Blitzkrieg?

Gründe für die Fehlplanungen waren sicherlich der Verlust zahlreicher Offiziere infolge der Säuberungen in der Roten Armee durch Stalin,

Da argumentierst du mit Halder. Siehe sein Kriegstagebuch Bd.2, S.86, Eintrag vom 03.09.1940. Man ging davon aus, das die Rote Armee noch einige Jahre bnötigen würde, bevor sie die alte Effektivität, nämlich die vor den Säuberungen, verfügte.

Die ersten Wochen von Barbarossa waren durchaus ein Blitzkrieg. Bereits im Juli ergab sich Hitler den wildesten Phanstasmagorien über die Zeit nach Barabarossa.

Ein Aspekt, es sind sicher noch weitere Ursachen zu nennen, weshalb Barbarossa 1941 nicht zum Erfolg führte:

Als Generalmajor Marcks seine Operationsstudie abfasste, ging er von einer Stärke der Roten Armee von insgesamt 221 Großverbänden aus, davon 147 in europäischen Teil Russlands. Die Angabe der Stärke dürfte von Fremde Heere Ost stammen. Die Wehrmacht wollte mit 147 Großverbänden angrreifen, tatsächlich waren es Ende Juni, als auch die letzten Verbände zugeführt worden waren, 153 Großverbände.

Im Mai 1941 ging Fremde Heere Ost schon von 192 Großverbänden aus.

Zu Beginn des Feldzuges rechnete Halder schon mit 213 Großverbänden, tatsächlich waren es 303, von denen sich aber 81 noch in der Aufstellungsphase befanden. (Pjat'desjat let vooruzennych si SSSR, Moskwa 1968, S.225)
Irritierendweise änderte sich nichts an der Auffassung, den Gegner sehr schnell besiegen zu können.

Am 11.August musste Halder erkennen, das die Sowjetunion schon über 360 Großverbände an der Front verfügte. ( Halder Kriegstagebuch, Tägliche Aufzeichnungen des Generalstabes des Heeres: Der Russlandfeldzug bis zu Marsch nach Stalingrad 22.06.41 - 24.09.42)

Wenn während der Planungsphase von solchen fehlerhaften Zahlenmaterial aufgrund einer mangelhaften Informationslage ausgegangen worden war, dann hat dies natürlich entsprechende Rückwirkungen auf die Umsetzung des planes, nämlich die Sowjetunion in wenigen Wochen militärisch zu besiegen. Das konnte bei diesem Kräfteverhältnis nicht wirklich gutgehen.

Quellen: Reinhardt, Die Wende vor Moskau, DVA 1972
Megargee, Hitler und die Generäle, Schönnigh 2006
 
Wenn während der Planungsphase von solchen fehlerhaften Zahlenmaterial aufgrund einer mangelhaften Informationslage ausgegangen worden war, dann hat dies natürlich entsprechende Rückwirkungen auf die Umsetzung des planes, nämlich die Sowjetunion in wenigen Wochen militärisch zu besiegen. Das konnte bei diesem Kräfteverhältnis nicht wirklich gutgehen.

Das klärt sich vielleicht hieraus:
Hillgruber, Das Russland-Bild der führenden Militärs..., in: Wegner, Zwei Wege nach Moskau. 1991.
http://www.geschichtsforum.de/239213-post10.html

Dazu eine Ergänzung, speziell zum Anschwellen der Verbände nach dem 22.6.1941:
Im zweiten Halbjahr 1941 hat die Rote Armee (angaben nach Krivosheev) ziemlich genau die Gesamtstärke an Mannschaften und Panzern verloren, die am 22.6.1941 verfügbar war. Das zeigt die ungeheure Mobilisierung auf, die in 6 Monaten rücksichtslos durchgeführt worden war. Dieser Mobilisierungsfaktor ist zT unterschätzt worden, zT ging schlicht die Planung daneben, da eben gerade nicht der Zusammenbruch der SU und der Herrschaft Stalins in 3 Monaten erreicht werden konnte (der möglw. auch die Mobilisierung beendet hätte).
 
