Berlin und Machtergreifung

G

Garry986

Gast
Guten Tag,
ich muss eine Hausarbeit zum Thema "Wie reagierte die Berliner Bevölkerung auf die Machtergreifung von 1933" schreiben.
Ich habe vor, als Einführung die Vorgeschichte , also kurz wie Hitler an die Macht kam, und den Fakelzug zu erwähnen. Danach muss man schon auf einzelne Gruppe/Parteien der Bevölkerung eingehen, und zwar, wie diese reagierten, ob sie das akzeptierten.
Ich habe Allgemeines dazu gefunden, und zwar die Meinung der Katholiken und der Kommunisten(Reichstagsbrand). Aber etwas Konkretes, speziell auf die Berliner Bevölkerung bezogen, habe ich nicht gefunden.
Vielleicht hätten Sie einige Ideen, was man in der Hausarbeit unbedingt erwähnen muss oder weiß jemand dazu Einiges?
Ich würde mich auch auf nützliche Links oder Literatur sehr freuen.
Vielen Dank im Vorraus!
 
Ist das Thema selbstgewählt? Denn wie willst du die Stimmung der Berliner Bevölkerung jener Tage tatsächlich messen? Du kannst höchstens schauen, wie die einzelnen (Lokal-)Zeitungen auf die Machtergreifung reagierten und ob es Reaktionen in den Leserbriefen dazu gibt. Gerade bei den Zeitungen musst du hier noch nicht sofort von Gleichschaltung ausgehen. Das ändert sich natürlich Ende Februar mit der Reichstagsbrandverordnung. Der Weg über die Zeitungen wäre ein halbwegs systematischer Zugang. Etwas weniger systematisch wäre ein Zugang über veröffentlichte Tagebücher* oder solche, die als Depositate in den Archiven liegen und schon zugänglich sind.
Die Voraussetzung für einen Archivbesuch wäre natürlich, dass du nah genug an Berlin bist.


*Mir würde da jetzt Victor Klemperer einfallen, aber der schreibt naturgemäß nicht über die Stimmung in Berlin, sondern in Dresden.
 
@Garry986

In Ergänzung zu dem Tipp mit den (Lokal-) Zeitungen. Wenn Du nicht zu weit von Berlin wohnst, dann kannst Du auch hier schauen:

Findbuch: R 1507, des Bundesarchives.

"Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung. Nachrichtensammelstelle im Reichsministerium des Innern

Informationen zum Bestand
Im August 1920 als innenpolitische Informations- und Nachrichtenstelle eingesetzt; unterrichtete die Reichsregierung über alle, die innere Lage des Reiches berührenden politischen Bestrebungen und Vorgänge; Auflösung 1929; Aufgaben wurden von der Nachrichtensammelstelle im Reichsministerium des Innern übernommen; Dienststelle ging 1933 im Geheimen Staatspolizeiamt auf."

http://startext.net-build.de:8080/b...ndex.htm?kid=3F8887EF06314EEDAC3ED462526381FB

M.
 
Etwas weniger systematisch wäre ein Zugang über veröffentlichte Tagebücher* *Mir würde da jetzt Victor Klemperer einfallen, aber der schreibt naturgemäß nicht über die Stimmung in Berlin, sondern in Dresden.

Bei G. F. Kennan (Biographie), der als Amerikaner in der Botschaft in Berlin gearbeitet hatte, werden die Berliner als sehr distanziert zum NS-Staat beschrieben.
 
Bei G. F. Kennan (Biographie), der als Amerikaner in der Botschaft in Berlin gearbeitet hatte, werden die Berliner als sehr distanziert zum NS-Staat beschrieben.

Das wäre immerhin eine Quelle. Doch mit wie vielen Berlinern hatte Kennan wirklich Kontakt und aus welchen Milieus? Letztlich handelt es sich dabei doch vermutlich eher um eine Außenwahrnehmung, oder?
 
