Beziehungen DDR - Schweden

Carolus

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Hallo,

ich habe vor kurzem von einem (west-)deutschen Bekannten erfahren, daß er in den frühen 80er Jahren von Ost-Berlin mit dem Zug zu einem Ostseehafen gefahren ist und von dort mit der Fähre nach Schweden weiterreiste. Leider wußte er nicht mehr, ob diese Fährverbindung nach Schweden auch von DDR-Bürgern benutzt werden konnte. Ich kann es mir zwar nicht vorstellen, aber vielleicht weiß jemand hier im Forum, ob DDR-Bürger auch nach Schweden reisen durften.

Obwohl Schweden im Grundsatz eine Marktwirtschaft war (wenngleich mit sehr hohen staatlichen Anteilen), hat es in der Zeit des kalten Krieges eine Neutralitätspolitik zwischen den Blöcken betrieben (die schwedische Neutralität hatte ja eine gewisse Tradition).

Wirtschaftlich muß es doch einige Beziehungen gegeben haben. Ich erinnere mich, daß die Staatskarossen in der DDR nicht von Trabant/Wartburg waren, sondern von Volvo. Hat der Handel mit Schweden sich grundlegend vom Handel mit anderen westlichen Ländern unterschieden?
 
Das war die Fähre Sassnitz-Trelleborg. Für normale DDR-Bürger war diese Linie nicht benutzbar. Man hatte zwar ganz gute Beziehungen zu Schweden, aber so weit ging die Freundschaft nun doch nicht.
 
Vorab einiges zur Literatur:

Es gibt einen VfZ-Aufsatz zu DDR/Schweden in den 50er Jahren, digital verfügbar.
http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1993_3.pdf
Scholz: Östen Unden und die schwedische Deutschlandpolitik in den fünfziger Jahren, S. 391ff..
Gefunden habe ich noch:
Deutsch-skandinavische Beziehungen ... - Google Bücher
mit einigen Aufsätzen zu den speziellen Beziehungen DDR/Schweden.

Schweden hatte die DDR 1972 anerkannt, das dürfte den Aufschwung der wirtschaftlichen Beziehungen befördert haben (es gab übrigens auch russische Staatskarossen ;) ). Auslandsreisen würde ich nur bei "sicheren" Personen annehmen, also zB Wirtschaftsdelegationen der Betriebe für den Warenaustausch (mir ist das selbst ein Fall bekannt, betraf Schweden und Großbritannien im Export, da waren Reisen üblich). Eine allgemeine Ausreisemöglichkeit dürfte es nicht gegeben haben, wegen der Fluchtgefahr.

Zu den politischen Beziehungen noch dieses:
Die politische Auslandsarbeit der ... - Google Bücher

Schweden war auch Exilland während der NS-Zeit. Es dürften einige von dort einige ehemalige KPD-Mitglieder in die DDR übergewechselt sein, was auch zur Erklärung beiträgt:
Skandinavische Erfahrungen erwünscht ... - Google Bücher
 
Auslandsreisen würde ich nur bei "sicheren" Personen annehmen, also zB Wirtschaftsdelegationen der Betriebe für den Warenaustausch (mir ist das selbst ein Fall bekannt, betraf Schweden und Großbritannien im Export, da waren Reisen üblich). Eine allgemeine Ausreisemöglichkeit dürfte es nicht gegeben haben, wegen der Fluchtgefahr.


Schweden war auch Exilland während der NS-Zeit. Es dürften einige von dort einige ehemalige KPD-Mitglieder in die DDR übergewechselt sein, was auch zur Erklärung beiträgt:
Skandinavische Erfahrungen erwünscht ... - Google Bücher

Vielen Dank für die Literaturrecherche!

Eine von den "sicheren Personen" war der Chef des DDR-Auslandsgeheimdienstes Markus Wolf, von dem dort ein seltenes (aufgrund beruflich bedingter Medienscheu) Photo bei einem privaten Aufenthalt in Stockholm gemacht wurde. In Oslo (Norwegen ist NATO-Mitglied) hätte sich Herr Wolf wahrscheinlich nicht getraut, einen Einkaufsbummel zu machen.

(Während der NS-Zeit war übrigens auch Willy Brandt Exilant in in Schweden.)

Jemand sagte mir, daß der Palast der Republik vom gleichen Architekten stamme wie das Kulturhuset in Stockholm. Eine Recherche in der Wikipedia konnte das allerdings nicht bestätigen. Eine gewisse Ähnlichkeit besteht schon, aber das mag vielleicht auch nur der architektonische Stil der 70er Jahre sein, der systemübergreifend ähnliche Bauwerke hervorbrachte.

