Anfänge der Zeitrechnung – Teil 1: Mesopotamien, China
Die Zeitrechnungssysteme der unterschiedlichsten Kulturen und Völker sind oft eine Wissenschaft für sich. Trotzdem möchte ich auf einige der Kalender in groben Zügen eingehen.
Die Entwicklung eines Kalenders war eng verbunden mit astronomischen Wahrnehmungen.
Die Betrachtung des gestirnten Himmels ist uns aus allen Kulturen und Zeiten bekannt. Archäologische Funde von diversen Gefäßen, Rollsiegeln oder Weihplatten mit astralen Motiven weisen ab dem 4. vorchristlichen Jahrtausend solche Beobachtungen im Alten Orient nach. Wahrscheinlich gab es diese aber schon viel früher. Ziemlich synchron um 2900 v. Ch. begannen systematische astronomische Beobachtungen in Mesopotamien, Ägypten, Indien und China. Das legt den Schluss nahe, dass zwischen diesen Ländern schon frühzeitig enge Handelsbeziehungen bestanden, die auch einen geistig – kulturellen Austausch mit sich brachten.
Die Priester Mesopotamiens gewannen bei den beobachteten Veränderungen der Planeten und Gestirne die Erkenntnis eines höheren Gesetztes. Ihr Wissen behielten sie des Machtwillens aber für sich. Im Zweistromland wurden über mehrere Jahrtausende hinweg Himmelsbeobachtungen auf Keilschrifttafeln festgehalten - die ersten wissenschaftlichen Aufzeichnungen der Menschheitsgeschichte. Ein aus siebzig Tafeln bestehendes astronomisches Nachschlagewerk wurde in Assubanipals Bibliothek aus dem 7. vorchristlichen Jahrhundert gefunden. Hipparchos von Nicäa benutzte diese im 2. vorchristlichen Jahrhundert ebenso, wie der griechische Astronom und Mathematiker Claudius Ptolemäus im 2. nachchristlichen Jahrhundert - und seine Systeme galten bis Kopernikus im 16. Jahrhundert als Grundlagen der Astronomie. Sie belegen u.a., dass z.B. Mondfinsternisse exakt vorausgesagt werden konnten (was nicht ohne Wirkung auf das Volk blieb). Frühzeitig kannten die Priester sieben Planeten, wussten, dass ein Mondviertel sieben Tagen entspricht und benannten diese Tage nach einem der sieben beweglichen Himmelskörper: Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn. Zum Teil werden diese noch heute so bezeichnet, wie wir auch bis heute die meisten Namen der Planeten, latinisiert, beibehalten haben. Allerdings waren damals die heute üblichen Grenzen zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft verwischt: Religion, Wissenschaft, Kunst und Rechtsdenken waren dicht ineinander verwoben. Die Astronomen waren nicht nur Beobachter, sie versuchten auch das Beobachtete zu deuten und wurden damit zu Astrologen. Die Astronomie hatte in Mesopotamien drei Aufgaben: das Kontrollieren des Kalenders, die Rechtfertigung der Entscheidungen von Herrschern und Priestern und die Untermauerung astrologischer Zukunftsprognosen, wie diese von Gelehrten bis ins 17. Jh. n. Ch. Aufgabe war.
Die Sumerer entwickelten zunächst einen reinen Mondkalender. Dieser legte den Beginn eines Monats auf den Zeitpunkt des Erscheinens der Sichel des Neumondes am Abendhimmel. Aus diesem entwickelten die Babylonier einen lunisolaren Kalender, der im 5. Jahrhundert V. Ch. durch Einführung des metonischen (Schalt-)Zyklus auf eine sichere Grundlage gestellt wurde. 12 Monate mit je 29 oder 30 Tagen ergaben ein Jahr mit 354 Tagen. Um diesen Mondkalender mit dem Sonnenjahr in Übereinstimmung zu bringen, mussten in bestimmten Zeitabständen Schaltmonate eingefügt werden – ein Jahr hatte also einmal 12 und einmal 13 Monate. In einem Zyklus von 19 Jahren waren rechnerisch 7 Schaltmonate notwendig. Zunächst unterlag diese Handhabung keiner festen Regel, später wurde das Einfügen der Schaltmonate mit dem Frühaufgang des Sirius, dem hellsten Fixstern am morgendlichen Himmel nach einer Periode der Unsichtbarkeit am Taghimmel, verbunden. In Mesopotamien begann das Jahr im Frühling zur Zeit der Tagundnachtgleiche. Der Tag war nicht in 24 Stunden aufgeteilt, sondern in 6 Wachen, (sumerisch En -nun) - drei am Tag und drei in der Nacht. Die Länge einer Tag- oder Nachtwache änderte sich mit dem Gang der Jahreszeiten. Um diese jahreszeitlichen Zeitschwankungen auszugleichen gab es Wasser- und Sonnenuhren. Eine Einteilung in Wochen gab es nicht.
