Aktuelle Geschichtsdokus

Der Dreißigjährige Krieg (Doku 2011)
Sehr informativ, wenn auch von den Spielszenen her bisweilen unfreiwillig komisch bis miserabel, fand ich den BR-Dreiteiler: "Der Dreißigjährige Krieg" (BR 2011)
Ist momentan in der MEdiathek verfügbar:
Der Dreißigjährige Krieg | 13.05.2018 : Von Feldherrn, Söldnern, Karrieristen
Video "Von Bankiers, Wirten, Publizisten"
Video "Von Hexen, Nonnen, Ehefrauen"

Außerdem noch die vier Jahre alte MDR-Produktion "Gustav Adolf II.: Der Kampf um Magdeburg":
Video "Gustav Adolf II. - Der Kampf um Magdeburg"
 
"Secrets d'Histoire - Joséphine, l'atout irrésistible de Napoléon" (France 2, 2018)

Nach der Arte-Doku war diese neue Folge der Reihe "Secrets d'Histoire" die reinste Wohltat.
Aktuelle Geschichtsdokus

In etwa 110 Minuten lässt die Doku, moderiert von Stéphane Bern, das Leben von Joséphine Revue passieren. Die Spielszenen erfolgen recht zurückhaltend. Wie immer bei "Sécrets d'Histoire" gibt es zahlreiche Aufnahmen an Originalschauplätzen von Saint-Dominique bis Malmaison. Zahlreiche Aspekte ihres Lebens werden beleuchtet. Ihr Leben an der Seite zweier Generäle, Beauharnais und Bonaparte, aber auch beispielsweise ihre schlechten Zähne, die daher rührten, weil sie so sehr Zuckerwerk mochte. Zahlreiche originale Schriftdokumente, Kleider bis hin zu ihren Stiefeln wurden von Historikern vorgestellt und auch erläutert. So bekam man durchaus ein recht umfassendes Bild von der Persönlichkeit von Joséphine, ihren Vorlieben, aber auch ihren Schwächen. Die Spielszenen waren von den Kostümen her nicht so besonders (v.a. Napi), aber immerhin besser geschauspielert und drückten auch etwas aus, so wenn Joséphine geschickt Napoléon beeinflusste. Was mir wirklich fehlte, war Joséphines Haltung gegenüber der Sklaverei. Sie soll ja mit darauf eingewirkt haben, dass sie in Frankreich wieder eingeführt wurde. Stattdessen hätte man etwas weglassen können wie Ansichten von Malmaison zu wiederholen. Toll auch die zahlreichen Gemälde, die meistens wirklich etwas nutzten, um den Wandel der Madame de Beauharnais zu illustrieren.
Ansonsten aber eine durchaus sehenswerte Doku. Sehr angenehm die Auswahl an Historikern. Keine Superlativen und kein Rumgepöbel wie bei der Arte-Doku.
 
Zahlreiche originale Schriftdokumente, Kleider bis hin zu ihren Stiefeln wurden von Historikern vorgestellt und auch erläutert. So bekam man durchaus ein recht umfassendes Bild von der Persönlichkeit von Joséphine, ihren Vorlieben, aber auch ihren Schwächen.
Ich lese daraus, dass du dich als Zuschauer ernst genommen fühlst und nicht wie jemand, der lediglich mit seichter Unterhaltung im Histotainment-Format bespaßt wurde?
 
Ich lese daraus, dass du dich als Zuschauer ernst genommen fühlst und nicht wie jemand, der lediglich mit seichter Unterhaltung im Histotainment-Format bespaßt wurde?
Ja, durchaus.
Es liegt aber wohl am Konzept der Doku-Reihe. Sie heißt ja "Sécrets d'Histoire". Wirkliche Geheimnisse werden normalerweise nicht aufgedeckt, aber doch eher verstecktes verdeutlicht. Wie wenn Stéphan Bern das Toiletten-Necessaire von Joséphine zeigt und man dadurch ihren Reinlichkeitssinn mitbekommt.
 
La vie des Français sous Louis XIV (L'Histoire au Quotidien) F 2014

Ich habe die letzten Tage die oben genannte Doku geschaut.

