur unter bereitwilligem ideologischen Einschluss von Klerus, Monarchisten und Kapital dem Nationalsozialismus zuvorkam.

Eine mögliche Antwort könnte lauten: Weil die Ideologie eines Dollfuß oder Franco denen der wilhelminischen Ära zu ähnlich gewesen wäre, also den Werten eines Systems, dass sich auch in den Augen seiner Unterstützer als nicht resilient erwiesen hatte.

Eine zweite Antwort könnte sein, dass die vielfältigen Krisen der Weimarer Republik augenscheinlich nach den radikalsten Antworten verlangte.

Eine dritte, dass das Christliche als "Partner" der Rechtsdiktatur weniger in Frage kam, weil Deutschland, anders als eben z.B. Spanien und Österreich, konfessionell gespalten und die gesellschaftliche Stellung des Klerus im Zuge des Kulturkampfes weiter zurückgedrängt worden war.
 
Diktaturen können nicht human sein, weil es in ihrer Natur liegt, Opposition klein zu halten. Die Diktatur erlaubt ihrem Wesen nach keine Mitsprache. Da Diktaturen im Allgemeinen die Möglichkeit fehlt, historisch gewachsene gesellschaftliche Schranken zu nutzen, um Macht auszuüben wie in einer Monarchie, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als mittels Gewalt und/oder regelmäßig ausgeübtem Unrecht Machtstrukturen zu erhalten, durchaus im Sinne einer positiven und negativen Korrumpierung der eigenen Anhängerschaft. Das scheinbare bzw. angebliche "humane" Antlitz einer Diktatur resultiert daraus, dass andere politische Systeme in der Vergangenheit nicht dazu in der Lage waren, Gleichheits- und Wohlstandsversprechen einzulösen. Diese wurden von Diktaturen benutzt, um die Masse an das System zu binden.
(In Demokratien lebte man humaner, aber vielleicht nicht überall materiell besser. Ich denke da v.a. an Verhältnisse in besonders korrupten Ländern wie in der Dritten Welt. Moderne Demokratien neigen dazu, ihren Sozialstaat zu überfordern, während Diktaturen die individuelle Freiheit extrem unterdrücken. Das ist aber ein anderes Thema).
Der Rechtsstaat hat es in der Diktatur extrem schwer und mutiert dort zu einem Unrechtsstaat. Natürlich gibt es unzählige Mischformen. Das Dritte Reich hat wesentlich von Mitmacheffekten gelebt. In einer klassische Militärdiktatur, wäre dieser Effekt ausgeblieben. Für den "Mann aus dem Volk" als Repräsentanten des "kleinen Mannes" konnte man die deutsche Gesellschaft gewinnen, nicht jedoch für einen Militärdiktator, der im Verein mit den alten Eliten und ein paar Schlägertrupps einer Staatspartei koaliert hätte. Die Weimarer Republik hatte es nicht geschafft, kaiserzeitliche Gesellschaftsstrukturen bei Seite zu schieben. Die mangelnde innere Demokratisierung der deutschen Marktklassengesellschaft hat den Nationalsozialismus attraktiv gemacht (natürlich in Kombination mit dem weit verbreiteten Elend in weiten Bevölkerungskreisen). Dass man sich für Hitler begeisterte war klar. Wäre der Mann Bankier gewesen, hätte ihn niemand gewählt.

Die Dynamik hat der Nationalsozialismus aus der Verbindung von Sozialismus und Nationalismus gewonnen, aus der Korrumpierung eines Volkes durch soziale Wohltaten und Gleichheitsversprechen, die Hitler durch "Raubökonomie" refinanzieren wollte. Die Aufrüstung Deutschland von einem militärisch schwachen Land zu einer sehr starken militärischen Macht innerhalb von sechs Jahren wäre ohne die ideologische Mobilisierung breiter Volksmassen nicht gelungen. Das Militär alleine hätte das Land nicht im nötigen Maße mobilisieren können.

Vielfach haben diktatorische Regimes in der Bevölkerung vor allem deswegen einen gewissen legitimatorischen Rückhalt, weil Teile der Bevölkerung fürchten, dass die realistische Alternative zu diesem Regime noch schlimmer wäre. Das kann gut oder weniger gut begründet sein.

