1. erwähnter Deutscher

Da es Deutsche gibt, muß es auch irgendwann einen ersten Deutschen gegeben haben oder etwa nicht?
Aetius wurde gerne "der letzte Römer" genannt :grübel:
...muss es immer einen allerersten als Stammvater geben? der erste Mensch? der erste Europäer? der erste Deutsche? der erste Bayer? der erste Münchner? :winke:
 
Aetius wurde gerne "der letzte Römer" genannt :grübel:
...muss es immer einen allerersten als Stammvater geben? der erste Mensch? der erste Europäer? der erste Deutsche? der erste Bayer? der erste Münchner? :winke:
Nix muß, allerdings ist eine solche Frage legitim.
Allerdings, der erste Deutsche ist ja nicht der Stammvater aller Deutschen. Es geht nur darum, wann der erste Mensch sich und seine Mitmenschen als Deutsche sah oder von anderen so gesehen wurden. Ich denke, das ist durchaus interessant.
 
Es geht nur darum, wann der erste Mensch sich und seine Mitmenschen als Deutsche sah oder von anderen so gesehen wurden.
ich würde das anders formulieren: ab wann ist eine kollektive Identität im Sinne der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einer Ethnie namens "Deutsche" nachweisbar oder zumindest wahrscheinlich - und da haben wir doch schon ungefähr die ottonische Zeit eingekreist (davor ist weniger wahrscheinlich)
 
Gut, es ist letztlich nicht nötig es an einer einzigen Person fest zu machen, da es sowieso eher schwierig oder unmöglich ist, diesen ersten zu finden. Ob schon die ottonische Zeit solch eine gemeinsame Identität schuf ist fraglich, zumindest entwickelten einige Kreise solch eine Identität. Zu fragen wäre dann allerdings auch, ob sie sich mit der unsrigen deckt.
 
Hallo zusammen,

ich habe da mal eine Frage:
Nun sind ja viele Griechen, Römer, Trojaner, vereinzelt auch Personen von noch älteren Hochkulturen wie König Minos von Kreta oder König Gilgamesch von Uruk namentlich bekannt, oder es existieren sogar Geschichten zu diesen Personen.
Die Germanen haben ja nun wohl in der Antike (schon gar nicht davor) nichts aufgeschrieben. Was wir wissen beruht eher auf Aufzeichnungen von Geschichtsschreibern anderer Kulturen.
Aber wie ist das? Wann wurde ein "Deutscher" zuerst aus dem eigenen Kulturkeis erwähnt, über welche Person wurde mal als erstes berichtet?
Danke für euer Interesse!

Viele Grüße - Michael
Gefragt ist also nach der namentlichen Erwähnung eines Menschen aus dem deutschen "Sprachraum" von einem Menschen aus dem deutschen Sprachraum. Und beide bezeichnen sich selbst als Deutsche. Und ich denke, da sollte man dann so mal im 18.Jahrhundert oder später mit der Suche beginnen ....
 
ich würde das anders formulieren: ab wann ist eine kollektive Identität im Sinne der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einer Ethnie namens "Deutsche" nachweisbar oder zumindest wahrscheinlich - und da haben wir doch schon ungefähr die ottonische Zeit eingekreist (davor ist weniger wahrscheinlich)

Ich wäre ja sehr gespannt zu erfahren, wer von den entsprechenden Historikern das so sieht?

Es geht nur darum, wann der erste Mensch sich und seine Mitmenschen als Deutsche sah oder von anderen so gesehen wurden. Ich denke, das ist durchaus interessant.

Nein geht es nicht, weil hier von kollektiver Identität gesprochen wurde.

Also folgende Fragen zur angeblichen kollektiven Identität der Deutschen im "Mittelalter":
- Was sind die Inhalte der kollektiven Identität der "Deutschen"?
- Wer sind die historischen Träger dieser kollektiven Identität bei den Eliten?
- Wie verhält sich die staatliche Formierung des HRRdN dazu? Stichwort: Partikularismus
- Wer vermittelt diese Inhalte an die Bevölkerung?
- Ist die Bevölkerung einer Träger dieser "kollektiven deutschen Identität" gewesen?