Aus der Zeit um 2900 v. Ch. sind uns heute auch Himmelsbeobachtungen aus China bekannt. Der chinesische Kalender ist ein Mondkalender und baut sich zusammen aus Epochen, Zyklen, Zonen, Graden, Himmelsstämmen und Erdzweigen. Die Epoche umfasst 3600 Jahre = 60 Zyklen zu je 60 Jahren. Ein Zyklus besteht aus 60 Mondjahren und setzt sich aus fünf Zyklen zu je zwölf Jahren zusammen, die nach Tierkreiszeichen benannt werden. Das Jahr wird in vier Jahreszeiten eingeteilt. Auch bei den Chinesen werden zum Ausgleich der fehlenden Tage sieben Schaltmonate in 19 Jahren hinzugefügt und so bestehen die Jahre entweder aus 12 oder aus 13 Monaten, abhängig von der Zahl der Neumonde, die zwischen zwei Wintersonnenwenden liegen. In der chinesischen Zeiteinteilung sind außerdem Wochen, Tage und Stunden von Bedeutung.
Quellen:
Th. Vogtherr, „Zeitrechnung. Von den Sumerern bis zur Swatch“, C. H. Beck Wissen, München 2001
B. Hrouda Hrgb. „Der Alte Orient“, Bertelsmann, München 2003
R. Alberz, „Frühe Hochkulturen“, Theiss Vlg., Stuttgart, 2003
M. Jursa, „Die Babylonier“, C. H. Beck Wissen, München 2004
M. V. Locquin, „Chronik der Vor- und Frühgeschichte“, Insel Vlg., Frankfurt a. Main und Leipzig 1998
H. Helfritz, „Amerika. Inka, Maya und Azteken“, Ueberreuter Vlg., Wien 1996 (1977)
O. Ladstätter/ S.Linhard, „China und Japan. Die Kulturen Ostasiens“, Ueberreuter Vlg., Wien 1996 (1983)
I. Lissner, „So habt ihr gelebt. Die großen Kulturen der Menschheit“, dtv, München 1977
GEO – EPOCHE Nr. 15, “Maya, Inka und Azteken. Die altamerikanischen Reiche: 2600 v. Ch. bis 1600 n. Ch.“, Herbst 2004
Die Zeitrechnungssysteme der unterschiedlichsten Kulturen und Völker sind oft eine Wissenschaft für sich. Trotzdem möchte ich auf einige der Kalender in groben Zügen eingehen.
Die Entwicklung eines Kalenders war eng verbunden mit astronomischen Wahrnehmungen.
Die Betrachtung des gestirnten Himmels ist uns aus allen Kulturen und Zeiten bekannt. Archäologische Funde von diversen Gefäßen, Rollsiegeln oder Weihplatten mit astralen Motiven weisen ab dem 4. vorchristlichen Jahrtausend solche Beobachtungen im Alten Orient nach. Wahrscheinlich gab es diese aber schon viel früher. Ziemlich synchron um 2900 v. Ch. begannen systematische astronomische Beobachtungen in Mesopotamien, Ägypten, Indien und China. Das legt den Schluss nahe, dass zwischen diesen Ländern schon frühzeitig enge Handelsbeziehungen bestanden, die auch einen geistig – kulturellen Austausch mit sich brachten.
Die Priester Mesopotamiens gewannen bei den beobachteten Veränderungen der Planeten und Gestirne die Erkenntnis eines höheren Gesetztes. Ihr Wissen behielten sie des Machtwillens aber für sich. Im Zweistromland wurden über mehrere Jahrtausende hinweg Himmelsbeobachtungen auf Keilschrifttafeln festgehalten - die ersten wissenschaftlichen Aufzeichnungen der Menschheitsgeschichte. Ein aus siebzig Tafeln bestehendes astronomisches Nachschlagewerk wurde in Assubanipals Bibliothek aus dem 7. vorchristlichen Jahrhundert gefunden. Hipparchos von Nicäa benutzte diese im 2. vorchristlichen Jahrhundert ebenso, wie der griechische Astronom und Mathematiker Claudius Ptolemäus im 2. nachchristlichen Jahrhundert - und seine Systeme galten bis Kopernikus im 16. Jahrhundert als Grundlagen der Astronomie. Sie belegen u.a., dass z.B. Mondfinsternisse exakt vorausgesagt werden konnten (was nicht ohne Wirkung auf das Volk blieb). Frühzeitig kannten die Priester sieben Planeten, wussten, dass ein Mondviertel sieben Tagen entspricht und benannten diese Tage nach einem der sieben beweglichen Himmelskörper: Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn. Zum Teil werden diese noch heute so bezeichnet, wie wir auch bis heute die meisten Namen der Planeten, latinisiert, beibehalten haben. Allerdings waren damals die heute üblichen Grenzen zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft verwischt: Religion, Wissenschaft, Kunst und Rechtsdenken waren dicht ineinander verwoben. Die Astronomen waren nicht nur Beobachter, sie versuchten auch das Beobachtete zu deuten und wurden damit zu Astrologen. Die Astronomie hatte in Mesopotamien drei Aufgaben: das Kontrollieren des Kalenders, die Rechtfertigung der Entscheidungen von Herrschern und Priestern und die Untermauerung astrologischer Zukunftsprognosen, wie diese von Gelehrten bis ins 17. Jh. n. Ch. Aufgabe war.
