Sepiola
Aktives Mitglied
Schon klar.Das stimmt, allerdings habe ich mir die „"arianische Kaiser“ nicht aus den Finger gesogen – siehe Wikipedia.
Wiki ist zur Durchdringung dieser Thematik absolut unzureichend.
Klar, es geht immer um die Einheit des Staates und des Glaubens. Sobald die eine Seite gewinnt, wird die andere verfolgt – als Beispiel hier ein Zitat aus Wikipedia:
Die Bücher von Arius wurden verbrannt, der Besitz seiner Schriften unter Todesstrafe gestellt, und seine Partei als Feinde der Christenheit bezeichnet – der erste Fall, in dem eine abweichende Lehre nicht bloß als Vergehen gegen die Kirche, sondern auch als Vergehen gegen den Staat angesehen wurde.
Und dieses Beispiel bezieht sich ausgerechnet auf die Politik Konstantin den Großen, den Du kürzlich noch als "arianischen" Kaiser bezeichnet hast.
Konstantins Position im Streit zwischen Arius und Bischof Alexander war, dass die beiden gefälligst aufhören sollten, sich in der Öffentlichkeit über Haarspaltereien zu zanken:
BKVDa ich mir nun den Anfang und den Gegenstand all dessen überlegte, stellte sich heraus, daß die Ursache eine ganz geringfügige und durchaus nicht eines so heftigen Streites wert ist.
...
... denn wenn auch solche Fragen, zu denen keine Vorschrift eines Gesetzes zwingt, sondern nur die Streitsucht unnützen Nichtstuns verleitet, aufgestellt werden können, daß die Geisteskraft daran geübt werde, so müssen wir sie doch im Innern unseres Herzens verschließen und dürfen sie nicht leichthin in öffentliche Versammlungen bringen oder unbedachtsam den Ohren des Volkes anvertrauen. Denn wie wenige gibt es, die imstande wären, die Tragweite so bedeutender und überaus schwieriger Fragen genau zu überschauen oder entsprechend darzulegen?
...
... hat ja doch nicht eines von den Hauptgeboten in dem Gesetze den Anlaß zu dem Streite gegeben, der entbrannt ist, noch wurde von dem einen oder dem andern eine neue Irrlehre bezüglich der Gottesverehrung eingeführt, sondern ihr habt eine und dieselbe Überzeugung, so daß ihr euch leicht zu einträchtigem Bunde einen könnt. Denn daß euer Streit über unbedeutende und ganz geringfügige Fragen für ein so großes Volk Gottes, das unter eurer Einsicht geleitet werden sollte, Anlaß zu Zwiespalt wird, das kann weder für geziemend noch überhaupt für recht gehalten werden.
...
Wohlan denn, betrachten wir das Gesagte noch mehr und noch reiflicher mit unserm Geiste und unserm Verständnis, ob es denn recht ist, wenn wegen eures geringfügigen und nichtigen Streites um Worte Brüder gegen Brüder stehen und die kostbare Gemeinsamkeit in gottlosem Zwiste durch uns gespalten wird, weil wir miteinander wegen so unbedeutender und durchaus nicht notwendiger Fragen streiten.
Ähnlich wird man Valens beurteilen dürfen:
Hanns Christof Brennecke, Studien zur Geschichte der Homöer, Tübingen 1988In vieler Hinsicht ist die Kirchenpolitik des Valens der des Konstantin fast näher als der des Konstantius. Ὁμόνοια scheint mir – ganz gegen das Bild, das die Kirchenhistoriker des fünften Jahrhunderts von der Regierung des Valens gezeichnet haben – als das wichtigste Stichwort seiner Kirchenpolitik gelten zu müssen. Durch eineinhalb Jahrzehnte hindurch hatte Valens es vermieden, von den Bischöfen eine offizielle Zustimmung zu den Beschlüssen von Konstantinopel zu verlangen, wohl weil ihm bewußt war, welche Folgen ein solcher Schritt für die Einheit der Kirche haben würde. Ebensowenig hat er je eine Reichssynode einberufen; von ihm sind keine Ketzergesetze überliefert. Die theologische Debatte innerhalb der Reichskirche und ihrer Gruppen spielte für ihn, wie schon für Konstantin, keine Rolle, handelte es sich doch dabei für den Kaiser nur um Nebensächlichkeiten, die seinen Glauben, den er sehr ernst genommen haben muß, nicht betrafen. Dadurch aber war eine theologische Diskussion und Entwicklung möglich, die zur Entstehung der neunizänischen Orthodoxie führte. Das für die Zukunft wichtigste kirchengeschichtliche Ereignis seiner Regierungszeit, die Entstehung der neunizänischen Orthodoxie, dürfe ihn als Ergebnis innertheologischer Diskussion kaum interessiert haben.
Einer der wenigen Kaiser, die selbst an theologischen Fragen interessiert waren, dürfte Constantius II. gewesen sein. Auch er wird bei Wiki irreführend als "Arianer" bezeichnet, tatsächlich unterstützte er die homöische Richtung.
