Balkankrieg 1912/13: Internationale Intervention

Mit dem Ausscheiden der meisten italienischsprachigen Gebiete aus dem Bestand der Monarchie hätte sich die Nationalitätenproblematik insofern entschärft, als dass man mit einer Gruppe weniger intern hätte verhandeln müssen.

Und es wäre ein erheblicher Prestigeverlust für die Monarchie gewesen, den man nicht akzeptieren wollte. Und warum musste eigentlich gleich ganz Südtirol einkassiert werden. Dort leben bis heute Menschen, die mehrheitlich Deutsch sprechen. Im Jahre 1910 beispielsweisewaren es 89%. Da verliert der Irredentismus ein wenig an Glaubwürdigkeit.
 
Zumal Triest ja historisch damals um Aufnahme in Österreich gebeten hatte. Die Region wurde niemals erobert oder in ein Reich gezwungen, dadurch ändert sich die Lage vollkommen.
 
Vom Trentino hatte ich in diesem Zusammenhang nicht gesprochen. Es wäre aber an Wien gewesen hier einen Ausgleich in irgendeiner Form zu suchen.

Schau bitte hier.


Und du hättest dir vorgestellt, das Wien so ganz einfach Rom beispielsweise das Trentino übergeben hätte? Und das ohne eine entsprechende Forderung geltend gemacht zu haben. Das ist einfach nicht realistisch!

Zumal Triest ja historisch damals um Aufnahme in Österreich gebeten hatte. Die Region wurde niemals erobert oder in ein Reich gezwungen, dadurch ändert sich die Lage vollkommen.

Triest hatte in seiner bewegten Geschichte öfter den Besitzer gewechselt. Seit 1815 gehörte es zur Monarchien und es ging Triest gut. Große Autonomie und wirtschaftliches Wohlergehen.
Anerkennen muss man die Tatsache, dass in Triest die Italiener den weitaus größten Bevölkerungsanteil stellten.

Ich muss sagen für eine Aktion, die den Status Quo nicht tangiert, hat das Ereigniss aber erstaunlich hohe Wellen geschlagen. ^^

Du weißt bestimmt auch, weshalb die Annektion so hohe Wellen geschlagen hatte?
 
@Shinigami

Du hast hier irgendwo im Faden erwähnt, das die Annexion so "hohe Wellen geschlagen" hätte.

Für diesen Sturm der Entrüstung gibt es Gründe. In Serbien schlugen die Wellen besonders hoch, obwohl es Serbien überhaupt nicht betraf. Die Serben sahen sich um ihre eigenen Hoffnungen auf Bosnien und der Herzegowina schwinden. Die Serben wollten Bosnien mit Serbien vereinen, das war gewissermaßen eine fixe Staatsidee und die eben durch die Annexion einen Abbruch erlitt. Serbien reagierte ausgesprochen aggressiv. Belgrad trat gegnüber der Monarchien geradezu feindselig auf. Die Presse tat sich da keinen großen Zwang an. Belgrad bemühte sich um Unterstützung, vor allem in Petersburg, welche die Unterstützung, andere Gründe hierfür waren aber ausschlaggebend, gewährte. Iswolsky machte auch gewaltigen internationalen Lärm, er scheute auch vor Lügen nicht zurück, obwohl er sich selbst in diese Lage manövriert hatte.
 
Da ja hier im Faden mehrfach die Annexion Bosniens und der Herzegowina massive kritisiert worden ist, möchte ich ein Beispiel erwähnen, wo es merkwürdigerweise gar keine Aufregung gegeben hatte.

Genau wie ÖU Bosnien die Erlaubnis erhalten hatte Bosnien und die Herzegowina zu besetzten und zu verwalten, hatte England dieses Recht für Zypern, ebenfalls auf dem Berliner Kongress 1878, erhalten.

England hatte dann im Jahre 1914 Zypern annektiert und diesen Zustand bis 1959 aufrechterhalten. Da gab es keinen internationalen Entrüstungssturm. Wird auch praktisch nicht in den Geschichtebüchern erwähnt.
 
