Hmm. Mir hat man gesagt der Autor hätte sich hauptsächlich auf Originaldokumente aus der Zeit gestützt. Ich habe das Buch nicht gelesen und kann deshalb dazu nichts sagen.
Ohne direkte Gegenbeweise finden Leute wie er aber immer mehr Anhänger.
Das würde unterstellen, dass er Beweise für seine Sichtweise vorgelegt hätte. Hat er aber nicht. Und das Zitieren eines dtv-Atlas als Quelle ist auch nicht gerade wirklich überzeugend.
Sämtlich relevante Literatur, wie unter Link aufgeführt, hat er tunlichst vermieden. Ist auch gut so, da "Revisionisten" sowiso nicht korrekt zitieren können.
http://www.geschichtsforum.de/blogs/thanepower/268-die-entfesselung-des-zweiten-weltkriegs-1939.html
Dieses Buch, "1939. Der Krieg der viele Väter hatte." von Schultze-Rhonhof und in der Darstellung die Periode von ca. 1914 bis 1939 bearbeitet, ist vor allem eines, eine politische Kampfschrift und keine auch nur halbwegs angemessene historische Analyse dieser Periode!
Der Inhalt bedient im Wesentlichen eine nationalkonservative Sichtweise auf die Entstehung der beiden Weltkriege, denn Schultze-Rhonhof liefert, eher en passant, im Rahmen der "Vorgeschichte" zum Zweiten Weltkrieg auch noch einen Interpretationsansatz für den Ersten Weltkrieg mit.
Formal ist zu diesem Buch zu sagen, dass Schulze-Rhonhof auf 595 Seiten, unterteilt in 6 Teile sich seinem Thema nähert. Die Anzahl der Seiten nähert die Vermutung, dass es sich um eine kompetente Darstellung der komplexen Thematik handeln würde. Ein Blick auf das Quellenverzeichnis dämpft diese Vermutung deutlich! Und man kommt zu dem niederschmetternden Befund, dass die umfangreiche wissenschaftliche Diskussion über die europäischen Beziehungen zwischen den Weltkriegen an Schultze-Rhonhof komplett vorbeigegangen ist!
Liest man die einzelne "Teile", sprich die Kapitel des Buchs, durch, dann wird im Rahmen der Argumentation von Schultze-Rhonhof diese Vermutung sehr drastisch bestätigt. Seine mangelhafte historische Kenntnis wird dann aber auch zur Stärke für seine Argumentation. Er blendet alle Argumente aus, die nicht in seine politisch inspirierte Darstellung passen. Und so entsteht ein in sich schlüssiges, sehr konstruiertes Universum der damaligen Zeit, allerdings behaftet mit dem Schönheitsfehler, dass es sich im wahrsten Sinne um eine fiktive Rekonstruktion handelt, die mit der damaligen Realität wenig zu tun hat.
Diese Vorgehensweise durch Schultze-Rhonhof rechtfertigt es, dem Buch jeglichen Anspruch einer angemessenen historischen Darstellung abzusprechen und es lediglich als eine politische Kampfschrift zu interpretieren.
Die Thesen des Buchs provozieren zum Widerspruch und fördern den Wunsch, eine ausführliche Gegendarstellung zu schreiben, allerdings liegen diese bereits vor.
Einen schnellen Überblick über die Gesamtthematik verschafft beispielsweise das 1. Kapitel: London 1940, S. 25 von Kershaw in:
- Kershaw: Wendepunkte oder
- die Einleitung bei Overy, Die letzten zehn Tage, S. 9ff
Und ausführlicher beispielsweise bei:
- Hofer: Entfesselung
- Niedhart (Hg.),Kriegsbeginn 1939
- Hildebrand u.a. (Hg.), 1939. An der Schwelle zum Weltkrieg
Das Buch von Schultze-Rhonhoff provoziert aber auch durch sehr globale Aussagen, die durchaus schnell am Stammtisch formuliert werden können (und diesen Kreis auch als Zielgruppe bedienen möchte), die jedoch einer gewissen Fundierung durch entsprechende Quellen bedürfen, sofern es um eine kritische Bewertung seiner Thesen geht.