Das stimmt, er stellt dabei auf "Körpersprache" ab, auch gegenüber den Insignien des NS-Staates. In diesem Sinne drückt sich aber vermutlich auch ein impliziter regionaler Vergleich aus, da er diese Distanz dann vermutlich in anderen Regionen Deutschlands so nicht beobachtet hat. Vermute ich.
 
Zuerst vielen vielen Dank für Ihre Antworten!
El Quijote, wie könnte ich mir diese Lokalzeitungen besorgen? Bei den Archiven?
Melchior, ich wohne leider in Stuttgart, aber trotzdem vielen Dank!
thanepower, ich werde die Biographie von Kennan sicher durchlesen!Danke!
Das Thema ist eigentlich von mir selbstgewählt. Mich interessiert die Geschichte von Machtergreifung und die Hausarbeit muss auf jeden Fall etwas mit Berlin zu tun haben.
Allerdings fürchte ich, dass bem Schreiben der Hausarbeit Probleme wegen Mangel an Material/Literatur auftauchen können.
Da es noch möglich ist, ein anderes Thema zu nehmen, hätten Sie vielleicht irgendwelche Tipps/Ideen, über was für noch ein Thema man eine Hausarbeit schreiben könnte?
Es muss eine Fragestellung sein, wie " Wie reagierte die Berliner Bevölkerung auf...", bezogen auf Berlin und Machtergreifung, wozu man aber genung Material finden könnte.
 
@Garry986

Da Du in Stuttgart wohnst ist ein link Deiner Hausarbeit für Deinen Untersuchungszeitraum (Uz) und zu diesem Thema schwierig.

In diesem nicht sehr wissenschaftlichen link findest Du Zeitungen die in Berlin im Uz erschienen:
Der Zeitungsmarkt in der Weimarer Republik

Hier zur DAZ:

Deutsche Allgemeine Zeitung ? Wikipedia

"...Es muss eine Fragestellung sein, wie " Wie reagierte die Berliner Bevölkerung auf...", bezogen auf Berlin und Machtergreifung, wozu man aber genung Material finden könnte. ..."

Und genau das ist das Problem in Stuttgart.

1. Versuch über dieses Portal Berliner Lokalzeitungen aus dem Uz zu suchen:

https://portal01.bsz-bw.de/servlet/Top/searchadvanced

Vllt. hast Du Glück.

2. Dann das Landesarchiv Baden-Würtemberg, da habe ich auf die Schnelle dieses gefunden:

https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs...Berliner+Zeitungen&logik=&letztesLimit=suchen

Dort könntest Du weitermachen, Archivare sind gegenüber Schülern und Studenten meist sehr hilfsbereit. ;)

Vllt. hilft Dir das als erster Rechercheansatz.

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zeitungen sind ein guter Zugang. Allerdings gab es nicht "die Stimmung" in Berlin damals. Ich würde die Arbeit nach verschiedenen Schichten gliedern, da Großbürgertum anders als Lohnarbeiter, Evangele anders als Katholik und Angestellter anders Arbeiter zur NSDAP stand. Die Unterschiede kann man vielleicht anhand der Zeitungen diskutieren, da die ja vll. jeweils einer Gruppe besonders nahe standen (evtl. gibt es ja Gewerkschaftszeitungen, bzw. DNVP-nahe Zeitungen oder Kirchenzeitungen - evang. vs. kath. - )
 
...Vielleicht hätten Sie einige Ideen, was man in der Hausarbeit unbedingt erwähnen muss oder weiß jemand dazu Einiges?
Ich würde mich auch auf nützliche Links oder Literatur sehr freuen.
Vielen Dank im Vorraus!

Was hältst du von der Idee, als Ausgangspunkt für deine Arbeit den antifaschistischen Roman "Unsere Straße" von Jan Petersen zu nutzen, der wohl als Quasi-Tatsachenbericht über eine Berliner "Arbeiter"-Straße 1933-34 angesehen werden kann. Dies bedeutete natürlich eine gewisse Einengung deines ursprünglichen Themas.
Über dieses Buch gibt es einige Informationen, z.B. in der Berliner Zeitung. und weiteres Wissenwertes hier.