Scheinbar haben ein paar Bekannte von mir dabei mitgewirkt, da man sie nicht nur in eingestreuten Szenen, sondern auch direkt im Zusammenspiel mit den Hauptakteuren sieht.

Als eine etwas verschrobene Gestalt (stets mit Old-School 1980er Brille) leitet Mac Lesggy durch die Sendung und wird von der Historikerin Marjolaine Boutet dabei begleitet. Die Doku ist ein Mix aus Kommentaren der üblichen Historiker, die man von Sécrets d'Histoire kennt wie Konservatorin Hélèlene Delalex und Historiker und Autor Jean-Christian Petitfils, und Passagen, wenn Lesggy in die Zeit eintaucht. Zum Beispiel besucht er ein Freilichtmuseum in der Bretagne, wo er sich mit den Lebensgewohnheiten vertraut macht, erlebt aber auch ein herrschaftliches Essen eines Adligen mit den zahlreichen Gängen und schlüpft in "Kleidung" der Zeit.
Einige Details sind durchaus interessant wie das mit den Sprachen und dass 30 % der Produktion in Luxusartikeln (Seide, Möbel etc.) bestand. Ich hatte auch nicht gewusst, dass die Franzosen auch wie die Norddeutschen in Butzen schliefen und es war gut klar zu machen, welchen Stellenwert das Brot für die Ernährung der Masse der Bev. in Frankreich hatte.
Negativ fällt die teilweise miserable Ausstattung auf. Z.B. die viel zu kurzen Hemden und dass die Bauern sowas wie GroRo tragen - also z.B. keine Wämser, obwohl diese laufend auf Gemälden eingeblendet werden. Mit den Westen wirken die Bauern ulkigerweise moderner als die Adligen. Liegt aber offenbar daran, dass die einfach garkeine Darsteller für 17.Jh. haben.
Das mit dem Schminken der Männer fand ich seltsam, da auch keine Quelle dafür genannt wird, dass das allgemein üblich gewesen sein soll. An Lesggy sah man ja auch sehr schön, dass das total lächerlich ausschaut und offensichtlich nichts mit dem Erscheinungsbild auf den Gemälden gemein hat. Abgesehen davon, dass es sicherlich zeitgen. Porträts von Herren am Schminktisch gäbe wie es das von Frauen gibt, wenn das sooooo verbreitet gewesen sein soll.

Also eine Doku mit zahlreichen Höhen und Tiefen. Die Ansätze, dass ein recht schrulliger Typ aus dem 21. (oder vielmehr 20.Jh. ;) ) in die Zeit des Sonnenkönigs eingewiesen wird, hat aber wohl seinen Reiz und ist sogar ein bisschen unterhaltsamer als wenn normale Reporter sich in Dokus in historische Kleidung stecken lassen wie in den SWR-Dokus von Peter Prestel manchmal.
_________________
Ein Präsident kann doch mehr ausrichten als ein Amtmann. (Aus "Gustav Aldermann" F.T. Hase 1779)
 
Was mir wirklich fehlte, war Joséphines Haltung gegenüber der Sklaverei. Sie soll ja mit darauf eingewirkt haben, dass sie in Frankreich wieder eingeführt wurde

Leider hat sie es tatsächlich, und zwar, um den Wohlstand ihrer Familie zu sichern. Die 1794 aufgrund der menschenrechtlichen Prinzipien der Revolution abgeschaffte Sklaverei wurde auf Josephines Betreiben von Napoleon, der seiner Frau (sexuell) hörig war und ihr seinen gesellschaftlichen Aufstieg verdankte, im Jahr 1802 wieder eingeführt. Grund: Josephines Familie betrieb auf Martinique eine Plantage mit 500 Sklaven, ohne die die Zuckerrohrproduktion nicht im gewünschten Umfang aufrechterhalten werden konnte. Das die Sklaverei billigende Gesetz wurde erst 1848 wieder abgeschafft.

Josephines Statue auf Martinique wurde seit den 1990er Jahren von Aktivisten aus Protest gegen ihre inhumane Initiative wiederholt "geköpft". Wie oft genau, konnte ich noch nicht herausfinden.

upload_2018-7-2_2-47-44.jpeg
 
Zuletzt bearbeitet:
Von hier:
Joséphine de Beauharnais – Wikipedia
Wie so oft ohne Quelle.

