Anton Wilhelm Amo

Bisher ging man in der Forschung davon aus, dass es nach dem Prinzip der free-soil keine Sklaverei in den Niederlanden gegeben habe, das werde jedoch, u.a. wegen dieses Plakaats zunehmend in Frage gestellt.
Das halte ich für eher abwegig, weil free-soil in den Vereinigten Staaten ja nur deswegen möglich war, weil der Außenhandel mit Sklaven bereits verboten war und weil es auf Ebene der nördlichen Bundesstaaten Gesetze gab, die Sklaverei und Sklavenhandel verboten.

Wenn es solche Gesetze aber in den Niederlanden gegeben hätte, hätte die Folge sein müssen, dass die niederländischen Handelskompanien mit Sitz im Mutterland ja selbst überhaupt nicht mit Sklaven hätten handeln können, bzw. dürfen, da sie ja in einem Rechtsraum aggiert hätten, der dem Verbot der Sklaverei durch nationales oder provinziales Gesetz unterfallen wäre.

Ich frage mich bloß, wie mit solcher Absolutheit betitelt werden kann: "Sklave ist falsch".
Naja, wenn man andersherum, mit der selben Absolutheit Amo als Sklaven betrachten konnte, obwohl man das anscheinend nicht nachweisen kann, würde ich meinen, dass man das durchaus als Teil der Kontroverse betrachten kann.
Rein prozessual, hilft eine gewagte Gegenthese natürlich erstmal mehr dabei eine Debatte anzustoßen, als eine vorsichtigere Argumentation.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass er aus einer Familie von Sklavenhändlern stammte und in die Niederlande geschickt wurde, ist sein weiterer Weg nach Braunschweig nicht klar. War das in Absprache mit seiner Familie?

Halte ich jedenfalls für denkbar. Wenn die Familie in irgendeiner Weise eine Ausbildung in Europa anstrebte, dürften die Niederlande der erste logische Anlaufort gewesen sein, weil es dahin durch die Handelskomapnien die Verkehrsverbindung gab, aber das muss natürlich nicht unbedingt der Zielort gewesen sein.

Für ein Arrangement in irgendeiner Form spricht für mich, dass Amo wohl gleichzeitig in Diensten des Wolfenbütteler Herzogs stand und die Universität besuchte:

"In den braunschweigischen Kammerrechnungen von 1716/17 und 1720/21 (eigenhändig unterschriebene Quittung für Besoldung und Kostgeld vom 23. April 1720) wird Amo in Wolfenbüttel aufgeführt.[12] Im braunschweigisch-wolfenbüttelerischen Hofkalender (einer Art Adressbuch) wird „Anthon Wilhelm Amo, der Mohr, Log(is) aufm Schloß“ 1721 unter den „Hertzogl. Laqveyen“ und 1725 als „Mohr, Anthon Wilhelm, bey Ihro Durchl. dem regierenden Hertzog Cammer-Bediente“ genannt.[13]

In der Matrikel und anderen Unterlagen der braunschweigischen Landesuniversität in Helmstedt, an der er sein Universitätsstudium begonnen haben soll,[11] ist Amo nicht nachweisbar.[14][12] Ein Zeugnis der philosophischen Fakultät in Wittenberg erwähnt, dass er vor Aufnahme seiner Studien Latein gelernt hatte. Im Juni 1727 schrieb Amo sich jedoch zunächst an der hallischen Universität für Philosophie ein und belegte in diesem Zusammenhang offenbar auch rechtswissenschaftliche Kollegien. Noch am 3. Juli 1729 bezeichnete er sich als „Student beider Rechte und der Phylosophie (sic!) sowie herzoglicher Bibliothekar und Hofsekretär“.[15] "



Hier stellt sich für micht die Frage, warum hätte der Herzog einen Lakaien/Kammerdiener/Bilbiothekar/Sekretär (also alles Tätigkeiten, die normalerweise Anwesenheit erfordern) an Universitäten, zum Teil noch im Ausland schicken, oder das erlauben sollen?

