Beutewaffen im 2. Weltkrieg

swie

Aktives Mitglied
Hallo zusammen :winke:

Mir ist aufgefallen, dass der Wehrmacht im 2. Weltkrieg beträchtliche Beutewaffenbestände zufielen. Ich habe mal Wikipedia gefragt. Im Jahr 1941 fielen der Wehrmacht in der Sowjetunion 6678 Geschütze und 317 Panzer allein bei den Kesselschlachten bei Uman, Kiew und Bialystok-Minsk unversehrt zu. Hinzu müssten eigentlich noch hunderte weitere Geschütze und Panzer kommen, die an anderen Frontabschnitten zurückgelassen wurden. Bei der Kesselschlacht bei Smolensk zum Beispiel sollen den Deutschen je nach Quelle 3000 bis 3200 Panzer zugefallen sein. Nehmen wir aber die geringere Zahl von 3000.

Laut dem Buch "Die Schlacht um Moskau" verloren die Deutschen vom 1. Oktober 1941 bis zum 15. März 1942 1.900 Geschütze und 2.340 Panzer. Ich nehme an, die Verluste der Deutschen vom 22. Juni bis zum 1. Oktober waren sogar geringer, als die während der sowjetischen Gegenoffensive. Dennoch erhält man, wenn man die Verluste verrechnet, ein überraschendes Ergebnis.

Die Wehrmacht hätte rein rechnerisch jetzt mindestens 4.778 Geschütze und 977 Panzer mehr als bei Beginn des Feldzuges. Ich finde das enorm.

Und jetzt meine Frage:

Selbstverständlich sind die Menschenverluste nicht auszugleichen, aber materiell dürften die Deutschen doch den Sowjets nun enorm überlegen gewesen sein. Oder konnten die erbeuteten Panzer und Geschütze nicht viel ausrichten, weil Treibstoff fehlte? Oder handelte es sich hauptsächlich um alte Typen, z.B. T-26, deren Waffen nicht gegen mdoerne sowjetische Panzer wie den T-34 ausreichten, und deshalb verschrottet wurden? Und was geschah mit den Beuteinfanteriewaffen? Wenn man die große Zahl von 2,5 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen im Jahr 1941 (laut "Die Schlacht um Moskau") bedenkt, dürften der Wehrmacht auch hunderttausende Gewehre zugefallen sein. Dürfte sich nicht auch dies stark ausgewirkt haben?

Ich bin gespannt auf Eure Antworten :)

Gruß
swie
 
Hi Swie,

Panzer, Flugzeuge oder Kanonen zu erbeuten ist eine Sache, die für deren Betrieb notwendigen Ersatzteile und Munition eine Andere!
Letztere wurden nicht im erforderlichen Umfang erbeutet um Beutewaffen in Fronteinheiten einzusetzen (es gibt natürlich Ausnahmen). Der Materialverschleiß und Munitionsbedarf der Kampfeinheiten war einfach zu groß.

Willkommen waren Beutewaffen dagegen in den rückwärtigen Gebieten und der Heimat.
- Beuteflak in Flakschulen und zum Objektschutz (Fabriken, Flugplätze, usw)
- Beutepanzer zum Objektschutz (Flugplätze) und z.B. zur Küstenverteidigung am Atlantikwall
- Beuteartillerie zur Küstenverteidigung am Atlantikwall und in Artillerieschulen
- Infanteriewaffen für Wachmannschaften in Gefangen- oder Straflagern sowie zu Ausbildungszwecken

Durch den Einsatz der Beutewaffen in den rückwärtigen Gebieten wurden natürlich Kapazitäten für die Fronteinheiten frei.

Gruß
Andreas
 
Was konkrete Quellen angeht, bin ich zu dieser Epoche nicht sehr firm, was aber insofern minder tragisch ist, da wir hier in diesen Dingen ausgesprochen quellenfeste Leute haben.

Nur so aus dem Bauch raus:
Der unmittelbaren Verwendung von Beutewaffen stehen grundsätzlich einige Hemmnisse im Weg.

1. Mangel an passender Munition
Es nützt nichts, eine Kanone zu haben, wenn man nicht genug dazu passende Munition hat. Ich gehe aber davon aus, dass den Deutschen zumindest zu Beginn von Barbarossa neben den Waffen auch große Mengen dazu passender Munition in die Hände gefallen sein dürften, zumal die Russen unerklärlicherweise riesige Depots in direkter Nähe zur deutsch-russischen Grenze aufgebaut hatten.