Viel Erfolg!
Klaus P.
 
Interessanter Hinweis. Aber da Petersen KPD-Mitglied war, solltest du mMn das Werk nicht unreflektiert verwenden!
 
Ich habe schon mit der Hausrabeit begonnen. Recht herzlichen Dank für Ihre Hilfe!
 
Hallo,
weiß vielleicht jemand von den Reaktionen einiger Parteien auf die Machtergreifung?
Zu KPD gibt es ganz vieles.Auf jeden Fall gab es in Berlin schon Anfang Februar kommunistische Demonstrationen und Proteste.
Wie hat denn das Zentrum reagiert? Ich weiß nur, dass die Katholiken im Allgemeinen nicht zur Wählerschaft Hitlers angehörten und die Partei selbst eher versuchte, mit der NSDAP zusammenzuarbeiten. Gibt es noch was dazu?
Wie reagierte denn die SPD? Gab es da auch Demonnstrationen oder öffentliche Proteste?
Und wie reagierten die konservativen Parteien, wie DVP und DNVP?
DDP dürfte man außer Acht lassen, weil sie eher in den Hintergrund getreten ist, oder?
 
DDP dürfte man außer Acht lassen, weil sie eher in den Hintergrund getreten ist, oder?

Die DDP war zur Zeit der Machtergreifung durchaus noch existent, allerdings als Deutsche Staatspartei. Wichtig war sie aber nicht mehr (bei Wahlen 1933: 0,7 bzw 0,9 %, in Preußen & im Reich)... :still:

Deutsche Demokratische Partei ? Wikipedia

EDIT
Wie sich die verschiedenen Parteien mit der Machtergreifung arangierten, zeigte sich u.a. am 24.03.1933: Dem von den Nazis vorgeschlagenen Ermächtigungsgesetz, dass die faktische Abschaffung der Republik beinhaltete, stimmten alle "bürgerlichen" Parteien zu; nur die Abgeordneten der SPD stimmten dagegen, die der KPD waren schon nicht mehr in Freiheit, um solches tun zu können.

http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/ermaechtigungsgesetz/index.html

Auch wie die Parteien auf die mehr oder minder erzwungene Selbstauflösung im Juli 1933 reagierten könnte hier von Interesse sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie hat denn das Zentrum reagiert? Ich weiß nur, dass die Katholiken im Allgemeinen nicht zur Wählerschaft Hitlers angehörten und die Partei selbst eher versuchte, mit der NSDAP zusammenzuarbeiten. Gibt es noch was dazu?

Wie das Zentrum agierte, ist sehr ambivalent. Das Zentrum war ja eine der demokratischen Parteien, die zusammen u.a. mit der SPD gegen die Nationalsozialisten gekämpft hat. Angesichts der sofort einsetzenden Verfolgungen von KPD und SPD ist die Parteiführung dann aber umgekippt und hat versucht, die Schäfchen noch ins Trockene zu bringen. Offensichtlich hat es auch Seiten Hitlers Versprechungen an die Parteiführung gegeben, jedenfalls spricht Kaas in seiner Rede zur Zustimmung seiner Partei zum Ermächtigungsgesetz von solchen Zugeständnissen. Jedenfalls haben alle demokratischen Parteien außer der SPD dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt, das Zentrum war - außer der SPD - die größte davon.
Es war von der SPD verdammt mutig, dem Ermächtigungsgesetz nicht zuzustimmen, da einige Abgeordnete schon verhaftet waren, die Abgeordneten der KPD sowieso und im Saal waren - was an sich schon eine Unerhörtheit ist - SA und SS-Leute verteilt, welche die Abgeordneten beschimpften, anrempelten etc.
 
