Behauptung aus „Die Mumie III“ zur großen chinesischen Mauer

M

Mauer-Blume

Gast
Hallo zusammen,

in dem Film „Die Mumie Das Grabmal des Drachenkaisers“ wird gesagt, das Qin Shihuangdi, die Leichen seiner Zwangsarbeiter in die große Mauer hat einbuddeln lassen. Ist natürlich ein Fantasy Film aber die Mauer ist echt. Wikipedia sagt, das Qin Shihuangdi die Mauer vermutlich gar nicht hat erbauen lassen. Es würde mich aber trotzdem interessieren ob es stimmt, das Leichen der Arbeiter im Fundament liegen.

Habt ihr eine Antwort?
 
Es gibt in manchen Kulturen - nach dem do ut des-Prinzip* - den Brauch Opfer für ein gutes Gelingen einer Baumaßnahme darzubringen. Da muss man gar nicht weit schauen. Im Schimmelreiter von Theodor Storm wird z.B. von abergläubischen Deicharbeitern - Hauke Haien markiert das als Aberglauben ("In welchem Katechismus hast du das denn gelernt?") - ein Hund in den Deich mit eingebuddelt (immerhin besser, als ein Kind: "Ein Kind ist besser noch; wenn das nicht da ist, tut's auch ein Hund!"). Ob beim Bau der Chinesischen Mauer (bzw. Mauern) solche Vorstellungen ebenfalls eine Rolle spielen, weiß ich nicht, aber das reziproke do ut des-Prinzip findet sich immer wieder. Letztlich ist das nichts anderes als ein Handel.



do ut des = ich gebe, dass du gibst
 
Man könnte allerdings viel nüchterner anmerken, dass ein solcher Bau sehr viele Leben gekostet hat.
Ob durch Unfälle oder andere Ursachen.
Dass man die Leichen dann etwas verbrämt in den Fundamenten beerdigt und etwas von "Opfer für die tolle Sache" faselt, ist dann nicht mehr als Publicity den überlebenden Arbeitern gegenüber, um die bei Laune zu halten.
 
Wir reden hier von einem Bauwerk das um 220 v. Chr. in der Qin – Dynastie begonen wurde.
Man baute an dieser Mauer fast 2.000 Jahre bis 1633 n.Chr.
Die Länge dieser Mauer 10.000 Li. 1 Li = 500 m. Somit beträgt die Länge = 5.000 km.

Wie viele Arbeiter am Bau beteiligt gewesen sind, lässt sich heute kaum mehr feststellen.
Sicher ist wohl nur zur Zeit der Qin-Dynastie (246 – 210 v. Chr.) wurde zum Beispiel jeder zwanzigste Untertan verpflichtet, am Mauerbau mitzuarbeiten.
Einer Legende nach wurden Arbeiter, die beim Bau starben, im Mauerwerk begraben. Schätzungen zufolge waren das Hunderttausende.
Eine genaue Zahl wird man kaum finden. Es sind im Endeffekt alles nur Schätzungen.

Wie viele Menschen sind beim Bau der Chinesischen Mauer gestorben?

Scrollen bis -> Der tödliche Tribut der Chinesischen Mauer: Ein düsteres Kapitel in der Geschichte
 
Einer Legende nach wurden Arbeiter, die beim Bau starben, im Mauerwerk begraben.

Es handelt sich um ein berühmtes Märchen, das in unzähligen Varianten kursiert.

Die früheste Version finden wir im Zuozhuan, dessen heutige Textgestalt auf das 3. vorchristliche Jahrhundert zurückgeht.* Diese Version ist allerdings noch kein Märchen, sondern eine Anekdote. Sie spielt im Jahr 500 v. Chr. in der Stadt Linzi (heute Stadtbezirk von Zibo, Shandong), 500 km von der heutigen Großen Mauer entfernt, Jahrhunderte vor dem Ersten Kaiser (Shihuangdi) und dem Bau der Großen Mauer:

Als Marquis Xiang von Qi von einem Feldzug zurückkehrte, bei dem einer seiner Männer namens Qi Liang gefallen war, traf er die Frau Qi Liangs in der Vorstadt und wollte ihr durch einen Boten sein Beileid ausrichten lassen. Die Frau (deren Namen nicht genannt wird) wies den Boten ab und bestand auf einem offiziellen, den Riten angemessenen Kondolenzbesuch zu Hause.*

Kein Zwangsarbeiter, keine Mauer, erst recht keine Bestattung in der Mauer...


Ein paar Jahrhunderte später, 18 v. Chr., wird die Frau im Lienüzhuan ("Biographien beispielhafter Frauen") mit einem Eintrag bedacht**. Die Anekdote von der Frau, die auf korrekte Einhaltung der Trauerriten besteht, hat inzwischen eine etwas rührselige Erweiterung erhalten: Die trauernde Witwe geworden (ein Name wird immer noch nicht genannt) legt Qi Liangs Leichnam an der Stadtmauer nieder und beweint ihn so lange, bis nach zehn Tagen die Stadtmauer einstürzt. Nach der Bestattung stürzt sich die Frau in den Fluss.