Hat dazu jemand Informationen, ob Schweden am Bau des Palastes der Republik beteiligt waren?
 
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Auf der deutschsprachigen Seite von Radio Sverige (Radio Schweden) wird über die Arbeit einer schwedischen Germanistin berichtet, die die Kulturpolitik der DDR ggü. Schweden untersucht hat.

Dabei hat die DDR gezielt versucht, aus ihrer Sicht interessante Persönlichkeiten anzusprechen und sie in ihrem Sinne zu beeinflußen.

„Für die DDR galt es, systematisch und strategisch Kontakte mit schwedischen Machthabern zu knüpfen, mit Kulturpolitikern und Parlamentariern um Unterstützung zu gewinnen“, summiert Almgren. „Zunächst bis 1972 um auf die Anerkennung der DDR als Staat hinzuwirken. Für die Zeit danach zeigen die Archive, wie Menschen zur ideologischen Missionierung ausgebildet wurden.“
Sozialismus sollte verbreitet, Kapitalismus und Imperialismus enthüllt werden, so die Forscherin weiter.


In einem weiteren Artikel habe ich gelesen, daß Olof Palme persönlich intervenierte, um DDR-Bürgern die Ausreise nach Schweden zu gestatten. Dabei handelt es sich allerdings um spezielle Fälle:

Hintergrund waren zahlreiche Bauprojekte, die schwedische Unternehmen in der DDR durchführten. Schwedische Bauarbeiter lebten über mehrere Monate in der DDR und lernten hier ihre Partner kennen. Mit der aufgrund des Briefes erteilten Ausreisegenehmigung nahm die DDR laut Almgren mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Gelegenheit wahr, eine Reihe Agenten nach Schweden einzuschleusen.
 
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Olof Palme ist wohl der einzige westliche Politiker, der in der DDR eine Strassenbenennung nach seiner Ermordung bekam. Der Olof-Palme-Platz befindet sich in Stralsund nahe des Alten Hafens.

Die gestern erwähnte Fährlinie war übrigens schon zu Kaisers Zeiten in Betrieb. 1917 schleuste man Lenin und seine Revoluzzer so über Schweden nach Russland. 1961, unmittelbar nach dem Mauerbau, sprangen einige Passagiere und Besatzungsmitglieder in Trelleborg über Bord ins Hafenbecken, um in den Westen zu gelangen. Das passierte auch in Gedser/Dänemark, obwohl ständig zivile Stasi-Leute mitfuhren, die das verhindern sollten. Landgang gab nämlich es nicht.
 
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Das war die Fähre Sassnitz-Trelleborg. Für normale DDR-Bürger war diese Linie nicht benutzbar. Man hatte zwar ganz gute Beziehungen zu Schweden, aber so weit ging die Freundschaft nun doch nicht.

Die gestern erwähnte Fährlinie war übrigens schon zu Kaisers Zeiten in Betrieb. 1917 schleuste man Lenin und seine Revoluzzer so über Schweden nach Russland. 1961, unmittelbar nach dem Mauerbau, sprangen einige Passagiere und Besatzungsmitglieder in Trelleborg über Bord ins Hafenbecken, um in den Westen zu gelangen. Das passierte auch in Gedser/Dänemark, obwohl ständig zivile Stasi-Leute mitfuhren, die das verhindern sollten. Landgang gab nämlich es nicht.

Wer ist denn da eigentlich auf der Fähre mitgefahren? Waren das denn nur DDR-Bürger mit VIP-Status und Schweden?
 
So kann man es sagen. Fast nur Skandinavier, oft Sauftouristen auf Tagesausflug oder Fernfahrer auf Transit. DDR-Bürger eigentlich nur wenige linientreue "Reisekader", die dienstlich dort was zu tun hatten und vermutlich doppelt soviele Aufpasser von der Stasi.
 
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So kann man es sagen. Fast nur Skandinavier, oft Sauftouristen auf Tagesausflug oder Fernfahrer auf Transit. DDR-Bürger eigentlich nur wenige linientreue "Reisekader", die dienstlich dort was zu tun hatten und vermutlich doppelt soviele Aufpasser von der Stasi.



Obwohl der DDR-Otto-Normalverbraucher nicht die Fährverbindung nach Schweden benutzen durfte, gab es anläßlich des 70-jährigen Bestehens der Fährverbindung in DDR eine entsprechende Briefmarke:

700px-Stamps_of_Germany_(DDR)_1979,_MiNr_Zusammendruck_2429,_2430.jpg
 
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