Das sind nur wenige Fragen, an denen eine empirisch basierte Konstruktion von kollektiver Identität schlichtweg scheitert!

Diese Schlußfolgerung kann ich jetzt nicht nachvollziehen. Da es Deutsche gibt, muß es auch irgendwann einen ersten Deutschen gegeben haben oder etwa nicht?

Lehnt sich das ein wenig gedanklich an die Schöpfungsgeschichte an? So eine Art germanischen Adam? Nein Spass beiseite.

Die Entwicklung des deutschen Nationalismus ist ein Prozess, der über mehrere Jahrhunderte während der Neuzeit stattfand.

Es gab sicherlich Personen, die diesen Gedanken befördert haben, als Philosophen, wie Fichte oder Herder, oder als Politiker, wie Stein oder Arndt oder andere.

Aber es kann überhaupt erst vom ersten Deutschen, der genannt wurde, gesprochen werden, sofern damit eine dem modernen Nationalismus zusammenhängende ideologische Identität vorhanden war.

Und an diesem Punkt hat Wilfried recht, wenn er einen Zeitraum benennt, der irgendwo im 18. Jahrhundert als Keimzelle angesiedelt ist.
 
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Nein geht es nicht, weil hier von kollektiver Identität gesprochen wurde.

Also folgende Fragen zur angeblichen kollektiven Identität der Deutschen im "Mittelalter":
- Was sind die Inhalte der kollektiven Identität der "Deutschen"?
- Wer sind die historischen Träger dieser kollektiven Identität bei den Eliten?
- Wie verhält sich die staatliche Formierung des HRRdN dazu? Stichwort: Partikularismus
- Wer vermittelt diese Inhalte an die Bevölkerung?
- Ist die Bevölkerung einer Träger dieser "kollektiven deutschen Identität" gewesen?
Diese Fragestellungen würde ich durchaus unterstützen.

Das sind nur wenige Fragen, an denen eine empirisch basierte Konstruktion von kollektiver Identität schlichtweg scheitert!
Da bin ich mir nicht ganz so sicher.

Lehnt sich das ein wenig gedanklich an die Schöpfungsgeschichte an? So eine Art germanischen Adam? Nein Spass beiseite.
Was hat das mit Germanen zu tun?

Die Entwicklung des deutschen Nationalismus ist ein Prozess, der über mehrere Jahrhunderte während der Neuzeit stattfand.
Nun, irgendwann fängt immer jemand an und schreibt dies nieder. Aber du hast durchaus recht, daß nur weil jemand sich als Deutscher sieht, noch keine deutsche Identität oder Nation besteht.

Es gab sicherlich Personen, die diesen Gedanken befördert haben, als Philosophen, wie Fichte oder Herder, oder als Politiker, wie Stein oder Arndt oder andere.
Solche Gedanken werden uns durch Niederschriften überliefert. Das ist wie bei Orten. Die Existenz eines Ortes ist uns durch einen betreffenden Eintrag bekannt. Von da zählt das Alter. Das bedeutet aber nicht, daß der Ort vorher nicht bestand. Haben Philosophen diesen gedanken also entwickelt oder /und befördert oder haben sie ihn nur aufgenommen?

Aber es kann überhaupt erst vom ersten Deutschen, der genannt wurde, gesprochen werden, sofern damit eine dem modernen Nationalismus zusammenhängende ideologische Identität vorhanden war.
Aber doch nur, wenn wir den Begriff einer deutschen Identität nur mit einer "dem modernen Nationalismus zusammenhängende ideologische Identität" gleichsetzen. Doch bereits im MA war manches Recht mit Deutschsein verbunden. Das würde aber eine Identität als Deutscher voraussetzen, selbst wenn es sich anders definieren würde als der neuzeitliche, moderne Begriff.

Und an diesem Punkt hat Wilfried recht, wenn er einen Zeitraum benennt, der irgendwo im 18. Jahrhundert als Keimzelle angesiedelt ist.
Für den modernen Begriff mag das korrekt sein.
 