Natürlich wäre, wenn Amo selbst ein Sklave gewesen wäre, ein Ankauf durch den Wolfenbütteler Herzog oder ein anderweitiges Zufallen an diesen und eine Aufnahme in das Hofpersonal grundsätzlich denkbar, Nachfrage nach irgendwie exotischen präsentablen Figuren, zwecks Prachtentfaltung gab es an den absolutistischen Höfen natürlich durchaus und nachdem gerade die Verwandtschaft aus der braunschewigisch-lüneburgischen Linie die englische Krone erlangen konnte, wird dahin bei der Wolfenbütteler Linie der Welfen möglichersweise nochmal besonderer Ehrgeiz vorhanden gewesen sein um von der Verwandtschaft nicht hoffnungslos abgehängt zu werden.

Aber wenn es um praktische Tätigkeiten und prestigereiches Hofzeremoniell gegangen wäre, sollte man meinen, es wäre Wert darauf gelegt worden Amo am Hof zu behalten um ihn zur Verfügung zu haben.

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Was noch für ein Arrangement sprechen könnte (aber das ist jetzt völlig ins Kraut geschossen und nur spinnerte Überlegung von meiner Seite) ist der sich andeutende Thronwechsel in Großbritannien zu den Hannoveranern.

Durch die dynastische Verbindung von Großbritannien und Braunschweig-Lüneburg konnte ja in Braunschweig ggf. darauf spekuliert werden, dass damit Händler aus dem niedersächsischen Raum ggf. in die britischen Handelsnetzwerke einsteigen könnten und dass, wenn sich die Lüneburger Verwandtschaft für die Möglichkeiten von Händlern aus ihrem eigenen Herzogtum verwenden sollte*, man sich da vielleicht drannhängen und einklinken könnte.
Als relativ kleiner Staat ohne Seezugang, hatte das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel natürlich wenig Möglichkeiten sich selbst überseeische Netzwerke aufzubauen und stellte von dem her auf für niemanden Konkurrenz dar, aber natürlich konnte Interesse bestehen als Investor aufzutreten und aus den Handelsnetzwerken anderer Profite zu ziehen.

Das der englische Thron an die Braunschweigisch-Lüneburgischen Welfen gehen würde, deutete sich ja schon seit längerer Zeit vor dem Thronwechsel 1714 an, spätestens um 1700 herum, als der einzige Überlebende Sohn von Queen Anne, William im Alter von 11 Jahren starb, während die Königin ansonsten eine Reihe von Fehl- und Todgeburten hatte oder die Kinder gesundheitlich so wenig robust waren, dass sie bereits früh verstarben. Mit dem Act of Settlement 1701 wurde de facto der Nachfolgeanspruch der Hannoveraner für den Fall geregelt, dass keine überlebenden Nachkommen von Queen Anne mehr vorhanden sein würden.

Wenn in diesem Zusammenhang in Braunschweig bei den Wolfenbüttelern darauf spekuliert worden wäre auf dem Ticket der Verwandtschaft mit dem kommenden britischen Monarchen verstärkt in die englischen Handelsnetzwerke einzusteigen, hätte es durchaus Sinn ergeben zu versuchen sich schonmal nach Handelspartnern vor Ort z.B. in Afrika umzusehen und sich in die Abläufe dort einzuarbeiten.
In dem Fall hätte sich ein Arrangement mit bedeutenden Familien aus Westafrika, wenn solche an Ausbildung für ihren Nachwuchs interessiert waren und im Gegenzug für den Handel interessante Beziehungen und Informationen bieten konnten, durchaus angeboten.

*Was für einen britischen Monarchen, der zeitgleich Hannoveraner Kurfürst war sinnvoll erscheinen musste, weil Erhöhung der Braunschweigisch-Lüneburgischen Einkünfte aus Handel und Steuereinnahmen potentiell in die königlichen Kassen fließen konnten, ohne dass das englische Parlament über die Zivilliste auf diesen Teil der königlichen Einnahmen Einfluss nehmen konnte.
 
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Das halte ich für eher abwegig, weil free-soil in den Vereinigten Staaten ja nur deswegen möglich war, weil der Außenhandel mit Sklaven bereits verboten war und weil es auf Ebene der nördlichen Bundesstaaten Gesetze gab, die Sklaverei und Sklavenhandel verboten.

