Apsis im Norden ???

Galgenpapst

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Liebe Nutzer des GF,

die Absis einer christlichen Kirche, also der halbrunde Chorraum mit dem Altar, liegt gewöhnlich im Osten. Nun liegen mir der Grundriß, historische Topographien usw. einer Kapelle aus der frühen Neuzeit vom Niederrhein vor, bei der die Absis im Norden liegt. Kennt jemand Parallelen zu einer solchen Beobachtung???

Danke für hilfreiche Tipps sagt schon jetzt der GALGENPAPST
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich habe mal eine uralte Karte gesehen, da war Jerusalem im Norden, als Mittepunkt der Welt eingezeichnet.
Vieleicht haben sich die Erbauer danach orientiert. Orientieren kommt ja von Orient. Anders kann ich mir das auch nicht erklären.
 
Orientieren kommt vor allem daher, dass Karten früher geostet waren. die sogenannten O-T oder auch Radkarten. Das O repräsentierte den alles umfließenden Ozean, das T aufgeteilt in | Querstrich und ¯ Überstrich Mittelmeer (Querstrich) und Schwarzes Meer/Don (linke Hälfte des Überstrichs), Rotes Meer/Nil (rechte Hälfte des Überstrichs).

Kirchen waren in aller Regel geostet, weil im Osten die Sonne aufgingen (Jesus, das Licht der Welt) und im Osten anhand der biblischen Überlieferung das Paradies lokalisiert wurde - man kannte ja auch in Europa die ungefähre Lage von Euphrat und Tigris.

Die von Galgenpapst angesprochene Nordung ist daher schon recht erstaunlich, da im Norden eigentlich alles schlechte angesiedelt wurde, schon wegen der Kälte, die von dort kam.
 
noch einmal: Absis

Danke, danke ...

Vielen Dank für all die nützlichen Hinweise; also - ich muss mich ein wenig korrigieren, nachdem ich jetzt Stunden über modernen Karten gesessen habe: die Absis (deutlich auf der angehängten Datei [Topographie von 1751] zu sehen) zeigt zum Rheinstrom und zwar recht exakt nach Nordosten. Allemal mmer noch ungewöhnlich. Vielleicht hat man es bei einer kleinen Dorfkapelle, erbaut kurz nach dem 30jährigen Krieg, nicht so genau genommen, und zudem Rücksicht auf die hochwassserfreie Anhöhe ("Kapellenberg") genommen, auf der der Sakralbau steht. Freue mich trotz dieser möglichen Erklärung auf weitere Anregungen.

Der Sakralbau wird in wenigen Tagen niedergelegt, ich kann Bauforschungen vornehmen und ggf. auch den Abriß archäologisch begleiten. Vorgängerbauten, Spuren der Kapellenerweiterungen, Skelettgräber im Kirchhof .... (?); schaun wir mal!

gp
 

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Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Nochmals Dank sagt der Galgenpapst in seinem 100sten Beitrag (!) für wirklich nützliche Hinweise! Ich habe in meinem Text nun formuliert:

"Die Darstellungen ... machen deutlich, dass die Absis im Nordosten (in Richtung Rheinstrom) lag. Unter Ostung versteht man beim Kirchenbau die Orientierung, bei der der halbrunde Chorraum mit dem Hochaltar im Osten anzutreffen ist; seit der Barockzeit wurde auf die Ostung weniger Wert gelegt."
 
Nachdem dieser alte Faden wieder aufgetaucht ist:
Viele unserer Kirchen sind im heutigen Grundriss dadurch entstanden, dass ein neues größeres Langhaus quer über das alte Langhaus, das dadurch zum Querhaus wurde, gebaut worden ist.
Wenn das neue Langhaus jetzt geostet ist war das alte genordet, was darauf hindeutet dass zumindest in den ersten Jahrhunderten unserer Zeit Kirchen genordet waren.
 
Nachdem dieser alte Faden wieder aufgetaucht ist:
Viele unserer Kirchen sind im heutigen Grundriss dadurch entstanden, dass ein neues größeres Langhaus quer über das alte Langhaus, das dadurch zum Querhaus wurde, gebaut worden ist.
Wenn das neue Langhaus jetzt geostet ist war das alte genordet, was darauf hindeutet dass zumindest in den ersten Jahrhunderten unserer Zeit Kirchen genordet waren.

Ich kenne keine Kirche, bei der das der Fall wäre, dass ein Langhaus quer durch das alte Langhaus gebaut worden wäre, ich kenne eigentlich nur Fälle, wo eine neue Kirche um eine alte durmherum gebaut wurde, die alte dann abgerissen, die Ausrichtung blieb also dieselbe oder Fälle, wo die late Kirche abgerissen und an dem Ort eine neue errichtet wurde. Aber auch da blieb die Ausrichtung dieselbe.
Hier mal exemplarisch ein Beispiel von einer Homepage der Uni Wien zur Kirchenarchäologie (ich habe natürlich extra ein deutliches Bild augesucht):

kirchenarch9.jpg

Außerdem natürlich Erweiterungsbauten.
Hast du Beispiele für Bauten, wo aus dem alten Langhaus das neue Querhaus wurde?
 
Zuletzt bearbeitet:
Wobei, wenn man sich mal Rom anschaut, da sind die Apsiden der Kirchen ja in alle Richtungen verteilt. Sankt Peter geht beispielsweise nach Westen.
 
Ostung

Hallo

@balkanese
Viele unserer Kirchen sind im heutigen Grundriss dadurch entstanden, dass ein neues größeres Langhaus quer über das alte Langhaus, das dadurch zum Querhaus wurde, gebaut worden ist.


Ich kann mich @EQ nur anschließen, nimmt man die romanischen und gotischen Kirchen, so folgen Langhäuser, dem des des Vorgängerbau. Das geht sogar soweit, wie bei Sugers St.Denis, das das Langhaus zum Querhaus eine Abweichung von 9-12° aufweist, wie der Vorgängerbau des 9.Jh.

mfg
schwedenmann
 
Das dauert jetzt ein bisschen; auf die Idee gebracht worden bin ich durch eine befreundete Restauratorin, die in der Steiermark schon seit geraumer Zeit Kirchen befundet. Es handelt sich dabei zumeist um kleine und abgelegene Kirchen, weshalb es keine Pläne gibt. Sobald ich die Dame wieder treffe werde ich diesbezüglich nachfragen und die genaueren Erkenntnisse hier posten.
 
Interessant. Die Apsis des originalen Bauwerks ist ja nordöstlich ausgerichtet, wenn diese größenwahnsinnigen Baupläne zu Ende geführt worden wären, wäre die neue Apsis nordwestlich ausgerichtet gewesen.
 
..Sobald ich die Dame wieder treffe werde ich diesbezüglich nachfragen und die genaueren Erkenntnisse hier posten.

Ich gestehs, man soll den Damen besser zuhören; "Überquerungen" hats schon gegeben, aber in umgekehrter Richtung, also kleine gotische Kirchen mit Apsis im Osten wurden durch Barockkirchen mit Apsis im Norden überbaut.
 
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