Bei G. F. Kennan (Biographie), der als Amerikaner in der Botschaft in Berlin gearbeitet hatte, werden die Berliner als sehr distanziert zum NS-Staat beschrieben.
Die Fakten sagen zunächst, dass die Berliner Wähler bei der letzten wirklich freien Wahl am 6.11.1932 mehrheitlich die Republikfeinde wählten (in %): KPD 31,0 (im Reich 16,8), NSDAP 25,9 (33,0) und DNVP 11,3 (8,3) gegen SPD 23,3 (20,4) und Zentrum 4,4 (11,9). [1]
Das Zentrum spielte in Berlin erkennbar keine Rolle. Dass KPD- und SPD-Mitglieder nach dem 30.1. sich distanziert verhielten, ist plausibel - aber was heißt das? Zu einer großen Kampagne der "Linken" kam es jedenfalls nicht, schon gar nicht zu einer gemeinsamen.

Wie das Zentrum agierte, ist sehr ambivalent. Das Zentrum war ja eine der demokratischen Parteien, die zusammen u.a. mit der SPD gegen die Nationalsozialisten gekämpft hat. Angesichts der sofort einsetzenden Verfolgungen von KPD und SPD ist die Parteiführung dann aber umgekippt und hat versucht, die Schäfchen noch ins Trockene zu bringen. Offensichtlich hat es auch Seiten Hitlers Versprechungen an die Parteiführung gegeben, jedenfalls spricht Kaas in seiner Rede zur Zustimmung seiner Partei zum Ermächtigungsgesetz von solchen Zugeständnissen.
Das Zentrum hatte zunächst angenommen, es würde als Mehrheitsbeschaffer im Reichstag gebraucht. Aber Hitler hatte ja eine andere Option: Nach Scheinverhandlungen Anfang Februar erklärte er, das Zentrum hätte zu große Forderungen gestellt - was natürlich gelogen war - und betrieb die Auflösung des Reichstags; mit der Neuwahl am 5.3. erlangten Hitler und Hugenberg die Mehrheit.

Ambivalenz - sicherlich! Klaus Scholder [2] beschreibt minutiös, wie Hitler die "drei Ebenen" des Katholizismus gegen einander ausspielte: das deutsche Episkopat, die Zentrumspartei und den Vatikan. Die Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz war zweifellos der letzte Versuch des Zentrums, sich das (minimale) Wohlwollen des Diktators zu erkaufen. Scholder macht plausibel (S. 312 ff.), dass Kaas dabei einerseits auf "bestimmte, mir durch den Herrn Reichskanzler gegebene Zusicherungen sowohl allgemeinpolitischer als kulturpolitischer Art" vertrauen wollte, vor allem aber den erfolgreichen Abschluss der Konkordatsverhandlungen im Blick hatte.

Und die Katholiken selbst, die noch am 5.3. standhaft für "Ihr" Zentrum gestimmt hatten (mit 4,9 % in Berlin und immerhin 11,3 % im Reich)? Etwas polemisch ausgedrückt - man hat sie im Stich gelassen; dass sich die politische Verfolgung zunächst auf die Linken konzentrierte, verleitete viele - wie El.Q. bereits andeutete - zu der irrigen Meinung, es werde schon alles "im Rahmen bleiben".


[1] Zahlen nach Ribbe (Hg.) Geschichte Berlins. Bd. 2, S. 934; interessant auch die Aufgliederung nach Wahlbezirken (z.B. Wedding 47,0 für KPD).
[2] Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 1, S. 300 ff.
 
Hallo,
ich möchte mich noch Mal für Ihre Hilfe bedanken!
Ich bin schon mit den Parteien durchaus fertig geworden und jetzt ist es meine Aufgabe, sich mit der sozialen Schichtung Berlins und ihrem Verhalten gegenüber Hitler zu befassen.
Hätte jemand vielleicht einen Link bzw. weiß jemand etwas darüber, wie viele Menschen 1933 in Berlin lebten, welche soziale Schichten gab es? Eventuell irgendwelche Statistiken, prozentuelle Anteile oder Diagramme?
Danke im Vorraus
 
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