Der zeitgenössische Historiker Ammianus Marcellinus, der unter Constantius gedient hat, schreibt mit beißender Kritik:
"Christianam religionem absolutam et simplicem anili superstitione confundens, in qua scrutanda perplexius quam conponenda gravius, excitavit discidia plurima, quae progressa fusius aluit concertatione verborum, ut catervis antistitum iumentis publicis ultro citroque discurrentibus per synodos, quas appellant, dum ritum omnem ad suum trahere conantur arbitrium, rei vehiculariae succideret nervos"
"Die christliche Religion, in sich so abgeschlossen und einfach, vermengte er mit Altweiber-Aberglauben, und indem er dabei mehr verworrenen Grübeleien nachhing, statt mit Nachdruck derselben ihre Stellung anzuweisen, wurde eine Menge Streitigkeiten veranlaßt: breiteten sich diese im Fortgang weiter aus, so nährte er sie durch Wortgezänke: da aber Schaaren von Bischöfen sich der öffentlichen Furhgelegenheiten bedienten, um kreuz und quer nach ihren sogenannten Synoden zu rennen, weil sie den ganzen Gottesdienst ihrer Entscheidung zu unterwerfen suchten, so schnitt er darüber dem ganzen Postwesen die Nerven ab."
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Worum es zur Zeit des Constantius II. gerade theologisch ging, hier ein kurzgefasster Einblick:
Kleine Geschichte der christlichen TheologieDer Bekenntnistext von Nizäa lässt erkennen, dass die Konzilsväter die Begriffe οὐσία bzw. Wesen einerseits und ὑπóστασις bzw. Hypostase andererseits im gleichen Sinne verstanden hatten. Das Konzil belegt mit dem Anathem alle, die sagen, der Sohn Gottes stamme „aus einer anderen Hypostase oder Wesenheit“ als der des Vaters. Hier aber schrillten – wenn nicht sofort, so aber doch ab der Mitte des 4. Jahrhunderts und damit lange nach dem Tod des Arius – die theologischen Alarmglocken. Hat etwa der Sohn dieselbe Hypostase wie der Vater? Dies aber liefe auf den schon längst überwunden geglaubten Modalismus bzw. Sabellianismus hinaus! Waren die Verfechter des ὁμοούσιος also letzten Endes verkappte Sabellianer? Sabellius hatte die Einheit Gottes dadurch zu wahren versucht, dass er Vater, Sohn und Geist als jeweils unterschiedliche Weisen deutete, wie der eine Gott in der Welt wirkt. Nach Sabellius sind Vater, Sohn und Geist deshalb ὁμοούσιος. Sollte die von Nizäa 325 verbindlich vorgeschriebene Alternative zum Arianismus tatsächlich der Sabellianismus sein?
Und weiter: Wie viele Hypostasen gibt es denn nun in Gott? Eine Hypostase – das entspräche der Sprachregelung des Konzils von Nizäa. Oder drei Hypostasen – das wäre die Linie des Origenes. In der Mitte des 4. Jahrhunderts hielt die Mehrheit der Bischöfe die Rede von drei Hypostasen in Gott für sachgerecht – und zwar nicht zuletzt deshalb, weil sie die Unterschiedenheit von Vater, Sohn und Geist in den heiligen Schriften wohlbegründet fanden. Mit der Ein-Hypostasen-Lehre des Konzils von Nizäa konnten sie nicht viel anfangen. In welcher Beziehung aber stehen die drei Hypostasen in Gott zueinander?
Schließlich standen sich im 4. Jahrhundert gleich mehrere theologische Lager unversöhnlich gegenüber: hier die Anhänger der Ein-Hypostasen-Lehre, die für ihre Position das ὁμοούσιος von Nizäa geltend machten und denen deshalb Sabellianismus vorgeworfen wurde. Dort die Anhänger der Drei-Hypostasen-Lehre. Sie betonten die Ungleichheit von Vater und Sohn („Anhomöer“) – und sahen sich deshalb umgehend dem Vorwurf des Subordinatianismus ausgesetzt.
Eine dritte Gruppe suchte zwischen beiden zu vermitteln (die „Homöer“). Sie wollte die philosophische Reflexion durch den Rekurs auf die biblischen Texte unterlaufen, indem sie formulierte: Der Sohn ist dem Vater gleich „gemäß den Schriften“ (κατὰ τὰς γραφάς; vgl. 1 Kor 15,3f). In der Neujahrsnacht von 359 auf 360 wurde ihre vermittelnde Position auf einem Reichskonzil in Konstantinopel als verbindlich zu glauben und zu lehren vorgeschrieben. Mehr noch: Um den religiösen Frieden wiederherzustellen, wurde der Gebrauch der umstrittenen Begriffe οὐσία und ὑπóστασις in trinitätstheologischem Kontext für die Zukunft verboten.