2. Mangel an passenden Ersatzteilen
Grundsätzlich analog zu 1., aber in Sachen Ersatzteile dürften die Beutebestände nicht so groß gewesen sein wie bei der Munition. Außerdem war der Verschleiß in Russland enorm, so dass eventuelle Ersatzteilbestände rasch aufgebraucht gewesen sein dürften. Grundsätzlich könnte man natürlich eigene Ersatzteile produzieren, aber erstens müsste diese Produktion erst anlaufen und zweitens war die deutsche Industrie schon mit der Produktion des eigenen MAterials hoffnungslos überlastet.

3. Mangel an ausgebildetem Personal.
Um Beutematerial effektiv nutzen zu können müssen sich eigene Soldaten damit ausreichend gut auskennen. Ich kann mir vorstellen, dass im Verlauf des Feldzugs etliche deutsche Soldaten mit der russischen Technik vertraut wurden, allein das braucht seine gewisse Zeit.
Unabhängig davon braucht es überhaupt Personal, um das erbeutete Material zu bedienen. Ob die Deutschen über genügend Personal verfügten, um auch noch signifikante Mengen zur Umschulung auf russische Beutewaffen abzustellen, wage ich zu bezweifeln.

4. Verwechlsungsmöglichkeiten
Speziell beim T 34 war es wohl so, dass deutsche Panzer- oder PaK-Besatzungen sofort schossen, und nicht allzu viel Mühe darauf verwendeten, nachzusehen, ob das Fahrzeug vielleicht ein Balkenkreuz trug...


Soweit mir bekannt, wurden die russischen Beutefahrzeuge zum größten Teil an die schlecht ausgerüsteten Verbündeten abgegeben oder im rückwärtigen Raum zur Partisanenbekämpfung eingesetzt, wo auch veraltete Typen wie T 26 noch brauchbar waren.
Ich schließe auch nicht aus, dass die Truppe im Kleinen in ihrer (Material-)Not immer wieder mal die Verwendung russischer Beute praktizierte, aber in einem größeren geschlossenen Rahmen, der nötig wäre, um strategisch effektiv zu sein, ist mir nichts bekannt.

Edit:
Sorry für die Redundanz, da haben ein paar Leute etwas schneller gezogen, während ich noch schrieb...
 
Grundsätzlich wurden Beutefahrzeuge in der Wehrmacht sehr gern, wenn nicht sogar zu gern eingesetzt, was die Ersatzteilversorgung ind en späteren Kriegsjahren entscheidend verkomplizierte.

So setzte die Wehrmacht schon zu Beginn von Barbarossa französische und tschechische Beutepanzer in Größenordnungen ein. Später auch sowjetische und italienische Fahrzeuge.

Der nicht massenhafte Einsatz sowjetischer Beutepanzer in den von Dir genannten Größenordnungen beruht auf mehreren Faktoren:

1. Beschädigungen der Beutefahrzeuge und aufgrund unterschiedlicher Fertigungstechniken fehlende Reparatur- und Wartungsmöglichkeiten
2. fehlender Zeitmangel an Umschulungen deutscher Fahrer (Panzerfahren war damals nicht gleich Panzerfahren, sondern aufgrund unterschiedlicher Motoren und Kupplungen höchst unterschiedlich in der Handhabung)
3. Umgewöhnung des Richtschützen (wesentlich bessere deutsche Optik, was den Kampfwert des Richtschützen in eienm deutschem Panzer erhöhte)
4. Die Masse der erbeuteten sowjetischen Panzer waren veraltete Typen, die an Nebenkriegsschauplätzen eingesetzt wurden, da leistungsfähige Typen wie T34 und KW1 und 2 erst nach und nach an die Front kamen
 
Wir hatten hier schonden oben angegebenen Pfad der sich mit diesem Thema befasste.

Von den erbeuteten Geschützen wurden sehr viele von der Wehrmacht verwendet. Einge sogar im Westen und in Nordafrika. Als die erbeutete Munition zur Neigung ging wurde sie sogar in Produktion genommen.

Bei den Panzern dürfte sich es eher um veraltete Modelle gehandelt haben, bei denen sich dieser Aufwand nicht lohnte. Es sind zwar im Laufe des Krieges zahlreiche T34 verwendet worden, m.W. aber nie in kompletten Verbänden und zumeist nur Lokal von den Einheiten, die sie erbeutet hatten. Vereinzelt auch KV1 und 2 und verschiedene Spähpanzer. Von älteren Panzermodellen ist mir das nicht bekannt.

Infanteriewaffen wurden so weit mir bekannt nur von den Soldaten benutzt, die sie erbeuteten. Besonders die russischen MPs (PPSh) waren beliebt. M.W. wurden Beutewaffen auch an Vlassov-Truppen ausgegeben, da diese in deren Gebrauch schon trainiert waren.
 