Wenn es solche Gesetze aber in den Niederlanden gegeben hätte, hätte die Folge sein müssen, dass die niederländischen Handelskompanien mit Sitz im Mutterland ja selbst überhaupt nicht mit Sklaven hätten handeln können, bzw. dürfen, da sie ja in einem Rechtsraum aggiert hätten, der dem Verbot der Sklaverei durch nationales oder provinziales Gesetz unterfallen wäre.
Free soil (wer den Boden betritt, ist frei) galt nur für den in Europa liegenden Boden der Niederlande und wurde seit 1581 und vor 1776 allen Sklaven gewährt, die zusammen mit ihren Besitzern oder mit deren Erlaubnis alleine in die Niederlande einreisten. Entflohenen Sklaven innerhalb der Gerichtsbarkeit der Niederlande, dazu gehörten die Kolonien, wurde die Freiheit meistens nicht gewährt, wenn deren holländische Besitzer auf Diebstahl klagten. Sie wurden in die Kolonien zurück geschickt. Solche seltenen Gerichtsfälle beschäftigten die Gerichte und die Öffentlichkeit ab etwa 1730.

Das Gesetz von 1776 schränkte weiter ein, dass für kurze Besuche bis 6 Monate, ein Sklave eines holländischen Besitzers aus einer holländischen Kolonie in den Niederlanden nur dann automatisch frei wurde, wenn der Besitzer damit einverstanden war. Danach musste der Besitzer mit dem Sklaven wieder abreisen, sonst war der Sklave frei.

Für entflohene Sklaven von Besitzern aus anderen Ländern scheint das free soil Prinzip in den Niederlanden uneingeschränkt gegolten zu haben, allerdings nur solange sie sich auf europäisch-niederländischem Boden aufhielten.

Mir ist noch nicht klar, ob die niederländischen Stützpunkte in Westafrika als Kolonien der Niederlande betrachtet wurden. Da Amo vor 1776 in die Niederlande kam, wäre er aber in jedem Fall bei Ankunft frei gewesen, falls er Sklave in Besitz des Sergeanten Bodel gewesen war.

Ein englischer Artikel über entsprechende Gerichtsfälle:
 
Free soil (wer den Boden betritt, ist frei) galt nur für den in Europa liegenden Boden der Niederlande und wurde seit 1581 und vor 1776 allen Sklaven gewährt, die zusammen mit ihren Besitzern oder mit deren Erlaubnis alleine in die Niederlande einreisten. Entflohenen Sklaven innerhalb der Gerichtsbarkeit der Niederlande, dazu gehörten die Kolonien, wurde die Freiheit meistens nicht gewährt, wenn deren holländische Besitzer auf Diebstahl klagten. Sie wurden in die Kolonien zurück geschickt. Solche seltenen Gerichtsfälle beschäftigten die Gerichte und die Öffentlichkeit ab etwa 1730.
Wie gesagt, daraus ergibt sich das Problem, dass die Grundlage eigentlich ein offizielles Gesetz hätte sein müssen, dass die Sklaverei verboten haben müsste.
Demgegenüber hätten sich dann aber die Handelskompanien, die mit Sklaven handelten permanent schuldig gemacht, weil sie ihren Sitz eben in den Niederländischen Provinzen hatten und von dort aggierten, also von niederländischem Boden aus mit Sklaven handelten und welche besaßen.

Das geht nicht zusammen.

Es mag sein, dass es irgendwelche schwer fassbaren gewohnheitsrechtlichen Gebräuche gab, die Sklaverei nicht duldeten aber das entspricht ja nicht dem "free soil"-Modell in den USA das auf dezidierter gesetzlicher Ächtung und Verbot von Sklaverei und Sklavenhandel in den entsprechenden Bundesstaaten beruhte.

So etwas wie den afrikanischen Sklavenhandel geschäftsmäßig zu betreiben wäre vor dem Hintergrund der Gesetzgebung, sagen wird, in New York, Boston oder Philladelphia im frühen 19. Jahrhundert nicht möglich gewesen ohne sich in ganz massive konflikte mit dem Gesetz zu begeben, selbst wenn die Sklaven nie den Boden des entsprechenden Bundesstaates betreten haben würden.
 
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