Jetzt haben wir immerhin schon eine Mauer, aber es ist nur eine Stadtmauer, nicht die Große Mauer, und die Geschichte spielt immer noch 300 Jahre vor Qin Shihuangdi. Und eingemauert wird der Leichnam auch noch nicht.


Noch ein paar Jahrhunderte später kursieren Erzählungen, in denen die Mauer mit der Großen Mauer identifiziert wird und Qi Liang folglich zum Zeitgenossen des Ersten Kaisers geworden ist. Jetzt erst wird Qi Liang eingemauert; die Frau weint, bis die Mauer einstürzt und die Gebeine freigibt. Die Frau hat inzwischen auch einen Namen und heißt je nach Version Meng Zi, Meng Zhongzi oder Meng Jiang. Unter letzterem Namen ist sie am berühmtesten geworden.

Vgl. https://api.pageplace.de/preview/DT0400.9780295800127_A26577239/preview-9780295800127_A26577239.pdf

* Text: 春秋左傳 : 襄公 : 襄公二十三年 - 中國哲學書電子化計劃 oder auch The Chinese classics .. : Legge, James, 1815-1897 : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive , englische Übersetzung: https://archive.org/details/chineseclassics03legggoog/page/504/mode/2up

** Text: https://ctext.org/lie-nv-zhuan/qi-qi-liang-qi/zh
 
Ich fand die Frage spannend und musste ein bisschen recherchieren.
Grundsätzlich findet sich schon der Brauch, Bestattungen in Befestigungsanlagen einzubringen.

Räumlich weit entfernt, zeitlich aber im oben für chinesische Quellen ermittelten Rahmen war mir die Bestattung eines Kindes in Hockerstellung zentral in der Tordurchfahrt des ("keltischen") Oppidums von Manching bei Ingolstadt geläufig.

Claus Öftiger schreibt in der Rezension zu "Das Osttor des Oppidums von Manching" in Band 15 der "Fundberichte aus Baden-Württemberg" dazu:
"Inmitten der Torhausgasse der südlichen Durchfahrt lag das Skelett eines Kindes in Hockerlage. Es war offensichtlich bei Anlage der Periode 2 hier bestattet worden (S. 15 f.), und die Deutung als ritueller Vorgang dürfte naheliegen. Daß es sich um eine Sonderbestattung handelt, zeigt allein schon die Tatsache, daß ansonsten Brandbestattung üblich war. Unverständlicherweise ist es bis heute nicht möglich gewesen, das gesamte Skelett (nach Urteil des Bearbeiters im Schädelbereich nicht sachgerecht restauriert, was ein „pathologisch wirkendes Erscheinungsbild“ zur Folge hat [S. 113]) in der wünschenswerten Vollständigkeit auf etwaige Verletzungen oder Anomalien anthropologisch zu untersuchen, (...)"

Auch, wenn die Deutung als ritueller Vorgang nur "nahe liegt" (Sic!), ist es doch ein handfester Hinweis auf einen sonst nur "hinter vorgehaltener Hand" erwähnten Weg, Befestigungen rituell zu erhärten.
Diese Maßnahmen sind aber selten dokumentiert und werden gefühlt übermäßig oft mit Bauwerken verbunden, bei denen eine solche Praxis nicht archäologisch belegt ist/werden konnte.

P.S. Hunde wurden im Übrigen damals noch gegessen, bevor man sie beerdigte. In Manching/BY
 
Auch, wenn die Deutung als ritueller Vorgang nur "nahe liegt" (Sic!), ist es doch ein handfester Hinweis auf einen sonst nur "hinter vorgehaltener Hand" erwähnten Weg, Befestigungen rituell zu erhärten.
Diese Maßnahmen sind aber selten dokumentiert und werden gefühlt übermäßig oft mit Bauwerken verbunden, bei denen eine solche Praxis nicht archäologisch belegt ist/werden konnte.
Das erinnert ein wenig an den Schimmelreiter, wo Hauke Haien in Konflikt mit seinen Deicharbeitern gerät, die einen Hund in den Deich ein buddeln, den Hauke befreit, ein Arbeit sagt ihm, dass es "etwas Lebiges" brauche, am besten ein Kind, aber zur Not täte es ein Hund eben auch. Dahinter steckt eine alte do ut des-Mentalität: man opfert ein Leben einer personalisierten (Natur)gewalt (in Manching wohl weniger der Naturgewalt, als einer latènezeitlichen Inkarnation des Mars oder der Bellona) in der Hoffnung, dass personalisierte Naturgewalt oder Kriegsgott/Kriegsgöttin sich ihre Opfer nicht selber holen.
 
Zurück
Oben