Wenn z.B. in einem multinationalen und multiethnischen Imperium ein diktatorisches Regime vorhanden ist, dass sich Mühe gibt die verschiedenen Interessen innerhalb des Landes einigermaßen gegeneinander auszutarieren um die Ordnung aufrecht zu erhalten, kann das objektiv für die Bewohner, was ihre Lebensmöglichkeiten angeht, zummindest kurz bis mittelfristig besser sein, als wenn dieses Regime implodiert und in der Folge ein Bürgerkrieg losbricht, bei der jede Gruppe versucht ihre eigenen Interessen kompromisslos allen anderen aufzuzwingen.

Diese Argumentation halte ich für problematisch, da sie in einer etwas anderen Nuancierung ja wohl exakt die Entschuldigung für viele Deutsche war, sich mit dem Regime zu arrangieren. Das Deutsche Reich war in der Kaiserzeit zwar nicht multinational, hatte aber sehr wohl einen starken Minderheitenanteil. Das Kaiserreich war definitiv "bunt". Die Auslandsdeutschen waren selbst in multinationalen Kontexten eingebettet. Die deutsche Klassengesellschaft hat den denselben Effekt wie ihn manche in z.T. in heutigen modernen Migrationsgesellschaften zu erkennen glauben: Ein unendliches Sammelsurium an teilweise divergierenden Parallelgesellschaften. Die Demokratisierung der Gesellschaft war im Kaiserreich stecken geblieben. Man blieb eben im gesellschaftlichen Leben zuerst Bauer, Arbeiter, Bürger oder Adeliger, Protestant, Katholik, Jude, Preuße oder Bayer, reich oder arm, mondäner Kosmopolit oder beschränkter Regionalist und erst in zweiter Linie "Deutscher". Nach 1918 war das nicht wesentlich anders. Hitler stand für ein anderes Modell. Hitler versprach allen Reichsdeutschen und Auslandsdeutschen die Einebnung aller Klassenunterschiede zu Lasten von Minderheiten und zu Lasten anderer europäischer Völker. Ein rechter Sozialismus in extrem aggressive Rhetorik verpackt. Das NS-Regime ist im Grunde die Folge stecken gebliebener verunglückter Modernisierung. Der Wunderarzt und politische Abenteuerer Hitler versprach einer in sich gespaltenen, inhomogenen, zerstrittenen und kranken Gesellschaft alles besser zu machen.
Der Katholizismus konnte in Deutschland nicht als wirklich kooperierende Kraft herhalten, da der Protestantismus definitiv stärker war (Konkurrenzsituation) und die Arbeiterschaft schon viel zu entwickelt war. Deutschland war kein Agrarstaat mehr, besser entwickelt als z.B. Spanien und Italien. Umgekehrt wäre angesichts der allgemeinen gesellschaftlich-wirtschaftlichen Entwicklung ein reiner Proletarierstaat ebenfalls nicht möglich gewesen (Dominanz des Bürgerlichen). Der Weg den man ging, war derjenige des nationalen Ausgleichs, der alle Gruppen ins Boot holte, außer bestimmten Minderheiten (dass die Arbeiterschaft bei diesem Vorgang an sich NS-resistent gewesen sein soll, ist im Übrigen ein Märchen). Ich denke, dass es zwischen dem Kaiserreich und dem 3. Reich eine gewisse Kontinuität der Entwicklung gab. Das 3. Reich wäre ohne diese Kontinuität so nicht denkbar gewesen. Der Begriff der "Volksgemeinschaft" ist dem Konzept ja einer, der noch aus dem Kaiserreich stammt.
 
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stellt sich mir da automatisch die Frage, warum nicht eine augenscheinlich anschlussfähigere faschistische Diktatur unter bereitwilligem ideologischen Einschluss von Klerus, Monarchisten und Kapital dem Nationalsozialismus zuvorkam.
Vermutlich weil es zu viele Brüche darin gab.