Martinique wurde 1794-1815 von den Briten kontrolliert, so dass Napi - egal ob der Josie sexuell hörig oder nicht - hier ohnehin nichts außer form-, frist- und fruchtlosen Deklarationen bewegen konnte. Dafür konnte er allerdings anderswo Einfluss nehmen, und zwar mit Personalentscheidungen und Reaktionen auf Gegenbewegungen.

Entsprechend würdigt die einschlägige aktuelle Literatur - die umfangreiche Dissertation von Dubois, A colony of citizens : revolution and slave emancipation in the French Caribbean, 1787–1804 - Josephine keines Wortes, was man für die Relevanz als Fingerzeig nehmen mag, und diskutiert die kolonialen Hintergründe 1799/1802 im Kapitel New Imperial Order auch ohne Josie.
 
Korrektur bzgl. Martinique: das kam nach dem Frieden von Amiens 1802 wieder zurück zu Frankreich (nicht 1815).
Die Ereignisse zur Sklaverei folgten allerdings lediglich den Entwicklungen und dem Kontext - wie geschildert - von Guadeloupe etc.
 
"Le Versailles Secret de Marie-Antoinette" (2018)
Sehr stilvoll und gut gemacht. Toll fand ich die Details der Innenausstattung, aber auch wie ganz gezielt Schwerpunkte in Marie Antoinettes Geschmack angesprochen wurden wie in der Parkgestaltung.

Die Spielszenen fand ich schön unaufdringlich. Die Kleider waren durchweg v.a. für eine franz. Produktion passabel bis sehr gut. Besonders gefallen haben mir die Perücken.

Die Darstellerin von Marie Antoinette hat richtig gut die Empfindungen geschauspielert, m.E. sogar besser als eine Kirsten Dunst im Kinofilm, v.a. diese Blick der Zufriedenheit oder auch der Ungewissheit, als sie am Anfang in Versailles eintrifft. Für die echte Marie Antoinette fand ich die Schauspielerin nur etwas zu schön - so elegant und natürlich. Wow! Die echte Marie Antoinette stelle ich mir eher wie Madame de Turkheim in "Jefferson in Paris" vor.

Bis jetzt zu dem Thema ein Meilenstein, auch wenn man natürlich die Wissenschaftler wie die schöne Konservatorin von Versailles schon aus zahlreichen Dokus kennt.
Etwas gewöhnungsbedürftig und wenig nachvollziehbar waren die Aussagen wie dass König und Königin äußerlich nicht zusammengepasst hätten, da Louis XVI 1,96 m gewesen sein soll. Ich kenne darauf keine Hinweise. Auf Porträts erscheint er immer gleich groß wie Marie Antoinette. Auch in einer Biographie zu Louis XVI ist mir das nicht aufgefallen, da er dann ja deutlich größer als sein Großvater und Vorgänger gewesen wäre, was sicherlich von Zeitgenossen mehrfach angemerkt worden wäre. Auch war er als junger Mann noch nicht der beschriebene Koloss. Auch später hatte er nie eine Figur wie bspw. Friedrich I. von Württemberg.
Auch war die Chemise à la Reine schon vordem weithin bekannt und sie damit keine Trendsetterin. Außerdem war die Behauptung mit Krone und Zepter als Attribute von Porträts von Königinnen doch sehr fragwürdig. Ich kenne Zepter oder die heilige Hand nur auf Bildern des KÖNIGS nicht der Königin und auch Marie Antoinettes Vorgängerin ließ sich in inoffizieller Kleidung malen. Außerdem war das Nachfolgebild zu dem berühmten von 1783 zwar mit der Königin in Seide, aber genauso wenig ein Herrscherbild, sie trug ja auch darauf ein inoffizielles Kleid.

Besonders spannend die akribische Recherche zur Entwicklung des Parks.
 
