Adel in Böhmen

Dani_m

Neues Mitglied
Ich hätte mal eine Frage zu den Adelsgeschlechtern in Böhmen.
Diese waren doch (anfangs) zum allergrößten Teil tschechischer Herkunft, oder?
In Wikipedia ist es bei den Artikeln zu den jeweiligen Geschlechtern oft ein wenig undurchsichtig.
Manchmal steht da "die xy waren ein tschechisches Adelsgeschlecht", oder "tschechisches (böhmisches)". Dann ist die Sache klar. Aber oft steht nur, "die xy waren in böhmisches Adelsgeschlecht".
Daraus kann ich mir nicht viel herleiten. Dann schau ich oft in den englischen Artikel der Seite und da steht dann meistens "was a czech noble Family". Somit dann eigentlich auch klar.
Wer hat sich denn alles als "böhmisch", oder "Böhmer" bezeichnet?
Ich weiß, dass die tschechische Übersetzung für "Böhmen" "Čechy" ist.
Das impliziert erstmal alle Böhmer sind Tschechen.
Deutsche die in Böhmen gelebt haben, haben sich sicher zum Teil auch als Böhmer bezeichnet, oder?
Dann gab es sicher irgendwann auch durch Heiraten eine Vermischung der Adelsgeschlechter.
Aber ursprünglich waren die allermeisten tschechischen Ursprungs nehme ich mal an.
Oder gab es auch rein deutsche Adelsgeschlechter?
Die meisten stammen ja aus dem Inland Böhmens oder Schlesien.
Somit müssten rein deutsche eigentlich wegfallen, da "Deutsche" (sie bezeichneten sich ja erstmals noch lange nicht als solche) ja sich erst mit der Zeit in den Randgebieten Böhmens in den Mittelgebirgen und Schlesien niederließen und die Markomannen die ursprünglich wohl in Böhmen siedelten sind nach Bayern gezogen und haben sich glaube erst dort zu einer festen Stammgemeinschaft mit Hierarchie etc zusammengeschlossen. Dann kamen die Slawen (Tschechen) in das vermutlich größtenteils leere Böhmen.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg hat der römisch-deutsche Kaiser (sicher auch König in Böhmen zu der Zeit) ja den großen böhmisch-tschechischen Adelsgeschlechtern viele Privilegien genommen und diese versucht zu schwächen, da diese zum Großteil Anhänger der Hussiten waren. Deutsch würde glaube ich als alleinige Sprache festgelegt und viele Adelsfamilien aus dem Ausland z.B. Italien und Spanien in Böhmen angesiedelt und dann hat sich sicher viel vermischt.
Meine Frage zielt aber darauf ab, woher die ersten, ursprünglichen Adelsfamilien stammen.
 
Zunächst mal bist du, glaube ich im falschen Unterforum gelandet.
Wäre gut, wenn du dich darum bemühen könntest Fäden in einem dazu passenden Unterforum zu eröffnen und wenn du die Moderation auf diesen hier hinweisen würdest, damit er entsprechend verschoben werden kann.



Es ist generell nicht sinnvoll zu versuchen den Adel in Kategorien des "Nationalen" einordnen zu wollen. Der Nationalstaat und die Nation sind, im wesentlichen Projekte des Bürgertums, in die sich der Adel eigentlich zu keiner Zeit eingefügt hat.
Adel war seit jeher eine internationale Veranstaltung.

Wenn sich der Adel im Königreich Böhmen als "böhmisch" bezeichnete, machte er damit keine Aussage zu einer nationalen identität, sondern nur dazu, dass er eben in Böhmen ansässig war, dort seine Güter/Privilegien etc. her hatte und dass er letztendlich Untertan der böhmischen Krone war.
Dafür war herzlich egal, welche Sprache dort gesprochen wurde.

Oder gab es auch rein deutsche Adelsgeschlechter?
Erstmal hätte das ja der Idee bedurft, dass es so etwas wie eine deutsche Nationalität überhaupt gäbe, was man für das Mittelalter nicht so ohne weiteres vorraussetzen kann, bzw. eher abschlägig beantworten müsste.

Dann: Welchen Sinn hätte es für den Adel ergeben, in irgendwelchen nationalen Kategorien unter sich zu bleiben und dadurch machtpolitisch vorteilhafte Verbindungen mit mächtigen Familien auszuschließen, nur weil die wo anders her kamen oder eine andere Sprache sprachen?
Das wäre ja nicht sinnvoll gewesen.

und die Markomannen die ursprünglich wohl in Böhmen siedelten sind nach Bayern gezogen und haben sich glaube erst dort zu einer festen Stammgemeinschaft mit Hierarchie etc zusammengeschlossen.
Es macht wirklich wenig Sinn, die Idee einer deutschen Nation mit irgendwelchen germanischen Gruppen aus der Antike in Verbindung bringen zu wollen und auch keinen entsprechnde Stammeshierarchien mit dem mittelalterlichen und neuzeitlicheen Konzept von "Adel" in Verbindung zu bringen.