Die anderen faschistischen Regimes Europas waren ja konfessionell betrachtet immerhin einigermaßen homogen, so dass die Interessen des gesamten Klerus in ähnliche Richtungen liefen.
Und bei der Monarchie stellt sich natürlich die Frage, unter welchen Kandidaten?
Selbst wenn wir jetzt die Frage, mal unberührt lassen, ob man in Bayern einen Hohenzollern-Monarchen akzeptiert hätte oder in Preußen einen Wittelsbacher, da gab es ja auch noch die eine oder andere innerdynastische Unklarheit.

Wegen zu vieler Monarchenkandidaten wäre, würde ich meinen, für Deutschland das ungarische Modell der Monarchie mit vakantem Thron und Reichsverweser plausibler gewesen.

- Es sei denn - man hätte keine der Dynastien, aus dem Staatsgebiet von 1871 gewählt um die Eifersüchteleien und unklarheiten abzuräumen und sich stattdessen für einen Habsburger entschieden, auch mit der Implikation, dadurch die Bande nach Österreich zu stärken.
Aber ob ausgerechnet Habsburg, dass ja für das Vielvölkerreich stand, für ein solches Regime akzeptierbar gewesen wäre..............
 
@Shingiami Vor allem war Deutschland industriell fortgeschrittener. In der agrarischen Sphäre hat die Kirche eine andere Macht als anonymen Großstädten. Die Monarchie war im deutschen Reich keine echte Alternative mehr. Hitler hätte jedenfalls mit so einer Linie keine Wahlen gewonnen.
 
Wegen zu vieler Monarchenkandidaten wäre, würde ich meinen, für Deutschland das ungarische Modell der Monarchie mit vakantem Thron und Reichsverweser plausibler gewesen.
Es waren eher zu wenige Kandidaten. Es wäre wohl nur ein Hohenzoller in Frage gekommen und die theoretisch in Frage kommenden Kandidaten waren entweder zu diskreditiert oder zu jung.

Ein Wittelsbacher oder Habsburger hätte in Preußen nie Akzeptanz gefunden.
 
Die Größe der Basis ist doch Nebensache. Für die Frage, ob in Deutschland die parlamentarische Blockade hätte aufgelöst werden können, ist doch mehr die Frage interessant, wäre ein solches Bündnis zwischen Kommunisten, Sozialdemokraten und Teilen der Liberalen denkbar gewesen, oder wegen der ideologischen Gegensätze nicht?
Gegen Ende der Weimarer Republik waren die Liberalen in Deutschland nur noch Splitterparteien. Ohne das Zentrum und BVP wäre da gar nichts gelaufen, weil man keine Mehrheit gehabt hätte. Eine Beteiligung der KPD an der Regierung oder auch nur eine Tolerierung wäre nicht nur völlig entgegen der Ideologie der KPD gegangen, sondern wäre auch für die bürgerlichen Kräfte, auf deren Unterstützung man angewiesen gewesen wäre, insbesondere für das Zentrum und die DVP, aber wohl auch DStP völlig inakzeptabel gewesen.
Ist mir bekannt, die Frage ist halt, wäre die KPD den Vorgaben der Komintern zwingend gefolgt, wenn reale Beteiligung an der Regierung und greifbare Vorteile in Aussicht gestanden hätten, oder wäre sie es nicht?
Die KPD hatte keinerlei Interesse daran, die Situation für die Arbeiter zu verbessern, weil das das verhasste System stabilisiert und die Revolution in weite Ferne gerückt hätte. Das war ja gerade der entscheidende ideologische Gegensatz zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten.
Es hatte ja um 1923 rumm durchaus auf Landesebene in Sachsen und in Thürringen schonmal vergleichbare Zusammenarbeiten zwischen der KPD und der SPD gegeben.
Allerdings ohne bürgerliche Beteiligung und beide Regierungen wurden dann durch vom Reichspräsidenten Ebert (SPD) angeordnete Reichsexekution abgesetzt, weil erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue der Regierungen bestanden und diese die revolutionären Hundertschaften der KPD duldeten. Insgesamt dürfte diese Episode zumindest für liberale oder katholische Kräfte weniger als mögliches Vorbild sondern eher als abschreckendes Beispiel gedient haben.