Zuletzt bearbeitet:
@turgot
Nicht nur die ersten Wochen waren Blitzkrieg, aber zur "reinen Lehre", wie sie in den anderen Feldzügen vollzogen wurde, gab es von Anfang an die beschriebenen Abweichungen.
Wie sagte Guderian doch? "Klotzen, nicht kleckern!"
Selbst wenn er das nicht gesagt haben sollte, jedenfalls griffen die Bewegungen aufgrund der Planung nicht ineinander, sondern liefen auseinander, was einer Bündelung (klotzen) der Kräfte zuwiderläuft und quasi in der Gießkannentechnik (kleckern) endet.
Man muß froh sein, daß diese Fehler gemacht wurden, aber trotz verspäteten Beginns der Operation wäre bei entsprechender Planung eine Eroberung Moskaus möglich gewesen. Immerhin: trotz der Planungsmängel hätte zumindest theoretisch eine Einnahme Moskaus gelingen können, wären nicht die Panzerverbände aus der HGr. Mitte abgezogen und ihr Vormarsch dadurch erheblich verzögert worden.
 
Nein, sie wäre aller militärischer Logik zufolge nicht möglich gewesen, Blitzkriegskonzept hin oder her.
Guderians Spruch "Klotzen, nicht kleckern!" bezog sich auf den richtigen Einsatz von Panzern und den entsprechenden Verbänden. Er ist nicht unbedingt in einem großstrategischen Kontext zu verstehen.
Das wäre eher der schon viel ältere Grundsatz "getrennt marschieren, vereint schlagen" von Helmuth von Moltke (d.Ä.)

Wäre die gesamte Stärke der Wehrmacht ausschließlich - oder fast ausschließlich - auf Moskau konzentriert worden, dann hätte man über hunderte von Kilometern an ausgeruhten, gut versorgten und kampfkräftigen Großverbänden im Norden und Süden vorbeimarschieren müssen, die sich zwangsläufig über kurz oder lang von ihrem anfänglichen Schock erholt und dem deutschen Vormarschkeil mit hunderttausenden von Soldaten und tausenden von Panzern in den Rücken und die Flanke gefallen wären. Ein alleiniger Vorstoß auf Moskau wäre blanker Selbstmord gewesen. Allein schon um die Flanken dieses Vormarsches zu decken war es unumgänglich, auch beiderseits des Hauptvorstoßes vorzurücken.

Und selbst wenn es gelungen wäre, Moskau einzunehmen:
Es ist fraglich, ob die Einnahme von Moskau wirklich die erhoffte Wirkung gehabt hätte. Sie hatte es schon 1812 nicht und sie hätte es wahrscheinlich auch 1941 nicht gehabt.
 
... dann hätte man über hunderte von Kilometern an ausgeruhten, gut versorgten und kampfkräftigen Großverbänden im Norden und Süden vorbeimarschieren müssen, die sich zwangsläufig über kurz oder lang von ihrem anfänglichen Schock erholt und dem deutschen Vormarschkeil mit hunderttausenden von Soldaten und tausenden von Panzern in den Rücken und die Flanke gefallen wären. Ein alleiniger Vorstoß auf Moskau wäre blanker Selbstmord gewesen. Allein schon um die Flanken dieses Vormarsches zu decken war es unumgänglich, auch beiderseits des Hauptvorstoßes vorzurücken.
...

Das spielt für Anfang August 1941 auf die Konstitution der Roten Armee im Norden (Leningrad) und Süden (Südwestfront, Südfront) an. Dazu zwei Überlegungen (wäre aber wieder ein eigenes Thema wert: Moskau oder Kiew :devil: ):

- Die sowjetischen Verbände im Norden waren im August 1941 nicht zu größeren -raumgreifenden - operativen Bewegungen fähig (Schlacht um Luga), auch ohne die abgezogenen Teile der PzGr. 3 zur Verstärkung des Vorstoßes auf Leningrad. Die sowjet. Panzerausstattung im Norden war nachrangig.