Herausgebildete Adelsstrukturen, kannten diese Gruppen nicht. Und als "deutsch" definierten sich später auch Gebiete, die im frühen und Hochmittelalter eher slawisch dominiert waren (im Prinzip alles östlich der Elbe) und in denen ein Großteil der Bevölkerung mindstens zum Teil auch slawische Vorfahren hatten.
Die Vorstellung "Germanen = deutsch", "Slawen = nicht deutsch", die haut nun östlich der Elbe so überhaupt nicht hin.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg hat der römisch-deutsche Kaiser (sicher auch König in Böhmen zu der Zeit) ja den großen böhmisch-tschechischen Adelsgeschlechtern viele Privilegien genommen und diese versucht zu schwächen, da diese zum Großteil Anhänger der Hussiten waren.
Mit den Hussiten oder den Religiösen Vorstellungen in Böhmen hatte das zunächst wenig zu tun. Zunächstmal wurden vorwiegend diejenigen Adligen entmachtet und enteignet, die sich an der Rebellion der böhmischen Stände gegen Feerdinand II. beteiligt hatten.
Da ging es aber nicht darum irgendwie tschechsprachige Adlige durch deutschsprachige Adlig zu ersetzen, sondern die Habsburg gegenüber loyalen Teile des Adels mmit irgendwas zu belohnen, die Kriegskosten zu finanzieren und ein paar Ferdinand II. gegenüber loyale Adelsgeschlechter aus den österreichischen Erblanden nach Böhmen zu verpflanzen um da ein machtpolitisches Gegengewicht zu den auf die Rechte der böhmischen Krone pochenden Magnaten zu haben und künftigen Rebellionen vorzubauen.

Deutsch würde glaube ich als alleinige Sprache festgelegt
Zu keiner Zeit. Wie auch, es gab ja nichtmal eine einheitliche deutsche Hochsprache zu dieser Zeit, dass musste sich erst noch entwickeln. Aber auch sonst, war dieser Schritt durchaus kein Versuch Böhmen irgendwie "einzudeutschen", sondern es ging zunächst einzig um die Machtsicherung der Dynastie Habsburg, und im weiteren Sinne dann um die Vorrangstellung des katholischen Glaubens.
Für beides war völlig unerheblich, ob der Adel dort deutsch oder tschechisch sprach.
Relevant war nur, dass er katholisch war oder wurde und dass er bereit war die Habsburger als Monarchen anzuerkennen und sich dementsprechend zu verhalten.
 
Ein gutes Beispiel für die Internationalität des „böhmischen“ Adels ist das „Haus Liechtenstein“, das heute im Fürstentum Liechtenstein regiert. Ursprünglich aus dem heutigen Niederösterreich stammend, erwarb es in der Neuzeit riesige Besitzungen in Böhmen und Mähren. Viele Mitglieder der Familie wurden auch dort geboren und lebten primär dort. Sie gehörten zu den führenden Adelsfamilien des Kaisertums Österreich und waren erblich im Herrenhaus (dem Oberhaus des österreichischen Reichsrats, vergleichbar dem britischen House of Lords) vertreten. Das heutige Fürstentum war nur insofern wichtig, als sie dadurch zu Zeiten des HRR reichsunmittelbare Fürsten waren und nach seinem Ende Oberhäupter eines souveränen Staates, ansonsten interessierten sie sich aber lange Zeit kaum dafür und hielten sich so gut wie nie dort auf. Auch noch nach dem Zerfall Österreich-Ungarns blieben die Besitzungen in der nunmehrigen Tschechoslowakei wichtig. Erst mit der Zerschlagung der Tschechoslowakei zog sich die Familie in ihr eigentliches Fürstentum zurück, und nach dem 2. WK wurden ihre tschechischen Besitzungen enteignet.

Man könnte lange – und sinnlos – darüber diskutieren, ob das Haus Liechtenstein ein „böhmisches“ bzw. „mährisches“ Adelsgeschlecht war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was den Adel in Tschechien, Böhmen oder Mähren anbelangt so muss ich sagen, das ist bei mir fast sowas wie ein weißer Fleck.

Hängt wohl auch damit zusammen das uns mal gesagt wurde das die Nationalversammlung 1918 der demokratischen Tschechoslowakei unter Tomáš Garrigue Masaryk Zitat: „Adel und Orden sowie alle damit verbundenen Rechte werden aufgehoben. Dasselbe trifft auf jene Titel zu, die als reine Auszeichnungen verliehen wurden.“
Masaryk war ja der 1. Ministerpräsident eines unabhängigen tschechoslowakischen Staates.

Tomáš Masaryk (* 7.März 1850/Hodonin/Südmähren - † 14.September 1937/Schloss Lany/Sommersitz des Präsidenten der CZ).
Weiteres, näheres zum Ministerpräsident bitte hier -> Tomáš Garrigue Masaryk – Wikipedia .

Und hier noch ein Beitrag von Radio Prag International 17.12.2018 „Das Aus für den Adel vor 100 Jahren“ -> Das Aus für den Adel vor 100 Jahren
 
Auch ein interessanter Fall ist der ehemalige tschechische Spitzenpolitiker Karl Schwarzenberg.
Die Schwarzenbergs sind „deutscher“ Herkunft, expandierten aber bereits im Spätmittelalter nach Böhmen, wo sie zu den bedeutendsten Adelsgeschlechtern gehörten.
Karl Schwarzenberg selbst, in Prag geboren, war Gründer einer eigenen Partei, tschechischer Außenminister und einmal (erfolglos) Präsidentschaftskandidat. Er war also wohl jedenfalls „Tscheche“, sprach aber auch fließend Deutsch und hatte enge Verbindungen nach Österreich, wo er jahrzehntelang lebte.
 
Sicher einer der berühmtesten Adligen aus Teschinen...

Johann Josef Wenzel Anton Franz Karl Graf Radetzky von Radetz (tsch. Jan Josef Václav hrabě Radecký z Radče)

Geboren am 02.11.1766 im Schloss Trebnitz bei Sedlčany (dt. Seltschan).
Trebnitz (Třebnice) ist ein kleines Dorf, nur 4 km westlich von Seltschan (Sedlčany), heute ein Stadtteil von Seltschan.
Radetzky-Marsch-11.jpg

 
Zurück
Oben