Es ist doch ein Unterschied zwischen besetzen und verwalten, und zwischen Eingliederung in das eigene Staatsgebiet, wie bei der Annexion durch Ö-U 1908.
Und diese erfolgte auch nicht im Rahmen eines Kongresses, sondern im Rahmen einer bilateralen Vereinbarung zwischen Ö-U und Russland.
Und selbst da gab es keinen "internationalen Entrüstungssturm". Es war im Gegenteil so, dass das Ausbleiben desselben den russischen Außenminister verzweifeln lies. Nicht zuletzt deshalb weil er nun als Depp dastand.

Conrad, Conrad, ich hör dich trapsen. :D
 
Es ist doch ein Unterschied zwischen besetzen und verwalten, und zwischen Eingliederung in das eigene Staatsgebiet, wie bei der Annexion durch Ö-U 1908.

ÖU hatte Bosnien und die Herzegowina besetzt und verwaltet. Die Annexion erfolgte erst 1908. Die Gründe hierfür habe ich bereits erläutert.

Und diese erfolgte auch nicht im Rahmen eines Kongresses, sondern im Rahmen einer bilateralen Vereinbarung zwischen Ö-U und Russland.



Wurde hier von niemanden bestritten. Und warum war das so?
Und selbst da gab es keinen "internationalen Entrüstungssturm". Es war im Gegenteil so, dass das Ausbleiben desselben den russischen Außenminister verzweifeln lies


Armer, armer Iswolski, war zu dusselig sein geplanten Coup richtig einzufädeln. Das musste jetzt mal sein, da du auch immer wieder Conrad erwähnst.:D

Ganz am Rande: Bulgarien hatte sich zum gleichen Zeitpunkt für unabhängig erklärt.

Serbien, Montenegro und natürlich Petersburg haben sehr deutlich ihren Protest vorgetragen. Paris und London unterstützen Iswolski, nicht so, wie sich dieser das gewünscht hatte, aber er wurde unterstützt.

Sir Edward Grey sprach in einem Telegramm an den britischen Botschafter in Berlin von einer Bombe und "Seiner Majestät Regierung sei naturgemäß davon unangenehm berührt." Es kam sehr schnell das Thema einer Konferenz auf das Tapet; welche ganz sicher nicht im Interesse Österreich-Ungarns gelegen hätte.

In einem Schreiben an den Botschafter in Paris brachteSir Edward Grey zum Ausdruck "[...], daß Seine Majestät Regierung weder einen offenen Bruch des Berliner Vertrages billigen, noch eine Abänderung desselben anerkennen könne, wenn die anderen Mächte, in diesem Fall besonders die Türkei, nicht befragt worden wären, und weiteres, daß die angekündigte Absicht der Annexion Bosniens und der Herzegowina nochmals überlege."

Aehrenthal war dann klug genug, sich mit dem Osmanischen Reich auf eine Entschädigung zu einigen und das war Iswolski sicher nicht genug.
 
Zuletzt bearbeitet:
Italien hatte zweimal gegen den Dreibundvertrag verstoßen.
Österreich demgegenüber mindestens 4 mal, weil es Italien weder wegen der Durchsetzung seiner Position in Bosnien und der Herzegowina, noch wegen der Durchsetzung seiner Position in der albanischen Sache, wie vertraglich zugesichert irgendeine Form von Kompensation geboten hatte.
Außerdem hatte man Rom nicht über entscheidende Schritte im Juli '14 in Kenntnis gesetzt und hatte einen Krieg vom Zaun gebrochen, mit dem man abermals eine kompensationspflichtige ("andere Vorteile") Aktion auf dem Balkan betrieb, die sich nebenbei auch gegen den Geist des Dreibundvertrags richtete, denn danach hatten sich die Beteiligten ja auf den Erhalt des Status Quo auf dem Balkan verpflichtet, wovon bei der österreichischen Absicht Serbien als Machtfaktor auszuschalten und zu verkleinern (wenn auch nicht unbedingt im Sinne eigener Territorialgewinne), nicht die Rede sein konnte.

