Sheik schrieb:
Man sollte anmerken, dass es immer Alarichs Ziel war eine feste Eingliederung seiner Goten in das römische Militärwesen und die Zuweisung eines guten Siedlungsgebiets zu erreichen. Jedoch zeigten sich sowohl Honorius als auch der von Alarich aufgestellte Gegenkaiser Attalus als nicht bereit oder fähig einen Kompromiss zu finden, was daraufhin die bekannten Folgen hatte.
Laut Zosimus wollte Alarich ursprünglich Land für sein Volk in Venetien, Noricum und Dalmatien sowie die Soldzahlungen und Getreidelieferungen und die Heermeisterstelle für sich selbst (Zosimus Historia nova 5,48,3). Nach Verhandlungen in Rimini mit dem praefectus praetoria Italiae Iovius, der im Auftrag des Kaisers verhandelte, revidierte Alarich seine Forderungen, er verlangte nunmehr nur noch die Ansiedelung in Norcium sowie die Zusicherung von Getreidelieferungen für ein Bündnis (Zosimus Historia nova 5,50,2). In Ravenna hielt man das Abrücken von den ursprünglichen Forderungen für ein Zeichen der Versorgungsnotlage und lehnte das Angebot ab, worauf Alarich erneut begann, Rom zu belagern.
Sheik schrieb:
Die Zerstörung Roms ist politisch weitaus geringer zu bewerten als es später im Mittelalter durch entstandene christliche Schriften dargestellt wurde, da der Kaiserhof schon lange in Ravenna verweilte und Rom somit nicht mal mehr „Hauptstadt“ des Westreichs war.
Die Beute die die Westgoten machten, waren laut Orosius riesig und auch zahlreiche vornehme Gefangene gehörten dazu, die bekannteste war Galla Placidia (Orosius Historiae adversum paganos 7,40,2). Die Gebäude der Stadt nahmen nur vereinzelt Schaden, vor allem die Kirchen blieben von Zerstörungen verschont, da Alarich ausdrücklich befohlen haben soll, ihren Asylcharakter zu wahren (Orosius Historiae adversum paganos 7,39,1).
Es stimmt zwar, dass man von einer Zerstörung Roms nicht reden kann, aber dennoch verlor die Stadt ihren Nimbus. Seit der Eroberung von 387 v. Chr., also seit mehr als 800 Jahren, hatte die Stadt keinen Feind mehr in den Mauern gehabt und darauf hatte sich der Ewigkeitsanspruch der Stadt selbst (Roma aeterna) und des von ihr errichteten Reiches begründet (imperium sine fine). Es bestand also eine Identifikation zwischen Stadt und Reich, wie es am besten bei Hieronymus deutlich wird, der schrieb, dass "in der einen Stadt der ganze Erdkreis untergegangen sei" (Hieronymus, Ennarationes in Ezechielem 1,1-2). Für die Christen, die sowieso in einer Stimmung der Erwartung der Endzeit lebten, war dies eine Fanal. Es gibt zahlreiche Beispiele, dass nach der Plünderung Roms reiche Römer ihr Hab- und Gut verkauft haben und sich in ein Kloster zurückzogen. Zudem herrschte große Verwirrung unter den Christen, da Honorius in einem Gesetz von 409 unmissverständlich verlauten ließ, dass das Heil des Staates vom Heil der katholischen Kirche abhänge (Codex Theodosianus 16,5,47). Wie konnte Gott ein solches Unglück zulassen, es sei denn, er wollte damit ein Zeichen setzten, dass das Ende der Welt gekommen sei. Dies ist auch der Grund, warum Augustinus seinen "De civitate Dei" schrieb, er wollte das Christentum gegen die heidnischen Angriffe verteidigen und vor allen Dingen die Christen trösten, indem er ihnen am Ende die ewige Seligkeit in Aussicht stellte.
Somit hast du zwar recht Sheik, dass die Stadt Rom selbst "nur" geplündert wurde und - im wahrsten Sinne des Wortes - ihr Gesicht behalten konnte, aber aus psychologischer Sicht war es ein Fanal für die Menschen der damaligen Zeit. Zudem schliesse ich mich Alexander Demandt an, der in der Plünderung Roms 410 das zweite Anzeichen des Niedergangs (das erste Anzeichen war die Niederlage bei Adrianopel 378) des Westreiches sieht.