Diktaturen können nicht human sein, weil es in ihrer Natur liegt, Opposition klein zu halten.
Wie gesagt, das ist eine Definitionsfrage. Man könnte dem jetzt entgegenhalten, dass das Konzept der "Humanitas" auf die Antike zurückgeht, die keinen allgemeinen Anspruch auf politische Rechte kannte und damit begründen, dass politische Rechte zu diesem Konzept eigentlich nicht dazugehören.
Die Diktatur erlaubt ihrem Wesen nach keine Mitsprache.
Nein, sie erlaubt in der Regel keinen offenen Widerspruch.
Sie erlaubt aber, wenn das keine rein auf eine Person zentrierte Diktatur ist, durchaus Mitsprache über die Institutionen, die die politische Macht ausüben. Z.B. kann in einer Einparteiendiktatur innerhalb des institutionellen Rahmens der Partei durchaus debattiert und Mitsprache gewährt werden.
Der Unterschied ist, dass das nicht öffentlich stattfinden darf und an die Vorbedingung der vorherigen Loyalitätserklärung zum Regime durch Teilnahme an seinen Institutionen gebunden ist.
Da Diktaturen im Allgemeinen die Möglichkeit fehlt, historisch gewachsene gesellschaftliche Schranken zu nutzen, um Macht auszuüben wie in einer Monarchie, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als mittels Gewalt und/oder regelmäßig ausgeübtem Unrecht Machtstrukturen zu erhalten, durchaus im Sinne einer positiven und negativen Korrumpierung der eigenen Anhängerschaft.
Ich würde sagen, Monarchien können solche tradierten Schranken auch ganz gut übertreten, wenn sie sich mächtig genug fühlen. Zumal sich Monarchie und Diktatur ja durchaus nicht strikt ausschließen müssen.
Das japanische Kaiserreich in den 1930er und 1940er Jahren war auf dem Papier eine Monarchie, de facto nahm es zunehmend die Züge einer Militärdiktatur an.
Das Faschistische Italien war de facto eine Diktatur der faschistischen Partei und ihres Vorturners Mussolini, gleichzeitig war der was seinen legalen Status angeht offiziell nichts weiter, als von König Vittorio Emanuele III. bestellter Ministerpräsident des Königreichs Italien und genau deswegen konnte ihn, 1943 als es mit dem Krieg schief ging, der König auch wieder absetzen und unter Arrest stellen lassen.
Ob eine Diktatur auf Gewaltmittel zurückgreift, hängt davon ab, wie sie speziell aufgestellt ist und in welchem Maße sie sich herausgefordert fühlt.
Es finden sich durchaus durchaus auch Diktaturen, die versuchen Recht zu setzen und sich in weiten Teilen auch daran zu halten.
Das napoléonische Frankreich spätestens ab der Kaiserkrönung Napoléons war auf dem Papier eine Monarchie, de facto aber eine Militärdiktatur, die in den eroberten Gebieten tradiertes Recht in weiten Teilen kurz und klein schlug.
Nur wurde das eben nicht durch eine reine Willkührherrschaft ersetzt, sondern der z.B. im linksrheinischen Deutschland eingeführte Code Civil räumte zummindest dem männlichen Teil der Bevölkerung mehr Rechte und Rechtsmittel ein, als es die tradierte monarchische oder bischöfliche Herrschaft dort zuvor getan hatte.
Der Rechtsstaat hat es in der Diktatur extrem schwer
Das sicherlich, die Frage ist nur, ist eine Demokratie, die dem Rechtsstaat mehr Möglichkeiten gibt auch immer eine realistische Alternative.
Eine Diktatur, die den Rechtsstaat bei Seite schiebt, wenn es ihr passt, ist etwas hässliches.
Auf der anderen Seite kann ich aber auch jeden verstehen, der auf dem Standpunkt steht lieber gelegentlich von einer Diktatur schikaniert zu werden, als sich z.B. in einem blutigen Bürgerkriegsszenario wieder zu finden.
Diese Argumentation halte ich für problematisch, da sie in einer etwas anderen Nuancierung ja wohl exakt die Entschuldigung für viele Deutsche war, sich mit dem Regime zu arrangieren.
Sehe ich nicht so, weil ich explizit auf mulitnationale und multireligiöse Imperien abgestellt hatte, deren Eigenart es ist vor allem durch eine autoritäre Obrigkeit in welcher Form auch immer verklammert zu sein.
