Nationalsozialismus à la Otto Strasser

Das ist natürlich völliger Unsinn, Österreich war rückschrittlicher als das Deutsche Reich, auch in Kernösterreich. Noch heute findet man trotz anderer ökonomischer Bedingungen in Österreich kaum Großindustrie.
Ich würde eher sagen in Österreich, im Sinne der 1. Republik Österreich, war das Strukturgefälle nicht so groß wie in Deutschland. Natürlich hatte Österreich nichts, was mit dem mit Industrie vollgepackten Ruhrgebiet vergleichbar gewesen wäre.
Auf der anderen Seite hatte es aber auch keine großflächigen und strukturell völlig zurückgebliebenen Gebiete à la Ostpreußen oder Pommern.

Die k.u.k. Monarchie hatte im wesentlichen nur drei Großstädte: Wien, Prag, Budapest,
Kommt darauf an, wie man "Großstadt" definiert.
Davon abgesehen: Ich komme aus dem Ruhrgebiet und kann dir sagen, dass es auch hier in der Westdeutschen Industrieregion vor dem 1. Weltkrieg kaum Großstädte gab, wennn man als Definition von "Großstadt" eine Kommune mit 100.000 Einwohnern oder mehr anlegt, selbiges im industriell geprägten Oberschlesien.
Viele Städte, die wir heute selbstverständlich aus Großstädte in diesem Sinne verstehen, wurden dass erst durch Gemeindereformen/Eingemeindungen. Essen (trotz der Kruppschen Gusstahlfabrik) und Dortmund z.B. hatten um die Wende zum 20. Jahrhundert herum erst knapp die 100.000-Einwohnermarke überschritten, Bochum hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreicht, auch andere bedeutende Industriestädte, wie Kattowitz und Königshütte in Oberschlesien waren davon um 1900 herum noch deutlich entfernt.

Der Stand der Einwohnerzahl von Bochum oder dem der beiden schlesischen Industriestädte war zum damaligen Zeitpunkt durchaus mit dem des österreichischen Linz vergleichbar, der von Dortmund und Essen mit dem des mährischen Brünn.

jedoch die meisten Einwohner nach dem russischen Reich.
Ist faktisch falsch. Die K.u.K.-Monarchie kam gemäß Volkszählung von 1910 auf 51 Millionen Einwohner, damit war sie einwohnermäßig deutlich kleiner als das Deutsche Kaiserreich mit 67 Millionen Einwohnern, allerdings größer als das Vereinigte Königreich und Frankreich ohne Kolonien.

Nun konzentrierte sich allerdings fast die gesamte moderne Industrie der K.u.K.-Monarchie auf die österreichische Reichshälfte, vor allem auf Böhmen-Mähren sowie Ober- und Niederösterreich, die Steiermark und Triest, während die ungarische Reichshälfte stark abfiel und im wesentlichen agrarisch strukturiert war.
Entsprechend war die 1. Republik Österreich ein Land mit einer für seine Größe durchaus beachtenswerten industriellen Produktion, dass sich in seiner Entwicklung von diversen Gegenden in Deutschland in dieser Hinsicht nicht verstecken musste.

Sozialismus und Kapitalismus schließen sich nicht aus.
Ich redete nicht von Sozialismus und Kapitalismus (und natürich schließen die sich aus), sondern von den im ML zusammengeworfenen theoretischen Ideen von Marx und Lenin.

Marx postulierte den historischen Materialismus, als Grundlage unausweichlicher Entwicklung hin zum Kommunismus, der man sich strukturell überhaupt nicht entziehen könne, Lenin hatte das ab 1902 für obsolet erklärt und einer voluntaristischen Herbeiführung des Kommunismus das Wort geredet.
Beides geht nicht zusammen.
Man kann nicht, einerseits mit Marx auf dem Standpunkt stehen, die Geschichte ihr vorbestimmtes Werk einfach tun zu lassen und die Bahnen zu akzeptieren, in die sich das ganze bewegt und gleichzeitig aber mit Lenin gewaltsam in die strukturellen Grundlagen der Gesellschaft eingreifen um diesen historischen Verlauf in eine andere Richtung zu lenken.
Das widerspricht sich offensichtlich, für jeden, der sich mit der theoretischen Denke einmal näher beschäftigt hat.
Das Zusammenwerfen von beidem in einem ideologischen Mischmasch diente herrschaftstechnisch einfach nur dazu einen ideologischen Selbstbedienungsladen für die Machthaber zu schaffen um jede Maßnahme, egal wie sie ausfiel irgendwie mit ideologischen Versatzstücken zu drappieren um der Willkür Legitimität zu verschaffen, aber ohne dass noch ein wirklich kohärentes ideologisches System dahinter gestanden hätte.