Secrets d'Histoire - Marie-Thérèse, l'envahissante impératrice F 2017

Wiedermal ne Folge mit Stéphane Bern. Die Spielszenen sind leider recht unterirdisch.
Was mir fehlte sind namenhafte deutsche Historiker wie Frau Stollberg-Rilinger, die ja wohl eine der bedeutendsten Biographien zu Maria Theresia der Gegenwart geschaffen hat. Stattdessen hält sich die Doku mit viel Bla und Lobhudelei auf. Eine kritische Sichtweise fehlt komplett. Dass Österreich wegen Maria Theresia verhältnismäßig rückständig blieb z.B.. Aufhebung der Leibeigenschaft, wirkliche Verbesserung der Schulbildung etc. kamen doch erst NACH ihr. Ihre Außenpolitik wird sehr auf das Bündniswechsel mit Frankreich verkürzt. Eine richtige Einschätzung dieser Weichenstellung findet nicht statt. Nur immer "Marie Thérèse la grande" ohne eine rechte Begründung.

Einziges wirkliches Highlight für mich die Gegenüberstellung der prachtvollen Hochzeiten der anderen Kinder mit der Marie Christines. Marie Antoinette wurde m.E. zuviel Raum gegeben. Da wäre der Bayerische Erbfolgekrieg, der Verlust Italiens etc. thematisch wichtiger gewesen. Außerdem wird praktisch fast nichts zum Charakter Franz Stephans gesagt. Überhaupt kommen die politischen Berater faktisch nicht vor, auch wenn mal Kaunitz ins Bild kommt. Es wirkt so, als hätte sie alles allein gemacht. Dabei waren die Berater im Guten wie Bösen sicher mitverantwortlich.
Ganz nett das mit Maria Theresias Vorliebe für Kaffee und das mit dem Kaffeefleck auf einem Schriftstück der Kaiserin.
 
Wahrscheinlich haben die Franzosen eine andere Schwerpunktsetzung, was ihr historisches Interesse und ihre Sicht betrifft ...
 
Die Eiserne Zeit - Lieben und Töten im Dreißigjährigen Krieg - ARTE, 2018 ( Regie: Philippe Bérenger, Henrike Sandner)
Folge 1-3

Diese 6-teilige Doku zeigt den Dreißigjährigen Krieg vor allem aus Perspektive von bestimmten Individuen wie dem Söldner Peter Hagendorf, der Waisen Anna-Margaretha von Haugwitz und den politischen Agenten Père Joseph aus Frankreich und Peter Paul Rubens aus den Spanischen Niederlanden. Als besonderes Schmankerl sprechen die Rollen in den zahlreichen Spielszenen ihrer Heimatsprache oder eben die Sprache, die für sie belegt ist - wie Französisch bei Königin Elisabeth von Böhmen. Bei der Auswahl der Darsteller wurde scheinbar eine gewisse Mühe darauf verwendet, dass diese den Porträts äußerlich ähneln. Also kein rothaariger Winterkönig. Die Ausstattung ist hingegen eher durchwachsen. V.a. Obrist Heinrich von Holk mit seinen schwarzen Klamotten kommt eher daher wie eine Figur aus einem schlechten Fantasyfilm.
Das Konzept der Dokumentation ist weniger wie bei Peter Milger akribisch alle Schlachten zu erwähnen, sondern eher Schlaglichter zu setzen. Der Krieg in der Pfalz in den 1620ern fällt bspw. komplett weg und der Dänische Krieg wird nur angerissen, nichtmal die Hintergründe erklärt. Stattdessen ist der Schwerpunkt stark auf der Rolle Frankreichs schon in den 1620ern. Komisch dabei, dass dann der Part von Frankreich als Schutzmacht der protestantischen Union wegfällt. Vielleicht weil da der Protagonist Père Joseph und sein Gönner Richelieu noch keine Rolle spielten.
Folge 1 behandelt den böhmischen Aufstand 1618-21 "Chaos"
Folge 2 zur Belagerung von La Rochelle und Stralsund 1626-30 "Gott"
Folge 3 die Verwüstung Norddeutschlands, der Fall Magdeburgs 1630-32 "Macht"