Österreich-Ungarn 1908 m.E. nach kein Verstoßt.
Die Meinung dürftest du allerdings exklusiv haben.
Es ist natürlich streitbar, ob sich aus diesem Vorgehen irgendwelche Ansprüche territorialer Art als Kompensation ableiten lließen.
Daran kann man selbstredend ein Fragezeichen machen, aber Kompensation für Italien für diese Aktion rundweg zu unterlassen und überhaupt nichts anzubieten, war ein eindeutiger Vertragsbruch.

1914 einen sehr verständlichen und nachvollziehbaren Verstoß, das Italien nicht mehrvertrauenswürdig war und Informationen an den Feind weitergab.
Oder lag es eher daran, dass man italienische Kompensationsforderungen vermeiden und Italien vor ein fait accompli stellen und es somit im Hinblick auf seine vertraglichen Ansprüche überspielen wollte, in dem man versuchte Fakten zu schaffen und Rom zu zwingen diese anzuerkennen, ohne das die Frage der Kompensation dabei noch zur Sprache kommen konnte?

Im Übrigen fallen mir, wenn man mit "nicht vertrauenswürdig" argumentiert so einige Gründe ein, warum Italien Wien möglicherweise auch nicht für vertrauenswüring hielt, angefangen z.B. damit, dass sich die K.u.K-Monarchie einen Generalstabschef leistete, der wiederholt Forderungen an die eigene Regierung richtete, doch bitte den eigenen Bündnispartner zu überfallen.
 
Ob Italien selber vertrauenswürdig war?
Immerhin soll ja schon 1914 ein Angriffsplan gegen Österreich ausgearbeitet worden sein:
Già nell’agosto 1914 il capo dell’esercito fu chiamato a produrre i concetti operativi di una guerra contro l’Austria (la Memoria è del 21 del mese).
Also ab 21. August 1914 wurde dies geplant.
Quelle:
I piani di guerra italiani e lo schieramento iniziale | Atlante della Grande Guerra a nord-est

Dort aufgeführt:
P.Pieri, L’Italia nella prima guerra mondiale (1915-1918), Einaudi, Torino 1965; M. Ruffo, L’Italia nella Triplice Alleanza. I piani operativi dello Stato Maggiore verso l’Austria Ungheria dal 1885 al 1915, Ufficio Storico Stato Maggiore Esercito (USSME), Roma 1998; R. Bencivenga, Il periodo della neutralità. Dall’agosto del 1914 alle prime operazioni del 1915, Gaspari, Udine 2014.
 
Da ja hier im Faden mehrfach die Annexion Bosniens und der Herzegowina massive kritisiert worden ist, möchte ich ein Beispiel erwähnen, wo es merkwürdigerweise gar keine Aufregung gegeben hatte.

Genau wie ÖU Bosnien die Erlaubnis erhalten hatte Bosnien und die Herzegowina zu besetzten und zu verwalten, hatte England dieses Recht für Zypern, ebenfalls auf dem Berliner Kongress 1878, erhalten.

England hatte dann im Jahre 1914 Zypern annektiert und diesen Zustand bis 1959 aufrechterhalten. Da gab es keinen internationalen Entrüstungssturm. Wird auch praktisch nicht in den Geschichtebüchern erwähnt.


Wer hätte denn die Annexion Zyperns in 1914 kritisieren sollen?
Russland und Frankreich, die für ihre Kriegsführung auf britische Finanzmittel, britische Ressourcen und britischen Schiffsraum angewiesen waren?
Deutschland und Österreich, die sich angesichts der misslichen Lage in die sie geraten waren sicherlich nicht unnötig die Perspektive eines Separatfriedens wegen der kolonialen Angelegenheiten verbauen wollten, sollte sich eine Verständigungsmöglichkeit mit London ergeben?
 
Già nell’agosto 1914 il capo dell’esercito fu chiamato a produrre i concetti operativi di una guerra contro l’Austria (la Memoria è del 21 del mese).