Ich wäre ja sehr gespannt zu erfahren, wer von den entsprechenden Historikern das so sieht?
ich hatte die lesenswerte 12bändige Reihe im Siedlerverlag erwähnt :winke: speziell Herwig Wolfram, der den ersten Band (das Reich und die Germanen) verfasst hat, erklärt da, dass die quasi Vorgeschichte (Völkerwanderungszeit und Frühmittelalter) noch nicht in Anspruch genommen werden kann als "Deutsche" oder "deutsche Geschichte".

Die Entwicklung des deutschen Nationalismus ist ein Prozess, der über mehrere Jahrhunderte während der Neuzeit stattfand.
speziell das - den deutschen Nationalismus - können wir sogar ins 19. Jh. lokalisieren, der Historiker (!) Patrick Geary beschreibt sehr schön die Erfindung der Nationen und die Rückprojektion auf die frühmittelalterlichen Gentes als Produkt des (auch sprachwissenschaftlichen) "Germanismus". Sehr lesenswert: Myths of nations. The medieval origins of Europe. Princeton University. Princeton 2003

Und natürlich ist klar, dass unser heutiger Begriff Nation und die im 19. Jh. "erfundenen" (konstruierten) Völker - beide zusammen - die mittelalterlichen Menschen etwas ratlos machen würde :) (ob ein fränkischer Krieger aus der Gefolgschaft Chlodwigs unseren Definitionen von "Stammesgesellschaften" oder 2barbarischer Gesellschaft" viel Verständnis oder gar Zustimmung entgegenbringen würde?) Und klar ist auch, dass die spätantike Verwendung des lat. Begriffs natio noch lange nicht "Nation" im heutigen Sinne meint. Zudem kommt bzgl. der Bevölkerung(en) z.B. der ottonischen Zeit noch hinzu, um welche Bevölkerungsteile es sich handelt (Adel, Kriegeradel, deren Gefolgschaften, Klerus, Freie, Halbfreie, Sklaven) - auf der politischen Ebene könnte in ottonischer Zeit innerhalb des mächtigen Klerus und des Kriegeradels ein "Zusammengehörigkeitsgefühl", das über die direkte Gefolgschaftstreue hinaus ging, vorhanden gewesen sein (immerhin "einte" König Heinrich sächsische, fränkische, alemannische und thüringische Kriegsgefolgschaften gegen die Ungarn)

versteh mich nicht falsch: sogar ich begreife, dass das keine "Deutschen" im Sinne der bundsdeutschen Staatsbürgerschaft waren :):)
 
speziell das - den deutschen Nationalismus - können wir sogar ins 19. Jh. lokalisieren, der Historiker (!) Patrick Geary beschreibt sehr schön die Erfindung der Nationen und die Rückprojektion auf die frühmittelalterlichen Gentes als Produkt des (auch sprachwissenschaftlichen) "Germanismus". Sehr lesenswert: Myths of nations. The medieval origins of Europe. Princeton University. Princeton 2003

versteh mich nicht falsch: sogar ich begreife, dass das keine "Deutschen" im Sinne der bundsdeutschen Staatsbürgerschaft waren :):)

Es ist nicht notwendig, weiter Haare zu spalten, da eigentlich ein Konsens vorhanden ist. Geary schreibt sinnvolle Sachen. Und ich sehe nicht den geringsten Widerspruch zu dem, was ich geschrieben habe. Auf Seite 186, unter "Further Reading", verweist er ja auch auf die Klassiker, die ich mit Gellner, Anderson, Hobsbawm und Smith angeführt hatte.

Und gerade Smith ist in diesem Zusammenhang bedeutsam.

Wer mag, der mag sich Len Scales ansehen, um einen Vertreter kennen zu lernen, der für eine sehr frühe Datierung "deutscher Identität" eintritt.