Die Argumentationsweise von Schultze-Rhonhof orientiert sich im Wesentlichen an der Sichtweise von A.J.P.Taylor (The Origins oft he Second World War und "Erneute Betrachtungen", S. 29 ff in: Kriegsbegin 1939, Niedhart Hg.) wie sie bereits durch Bullock, (Hitler und die Ursprünge des Zweiten Weltkriegs, S. 337, in: Grundfragen der Deutschen Außenpolitik seit 1871, Ziebura Hg.) systematisch eingeordnet worden ist.
In Anlehnung an Taylor führt Schultze-Rhonhof dem geneigten Leser einen Hitler vor, der in der Konstanz und der Normalität deutscher Politik steht und lediglich durch die Perfidie der anderen Mächte, allen voran durch Großbritannien (dem Lieblingshassobjekt aller revisionistischen Autoren), zum Äußersten getrieben wurde. Und stellt via Teil 1 eine direkte Beziehung her zu Kaiser Wilhelm II. und dem angeblichen "Hineinschlittern" in den Ersten Weltkrieg.
Vor diesem Hintergrund wird Hitler zum deutschen "Robin Hood" verklärt, der das durch den Versailler Vertrag geknechtete und entrechtete Deutsche Reich lediglich wieder zur erneuten Blüte führen möchte, die es ihm, laut Hitler, eigentlich gebührt. Hitler wird primär als Staatsmann, als Politiker und als genialer Feldherr von Schultze-Rhonhoff portraitiert.
Schultze-Rhonhoff ist immerhin so scharfsinnig durchaus Fehler in der Hitlerschen Politik zu erkennen, wie beispielsweise bei der endgültigen Vernichtung der Rest-Tschechei. Sofern er jedoch Fehler erkannt hat, macht er sich viel Mühe zu erklären, dass Hitler eigentlich gar nicht anders hat handeln können und somit werden immerhin auch diese kleinen "Schönheitsfehler relativiert.
Dass das Lebensraummotiv, eine sozialdarwinistische Sichtweise und ein militanter auf Vernichtung abzielender Antisemitismus bei Hitler als treibende Motive seiner Politik vorhanden sind und die programmatische Voraussetzung für die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs bildet, erkennt Schultze-Rhonhoff nicht. Ebenso erkennt er nicht die zentrale Bedeutung des "Vierjahresplans" im Rahmen der Aufrüstung und die strategische Bedeutung der Großraumwirtschaft und der damit verbundenen Autarkiebestrebungen Hitlers.Verwendet jedoch einigen Aufwand, die Liebmann- bzw. die Hoßbach-Niederschrift als wertlose Dokumente zu enttarnen und so glaubwürdige Zeitzeugen wie Reader anzuführen.
Für ein angemessenes Verständnis hätte er beispielsweise zusätzlich Meinck (Hitler und die Deutsche Aufrüstung; Milward: Die deutsche Kriegswirtschaft; Carrol: Design for Total War; Petzina: Autarkiepolitik im Dritten Reich und Volkmann: Ökonomie und Expansion) als Monografien heranziehen müssen, natürlich neben vielen anderen Quellen, um nur ansatzweise das Hitlersche Eroberungs- und Vernichtungsprogramm im Osten, sprich primär in der Sowjetunion, zu verstehen.
Folgt man dem Titel des Buchs, dann ist das Kernanliegen von Schultze-Rhonhof, die multiple Vaterschaft am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu beschreiben bzw. zu analysieren. Im 6. Teil, der "Schlussbetrachtung" versucht er die eigentlich nie vorhandenen losen Enden seiner Argumentation zusammen zu binden und den finalen "Vaterschaftstest" durchzuführen. Er scheitert, weil seine gravierende Unkenntnis der jeweiligen Innen- und Außenpolitik der untersuchten Mächte, lediglich allgemeine Plattitüden zulässt, um die multiple Vaterschaft auch nur ansatzweise zu begründen.
Er entwickelt zu keinem Zeitpunkt ein angemessenes Verständnis für die Politik Großbritanniens, Frankreichs, der USA , der UdSSR oder von Polen. Wie der Versuch aussehen könnte, den Rüstungswettlauf in den dreißiger Jahren angemessen darzustellen, zeigt die neueste Studie von Maiolo: Cry Havoc.
Im Gegensatz dazu hat Schultze-Rhonhof es noch nicht einmal geschafft, die Vaterschaft Hitlers schlüssig darzulegen! Mir persönlich wäre es peinlich gewesen, ein derartiges Buch zu schreiben!