Eben, "nell'agosto", nicht "luglio"

Ein ab August 1914 ausgearbeiteter Plan kann schwerlich im Juli 1914 die Entscheidung Wiens Rom zu überspielen intendiert haben.
Nachdem Wien damit offen mit dem Dreibund gebrochen hatte und einen Krieg losgetreten hatte, war es von italienischer Seite her konsequent sich auf militärische Eventualszenarien vorzubereiten.

Wenn man also ab August 1914 begann sich verstärkt mit einer militärischen Auseinandersetzung mit Österreich zu beschäftigen, tat man damit in letzter Konsequenz lediglich das, was der Österreichische Generalstabschef bereits seit Jahren tat und wofür er seit Jahren lobbyierte.

Im Übrigen:

Già nell’agosto 1914 il capo dell’esercito fu chiamato a produrre i concetti operativi di una guerra contro l’Austria (la Memoria è del 21 del mese).

Ein "concetto operativo" übersetzt sich nicht sinnvoll mit "Angriffsplan".
In deinem Zitat ist lediglich von einem Operationsplan/-Studie, bzw. im Plural Operationsplänen/Studien die Rede.

 
Zuletzt bearbeitet:
Und es wäre ein erheblicher Prestigeverlust für die Monarchie gewesen, den man nicht akzeptieren wollte.

Das müsstest du mir jetzt erklären. Inwiefern wäre die durch andere Gebiete kompensierte Abtretung eines Territoriums, also letztendlich ein Gebietstausch ein "massiver Prestigeverlust" gewesen?
Das ist nun völliger Unsinn.
In der Österreichischen Geschichte hat es diverse Einigungen vergleichbarer Art gegeben, die zum Teil von Wien selbst projektiert worden waren.
Ich erinnere dabei nur an das, mehrfach von Wien als lancierte Ansinnen, die österreichischen Niederlande doch bitte bei den Wittelsbachern gegen Bayern eintauschen zu können.

Im Bezug auf den Wiener Kongress hatte man ebenfalls ähnlich operiert, in dem man auf jede Form der Wiederherstellung der eigenen Rechte an den österreichischen Niederlanden und den Vorlanden im ehemalgien Reichsgebiet verzichtete und sich dafür Galizien bestätigen und seine Position in Italien aufwerten ließ.

Damals hat man das offensichtlich nicht als Prestigeverlust empfunden.
Auch nicht, dass etwa mit dem Verzicht auf die Vorlande wesentlich kleinere Staaten, wie das Kgr. Würtemberg und das Ghzm. Baden profitierten, die nun wirklich weit entfernt vom Rang einer Großmacht waren.

Das Argument "Prestigeverlust" ist hier nun wirklich vorgeschoben.

Und warum musste eigentlich gleich ganz Südtirol einkassiert werden.

Stand ja, als die ersten italienischen Forderungen wegen Kompensation in Wien eingingen nicht zur Disposition.
Da war lediglich vom Trentino (und ich meine relativ fürh auch vom Isonzotal) die Rede.
Das Hochschrauben der Vorderungen hätte sich Wien ersparen können, wenn es direkt darauf eingegangen wäre.

Da verliert der Irredentismus ein wenig an Glaubwürdigkeit.
Um so erstaunlicher, dass du fortwährend versuchst den Irredentismus zu dem Problemfeld zwischen Italien und Österreich zu erklären und zur Grundlage allen politischen Handelns der betreffenden italienischen Regierungen.
 
Wer hätte denn die Annexion Zyperns in 1914 kritisieren sollen?
Russland und Frankreich, die für ihre Kriegsführung auf britische Finanzmittel, britische Ressourcen und britischen Schiffsraum angewiesen waren?
Deutschland und Österreich, die sich angesichts der misslichen Lage in die sie geraten waren sicherlich nicht unnötig die Perspektive eines Separatfriedens wegen der kolonialen Angelegenheiten verbauen wollten, sollte sich eine Verständigungsmöglichkeit mit London ergeben?

Beispielsweise die USA.
 
Österreich demgegenüber mindestens 4 mal, weil es Italien weder wegen der Durchsetzung seiner Position in Bosnien und der Herzegowina, noch wegen der Durchsetzung seiner Position in der albanischen Sache, wie vertraglich zugesichert irgendeine Form von Kompensation geboten hatte.