Interessant die Auswahl an Experten. Tschechen, Schweden, Franzosen usw.. Die Wissenschaftler in der tschechischen Produktion zum Prager Fenstersturz fand ich besser ausgewählt ( Empfehlenswerte Geschichtsdokus? ). Sie hatten auch etwas ehrlich zu sagen, während der schwedische Historiker, der etwas unfreiwillig komisch wirkt, wenn er moderne Repros von Karten mit einer Lupe absucht und darauf - wiederum eher liebevoll gemacht - klassische Revell-Modellfiguren rumschiebt um Truppenbewegungen zu verdeutlichen, eher Allgemeinplätze bedient. Den hätte man auch komplett weglassen können m.E..
Was mir gut gefiel, ebenso wie bei der tschechischen Doku, dass der Fokus nicht so stark auf Wallenstein und Gustav Adolf lag, die nur mal kurz erwähnt wurden.
 
Die Eiserne Zeit - Lieben und Töten im Dreißigjährigen Krieg - ARTE, 2018 ( Regie: Philippe Bérenger, Henrike Sandner)
Folge 4-6

Die nächsten Folgen verändern ihre Protagonisten bis auf Peter Hagendorf. Hagendorf gerät nach der Schlacht bei Lützen irgendwo in Süddeutschland in die Hände der Schweden und tritt in schwedische Dienste über. Später wird er bei Nördlingen gefangen genommen. Er überlebt als einer von wenigen seiner Einheit die Schlacht recht unbeschadet und wird wieder in seine alte bayerische Truppe gesteckt. Zum Ende des Krieges hin wird er immer desillusionierter, weiß ohne Krieg nichts mit sich anzufangen. Anders als in der BR-Doku von 2011 hat man mittlerweile seine weitere Spur gefunden und man erfährt, dass Hagendorf noch zum Bürgermeister aufstieg und erst hoch betagt verstarb (früher verlor sich seine Spur mit der Annahme, er habe wieder woanders Kriegsdienste genommen und sei dabei evtl. gestorben). Daneben tritt nun eine Gastwirtin in Bieberach auf, welche schließlich als Hexe verdächtigt wird und die Folterkammer kennen lernt. Wallensteins Ende wird zum Glück nicht allzusehr thematisiert - dazu gibt's ja genug Dokus. Das in Folge 3 aufgetauchte Fräulein von Haugwitz heiratet den schwedischen Heerführer Wrangel und wird damit eine der reichsten Frauen ihrer Zeit, da sich Wrangel im Krieg enorm bereicherte.
Folge 4 behandelt den Tod von Holk 1632-33 "Verwüstung"
Folge 5 zum Kriegseintritt Frankreichs 1634-40 "Rache"
Folge 6 zum Westfälischen Frieden und zur Hexenverfolgung 1646-1649 "Frieden"

Auch hier wieder recht dürftige Ausstattung mit teilweise regelrecht miesen Kostümen. Bei der Oberschicht bemühte man sich eher Frisuren etc. nach vorhandenen Porträts zu fertigen, wodurch die Protagonisten einen Wiedererkennungswert haben.
Ein großer Faux-pas ist allerdings die Darstellung Wallensteins, der bei Lützen - so schildert es bspw. Golo Mann - ein durch seine Krankheit gepeinigter Mann war, der kaum mehr gehen konnte (Rolf Boysen spielte diesen Aspekt 1978 sehr gut). Hier in der Doku wirkt er regelrecht fit. Die französische Sicht auf den Krieg bezüglich der kaiserlich-spanischen Invasion nach Frankreich hinein fand ich mal als was erfrischend anderes. Diese Facette wird meistens völlig ignoriert. Insgesamt eine solider, wenngleich nicht irgendwie beeindruckende Dokureihe. Dankbarerweise mal mehr als nur 2-3 Folgen.
 
"1648 - Wie der Dreißigjährige Krieg beendet wurde" (D, Arte, 2018)

Diese Doku soll sich eigentlich auf den Westfälischen Frieden konzentrieren, streift dann aber doch wieder den ganzen Krieg von der Schlacht am Weißen Berg bis hin zur Schlachtfeldarchäologie in Wittstock.
Im Zentrum der Doku stehen leider eher mäßige Spielszenen rund um den Gesandten des Kaisers, Maximilian von Trauttmannsdorff.
Interessant ist, dass mit der Schlacht bei Les Avins (1635) mal eine eher ungewöhnliche Schlacht in den Fokus genommen wurde, die von daher besonders ist, weil sie am Auftakt des offenen Kriegseintritts Frankreichs stand.
Mit der Archäologin Sabine Eickhoff, dem Politikwissenschafter Herfried Münkler, der Historikerin Siegrid Westphal und weiteren haben sie einen guten Griff getan. Nur dieser Schriftsteller Daniel Kehlmann erzählt eigentlich in jeder Doku nur belangloses, bzw. trägt nichts zum Wissensgewinn bei.