Auch für den Reichspräsidenten Hindenburg wäre eine Regierungsbeteiligung der KPD wohl völlig inakzeptabel gewesen und er hätte mit Sicherheit den Machtkampf mit dem Parlament gesucht, um das zu verhindern.

Hier sei auch an den sog. Preußenschlag erinnert, bei dem die legitime preußische Regierung unter sozialdemokratischer Führung von Hindenburg durch Reichsexekution abgesetzt wurde. Mit Sicherheit hätte er auf eine Regierungsbeteiligung der KPD im Reich ähnlich reagiert.


 
Diktaturen können nicht human sein, weil es in ihrer Natur liegt, Opposition klein zu halten.
Wie gesagt, das ist eine Definitionsfrage. Man könnte dem jetzt entgegenhalten, dass das Konzept der "Humanitas" auf die Antike zurückgeht, die keinen allgemeinen Anspruch auf politische Rechte kannte und damit begründen, dass politische Rechte zu diesem Konzept eigentlich nicht dazugehören.

Die Diktatur erlaubt ihrem Wesen nach keine Mitsprache.
Nein, sie erlaubt in der Regel keinen offenen Widerspruch.
Sie erlaubt aber, wenn das keine rein auf eine Person zentrierte Diktatur ist, durchaus Mitsprache über die Institutionen, die die politische Macht ausüben. Z.B. kann in einer Einparteiendiktatur innerhalb des institutionellen Rahmens der Partei durchaus debattiert und Mitsprache gewährt werden.
Der Unterschied ist, dass das nicht öffentlich stattfinden darf und an die Vorbedingung der vorherigen Loyalitätserklärung zum Regime durch Teilnahme an seinen Institutionen gebunden ist.

Da Diktaturen im Allgemeinen die Möglichkeit fehlt, historisch gewachsene gesellschaftliche Schranken zu nutzen, um Macht auszuüben wie in einer Monarchie, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als mittels Gewalt und/oder regelmäßig ausgeübtem Unrecht Machtstrukturen zu erhalten, durchaus im Sinne einer positiven und negativen Korrumpierung der eigenen Anhängerschaft.
Ich würde sagen, Monarchien können solche tradierten Schranken auch ganz gut übertreten, wenn sie sich mächtig genug fühlen. Zumal sich Monarchie und Diktatur ja durchaus nicht strikt ausschließen müssen.
Das japanische Kaiserreich in den 1930er und 1940er Jahren war auf dem Papier eine Monarchie, de facto nahm es zunehmend die Züge einer Militärdiktatur an.
Das Faschistische Italien war de facto eine Diktatur der faschistischen Partei und ihres Vorturners Mussolini, gleichzeitig war der was seinen legalen Status angeht offiziell nichts weiter, als von König Vittorio Emanuele III. bestellter Ministerpräsident des Königreichs Italien und genau deswegen konnte ihn, 1943 als es mit dem Krieg schief ging, der König auch wieder absetzen und unter Arrest stellen lassen.

Ob eine Diktatur auf Gewaltmittel zurückgreift, hängt davon ab, wie sie speziell aufgestellt ist und in welchem Maße sie sich herausgefordert fühlt.
Es finden sich durchaus durchaus auch Diktaturen, die versuchen Recht zu setzen und sich in weiten Teilen auch daran zu halten.
Das napoléonische Frankreich spätestens ab der Kaiserkrönung Napoléons war auf dem Papier eine Monarchie, de facto aber eine Militärdiktatur, die in den eroberten Gebieten tradiertes Recht in weiten Teilen kurz und klein schlug.
Nur wurde das eben nicht durch eine reine Willkührherrschaft ersetzt, sondern der z.B. im linksrheinischen Deutschland eingeführte Code Civil räumte zummindest dem männlichen Teil der Bevölkerung mehr Rechte und Rechtsmittel ein, als es die tradierte monarchische oder bischöfliche Herrschaft dort zuvor getan hatte.