Wie schon mehrfach ausgeführt, hatte der italienische Außenminister Tittoni selbst überhaupt gar keine Kompensation verlangt. Zu verschenken hatte ÖU auch nichts. Du musst nicht italienischer als die Italiener selbst sein.:D

Außerdem hatte man Rom nicht über entscheidende Schritte im Juli '14 in Kenntnis gesetzt und hatte einen Krieg vom Zaun gebrochen, mit dem man abermals eine kompensationspflichtige ("andere Vorteile") Aktion auf dem Balkan betrieb, die sich nebenbei auch gegen den Geist des Dreibundvertrags richtete, denn danach hatten sich die Beteiligten ja auf den Erhalt des Status Quo auf dem Balkan verpflichtet, wovon bei der österreichischen Absicht Serbien als Machtfaktor auszuschalten und zu verkleinern (wenn auch nicht unbedingt im Sinne eigener Territorialgewinne), nicht die Rede sein konnte.

Weshalb sollte ÖU bitte im Juli Rom noch informieren? Angesichts der Verhältnisse, nämlich das Rom nicht gerade bzw. alles andere als diskret war und Informationen eiligst nach Petersburg weitergab, wäre das ja wohl der helle Wahnsinn gewesen. Dann hätte der Ballhausplatz ja gleich in Petersburg selbst seine Absichten in Detail bekanntgeben können. Und wie wir wissen, hatte Italien Informationen, beispielsweise vom beabsichtigten Ultimatum, nach Petersburg weitergereicht.

Oder lag es eher daran, dass man italienische Kompensationsforderungen vermeiden und Italien vor ein fait accompli stellen und es somit im Hinblick auf seine vertraglichen Ansprüche überspielen wollte, in dem man versuchte Fakten zu schaffen und Rom zu zwingen diese anzuerkennen, ohne das die Frage der Kompensation dabei noch zur Sprache kommen konnte?

Nein, es lag an der zutreffenden Mutmaßung des Ballhausplatzes, das man Rom nicht mehr vertrauen könne.

Im Übrigen fallen mir, wenn man mit "nicht vertrauenswürdig" argumentiert so einige Gründe ein, warum Italien Wien möglicherweise auch nicht für vertrauenswüring hielt, angefangen z.B. damit, dass sich die K.u.K-Monarchie einen Generalstabschef leistete, der wiederholt Forderungen an die eigene Regierung richtete, doch bitte den eigenen Bündnispartner zu überfallen.

Du bist ganz offenbar der erstaunlichen Meinung, das Wien wider besseren Wissens Rom hätte informieren sollen.

Du wirst immer kreativer.:D Die Auswahl des Generalstabschefs erfolgte in Österreich-Ungarn wohl, wie in anderen Ländern auch, nach den Gesichtspunkten von Eignung, Leistung und entsprechende Befähigung. Ob dieser nun beim Verbündeten gut ankam, dürfte wohl eher eine untergeordnete Rolle gespielt haben.
 
Seit wann war es Gewohnheit der US-Administrationen die europäische Kolonialpolitik en Detail zu kommentieren?
Zumal vor dem Hintergrund, wie man sich selbst Teile des vormaligen spanischen Kolonialreichs angeeignet hatte?

Ist das en Detail? Die USA haben sich in so einigen Vorgängen zu Worte gemeldet. Beispielsweise die Marokkokrise.

Die Meinung dürftest du allerdings exklusiv haben.

Glaube ich nicht. Gründe habe ich mehr als einmal benannt. Das Gegenteil wäre doch absolut wahnsinnig.

Um so erstaunlicher, dass du fortwährend versuchst den Irredentismus zu dem Problemfeld zwischen Italien und Österreich zu erklären und zur Grundlage allen politischen Handelns der betreffenden italienischen Regierungen.

Tue ich gar nicht.

Das müsstest du mir jetzt erklären. Inwiefern wäre die durch andere Gebiete kompensierte Abtretung eines Territoriums, also letztendlich ein Gebietstausch ein "massiver Prestigeverlust" gewesen?
Das ist nun völliger Unsinn.