- man betrachte einmal die offiziellen Meldungen des OKW zur Kesselschlacht um Kiew: sehr auffällig ist die hohe Zahl an Gefangenen, krass dagegen (etwa im Vergleich Bialystock-Minsk) die geringe Zahl an erbeuteten oder zerstörten Panzern in der Kesselschlacht um Kiew; im Vergleich etwa knapp ein voll ausgerüstetes PzKorps der Roten Armee Stand Juni 1941.

Die Kesselschlacht ist als entscheidender Vorgang im August/September 1941 bislang - leider - in ihrer Bedeutung und ihrer Qualität in der militärhistorischen Forschung kaum untersucht worden.

Der Grund für die geringe Panzerzahl: in den Grenzschlachten sowie in der Abdrängung der sowjetischen 5. Armee auf den Pripjet-Raum ist die Masse der sowjet. Panzerkräfte im Süden zerstört worden. Bereits Anfang August 1941 war die Masse der beweglichen sowjetischen Truppen im Süden nahezu vollständig zerstört worden (siehe Glantz: The Initial Period of War on the Eastern Front, 22 June - August 1941: Proceedings of the Fourth Art of War Symposium, Garmisch, October, 1987).

Daraus kann man eine Fehlleitung der deutschen Operationsführung ableiten: ein Flankenstoß der sowjet. Hauptkräfte aus dem Süden beim deutscherseits realisierten Stoß auf Moskau wäre ab August 1941 undurchführbar gewesen; ganz abgesehen von der geographischen Deckung der Pripjet-Sümpfe gegen Operationen von Süden.

Diese Feststellung ist eine Umkehrung der Erkenntnisse der Marcks-Studie und der weiteren Vorstudien zum Ostfeldzug (Philippi, Das Pripjet-Problem, Sonderheft der Wehrwissenschaftlichen Rundschau). Aus dem Problem des durch die Pripjet-Sümpfe auf 200*400km geteilten Operationsraumes erwächst aufgrund der sowjetischen realen Kräfteverteilung ein Flankenschutz für die deutschen Operationen, die auf Moskau gerichtet sind: eine krasse Fehlkalkulation Stalins zu Beginn des Krieges - Schwerpunkt Süd -, die wegen der Meinungsstreits in der deutschen Führung bis hin zur bindenden Anweisung Hitlers vom 21.8.1941 nicht ausgenutzt worden ist.
 
@Panzerreiter
Silesia hat bereits einige fundierte Kritikpunkte vermerkt. Einige weitere Anmerkungen möchte ich hier zusätzlich tätigen.
Wir sind uns einig, daß die deutsche Planung Mängel aufwies und wohl auch darin, daß nicht die gesamte "Gutes-Wetter-Periode" ausgenutzt wurde, die Operation (auch durch den Balkanfeldzug bedingt) verzögert begann.
Auch während Barbarossa wurden Maßnahmen ergriffen, die einer Eroberung Moskaus zuwiderliefen. Trotz alledem kamen die Deutschen sehr nah an Moskau heran.
Zweitens muß man bedenken, daß der deutsche Angriff dem russischen nur wenig zuvor kam. Diese befanden sich in einer auf Offensive gerichteten Aufmarschformation. Durch den deutschen Angriff sind erhebliche Kräfte verloren gegangen, die zu den von Silesia beschriebenen Folgen führten.
Logische Schlußfolgerung, auch militärisch logische Schlußfolgerung, wäre demnach m.E. die sehr realistische Möglichkeit einer Einnahme Moskaus, wenn Mitte entsprechend aufgestellt und nicht behindert direkt auf Moskau hätte zuhalten können und Nord wie Süd mit flankierenden Bewegungen unterstützt hätten.
Ich bin da mit Dir einer Meinung, daß beiderseits des Hauptvorstoßes vorzurücken war.
Aber ich halte es für einen Fehler, daß in einer Weise zu tun, die Nord und Süd vom Hauptstoß mit jedem Tag des Vormarsches wesentlich entfernt!
Darüberhinaus ist es ein wesentliches Merkmal der Blitzkriegtheorie, daß sie gerade nicht primär auf die physische Vernichtung der Feindeinheiten gerichtet ist. Das konnte später immer noch erfolgen. Und so wurden Widerstandsnester einfach umgangen, isoliert und die wirklich wichtigen Ziele erreicht, bevor man sich um die Kessel kümmerte. Man könnte hier auch sagen, in Anlehnung an ein altes Sprichwort, eine Armee ohne Führung ist so wenig eine Armee, wie ein Haufen Baumaterial ein Haus.

