Formal hatte Frankreich den Krieg begonnen, das ist schon richtig. Aber durch die Kandidatur des Fürsten Leopold von Hohenzollern- Sigmaringen, einer Nebenlinie der preußischen Hohenzollern, fühlte sich die französische Öffentlichkeit und Regierung stark provoziert. Da spielten sicher auch Erinnerungen an die Zeiten Karl V. eine Rolle.
Bismarck hatte zu jener Zeit nicht nur Erfolge zu verbuchen. Genannt seien hier die Zollparlamentswahlen, die Stärkung der süddeutschen Opposition, Regierungskrisen in Bayern und Württemberg und die Abzeichnung einer Auseinandersetzung über das Budget für das Militär. Es lief also damals nicht auf der Überholspur in Richtung Einheit.
In Spanien hatten die Militärs 1868 ihre Königin gestürzt. Frankreich brachte einen eigenen bourbonischen Thronfolger ins Gespräch, der jedoch von den Spaniern nicht akzeptiert worden war. Sie wollten stattdessen einen deutschen Thronfolger und kamen dabei auf den Fürsten Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen.
So eine Kandidatur musste fast zwangsläufig Rückwirkungen auf Frankreich haben und dies wird auch einen Politiker von Formate Bismarcks auch gewusst haben.
Bismarck hatte diese Kandidatur mit Nachdruck betrieben gehabt. Ein Argument, welches Bismarck nannte, war, das es so gelingen könnte, Spanien dem Einfluss Frankreichs zu entziehen und so im Falle einer militärischen Auseinandersetzung mit Frankreich einen Bündnispartner zu gewinnen, der entsprechende französische Kräfte binden könnte.
Der Einwand, dass gerade so eine Kandidatur ein Krieg gegen Frankreich wahrscheinlicher machen würde, konterte Bismarck mit dem Argumente „Wir haben die Erhaltung des Friedens auf Dauer nicht vom Wohlwollen Frankreichs, sondern nur von dem Eindrucke unserer Machtstellung zu gewärtigen."
Als weiteres Argument für die Kandidatur brachte Bismarck den internationalen Prestigegewinn für das Geschlecht der Hohenzollern und das politische Interesse Preußens ins Spiel.
Eine wichtige Frage ist, ob Bismarck schon zu diesem Zeitpunkt, Ende 1869 Anfang 1870, Frankreich gezielt herausgefordert wissen wollte oder ob es ihm um lediglich um die Erzielung eines großen diplomatischen Erfolg ging?
Am 20.April 1870 hatte jedenfalls Leopold die Kandidatur erst einmal abgelehnt gehabt und Bismarck konnte seine Überlegungen als erledigt betrachten. Aber am 15.Mai 1870 wurde der bisherige französische Botschafter in Wien, Gramont, neuer französischer Außenminister. Gramont war für seine antipreußische Einstellung bekannt. Gramont brauchte diplomatische Erfolge, um so auf diesem Wege das Systems Napoleon III. zu stabilisieren.
Innenpolitisch war es in Frankreich 1869 und 1870 ziemlich unruhig. Da waren zum einen die Auseinansetzungen um die Reformierung der Verfassung. Frankreich war ja 1869 in eine konstitutionelle Monarchie umgewandelt worden. Zum anderen gab es in Paris aber auch in restlichen Frankreichs Streiks der Industriearbeiter. Diese unruhige politische Situation in Frankreich hat selbstverständlich bei den Reaktionen Frankreichs eine Rolle gespielt.
Bismarck betrieb die Kandidatur von Leopold nun erneut. Es gelang ihm, Leopold zu überreden, die Kandidatur für den spanischen Thron doch anzunehmen. Damit ging Bismarck eindeutig auf Konfrontationskurs zu Napoleons Frankreich. Bismarck verstand es nach außen hin, die Frage der Kandidatur als rein dynastische Angelegenheit der Hohenzollern zu verkaufen. Mit diesem Kunstgriff wollte er natürlich die französische Position verschlechtern.
Zu Beginn des Juli 1870 wurde Frankreich durch Spanien offiziell die Kandidatur von Leopold zur Kenntnis gereicht. Gramont und Ollivier drohten Preußen im französischen Parlament mit Krieg.
Es gelang den französischen Botschafter Benedetti in Bad Ems Wilhelm I. erfolgreich zu bearbeiten. Wilhelm erklärte sich bereit bei den Hohenzollern von Sigmaringen zu intervenieren. Leopold zog seine Kandidatur nun endgültig zurück. Die französische Diplomatie hatte einen glänzenden Erfolg zu verbuchen. Die Affäre schien nun erledigt zu sein. Napoleon entschloss sich, wohl auch unter dem Einfluss Gramonts, von Wilhelm nun eine Erklärung zu fordern, das dieser zusichere, das eine erneute Kandidatur nicht erfolgen würde. Des Weiteren sollte verlautbart werden, dass der Verzicht der Kandidatur auf Befehl Wilhelms erfolgt war. Benedetti wurde erneut in Bad Ems vorstellig, um die zusätzlichen Forderungen Frankreich zu präsentieren. Diese lehnte Wilhelm aber ab, nicht jedoch ohne nochmals auf den Verzicht der Kandidatur hingewiesen zu haben.
Wilhelm sandte Bismarck ein Telegramm, in dem er über die Vorgänge in Bad Ems informierte. Bismarck hatte das Telegramm dann auf eine Art und Weise gekürzt und an die Presse weitergegeben, dass dies in Frankreich als beleidigend empfunden werden musste. Die Folgen sind bekannt.
Die Frage, wer nun den Krieg verschuldet hat, ist aus meiner Sicht gar nicht so leicht zu beantworten. Napoleons Forderungen, nach dem Verzicht auf die Thronkandidatur Leopolds, kann man ruhig als überzogen klassifizieren, die das Ziel hatten Preußen zu demütigen. Den Verantwortlichen in Paris hätte klar sein müssen, das diese „Alles oder Nichts“ Diplomatie das Risiko eine Krieges in sich bergen musste. Auf der anderen Seite war Bismarcks provokative Politik ebenso risikoreich, nämlich spätestens als er erneut die Kandidatur Leopolds betrieb und sich eigentlich über die französischen Reaktionen, vor allem mit einem Außenminister Gramont, hätte in Klaren sein müssen.
Francois Caron, Frankreich im Zeitalter des Imperialismus, DVA 1991
Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866 - 1918, Beck 1992
Wolfgang Mommen, Das Ringen um den nationalen Staat, Propyläen 1993