Das ist ganz gewiss kein Unsinn! Während des Krieges an den eigenen sogenannten Verbündeten eigenes Territorium abzutreten, wäre erst einmal der eigenen Bevölkerung überhaupt nicht zu vermitteln gewesen und gegenüber den Kriegsgegner als ein Zeichen der Schwäche und gegenüber den Neutralen ein erheblicher Prestigeverlust gewesen. Die Bedeutung von Prestige einer Großmacht muss ich jetzt aber nicht erläutern oder?

Das Argument "Prestigeverlust" ist hier nun wirklich vorgeschoben.

Nein.
 
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Stand ja, als die ersten italienischen Forderungen wegen Kompensation in Wien eingingen nicht zur Disposition.
Da war lediglich vom Trentino (und ich meine relativ fürh auch vom Isonzotal) die Rede.
Das Hochschrauben der Vorderungen hätte sich Wien ersparen können, wenn es direkt darauf eingegangen wäre.

Dieser orientalische Basar, der in Rom eröffnet worden war, ist ganz außerordentlich kritikwürdig. Moral und Charakter haben anscheinend gar keine Rolle mehr gespielt.

Fakt ist, das es für Wien um eigenes Territorium ging. Ganz anders als in Paris und London. Es war ja kein Problem, Territorium zu verhökern, was einem gar nicht gehört. Und letzten Endes hatte Wien die ursprünglichen Forderungen Roms alle bewilligt; aber es reichte nicht mehr.
 
Wie schon mehrfach ausgeführt, hatte der italienische Außenminister Tittoni selbst überhaupt gar keine Kompensation verlangt. Zu verschenken hatte ÖU auch nichts. Du musst nicht italienischer als die Italiener selbst sein.:D
Wie schon angeführt, gab es von seiten der Italiens auch keinen Anlass irgendetwas einzufordern, so klange es sich zunächst einmal um lediglich theoretische Eröterungen handelte und noch kein faktischer Schritt vollzogen war, eine Änderung der Verhältnisse herbei zu führen.
Insofern hatte Tittoni hier kaum eine Veranlassung bereits zu diesem Zeitpunkt Kompensationsansprüche geltend zu machen.

Wenn du anderer Meinung bist, zeig mir doch bitte die Passage des Dreibundvertrags, die besagt, das Kompensation ausgehandelt werden müsse, bevor irgendwelche Schritte unternommen werden, die geeignet sind, die Status Quo auf dem Balkan zu verändern.
Die gibt es nicht. Genau so wenig, wie dort irgendeine Frist festgehalten ist, nach der etwaige Kompensationsansprüche verfallen würden.

Weshalb sollte ÖU bitte im Juli Rom noch informieren?
Weil es dazu verpflichtet war, wenn es zu solchen Schritten übergehen wollte. "Pacta sunt servanda" und so.

Nein, es lag an der zutreffenden Mutmaßung des Ballhausplatzes, das man Rom nicht mehr vertrauen könne.
Dazu kenne ich auch andere Einschätzungen. Aber selbst wenn, könnte der Umstand, dass man in Wien Rom nicht mehr vertraute möglicherweise damit im Zusammenhang stehen, dass man sich außenpolitisch in den vergangenen jahren wirklich alle erdenkliche Mühe gegeben hatte Rom zu verärgern?


Du wirst immer kreativer.:D Die Auswahl des Generalstabschefs erfolgte in Österreich-Ungarn wohl, wie in anderen Ländern auch, nach den Gesichtspunkten von Eignung, Leistung und entsprechende Befähigung. Ob dieser nun beim Verbündeten gut ankam, dürfte wohl eher eine untergeordnete Rolle gespielt haben.

Also in den meisten Ländern läuft es doch wohl eher so, dass Staatsdiener, die sich regelmäßig versuchen über ihre Kompetenzbereiche hinaus eine Parallelpolitik zu betreiben, die der Linie der Regierung zuwider läuft, oder gar versuchen aus eigenen sentiments heraus einen, von der politischen Führung nicht gewünschten Krieg anzuzetteln schleunigst aus dem Staatsdienst werden.