The Shaping of German Identity: Authority and Crisis, 1245-1414 - Len Scales - Google Books

Die Beantwortung der obigen Frage des Thread wäre dann wohl folgerichtig, es war Wilhelm I., als erster "Deutscher Kaiser". Nicht zuletzt da in der Folge der Reichsgründung das "innere Nationabuilding" durch Bismarck im Vordergrund stand und eine enorme Herausforderung für die soziale und kulturelle Integration der unterschiedlichen früheren Königreiche darstellte. Von denen keines ein "deutsches Königreich" war!!

http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_I._(Deutsches_Reich)
 
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Ich denke mal, der in der Frage genannte "deutsche Kulturraum" darf ruhig größer sein . Ich verstehe darunter eben das, was man so als "Sprachnation" bezeichnen könnte.
Wizlaw III. (Rügen) ? Wikipedia bzw der Minnesänger Wizlav
wäre sicher nicht erbaut gewesen, wenn man ihn nicht als "deutschen Minnesänger" betitelt hätte, und auch Walther von der Vogelweide wäre beleidigt gewesen. Nur hat sie keiner irgendwie als "auch deutsch" o.ä. betitelt. Das war zu ihrer Zeit eben nicht Thema/wichtig. Wäre es gewesen, hätten sie sich bestimmt gestritten und jeder den anderen als "nicht so ganz deutsch" benannt. Auch gibt es nun mal unbestritten z.B. Italiener auf dieser Welt, die Deutsche sind. Nation, Volk und Sprachgemeinschaft/Kulturgemeinschaft sind nun mal keine ganz deckungsgleiche Begriffe. Und es ist nun mal so, das ein Mitglied dieser Kulturgemeinschaft ein anders eben über sehr lange Zeit als Bayern, Niedersachsen, Westfalen, Kärtner oder Tiroler oder was auch immer bezeichnet hat und auch heute noch bezeichnet.

Und dann bleiben eben nur Luther, der unter "den deutschen Fürsten " aufzählt oder die "nationale Bewegung" des 18.-19- Jhdts als "Verdächtige".
 
König Otto der erste der Deutschen, der hat im 10 Jahrhundert die Deutschsprachigen Stämme (Sachsen,Franken,Schwaben,Thüringer usw. ) zu ein Volk vereint,ab da gab es Die Deutschen, meine Quelle ist das Buch "die Deutschen" von Guido Knopp

Gruß Stephan von Schnellenberg
 
Insgesamt fällt bei dieser Disskussion auf, dass sie sich sehr weit weg von der wissenschaftlichen Diskussion über die Entwicklung des "Nationalismus" bewegt. Ein Gellner, ein Anderson, ein K.W. Deutsch, ein Hobsbawm oder auch ein Smith werden noch nicht einmal erwähnt.

Ergo und Antwort: Es gab keinen "ersten erwähnten Deutschen".

Bezüglich der 'Nation' gebe ich Dir, wenn wir das 'Staatsvolk' außen vor lassen, recht. Allerdings habe ich bewusst von 'Ethnie' gesprochen und der Fragesteller hat nach eigenem Bekunden bezüglich dieser Frage nicht darüber reflektiert. (Er benutzte die Wörter 'Deutscher' und 'Kulturkreis'.) Jenseits dieser Begrifflichkeiten kann ich jetzt wieder das Zitat aus dem Annolied fallen lassen, wie es Galileo mit seinem Stein getan haben soll: Es beweisst die 'deutsche' Identität im Mittelalter. Diese Identität hat sich ganz sicher geändert, aber dass tut auch der Rhein jeden Tag.

Unter 'Ethnie' verstehe ich zunächst eine 'durch Selbst- und/oder Fremdzuweisung abgegrenzte Gruppe von Menschen'. Wir können uns jetzt streiten, ob noch mehr Prädikatorenregeln hinzutreten sollen, im Endeffekt bekämen wir keine unterschiedlichen Sichtweisen eines Gegenstands, sondern unterschiedliche Definitionen von Begriffen. Dies ist nicht weiter schlimm, da ja Termini entstehen, die für verschiedene Aspekte nutzbar sind. Genauso kann man darüber streiten, was man als 'Gruppe von Menschen' betrachtet. Wichtig ist mir lediglich, auf die Konstruiertheit der Abgrenzung abzuheben. Diese Konstruiertheit war in weiten Teilen
der Geschichte natürlich keine bewusste Konstruiertheit. Trotzdem ist diese Abgrenzung nicht einfach als Hirngespinst abzutun, da dies sonst
für jedes Konstrukt gilt.

(Das 'Staatsvolk' lasse ich außen vor, da es ein solches per Definitionem in jedem Staat gibt. Die Frage seit wann es einen Staat gab, der sich als 'deutsch' bezeichnete oder verstand, geht aber m.E. am Thema vorbei.)