[...]Von den erbeuteten Geschützen wurden sehr viele von der Wehrmacht verwendet. Einge sogar im Westen und in Nordafrika. Als die erbeutete Munition zur Neigung ging wurde sie sogar in Produktion genommen.[...]
Wurden nicht auch zahlreiche sowjetische Beutewaffen nach Verschuss der letzten Beutemunition auf deutsche Kaliber umgerüstet? So etwa die russischen Flak Modell 1931/1938/1939.
Das Munitionsproblem scheint mir schon signifikant gewesen zu sein.:grübel:
 
Wurden nicht auch zahlreiche sowjetische Beutewaffen nach Verschuss der letzten Beutemunition auf deutsche Kaliber umgerüstet? So etwa die russischen Flak Modell 1931/1938/1939.
Das Munitionsproblem scheint mir schon signifikant gewesen zu sein.:grübel:

Ist möglich. Ich weiss dass für die 76,2 mm Feldkanone Munition und Ersatzrohre produziert wurden. Ein Ausgezeichnetes Geschütz das als PAK nutzbar war (sehr hohe Vo) und das m.W. von den Deutschen auch in Selbsfahrlaffeten eingebaut wurde.

Für die Flak müsste ich nachsehen.
 
Vielen Dank für die vielen hilfreichen Antworten. Ich hatte die Suchfunktion bereits genutzt, fand allerdings kein ähnliches Thema, deshalb eröffnete ich diesen Thread. Wobei ich zugeben muss, dass ich nicht allzulange gesucht habe.

Ich denke, die genannten Faktoren ergeben allesamt Sinn. Danke nochmals für die hilfreichen Antworten. :winke:
 
Einiges geben die Rüstungskonferenzen Speer-Hitler her, zB

14./15.4.1942
Sockelfertigung für 883 Rohre bewegliche 15,5cm sFH 414 (fr.), 300 Rohre 10,5cm Kan. 331 (fr.) sowie 902 Rohre ortsfest 15,5cm sFH 414 (fr.)

6,/7.5.1942
In Auftrag gegebene 2.000 Stück frz. PaK 7,5cm auf Lafette Pak38. (die zweite Hälfte wird am Ende Juli 42 einsatzbereit gemeldet)

7.-9.9.1942
Möglichkeit des Aufbohrens der russ. 7,62cm und 8,5cm auf das deutsche Maß 8,8cm wird bestätigt. Aufgebohrte Geschütze p.M. ca. 150.

11.11.1942
Meldung über insgesamt etwa 1800 erbeutete russ 7,62cm Infanteriegeschütze. (6.3.43: 740 Stück instand gesetzt und weitere 760 Auslieferung bis April 43)

usw. Dazu auch DRZW 5/2, Einsatzzahlen Beutegeschütze Stand März 1944: 8.337 (Gesamtbestand des Heeres inkl. Eigenfertigung 17.589, also Beuteanteil knapp unter 50%), davon im Westen 3.823.


Man könnte das wie folgt sehen:
1) ohne die Beutewaffen (inkl. Transportwesen) wäre die Wehrmacht im Juni 1941 nur erheblich geringeren motorisierten Verbänden in den Ostfeldzug gegangen.
2) die Wehrmacht wäre ohne (schwere) Beutewaffen im Jahre 1943/44 vermutlich auf 2/3 der Iststärke zu reduzieren.

Hinzu kommt die weitere Produktion im deutschen Machtbereich Europas, sozusagen Beutewaffen (und -munition) im weiteren Sinn.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sind eigentlich Zahlen bekannt, wie viele Beutewaffen die kriegführenden Nationen, vor allem Deutschland, in welchen Jahren besaßen bzw. erbeuteten? silesia hatte ja schon einige interessante Zahlen genannt.
 
Für die Flak müsste ich nachsehen.


Was ich zur Flak weiß:

Bei den Großbatterien die 1944 im Raum Halle-Leipzig installiert waren, wurden zT russische 12,7 Beuteflak eingesetzt, die deutsche 8,8 reichte nicht mehr bis zu den Einflughöhen der alliierten Bomber, und von der deutschen 12,7 gab es vermutlich zu wenige.

Grundsätzlich darf man wohl davon ausgehen, dass alles irgendwie verwendbare an Waffen und Gerät auf die eine oder andere Art genutzt wurde.
Alkett zB war eine Firma die sich auf die "Aufbereitung" aller gepanzerten Fahrzeuge spezialisiert hatte.
Die franz. Panzer, die in großen Mengen 1940 erbeutet wurden, entsprachen nicht der deutschen Panzertaktik. Wurden die Fahrgestelle und Wannen idR für Selbstfahrlafetten verwendet, die Türme zB 1945 an der Oder als ortsfeste Artillerie eingebaut.
 
