"... und da Verfahren der praktischen Messung 'schiefer' Winkel durch die Agrimensoren nicht belegt sind (ja nicht einmal solche für die theoretische Berechnung), zeigt sich, daß die Erfassung des Raums durch die Gromatiker allein mittels der Festlegung von Rechtecken, insbesondere Quadraten in der Fläche erfolgte ..."
Aha. Und wie haben sie die Wasserleitungen gebaut, wenn sie nur rechte Winkel messen konnten? Der Neigungswinkel eines Aquädukts ist < 90°, aber > 1°, und nun?
Warum ausgerechnet die Römer unfähig gewesen sein sollten eine Dioptra zu benutzen, kannst Du mir vielleicht erklären.
Zum Triangulieren braucht man erstens Sinustabellen, die wir wohl aus der griechischen Antike kennen, bisher nicht aber aus der römischen Welt.
Was vielleicht daran liegt, dass sie streng gehütetes militärisches Geheimnis gewesen wären, genau wie die damit produzierten Karten.
Divicos Dreieck andererseits hätte nicht mal Meister Gauß mit dem ihm zur Verfügung stehenden Instrumentarium vermessen können.
Bei Gauß' größtem Dreieck beträgt die Länge der Hypotenuse immerhin 106 km.
[Edit] Der Hohe Hagen, von dem aus er Bocken und Großen Inselsberg anpeilte, liegt übrigens keine 9 km von Hedemünden entfernt!
Aber lassen wir die große flächendeckende Triangulation doch einmal beiseite und fangen ganz klein an. Wir sind römischer Feldherr, haben gerade zum allerersten Mal Hedemünden erreicht und ein Lager eingerichtet – und da ist dieser hohe Berg in weiter Ferne, der Brocken.
Gern wüssten wir, wie weit der Berg entfernt, bzw. wo wir uns in Bezug auf den Berg befinden. Jeder Ingenieur mit Pythagoras im Gepäck hätte gewusst wie das gemacht wird: Wir messen eine Strecke AB im rechten Winkel zum Berg exakt aus und messen jeweils von A und B den Winkel zum Berg, sinus, cosinus, fertig. Dazu wäre schon eine Sonnenuhr mit Diopter ausreichend, vorausgesetzt, dass die Referenzstrecke eine hinreichende Länge aufweist um die Winkelmessungenauigkeit etwas zu kompensieren.
Angenommen, die Römer wären seinerzeit so vorgegangen, um jeweils ihre Position in Bezug auf den Bocken festzuhalten, dann hätten sie, wie erwähnt, Strecken im rechten Winkel zum Brocken ausmessen müssen.
Als ich gestern darüber nachsann, fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren:
Bei Wilkenburg gibt es genau diese gerade Strecke, und ich hatte sie hier selber vorgestellt – Du erinnerst Dich: die schnurgerade Straße am Lager, in deren Verlängerung zwei mittelalterliche Wehrtürme und die Bennigser Burg (im Anhang nochmals die Skizze dazu).
Dass diese Linie recht genau querab zum Brocken verläuft, war mir vorher einfach nicht aufgefallen.
[Edit] Nur zur Klarstellung: vom Lager Hedemünden aus ist der Brocken nicht sichtbar, jedoch von den beiden nahe gelegenen Türmen Kring und Mollenfelde.