Da 'Nation' eine ideologische Erfindung der Neuzeit ist, kann diese natürlich nicht auf frühere Zeiten angewandt werden. Dennoch grenzten sich "Völker" immer schon voneinander ab. Allein schon das begriffliche Verständnis dieser Abgrenzung hat sich immer wieder geändert, wozu auch die Geschichte des Nationalismus gehört. Da der Begriff Nation aber von Anfang an ideologisch geprägt ist, eignet er sich nicht selbst zu historischer Reflektion.

Eine Abgrenzung als 'Deutsche Leute' beweißt das Annolied. Eine fehlende deutsche Identität zeigt Notker der Stammler. Somit sind wir in der Ottonischen bis (früh-)salischen Zeit für die Entstehung einer Abgrenzung durch Selbstzuweisung.

Da es Deutsche gibt, gibt es einen Deutschen, der zuerst als Deutscher erwähnt wurde. Und sicher schon vor Bismarck.
 
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Widersprechen möchte ich bei der Schlußfolgerung bzgl. Ludwigs des Deutschen. Sie besagt lediglich, daß man das Ostreich als ethnisch verschieden gesehen hat und benutzte dazu den Germanenbegriff. Rückschlüsse auf eine gemeinsame deutsche Ethnie läßt das aber nicht zu.

Mir kommt es eben auch auf die Außensicht an: Unter 'Ethnie' verstehe ich zunächst eine 'durch Selbst- und/oder Fremdzuweisung abgegrenzte Gruppe von Menschen', wie ich in meinem vorhergehenden Post sage.

Eine Ethnie ist ein Konstrukt. Dies Konstrukt wird nicht nur von Mitgliedern der fraglichen Gruppe betrachtet, sondern auch von Außenstehenden.

Tacitus Germanen können von außen konstruiert sein, obwohl einige Ethnien, wie Tacitus bezeugt, sich als Germanen verstanden haben. Nun hat Tacitus mit ganz anderen Begriffen hantiert. Hier ist seine Außensicht sicher nicht befriedigend. Wenn wir aber das Phänomen der Abgrenzung von Gruppen betrachten, hat die Außensicht einen genauso großen Stellenwert wie die Innensicht, also eben die Selbstzuweisung.
 
König Otto der erste der Deutschen, der hat im 10 Jahrhundert die Deutschsprachigen Stämme (Sachsen,Franken,Schwaben,Thüringer usw. ) zu ein Volk vereint,ab da gab es Die Deutschen, meine Quelle ist das Buch "die Deutschen" von Guido Knopp

Gruß Stephan von Schnellenberg
Deutschsprachig ist ein Terminus der Linguisten. Er bezeichnet eine Gruppe von Sprachen/Dialekten, die sehr nahe verwandt sind. Da sie später alle Teil des deutschen Volkes waren, bezeichnete man sie als Deutsch. Genau genommen waren es aber weder deutsche, noch deutschsprachige Stämme, wobei ich jetzt mal nicht auch noch den Begriff Stamm diskutieren möchte. Es waren Sachsen, Franken etc. Erst mit der Zeit formierten diese "Stämme" ein deutsches Volk, wobei im Verlauf der Geschichte sich einige Sachsen, Franken, Alamannen, Friesen und später auch Baiern wieder aus diesem Verband ausgliederten und eigenständige Ethnien bildeten.
Es sind also nicht DEUTSCHE "Stämme" zu einem DEUTSCHEN Volk vereinigt worden, sondern mittelalterliche gentes entwickelten in einem regna eine eigene DEUTSCHE Identität.
Das ganze erinnert mich an meinen Streit mit einigen Polen. Die Mehrzahl der westslawischen Sprachen wird gemeinhin als Lechische Gruppe zusammengefaßt. Lech gilt als Stammvater der Polen, woraus Lechen und Polen gleichgesetzt werden und damit die Mehrzahl der westslawischen "Stämme" zu polnischen Stämmen gemacht werden und sich Polen dann gleich bis zur Elbe erstrecken oder vielleicht muß ich ja dann Labe sagen (grrr). Die später unter Mieszko und seinen Nachfolgern eroberten "Stämme" der Wislanen, Pomoranen etc werden somit nicht von den Piasten erobert, sondern lediglich "polnische Stämme" unter den Piasten vereint oder da alle eh von Lech abstammen, wiedervereint.
Ich will dir jetzt nicht die gleiche Dumpfbackigkeit unterstellen. Mein polnisches Beispiel soll lediglich zeigen, wie Termini falsch oder sogar mißbraucht werden können, indem man sie einfach nationalistisch umdeutet.
 