Das ist das Bismarckreich (mal abgesehen davon, dass auch das keine Diktatur war), nicht gewesen und die Weimarer Republik dreimal nicht.
Das NS-Regime ist auch nicht die Form von Obrigkeit/Diktatur gewesen, die jemals auf Austarierung von Minderheiteninteressen innerhalb des Staatengebildes gesetzt hätte, sondern im Gegenteil die Form von Regime, die alles, was ihr nicht passte einzuebnen versuchte.
Deine Einschätzungen zu Deutschland kann ich da so überhaupt nicht teilen.
Demgegenüber stelle man sich einfach die folgende Frage:
Haben auf dem Gebiet der eher top-down regierten, konservativen Vielvölkerreiche Osteuropas die ethnischen und religiösen Minderheiten vom Kollaps dieser Reiche nach dem 1. Weltkrieg besonders profitiert oder waren die Auseinandersetzungen der Nachfolgestaaten und das wechselseitige Herumhacken auf den nationalen Minderheiten in diesen (die CSR vielleicht etwas ausgenommen), objektiv betrachtet schlimmer als so ziemlich jede Maßnahme der vorherigen obrigkeitlichen Regimes? Und führte es zwangsläufig zu Verbesserungen?
Lebte z.B. ein ukranischer Bauer oder Kleinstädter in der zweiten Polnischen Republik insgesamt freier als im Habsburger Imperium?
Könnte man durchaus kontrovers diskutieren.
itler stand für ein anderes Modell. Hitler versprach allen Reichsdeutschen und Auslandsdeutschen die Einebnung aller Klassenunterschiede zu Lasten von Minderheiten und zu Lasten anderer europäischer Völker.
Wann und wo soll er das versprochen haben? Er versprach allen, die er auf Grund rassistischer Kriterien für "deutsch" hielt eine Anhebung ihres Lebensstandarts auf Kosten aller, die nicht zur "Volksgemeinschaft" gehörten, aber doch keine Einebnung aller Klassenunterschiede innerhalb dieser Gesellschaft.
Der Mann dachte nicht im Traum daran, die Industriellen und Großgrundbesitzer zu enteignen um Klassenunterschiede einzudampfen, sondern im Gegenteil er bot mit der Beraubung der restlichen Welt ein Konzept, dessen Zweck es war den Fortbestan dieser Unterschiede für die Begünstigten Erträglicher zu gestalten, auf Kosten aller anderen.
@Shingiami Vor allem war Deutschland industriell fortgeschrittener.
Da wäre ich mir im Vergleich zu Österreich gar nicht mal sicher, wenn es um die Industrieproduktion pro Kopf geht.
Die gesamte Wiener, Linzer und Grazer Industrie verblieb ja in Österreich nach dem 1. Weltkrieg während das gesamte ehemalige agrarische Hinterland der K.u.K.-Monarchie in Form der ungarischen Reichshälfte verloren ging.
Das sorgte in den Jahren nach dem Krieg für ernsthafte Schwierigkeiten die Metropole Wien angemessen mit Lebensmitteln zu versorgen, weil ein Großteil Österreichs, wegen der Gebirgszüge nicht unbedingt besonders produktive Ackerböden hergibt.
Der wirtschaftliche Schwerpunkt Österreichs nach 1918 war eher industriell/gewerblich als agrarisch.
Demgegenüber verfügte Deutschland noch über seine Ostgebiete, die überwiegend agrarisch aufgestellt waren, zumal ein Großteil der schlesischen Industrie mit dem Frieden an Polen gegangen war.
Ein Wittelsbacher oder Habsburger hätte in Preußen nie Akzeptanz gefunden.
In Schlesien, wo die Habsburger vor dem Siebenjährigen Krieg lange geherrscht hatten? In Brandenburg, dass nach dem Aussterben der Askanier und vor der Verpflanzung der Hohenzollern dorthin durchaus auchmal eine Zeit lang vom Haus Wittelsbach regiert worden war?
In Rheinpreußen mit Westfalen, dass de facto über Jahrhunderte in weiten Teilen von diesen beiden Familien regiert worden war, weil die Wittelsbacher in der Pfalz geherrscht hatten und Wittelsbacher und Habsburger nacheinander über Jahrhunderte kontinuierlich den kölner Erzbischofsstuhl besetzt hatten, womit sie de facto einen Teil des Rheinlandes und das Herzogtum Westfalen regierten?