Der Rechtsstaat hat es in der Diktatur extrem schwer
Das sicherlich, die Frage ist nur, ist eine Demokratie, die dem Rechtsstaat mehr Möglichkeiten gibt auch immer eine realistische Alternative.
Eine Diktatur, die den Rechtsstaat bei Seite schiebt, wenn es ihr passt, ist etwas hässliches.
Auf der anderen Seite kann ich aber auch jeden verstehen, der auf dem Standpunkt steht lieber gelegentlich von einer Diktatur schikaniert zu werden, als sich z.B. in einem blutigen Bürgerkriegsszenario wieder zu finden.

Diese Argumentation halte ich für problematisch, da sie in einer etwas anderen Nuancierung ja wohl exakt die Entschuldigung für viele Deutsche war, sich mit dem Regime zu arrangieren.
Sehe ich nicht so, weil ich explizit auf mulitnationale und multireligiöse Imperien abgestellt hatte, deren Eigenart es ist vor allem durch eine autoritäre Obrigkeit in welcher Form auch immer verklammert zu sein.
Das ist das Bismarckreich (mal abgesehen davon, dass auch das keine Diktatur war), nicht gewesen und die Weimarer Republik dreimal nicht.

Das NS-Regime ist auch nicht die Form von Obrigkeit/Diktatur gewesen, die jemals auf Austarierung von Minderheiteninteressen innerhalb des Staatengebildes gesetzt hätte, sondern im Gegenteil die Form von Regime, die alles, was ihr nicht passte einzuebnen versuchte.

Deine Einschätzungen zu Deutschland kann ich da so überhaupt nicht teilen.

Demgegenüber stelle man sich einfach die folgende Frage:

Haben auf dem Gebiet der eher top-down regierten, konservativen Vielvölkerreiche Osteuropas die ethnischen und religiösen Minderheiten vom Kollaps dieser Reiche nach dem 1. Weltkrieg besonders profitiert oder waren die Auseinandersetzungen der Nachfolgestaaten und das wechselseitige Herumhacken auf den nationalen Minderheiten in diesen (die CSR vielleicht etwas ausgenommen), objektiv betrachtet schlimmer als so ziemlich jede Maßnahme der vorherigen obrigkeitlichen Regimes? Und führte es zwangsläufig zu Verbesserungen?

Lebte z.B. ein ukranischer Bauer oder Kleinstädter in der zweiten Polnischen Republik insgesamt freier als im Habsburger Imperium?
Könnte man durchaus kontrovers diskutieren.

itler stand für ein anderes Modell. Hitler versprach allen Reichsdeutschen und Auslandsdeutschen die Einebnung aller Klassenunterschiede zu Lasten von Minderheiten und zu Lasten anderer europäischer Völker.
Wann und wo soll er das versprochen haben? Er versprach allen, die er auf Grund rassistischer Kriterien für "deutsch" hielt eine Anhebung ihres Lebensstandarts auf Kosten aller, die nicht zur "Volksgemeinschaft" gehörten, aber doch keine Einebnung aller Klassenunterschiede innerhalb dieser Gesellschaft.
Der Mann dachte nicht im Traum daran, die Industriellen und Großgrundbesitzer zu enteignen um Klassenunterschiede einzudampfen, sondern im Gegenteil er bot mit der Beraubung der restlichen Welt ein Konzept, dessen Zweck es war den Fortbestan dieser Unterschiede für die Begünstigten Erträglicher zu gestalten, auf Kosten aller anderen.

@Shingiami Vor allem war Deutschland industriell fortgeschrittener.
Da wäre ich mir im Vergleich zu Österreich gar nicht mal sicher, wenn es um die Industrieproduktion pro Kopf geht.
Die gesamte Wiener, Linzer und Grazer Industrie verblieb ja in Österreich nach dem 1. Weltkrieg während das gesamte ehemalige agrarische Hinterland der K.u.K.-Monarchie in Form der ungarischen Reichshälfte verloren ging.
Das sorgte in den Jahren nach dem Krieg für ernsthafte Schwierigkeiten die Metropole Wien angemessen mit Lebensmitteln zu versorgen, weil ein Großteil Österreichs, wegen der Gebirgszüge nicht unbedingt besonders produktive Ackerböden hergibt.
Der wirtschaftliche Schwerpunkt Österreichs nach 1918 war eher industriell/gewerblich als agrarisch.
Demgegenüber verfügte Deutschland noch über seine Ostgebiete, die überwiegend agrarisch aufgestellt waren, zumal ein Großteil der schlesischen Industrie mit dem Frieden an Polen gegangen war.