Mir kommt es eben auch auf die Außensicht an: Unter 'Ethnie' verstehe ich zunächst eine 'durch Selbst- und/oder Fremdzuweisung abgegrenzte Gruppe von Menschen', wie ich in meinem vorhergehenden Post sage.

Eine Ethnie ist ein Konstrukt. Dies Konstrukt wird nicht nur von Mitgliedern der fraglichen Gruppe betrachtet, sondern auch von Außenstehenden.
Korrekt, wobei sie zeitlich durchaus verschieden sein können. Cäsar bezeichnete die Germanen bereits um 50 vdZ so, sie selber sich erst deutlich später mit diesem Begriff. Und ob alle dies taten bleibt uns verschlossen.

Tacitus Germanen können von außen konstruiert sein, obwohl einige Ethnien, wie Tacitus bezeugt, sich als Germanen verstanden haben. Nun hat Tacitus mit ganz anderen Begriffen hantiert. Hier ist seine Außensicht sicher nicht befriedigend. Wenn wir aber das Phänomen der Abgrenzung von Gruppen betrachten, hat die Außensicht einen genauso großen Stellenwert wie die Innensicht, also eben die Selbstzuweisung.
Ja, das ist korrekt. Abgrenzung ist der wesentliche Faktor bei der Bildung von Ethnien. In wie weit sie dann ein einigendes Band finden, bestimmt dann, wie erfolgreich der innere Prozeß der Ethnienbildung ist.
 
nun, Herr Knoop hat Otto I als ersten Deutschen genannt, der sah sich allerdings wohl selbst nicht so, Heinrich der Vogler wird von seinem , sich selbst als Sachsen bezeichnenden Biografen als König der Franken und Sachsen beschrieben, war also kein Deutscher. Luther steht auf Arminius, aber eben Arminius def. nicht auf Deutschtum, allerdings wollte Arminius wohl die "germanischen Stämme" in einer Art Union einigen.?? Was ja dann zu einer Art "Voreinigung" der "Stämme" der norddtsch. Tiefebene mit Anrainern geführt hat. Nur fehlt uns da die Selbstbezeichnung.

Fakt ist, es gibt Deutsche, es gab Deutsche, also gibt es einen Deutschen, der einen anderen Deutschen als frühesten Deutschen benannt hat, der sich selbst auch als Deutscher sah. Von Ludwig dem deutschen wissen wirs nicht, Otto war zwar König , aber des "Ostfrankenreichs", wie gesagt, bekennender Sachse, und nicht Sachse und auch Deutscher. Gucken wir mal bei Eike v. Repgow ff. nach, im Vorwort: Erster unter den deutschen Fürsten ist ... Ich kann leider im mom die Dokumente nicht öffnen
 
Es sind also nicht DEUTSCHE "Stämme" zu einem DEUTSCHEN Volk vereinigt worden, sondern mittelalterliche gentes entwickelten in einem regna eine eigene DEUTSCHE Identität.

Das ist schlichtweg falsch! Es gibt derzeit bestenfalls Minderheitenpositionen, die derartige Thesen aufstellen. Wie Scales, der aber eher die "Deutschen" herbeischreibt, indem er den Begriff "Deutsch" für alles benutzt, was sich im geographischen Umfeld des heutigen "Deutschlands" bewegt. Und das ist die "konstruierte" Sicht, wie Anderson es beschreibt und auch kritisiert.

