Man kann allenfalls vermuten, dass er irgendwo im Hintergrund mit die Fäden zog, aber mehr als Spekulation wäre das nicht, während Du es hier als Faktum hinstellst.
Nur zu "vermuten", dass Cato die Fäden zog, wäre denn doch etwas schwächlich. Keiner hatte mehr Macht im konservativen Lager Roms zu dieser Zeit als Cato, und keiner war motivierter, den aus der griechischen Fremde importierten Bacchuskult zu einer staatsbedrohenden Gefahr heraufzustilisieren als Cato, der trotz seiner griechischen Erziehung ein Anti-Hellenist war. Sein politisches Ziel war, alle griechischen Einflüsse auf das römische Reich auszumerzen, um den traditionellen römischen Werten mehr Geltung zu verschaffen.
Ab 184 war er Censor und oberster Sittenwächter von Rom. Seine Auseinandersetzung mit seinem Intimfeind
Scipio Africanus, einem dezidierten Philhellenen, war um 186 in eine kritische Phase getreten, also konnte die Affäre um den ursprünglich griechischen Bacchuskult, nunmehr als Deckorganisaton für feindliche Agenten verdächtigt, genutzt werden, (1) um Scipio politisch zu schwächen und (2) in allen Volksschichten Hass gegen das Griechische zu schüren. Darüber hinaus bot der Kult eine gutes Feindbild für Catos ´moralischen´ Feldzug.
Aus all dem folgt mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,999 Prozent, dass er entweder von Beginn oder spätestens ab 184, als er Censor wurde, die Fäden bei der Verfolgung des Kultes zog.
Mindestens zwei italienische Fachleute, Prof. Aldo Luigi und Prof. Giovanni Tarditi, sind von Catos Rolle als Drahtzieher der gewaltsamen Verfolgung der Kultanhänger überzeugt. In seiner Studie "La Terminologia del Terrorismo nella Vicenda dei Baccanali del 186 A.C.", Seite 1, bezeichnet Luigi
Cato als den ´
wahren Verantwortlichen für die Unterdrückung der Bacchanalien´ ("Catone, il vero responsabile della repressione dei Baccanali"). In seiner Studie bezieht er sich öfters auf Tarditi, der sich im gleichen Sinne in "La questione dei Baccanali a Roma nel 186 a.C." geäußert hat.
Nicht nur Cato, auch Konsul
Spurius Postumius Albinus, der die Hetzjagd auf den Kult mit seiner Senatsrede, bei der auch Cato anwesend war, eröffnete, hat ein persönliches Motiv gehabt. Seine Familie war mit den Ceres- und Libertempeln in Rom als Stifter verbunden, also, im Fall des Liber-Tempels, ausgerechnet mit der exoterischen, s
taatlich kontrollierten Variante des Dionysoskultes, dessen ´esoterische´, also geheime und
staatlich nicht-kontrollierte Variante der Bacchuskult war. Postumius hatte allen Grund, in den geheimen Bacchanalien einen Rivalen des mit seiner Familie verbundenen römischen Liber-Kultes zu sehen. Was lag also näher, als diesen Rivalen auszuschalten?
Vorausgegangen war der Senatsrede folgendes (berichtet in Livius XXXIX, wohlgemerkt satte 170 Jahre nach den angeblichen Ereignissen):
Dem jungen Adlige
Ebutius war während einer schweren Krankheit von seiner Mutter
Duronia versprochen worden, nach seiner Genesung in den Bacchuskult eingeführt zu werden. Sie behauptete, sich das für den Fall seiner Genesung geschworen zu haben. Das war aber eine Lüge: Tatsächlich hatte ihr das Ebutius´ Stiefvater
Titus Sempronius Rutilus, aufgetragen, der das Erbe seines Stiefsohnes durchgebracht hatte und, um das zu kaschieren, nach einem Weg suchte, Ebutius "zugrunde zu richten" (Livius). Bedingung für die Aufnahme sei, so Duronia zu ihrem Sohn, dass er vor der Einführung (ein Reinigungsritual) 10 Tage lang sexuell abstinent sein müsse.
Nach seiner Gesundung erzählte Ebutius seiner Geliebten, der Freigelassenen und Kurtisane
Fenecia, von diesem Vorhaben und von der Bedingung der mehrtätigen sexuellen Enthaltsamkeit, worauf Fenecia wütend und panisch reagierte und schrie, dass es für ihn besser sei zu sterben als daran teilzunehmen. Dann stieß sie Flüche gegen alle aus, die ihm dazu geraten hatten, woraufhin Ebutius sie bat, das zurückzunehmen, weil es seine Mutter gewesen sei und sein Stiefvater es genehmigt habe. Dieser Stiefvater, so Fenicia daraufhin, sei im Begriff, sein, Ebutius´ Leben zu zerstören. Verwundert über all das, fragte er nach ihren Gründen. Sie sagte ihm, dass sie selbst in diesem Kult in ihrer Zeit als Sklavin von Priestern sexuell missbraucht worden sei und dass dies auch mit ihm geschehen würde unter dem Lärm von Trommeln und Zimbeln, damit seine Schmerzensschreie nicht nach außen drängen.
Als Ebutius später seine Mutter darum bat, ihn von dem Aufnahmeritual zu entbinden, warf sie ihn zusammen mit 4 Sklaven wütend aus dem Haus. Seine Tante
Ebutia, bei der er um Rat suchte, verwies ihn an den oben erwähnten Konsul
Postumius, der die Sache aufgriff und ein Verhör der Kurtisane durchführte.
Ihre Angaben wirken z.T. absurd und unglaubwürdig. Es sei z.B. zu Schlachtungen von Menschen anstelle von Opfern gekommen, wenn sie sich weigerten, an bestimmten Praktiken teilzunehmen. Wer´s glaubt, wird selig. Entweder Fenecia erfand das, um Postumius entgegenzukommen, oder dieser hat ihr diese Darstellung suggestiv aufgedrängt, oder die Darstellung wurde von Postumius erfunden und nachträglich in das Protokoll aufgenommen.
Unglaubwürdig ist auch, das
Paculla Annia - wie beim römischen Historiker Livius (korrigiert...) zu lesen ist - eigenständig die alte Regel, dass nur Frauen initiiert wurden, brach und die Initiation von Männern, angefangen mit ihren Söhnen, einführte. In Fachkreisen wird dieses Detail, bei Livius berichtet, erheblich angezweifelt, wie ihm auch ganz allgemein starke Übertreibungen bei seiner Schilderung vieler Details angelastet werden.
Fazit:
Die Unterstellung, der Kult habe staatsfeindliche Absichten gehabt und im Geheimen auch kriminell-perverse Taten verübt, entbehrt jeder Glaubwürdigkeit.