Die meisten Sozialisten wollen Umverteilung, aber keine Abschaffung des Kapitalismus.
Selbstverständlich steht genau die auf der Agenda der Personen, die sich als Sozialisten betrachten, darüber definieren sie sich ja. Der Dissens zwischen Sozialisten untereinander, was Wege und Ziele angeht, war in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht die Frage, ob der Kapitalismus zu überwinden wäre, sondern lediglich mit welchen Mitteln, ob mit denen der Revolution oder auf dem Weg der Reform innerhalb der sich demokratisierenden Strukturen.

Und genau das boten Hitler und der NS in keiner Weise. Die boten einfach nur ein rassistisches Kastensystem und der deutschen Arbeiterschaft an in diesem Kastensystem in Zukunft als über den nicht zur "Volksgemeinschaft" gehörenden Menschen zu stehen.
Die niedrigen Zustimmungsraten für die Nazis in den städtischen Gebieten und die bis zum Schluss der Weimarer Republik relativ große Stabilität der Zustimmungswerte der SPD und KPD bei den reichstagswahlen, verglichen mit dem weitgehend (bis auf das katholische Millieu) erodierenden Bürgerlichen Spektrum zeigt auch, dass sich sowohl Bürgertum, als auch Arbeiterschaft der Unterschiede durchaus bewusst waren und die Anziehungskraft für die Arbeitermillieus entsprechend dem Umstand, dass das für sie nicht überzeugend war, gering blieb.
Diese "Mitsprache" war im Dritten Reich in Wahrheit ein äußerst unangenehmes Kompetenzgerangel der unteren Etagen, über das Hitler wachte. Mit "Mitsprache" hatte das nichts zu tun, sondern mit dem ständigen Wunsch, die "Gunst" des Führers zu erlangen. Ich würde einer Diktatur wie dem Dritten Reich den institutionellen Charakter partiell absprechen. Das war eine Führerdiktatur mit staatlichen und außerstaatlichen Strukturen, die im Zweifelsfall ausgespielt wurden.
Letztendlich ließ aber auch dieses System durchaus ein gewisses Maß an Dissens und Auseinandersetzung innerhalb der Parteistrukturen und des Machtapparats zu.
Der wesentliche Unterschied zu anderen Diktaturen, ist dass die Machtinstitutionen des NS nicht prinzipiell jeden aufnahmen und bestimmte Personen aus rassistischen Gründen von vorn herein ausschlossen.
Insofern ist dieses System ein Sonderfall.

Letztendlich ist allerdings, wenn man Diktaturen, im Besonderen von politischen Parteien getragene Diktaturen als Regimetyp betrachtet die Vorstellung, sie ließen grundsätzlich keine Mitbestimmung/Mitgestaltung zu und jede Form von Diskussion würde sofort repressiert unter funktionalen Gesichtspunkten nicht zutreffend.
Auch in dikatorischen Systemen gibt es Entscheidungsfindungs- und Aushandlungsprozesse.
Nur eben nicht solche, die öffentlich liefen, und von der grundsätzlichen Loaylität zum diktatorischen Regime völlig unabhängig wären oder bereit wären alle Aspekte der Politik zur Disposition zu stellen.

Aber selbstverständlich konnte z.B. ein DDR-Bürger der sich z.B. für kommunalpolitische Belange vor Ort interessiere durchaus in die örtliche SED-Gliederung eintreten und sich an der Entscheidungsfindung in solchen Fragen beteiligen, ohne dafür repressiert zu werden, nur weil er mitgestalten wollte.
 
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