Folgt man M. Weber, dann ist eine Ethnie folgendes:
„Wir wollen solche Menschengruppen, welche auf Grund von Ähnlichkeiten des äußeren Habitus oder der Sitten oder beider oder von Erinnerungen an Kolonisation und Wanderung einen subjektiven Glauben an eine Abstammungsgemeinschaft hegen, derart, dass dieser für die Propagierung von Vergemeinschaftungen wichtig wird, dann, wenn sie nicht ‚Sippen’ darstellen, ‚ethnische’ Gruppen nennen, ganz einerlei, ob eine Blutsgemeinschaft objektiv vorliegt oder nicht.“

In diesem Sinne ist die Identität einer Ethnie ein Konstrukt, "das in Teilen einer Gruppe von Personen als zusammenhängende Überzeugungssyseme erzeugt wird. Es ist ein "kulturelles Gebilde", das im wesentlichen auf der Übertragung von Normen und Werten beruht.

Und diese Werte und Normen, im Sinne einer politischen Sozialisation, sind bis ins späte 18. Jahrhundert für die Mehrheit der Bevölkerung im Bereich des HRR relativ frei von irgendwelchen Inhalten, die sich als "deutsche Identität" ausdrückt.

Ansonsten, das Agends-Setting durch einzelne historische Dokumente ist

a. kein Beleg für eine kollektive Identität
b. ein Grund, quellenkritisch den Kontext des Dokuments zu beleuchten und nicht die unkritische, affirmative Sicht zu übernehmen.

Und deswegen belegt ein Dokument absolut keine "deutsche Identität", sondern das kann bestenfalls nur die komplexe Analyse der Ideologie der Eliten und der "Überzeugungssysteme" der Bevölkerung leisten, indem die komplexe Interdependenz beider untersucht wird! Also genau das getan wird, was derzeit die sozialkonstruktivistischen Gistoriker / Theoretiker der Nationenbildung tun.

Und in diesem Sinne wird die Identität im Mittelalter primär geprägt durch ein fest gefügtes "internationales" Werte- und Normensystem der Kirche, dem regionalen feudalen System, das hierarchisch in den Werten, Normen und der Loyalität auf den jeweiligen Fürsten bezogen ist, und genau den "Partikularismus" benennt, der im Zentrum der Kritik der Einigungsbefürworter um 1814 stand, und der sehr beschränkten und sehr eingeengten unmittelbaren Primärerfahrung aus dem unmittelbaren Umfeld einer ums permanente Überleben kämpfenden mittelalterlichen Gesellschaft.

Die Identität der ländlichen oder städtischen Bevölkerung ist geprägt durch regionale Zugehörigkeit, die absolut keinen Bezug zu dem Konstrukt "Deutsch" oder Deutschland aufweist.

Und ich wiederhole meine Kritik an denen hier im Forum, die von einer "deutschen Identät" im Mittelalter fabulieren, dass sie:

1. sich im Gegensatz zur derzeitigen anerkannten, dem "Mainstream", Sicht auf die Nationenbildung bewegen und ihrerseits keine entsprechende Positionen in Form von Literatur anführen

2. Das der Begriff der "Identität" als sozialpsychologischen Konstrukt nicht richtig verstanden worden ist und auf der gesellschaftlichen Konstruktion von Realität basiert, siehe beispielsweise Berger & Luckman (Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit).

3. Und den Begriff der Identät als leere Hülse benutzen, ohne die Prozesse, die zu einer angeblichen "deutschen Identität" führen, unter den mittelalterlichen Umständen rekonstruiert haben.

Vielleicht deshalb zur Erinnerung über was eigentlich geredet wird der Hinweis auf die entsprechenden sozialpsychologischen Konstrukte.

Identität ? Wikipedia

Theorie der sozialen Identität ? Wikipedia

Kulturelle Identität ? Wikipedia
 
Zuletzt bearbeitet:
Und ich wiederhole, daß bereits im Mittelalter Bürgerrecht u.a. mit Deutschsein verknüpft war. Wer nicht deutsch war, konnte in vielen Städten kein Bürger werden. Das läßt offen, wie man damals Deutschsein definierte. Dies kann anders gewesen sein als der moderne Nationenbegriff. Es ist aber deutlicher Beweis für eine deutsche Identität.
Besonders wundert mich, daß du "es sind also nicht DEUTSCHE "Stämme" zu einem DEUTSCHEN Volk vereinigt worden," ebenfalls als schlichtweg falsch bezeichnest.
 
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