Ein Wittelsbacher oder Habsburger hätte in Preußen nie Akzeptanz gefunden.
In Schlesien, wo die Habsburger vor dem Siebenjährigen Krieg lange geherrscht hatten? In Brandenburg, dass nach dem Aussterben der Askanier und vor der Verpflanzung der Hohenzollern dorthin durchaus auchmal eine Zeit lang vom Haus Wittelsbach regiert worden war?
In Rheinpreußen mit Westfalen, dass de facto über Jahrhunderte in weiten Teilen von diesen beiden Familien regiert worden war, weil die Wittelsbacher in der Pfalz geherrscht hatten und Wittelsbacher und Habsburger nacheinander über Jahrhunderte kontinuierlich den kölner Erzbischofsstuhl besetzt hatten, womit sie de facto einen Teil des Rheinlandes und das Herzogtum Westfalen regierten?
 
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@Shingiami Vor allem war Deutschland industriell fortgeschrittener.
Das läßt sich nicht ohne weiteres so pauschal unterschreiben! Die KuK-Monarchie hatte andere Voraussetzungen als das DR. Vergleicht man die landwirtschaftlich geprägten Gebiete beider Staaten so wird sich hier kein großer Unterschied in der wirtschaftlichen Prägung finden. Zudem muß man auch den Alpenraum der KuK-Monarchie gesondert betrachten. In den industrialisierten Region wie z.B. Pilzen, Brünn, die Bergbaugebiete Böhmens und Mährens, Die Großräume Wien, Budapest, auch Teile Sloweniens und die Zone um Triest und Pola sind durchaus vergleichbar mit den entsprechenden Regionen im DR. Außerdem darf man nicht die der KuK-Monarchie fehlende "Küstenlinie" mit den Werftindustrien vergessen.
Gerade die Werften und deren Zulieferindustrien sind ein erheblicher Wirtschaftsfaktor. Wenn wir nur die vergleichbaren Bedingungen betrachten sind die Unterschiede hier recht gering.

Zudem holte das KuK Staatsgebilde schnell auf.

Sorry, falsche Zeit, hatte ich überlesen.

Allerdings, unter den Bedingungen, die nach dem völligen Zerfall der KuK-Monarchie und deren Staatsgebilde herrschten, würde ich Österreich auch nicht als "rückständig" bezeichnen. Österreich hatte seine wichtigsten Schwerindustriegebiete verloren, seine Erdöl-und Kohlegebiete, die Masse der Absatzmärkte, Teile der Infrastruktur und einen Großteil der Bevölkerung.
Ohne die Gebiete westlich des Rheins, das Ruhrgebiet und den schlesischen Industriegebieten, wie hätte das DR. dann dagestanden?
 
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Da wäre ich mir im Vergleich zu Österreich gar nicht mal sicher, wenn es um die Industrieproduktion pro Kopf geht.

Das ist natürlich völliger Unsinn, Österreich war rückschrittlicher als das Deutsche Reich, auch in Kernösterreich. Noch heute findet man trotz anderer ökonomischer Bedingungen in Österreich kaum Großindustrie. Die k.u.k. Monarchie hatte im wesentlichen nur drei Großstädte: Wien, Prag, Budapest, jedoch die meisten Einwohner nach dem russischen Reich. Ein Pendant zum Ruhrgebiet gab es hier nicht. Auch wissenschaftlich war das Reich aufs Ganze gesehen moderner.

Wann und wo soll er das versprochen haben? Er versprach allen, die er auf Grund rassistischer Kriterien für "deutsch" hielt eine Anhebung ihres Lebensstandarts auf Kosten aller, die nicht zur "Volksgemeinschaft" gehörten, aber doch keine Einebnung aller Klassenunterschiede innerhalb dieser Gesellschaft.
Der Mann dachte nicht im Traum daran, die Industriellen und Großgrundbesitzer zu enteignen um Klassenunterschiede einzudampfen, sondern im Gegenteil er bot mit der Beraubung der restlichen Welt ein Konzept, dessen Zweck es war den Fortbestan dieser Unterschiede für die Begünstigten Erträglicher zu gestalten, auf Kosten aller anderen.