Leider ist die Ausstattung in den Spielszenen eher dürftig und diese bringen kaum Vermittlung, von daher eigentlich noch unbrauchbarer als in "Die Eiserne Zeit". Unter den Dokus der letzten Zeit zu dem Thema eher eine schwächere, die allerdings durch Münkler, Westphal und Eickhoff deutlich gewinnt.
 
"Ein Tag in Köln, 1629" (D, ZDF, 2018) Regie: Sigrun Laste

Diese Doku besteht primär aus Spielszenen und soll einen Tag im Leben einer fiktiven Hebamme in Köln 1629 vom Aufstehen über den Gang auf dem Markt bis hin zum Abend, als sie Köln glücklicherweise verlassen kann, obwohl sie am selben Tag der Hexerei verdächtigt wurde, darstellen.
Zwischendrin treten Medizinhistoriker und andere Wissenschaftler auf, die zahlreiche Aspekte v.a. zum Thema Geburtshilfe und Hexerei ansprechen.
Die Idee ist ganz gut und die PC-Animationen v.a. aber die Karten, welche plausible Routen des tägl. Weges der Protagonistin darstellen fand ich interessant, ohne jetzt sagen zu können wie korrekt sie sind.
Das Problem liegt in den Spielszenen, wo die Ausstattung teilweise z.B. bei der Frauenkleidung miserabel ist.
Dass all das an einem Tag passieren soll, wirkt etwas arg unglaubwürdig. Ob man im Falle der Hauptfigur nun noch das mit der Hexerei unterbringen musste, weiß ich nicht.

Insgesamt aber dank der wissenschaftlichen Eindrücke ne solide Doku. Optisch modern.
 
"Ein Tag in Paris, 1775" (D, ZDF, 2018) Regie: Sigrun Laste

In dieser Doku geht es vor allem um die Pariser Modewelt des 18.Jh. und wie sich darin wiederum eine fiktive Figur, Léonard Minet, zurechtfindet. Minet ist Perückenmacher, barbiert aber auch - fand ich etwas erstaunlich, da Barbier ein völlig anderer Beruf ist und sich damals doch sicher die Barbierzunft dagegen verwahrt hätte(!). Angeblich leidet der Betrieb seines Vaters darunter, dass kaum mehr Perücken getragen würden, so gäbe es nur eine Bestellung in dem Monat statt 12 im Vorjahr. (Wie man auch von 12 Perücken bei einem Haushalt wie hier dargestellt überleben soll, bleibt die Doku leider schuldig.) Minet versucht sich als Coiffeur für Damenfrisuren, da Damen angeblich keine Perücken mehr tragen (dass Damen auch zuvor kaum Perücken trugen außer vielleicht bei Haarausfall wird wiederum verschwiegen). Eine Kreation für eine Lucile an der Comédie Francaise soll seinen Namen in aller Munde bringen. Schließlich wird er von einer Herzogin nach Versailles bestellt, der er für den königlichen Ball eine neuartige Turmfrisur machen soll. Diese Schöpfung ist ein Erfolg. Obendrein wird Léonards Vater aus den Fängen der Geheimpolizei entlassen, die ihn wegen einer unbedachten Äußerung über den König per Lettre de Cachet verhaftet hatte.