Noch viel profaner:

Es existiert ein Führerbefehl von Mitte Dezember 1945, dass
"Gefangene und Zivilbevölkerung ihrer Winterbekleidung zu entkleiden war"

Waffen sind das ja nicht, aber ohne war eine Kriegführung auch nicht möglich.


Nachweis kann ich bei Bedarf heraussuchen.
 
...
Bei den Großbatterien die 1944 im Raum Halle-Leipzig installiert waren, wurden zT russische 12,7 Beuteflak eingesetzt, die deutsche 8,8 reichte nicht mehr bis zu den Einflughöhen der alliierten Bomber, und von der deutschen 12,7 gab es vermutlich zu wenige.

..

Der deutsche Equivalent war die 12,8 cm Flak 40. Von dieser wurden nur 1128 Stück gebaut.
 
Der deutsche Equivalent war die 12,8 cm Flak 40. Von dieser wurden nur 1128 Stück gebaut.

Wenn ich das richtig sehe, wurde das Aufbohren der russischen 12,2cm auf 12,8cm geprüft und war wohl ebenfalls machbar.

In den "produziert 1.128" sind möglicherweise aufgebohrte 12,2 enthalten, da die Geschützbestände der Flak folgenden Stand aufwiesen (Koch, FLAK - Die Geschichte der deutschen Flakartillerie 1939-45, 2. erw. Auflage, S. 652):

Stand Flakgeschütze - Flakartillerie der Luftwaffe

August 1944:
12,8cm - 103 (davon 76 Eisenbahngeschütze)
10,5cm - 2.068 (davon 166 Eisb., 877 ortsfest, 1.025 verlegbar)
8,8cm - 11.089

Februar 1945:
12,8cm - 683 (davon 212 Eisenbahngeschütze)
10,5cm - 1.884 (davon 166 Eisb., 877 ortsfest, 1.025 verlegbar)
8,8cm - 9.602
[jeweils alle Typen je Kaliber]

Als Exoten kamen vereinzelt auch die 9,4cm (englisch) M39 Vickers, 9cm (frz.) M39, 8,35cm-Flak22 (tschechisch) zum Einsatz.

Im Chemiedreieck war das Flak-Regiment 33 ("Flakgruppe Halle-Leuna", später 21. Flak-Brigade) sowie das Flak-Reg. 145 ("Flakgruppe Merseburg") eingesetzt, zuletzt mit etwa 70 schweren Batterien (und aufgestockt von 4 auf 6 Rohren je. Batt.), dazu weitere nicht diesen Regimentern zugeordnete Batterien sowie RAD-Batterien.

Verwendet wurden 8,8, 10,5 und 12,8cm -> Nicolaisen II.

Insbesondere die 12,8 wurden auch aus anderen Bereiche abgezogen und Ende 1944 hier konzerntriert, so zB die 3./s 435 (Doppelbatterie Haffershausen bei Frankfurt/M.) oder die s. Flak-Abt. 627 vom Mittellandkanal.
 
Ich bitte darum! :rofl:

Gruss, muheijo


Was soll das?
Verarschen kann ich mich selbst mein Lieber.:motz:

Aber, was rege ich mich auf.:)
Wir machen das anders.

Den Befehl gibt es.
Er ist in einer Standardquelle zum 2. WK zu finden (vermutlich unter anderem) datiert ziemlich genau von Mitte Dezember 1941. Einer der "Mitschreiber" der Quelle trägt einen englisch klingenden Vornamen.

Und muheijo hat 24 Stunden Zeit den Befehl zu finden. :devil:

Jeder andere kann den Nachweis jederzeit per PN von mir haben:rofl:
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo, bin durch Zufall auf diesen Thread gestoßen und hoffe,daß ihr mir meine Frage beantworten könnt.
Der Wirkungsradius einer explodierenden Flakgranate liegt bei ca. 10m. Die damaligen deutschen Funkmeßgeräte hatten eine Fehlertoleranz von +/- 100m, was bedeutet, daß auf unzählige Granatenabschüsse, einmal ein Flugzeugabschuss kam. So rechnete die RAF bei den Bomberangriffen mit ca. 10% Verlust. Davon entfielen 3-5% auf Flak.
Nun meine Frage.
Warum betrieb man mit der Flakabwehr einen so ressourcenfressenden und ineffektiven Apparat? Hat das eine moralische Ursache?
 
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