Sozialismus und Kapitalismus schließen sich nicht aus. Nur ein ganz geringer Prozentsatz der Sozialisten wollte jemals eine wirkliche Abkehr vom Kapital. Die meisten Sozialisten wollen Umverteilung, aber keine Abschaffung des Kapitalismus. Hitler hat ganz einfach erkannt, dass ein Sozialismus linker Spielart in einem ökonomisch hochmodernen Land nicht möglich war. Großkapitalisten sind ja nicht die "Ausbeuter" der "armen Arbeiter", sondern notwendiger Teil des ökonomischen Prozesses. Staatsunternehmen hätten die deutsche Wirtschaft deutlich ineffizienter gemacht und im Übrigen auch keine sozialen Probleme gelöst. Hitler dachte sehr wohl daran, Klassenunterschiede einzuebnen, durch Raubkapitalismus, frei nach dem Motto "Nationalsozialismus ist ein Raubzug an Minderheiten und fremden Völkern, Sozialismus ist ein Raubzug am eigenen Volk." Der Nationalsozialismus war gekennzeichnet durch eine große Zahl formeller sozialer Wohltaten. Deswegen kann man nicht per se sagen, dass das NS-Regime per se unternehmerfreundlich war. Linker Sozialismus ist aus rechter Sicht immer ein Anschlag auf das Privatvermögen und damit an den Lebensgrundlagen eines Volkes. Das bedeutet aber nicht, dass der Staat sich aus innerer Überzeugung grundsätzlich feindlich gegenüber der Arbeiterschaft verhält. Dass Arbeiter unempfindlich gegen "rechts" sind und von vornherein negativ gegenüber "Unternehmern" eingestellt sind, ist ein traditionelles Märchen linksorientierter Zirkel. Das trifft die historische Wahrheit jedenfalls so nicht.

Genau wegen der egalitären Volksideologie (Pakt zwischen "Arbeit" und "Kapital") war das NS-Regime doch selbst nach 1945 bei einem gar nicht so kleinen Teil der Deutschen trotz der vorangegangenen Katastrophen und Verbrechen weiterhin populär. Das hat sich erst dadurch geändert, dass die BRD als politisches System funktionierte und die Alliierten Deutschland in das westliche System integrierten. Die NS-Ideologie blieb in den 1950er und 1960ern weiterhin in vielen Köpfen. Die alten Nazis mussten daher ebenfalls "integriert" werden (jedenfalls die mittleren und unteren Chargen). Es war eine der großen Leistungen der BRD, rechte Gleichheitsversprechen durch demokratische Gleichheitsversprechen innerhalb eines kapitalistischen Systems zu ersetzen. Mit der Integration und dem ökonomischen Erfolg konnte die NS-Ideologie erfolgreich zurückgedrängt werden. Mit "Sozialismus" wäre dieser Prozess deutlich langsamer vor sich gegangen (vielleicht ist das ja auch ein Grund dafür, weshalb rechtes Gedankengut heutzutage im Osten immer noch weiter verbreitet ist als im Westen).

Sie erlaubt aber, wenn das keine rein auf eine Person zentrierte Diktatur ist, durchaus Mitsprache über die Institutionen, die die politische Macht ausüben.

Diese "Mitsprache" war im Dritten Reich in Wahrheit ein äußerst unangenehmes Kompetenzgerangel der unteren Etagen, über das Hitler wachte. Mit "Mitsprache" hatte das nichts zu tun, sondern mit dem ständigen Wunsch, die "Gunst" des Führers zu erlangen. Ich würde einer Diktatur wie dem Dritten Reich den institutionellen Charakter partiell absprechen. Das war eine Führerdiktatur mit staatlichen und außerstaatlichen Strukturen, die im Zweifelsfall ausgespielt wurden.
 
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