Das Hauptproblem ist, dass die Filmemacher über Mode dieser Zeit offensichtlich keine Ahnung haben. So tragen die Adligen beinahe durchweg sowas wie alte Lumpen. Der angeblich barbierende Perückenmacher Meister Minet sogar einen Vollbart! Völlig undenkbar für den Berufsstand. Die Klamotten sind durchweg aus der Rumpelkammer und so gelingt es überhaupt nicht das Argument der Erkennbarkeit der Standesgrenzen an der Kleidung zu untermauern, wenn die meisten Rollen maschinenbestickte miserable Anzüge tragen. Selbst die Perücken sind nicht sonderlich gelungen, obwohl z.B. das zeitgen. Standardwerk "L'art du perruquier" gezeigt wird.
Die besten Stellen sind eindeutig, wenn ein moderner Perückenmacher plaudert.
Die Historikerkommentare sind so zusammen geschnitten, dass sie in das Konzept des abstrusen 18.Jh. passen. So betont eine Historikerin, dass die überhohen Turmfrisuren nur Darstellungen auf Karikaturen sind, während die Stimme aus dem Off behauptet, dass die Turmfrisuren tatsächlich höher als ein Mensch geworden seien, dass man sich nicht setzen konnte etc..
Interessant immerhin die Kartierung der Polizeiposten oder auch z.B. der Perückenmacher in Paris.
Leider wurde der Aspekt des Lettre de Cachet nicht recht verstanden. Hier wird so getan, als ob dieser eine Art Freifahrschein zum beliebigen Verhaften von Verdächtigen gedacht gewesen wäre. Im Gegenteil war er eigentlich nicht unbegrenzt verfügbar, sondern durch die Autorität des Monarchen durchaus zu wertvoll um laufend einfach so verwendet zu werden. Ein Lettre de Cachet war ein besonderes Machtinstrument, welches zumeist von den Polizisten ersteinmal erwirkt werden musste.

Leider steht sich die Doku selbst im Weg, da offenbar von vornherein ein bestimmtes Klischeebild vom Frankreich des Ancien Régime im Kopf der Verantwortlichen existierte. Daher ordnet sich alles dem unter und auch zahlreiche Logikfehler werden gern in Kauf genommen. Eher schlechter als die zu Köln 1629, scheitert vor allem an der wirklich schlechten Recherche der Kostüme etc. in den leider zu zahlreichen Spielszenen.
 
"Die letzten 76 Tage der Königin Marie-Antoinette" (F, Arte, 2019)
Diese Art Historytaiment-Doku besteht faktisch nur aus Spielszenen, die von einem Off-Kommentar begleitet werden. Die Doku zeigt nicht nur die vormalige Königin im Temple und dann in der Conciergerie, sondern auch wie sich das Unheil über ihr an anderer Stelle zusammenbraut, in etwa wenn der Schuhmacher Simon, der den Dauphin "erziehen" soll, herausbekommt, dass die Königin den Dauphin zur Selbstbefriedigung angeleitet haben soll.
Insbesondere am Anfang kamen mir die Kommentare etwas unausgegoren und teilweise direkt falsch vor. Ansonsten das, was man über die Königin eh weiß, nichts besonderes. Aber immerhin wirbt die Doku auch nicht damit neue Fakten aufweisen zu können.

Wie wird nun das Leben der Königin geschildert?
Bemerkenswerterweise wird behauptet, dass es für Marie Antoinette, da sie Intrigen bei Hofe gewöhnt gewesen sei, kein Problem war, Wärter um den Finger zu wickeln.
Hébert wird als ein ordinärer Machtmensch dargestellt, ein Gegenspieler Robespierres. Ganz interessant vielleicht die Stelle, als Fouquier-Tinville bei einem vier Augen Gespräch Hébert fragt, ob er denn wirklich so blöd sei selber an den Stuss zu glauben, den er im "Père Duchesne" abdrucke, als sich Hébert ganz im Stil seines Blattes rüde über die Königin ausdrückt.
Eigenwillig und mal ganz entgegen der Darstellung in verschiedenen Filmen wie "Danton" (1983) oder "Die französische Revolution" (1989) wird hier Robespierre in einem luxuriösen Büro gezeigt, in einer Pose eher wie ein Staatspräsident.
Im krassen Gegensatz zu den schön gestalteten Innenräumen sind die teilweise theatresk wirkenden Kostüme. Die Männer haben z.B. allesamt seidene Halstücher mit sowas wie Broschen und die Soldaten seltsame weiße Perücken, die wohl einer Fiktion oder einem Missverständnis entsprechen.