Die Sumerer entwickelten zunächst einen reinen Mondkalender. Dieser legte den Beginn eines Monats auf den Zeitpunkt des Erscheinens der Sichel des Neumondes am Abendhimmel. Aus diesem entwickelten die Babylonier einen lunisolaren Kalender, der im 5. Jahrhundert V. Ch. durch Einführung des metonischen (Schalt-)Zyklus auf eine sichere Grundlage gestellt wurde. 12 Monate mit je 29 oder 30 Tagen ergaben ein Jahr mit 354 Tagen. Um diesen Mondkalender mit dem Sonnenjahr in Übereinstimmung zu bringen, mussten in bestimmten Zeitabständen Schaltmonate eingefügt werden – ein Jahr hatte also einmal 12 und einmal 13 Monate. In einem Zyklus von 19 Jahren waren rechnerisch 7 Schaltmonate notwendig. Zunächst unterlag diese Handhabung keiner festen Regel, später wurde das Einfügen der Schaltmonate mit dem Frühaufgang des Sirius, dem hellsten Fixstern am morgendlichen Himmel nach einer Periode der Unsichtbarkeit am Taghimmel, verbunden. In Mesopotamien begann das Jahr im Frühling zur Zeit der Tagundnachtgleiche. Der Tag war nicht in 24 Stunden aufgeteilt, sondern in 6 Wachen, (sumerisch En -nun) - drei am Tag und drei in der Nacht. Die Länge einer Tag- oder Nachtwache änderte sich mit dem Gang der Jahreszeiten. Um diese jahreszeitlichen Zeitschwankungen auszugleichen gab es Wasser- und Sonnenuhren. Eine Einteilung in Wochen gab es nicht.
Aus der Zeit um 2900 v. Ch. sind uns heute auch Himmelsbeobachtungen aus China bekannt. Der chinesische Kalender ist ein Mondkalender und baut sich zusammen aus Epochen, Zyklen, Zonen, Graden, Himmelsstämmen und Erdzweigen. Die Epoche umfasst 3600 Jahre = 60 Zyklen zu je 60 Jahren. Ein Zyklus besteht aus 60 Mondjahren und setzt sich aus fünf Zyklen zu je zwölf Jahren zusammen, die nach Tierkreiszeichen benannt werden. Das Jahr wird in vier Jahreszeiten eingeteilt. Auch bei den Chinesen werden zum Ausgleich der fehlenden Tage sieben Schaltmonate in 19 Jahren hinzugefügt und so bestehen die Jahre entweder aus 12 oder aus 13 Monaten, abhängig von der Zahl der Neumonde, die zwischen zwei Wintersonnenwenden liegen. In der chinesischen Zeiteinteilung sind außerdem Wochen, Tage und Stunden von Bedeutung.
Quellen:
Th. Vogtherr, „Zeitrechnung. Von den Sumerern bis zur Swatch“, C. H. Beck Wissen, München 2001
B. Hrouda Hrgb. „Der Alte Orient“, Bertelsmann, München 2003
R. Alberz, „Frühe Hochkulturen“, Theiss Vlg., Stuttgart, 2003
M. Jursa, „Die Babylonier“, C. H. Beck Wissen, München 2004
M. V. Locquin, „Chronik der Vor- und Frühgeschichte“, Insel Vlg., Frankfurt a. Main und Leipzig 1998
H. Helfritz, „Amerika. Inka, Maya und Azteken“, Ueberreuter Vlg., Wien 1996 (1977)
O. Ladstätter/ S.Linhard, „China und Japan. Die Kulturen Ostasiens“, Ueberreuter Vlg., Wien 1996 (1983)
I. Lissner, „So habt ihr gelebt. Die großen Kulturen der Menschheit“, dtv, München 1977
GEO – EPOCHE Nr. 15, “Maya, Inka und Azteken. Die altamerikanischen Reiche: 2600 v. Ch. bis 1600 n. Ch.“, Herbst 2004
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