Den Anwurf der Kreativität, kann ich dir nur 1:1 zurückgeben, wenn du den Umstand einen Generalstabschef zu beschäftigen, der auf einen Krieg gegen den eigenen Bündnispartner hinarbeitet, für eine normale Angelegenheit hältst.


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Wie geht's nun weiter? Ich denke, wir drehen uns seit geraumer Zeit im Kreis, ohne dass dabei besonders viel produktives herauskommt.
Wobei die Diskussion an und für sich eigentlich einige interessante Anstöße in andere Richtungen gegeben hat.

Z.B. könnte man sich mal über die unzulänglichkeit des Dreibundvertrags unterhalten, im Hinblick darauf, dass man den Kompensationsartikel vereinbart hatte, ohne sich dafür allerdings eine hierzu passende Schiedsgerichtsbarkeit auszudenken.
 
Ist das en Detail? Die USA haben sich in so einigen Vorgängen zu Worte gemeldet. Beispielsweise die Marokkokrise.

Ja, allerdings kaum regelmäßig und angesichts des Weltkrieges, der eigenen Handelsverbindungen etc. dürfte man in den USA auch zu diesem Zeitpunkt schlicht andere Sorgen gehabt haben.

Das ist ganz gewiss kein Unsinn! Während des Krieges an den eigenen sogenannten Verbündeten eigenes Territorium abzutreten, wäre erst einmal der eigenen Bevölkerung überhaupt nicht zu vermitteln gewesen und gegenüber den Kriegsgegner als ein Zeichen der Schwäche und gegenüber den Neutralen ein erheblicher Prestigeverlust gewesen. Die Bedeutung von Prestige einer Großmacht muss ich jetzt aber nicht erläutern oder?

Moment, Moment.
Es der Bevölkerung zu vermitteln ist ein völlig anderes Thema als eine reine Prestigefrage, als die du es benannt hattest.

Natürlich hätte man ein Problem gehabt das der Bevölkerung zu vermitteln. Formaljuristisch hätte wahrscheinlich wenigstens das Wiener Parlament einer solchen Abtretung zustimmen müssen und gegebenenfalls hätte zusätzlich ein Plebiszit her gemusst, um es der lokalen Bevölkerung zu verkaufen.
Das wäre natürlich nicht einfach geworden.
Einem Plebiszit hätten angesichts der Bevölkerungsverhältnisse wahrscheinlich die meisten Bewohner des Trentino zugestimmt, allerdings würde es wohl schwierig gewesen sein, sie während eines Fronteinsatzes zu fragen, ob sie denn bei der Monarchie verbleiben wollten.

In der Hinsicht ist ja auch immer wieder der Einwand gekommen, dass dies bedeutet hätte das Nationalitätenprinzip anzuerkennen, was sich wiederrum mit der Verfasstheit der Monarchie nicht vertragen hätte.
Das allerdings halte ich für ein eher schwaches Argument, weil man das letztendlich in einem gewissen Rahmen schon durch den Ausgleich von 1867 anerkannt hatte.
Territorien direkt zu übergeben, wäre wahrscheinlich in dieser Form nicht gegangen.
Man hätte den Italienern allerdings so weit entgegen kommen können, für die Zeit des Krieges ein österreichisch-italienisches Kondominum über diese Territorien zu errichten, auch die Stationierung italienischer Truppen zu gestatten und die Frage im Anschluss durch ein vom gemeinsamen Bündnispartner Deutschland beaufsichtigtes Plebiszit zu entscheiden oder ähnliches.
Da hätte sich mit ein wenig Kreativität sicherlich ein Weg finden lassen.

Das an und für sich hat aber nichts mit Prestige zu tun.