Als positiv würde ich bewerten, dass die Darsteller für eine Doku oder dergleichen gut bis sehr gut schauspielern konnten.
 
Secrets d'Histoire - Marie-Thérèse, l'envahissante impératrice F 2017

Wiedermal ne Folge mit Stéphane Bern. Die Spielszenen sind leider recht unterirdisch.
Was mir fehlte sind namenhafte deutsche Historiker wie Frau Stollberg-Rilinger, die ja wohl eine der bedeutendsten Biographien zu Maria Theresia der Gegenwart geschaffen hat. Stattdessen hält sich die Doku mit viel Bla und Lobhudelei auf. Eine kritische Sichtweise fehlt komplett. Dass Österreich wegen Maria Theresia verhältnismäßig rückständig blieb z.B.. Aufhebung der Leibeigenschaft, wirkliche Verbesserung der Schulbildung etc. kamen doch erst NACH ihr. Ihre Außenpolitik wird sehr auf das Bündniswechsel mit Frankreich verkürzt. Eine richtige Einschätzung dieser Weichenstellung findet nicht statt. Nur immer "Marie Thérèse la grande" ohne eine rechte Begründung.

Einziges wirkliches Highlight für mich die Gegenüberstellung der prachtvollen Hochzeiten der anderen Kinder mit der Marie Christines. Marie Antoinette wurde m.E. zuviel Raum gegeben. Da wäre der Bayerische Erbfolgekrieg, der Verlust Italiens etc. thematisch wichtiger gewesen. Außerdem wird praktisch fast nichts zum Charakter Franz Stephans gesagt. Überhaupt kommen die politischen Berater faktisch nicht vor, auch wenn mal Kaunitz ins Bild kommt. Es wirkt so, als hätte sie alles allein gemacht. Dabei waren die Berater im Guten wie Bösen sicher mitverantwortlich.
Ganz nett das mit Maria Theresias Vorliebe für Kaffee und das mit dem Kaffeefleck auf einem Schriftstück der Kaiserin.
Dazu passend bzw. recht gegensätzlich kann man momentan folgende Doku auf arte anschauen:

"Kaiserin Maria Theresias dunkle Seite - Die Vertreibung der Juden aus Prag" (R: Monika Czenerin, D, Ö, 2023)

Diese Doku beschäftigt sich vorrangig mit der Vertreibung der Juden aus Prag im Jahre 1744. Diese Vertreibung erfolgte im Zuge des Österreichischen Erbfolgekrieges. Während angeblich - laut der Doku - den anderen Pragern eine Untreue gegenüber den Habsburgern verziehen wurde, als die Stadt in die Hände des Wittelsbachers Karl Albrecht fiel, verfolgte Maria Theresia die Juden mit Hass. Hintergrund war aber auch eine Reihe von Vorwürfen aus Prag. Es ist interessant wie danach die Netzwerke der Prager Juden funktionierten und die an den europäischen Höfen lebenden Juden ("Hofjuden") sich für die Glaubensbrüder bei der Herrscherin verwendeten, dass sich der Stellvertreter von Maria Theresia in Prag namens Kollowrat für eine mildere Behandlung der Juden einsetzte.

Die Spielszenen sind wie gewohnt unterirdisch. Insbesondere die schauspielerischen Leistungen in Szenen mit Maria Theresia wirken unfreiwillig komisch.
Sehr gut hat mir gefallen, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Augsburg, Berlin, Prag, Jerusalem usw. zu Wort kamen und zahlreiche relevante Schrift- und Bildquellen eingeblendet wurden. Die Aussagen der Historiker sind auch nicht irgendwie unnütz, was ja auch oft in franz. Dokus vorkommt (sie erzählen nur dasselbe, was aus dem Off kommt), sondern ordnen die Ereignisse ein.
Etwas ulkig fand ich, dass behauptet wurde, dass sich Haugwitz für die Juden verwendet hätte, da er Aufklärer war. Aufklärung und Antijudaismus schließen sich m.E. nicht aus. Als Ökonom hat er sicherlich den Nachteil der Vertreibung der Juden erkannt.

Von meiner Seite trotz der gewissen Mängel interessant. Ist natürlich auch genau meine Epoche.
 
Zurück
Oben