Ein besonderes eingestehen von Schwäche wäre das auch nicht gewesen, denn dass Österreich-Ungarn sich in seiner Verfasstheit keinen Drei-fronten-Krieg mit Russland, Italien und Serbien leisten konnte, war ohnehin aller Welt klar.
Die Vorstellung dass die erkenntnis dieses Umstands auf der Welt irgendwen überrascht oder dies die Meinung von der militärischen Leistungsfähigkeit der K.u.K.-Monarchie gesänkt hätte, würde erstmal voraussetzen, dass alle welt sie vorher in maßlosester Weise überschätzt hätte.
Und das bildete man sich ja letztendlich nicht mal in Wien ein.

Es gibt Argumentationsmuster, die die Schwierigkeit für Wien das tatsächlich abzutreten nahelegen, aber Prestige als plausibeler Grund gehört da nun wirklich nicht dazu.
Es führt nicht zu einem Prestigeverlust, wenn jemand irgendetwas nicht schafft, dass ihm ohnehin niemand zugetraut hatte.
 
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Wie schon angeführt, gab es von seiten der Italiens auch keinen Anlass irgendetwas einzufordern, so klange es sich zunächst einmal um lediglich theoretische Eröterungen handelte und noch kein faktischer Schritt vollzogen war, eine Änderung der Verhältnisse herbei zu führen.
Insofern hatte Tittoni hier kaum eine Veranlassung bereits zu diesem Zeitpunkt Kompensationsansprüche geltend zu machen.

Wenn du anderer Meinung bist, zeig mir doch bitte die Passage des Dreibundvertrags, die besagt, das Kompensation ausgehandelt werden müsse, bevor irgendwelche Schritte unternommen werden, die geeignet sind, die Status Quo auf dem Balkan zu verändern.
Die gibt es nicht. Genau so wenig, wie dort irgendeine Frist festgehalten ist, nach der etwaige Kompensationsansprüche verfallen würden.

Das ist jetzt doch rein akademisch Natur.

Fakt ist doch, das Italien überhaupt gar kein Anspruch geltend gemacht hat. Warum reitest du auf so ein theoretisches Konstrukt herum? Tittoni hatte den Anspruch Wiens anerkannt.

Weil es dazu verpflichtet war, wenn es zu solchen Schritten übergehen wollte. "Pacta sunt servanda" und so.

Aha, Österreich sollte also deiner Meinung den Strick liefern, an dem man es aufhängen würde, weil es dazu verpflichtet war. Diese Logik kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen.

Gerade weil man sich zum Kriege gegen Serbien entschloss, war es absolut richtig, im wohlverstandenen eigenen Interesse, Italien nicht zu informieren. Warum, das ignorierst du souverän, habe ich schon mehrfach hinreichend dargestellt.


Italien meinte ja schon zu Beginn des Krieges Kompensationsansprüche haben, obwohl noch überhaupt nichts geschehen war, welches den Kriterien für eine Kompensation entsprach.

Den Anwurf der Kreativität, kann ich dir nur 1:1 zurückgeben, wenn du den Umstand einen Generalstabschef zu beschäftigen, der auf einen Krieg gegen den eigenen Bündnispartner hinarbeitet, für eine normale Angelegenheit hältst.

:D Nö, ganz und gar nicht. Sicher Conrad hatte immer wieder und wieder zum Kriege gemahnt.

Allerdings wenn man das Endergebnis 1914/15 betrachtet, dürfte sich der Generalstabschef Conrad mit seinem krasses Misstrauen gegenüber Serbien und Italien wohl bestätigt fühlen.

Wie geht's nun weiter? Ich denke, wir drehen uns seit geraumer Zeit im Kreis, ohne dass dabei besonders viel produktives herauskommt.

Da stimme ich dir zu. Jeder von uns hat seine Meinung zum Thema und das ist auch vollkommen in Ordnung.

Z.B. könnte man sich mal über die unzulänglichkeit des Dreibundvertrags unterhalten, im Hinblick darauf, dass man den Kompensationsartikel vereinbart hatte, ohne sich dafür allerdings eine hierzu passende Schiedsgerichtsbarkeit auszudenken.

Die ganze Kompensationsfrage ist in dem Dreibundvertrag reichlich unbestimmt geregelt. Beispielsweise muss diese nicht territorialer Natur sein.
 
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