Ich stimme Dir zu, daß Guderian mit seinem geflügelten Wort von Panzern sprach, jedoch gilt im Großen insoweit, was im Kleinen gilt, sodaß der Sinn gleichermaßen gilt. Schließlich führte die Planung auch zur Zersplitterung der Panzerwaffe, die über hunderte Kilometer verteilt operieren mußte.

Getrennt marschieren, vereint schlagen ist, das möchte ich doch nicht unerwähnt lassen, älter als Moltke maior.

Welche Wirkung eine Einnahme Moskaus tatsächlich gehabt hätte, ist reine Spekulation, die auch nicht fruchtbar gemacht werden kann.
Entscheidend ist doch, welche von welchen Annahmen eine Theorie ausgeht und ob die konkrete Planung diesen Annahmen folgt oder nicht. Und insofern weist die Planung für Barbarossa im Verhältnis zu den vorherigen Kriegszügen erhebliche, nicht von der Hand zu weisende Abweichungen auf, sodaß ich den Blitzkriegcharakter nicht verneinen will, diese Operation aber nicht als ein Musterbeispiel werten kann.
 
elysian schrieb:
Zweitens muß man bedenken, daß der deutsche Angriff dem russischen nur wenig zuvor kam.

Na, da kann ma durchaus geteilter Meinung sein. Ich sehe das jedenfalls anders. Aber dies Thema passt hier nun wirklich nicht.
 
@Panzerreiter
Zweitens muß man bedenken, daß der deutsche Angriff dem russischen nur wenig zuvor kam. Diese befanden sich in einer auf Offensive gerichteten Aufmarschformation.

Zu der Diskussion gibt es besondere Themen:
http://www.geschichtsforum.de/f68/k...en-angriff-zuvor-7695/index11.html#post322886
http://www.geschichtsforum.de/f68/d...n-vom-mai-1941-a-20657/index2.html#post323118

Man könnte es so formulieren:
Die "auf Offensive" gerichtete Aufmarschform entsprach dem Shukov-Plan, unmittelbar vor bzw. in einen deutschen Angriff hinein einen Präventivschlag zu führen.

Man könnte es aber auch mit Manstein ("Verlorene Siege") formulieren:
Der sowjetische Aufmarsch entsprach beiden Zwecken, Offensive wie Defensive

Man könnte aber auch meinen:
Die Unterscheidung ist generell unsinnig, weil es keinen Unterschied gibt. Man schaue sich einmal im Vergleich den sowjetischen Aufmarsch im Bialystocker Balkon 1941 und im Kursker Bogen 1943 an. Oder man nehme als Vergleich die deutsche Dislozierung im Rshew-Bogen.
 
elysian schrieb:
Auch während Barbarossa wurden Maßnahmen ergriffen, die einer Eroberung Moskaus zuwiderliefen. Trotz alledem kamen die Deutschen sehr nah an Moskau heran.

In der Tat:


Für mich stellt sich gelegentlich schon die Frage, weshalb die Offensive gegen Moskau überhaupt wieder aufgenommen worden war. Es konnte angesichts der Lage des Heeres im Osten in November 1941 nicht ausgegangen werden, das die Operation Taifun erfolgreich verlaufen würde.

Bereits im Oktober hat es im Bereich der Heeresgruppe Mitte mehrfach geschneit gehabt, Vorboten des kommenden bekannten harten russischen Winters. Anfang November kam dann der Frost. Es wurden immer noch keine Maßnahmen für das Überwintern der Truppe getroffen, denn die Vorbereitungen in Sachen Winterbekleidung und Ausrüstung waren nur für 58 Divisionen getroffen worden, die als Besatzungstruppen in der Sowjetunion verbleiben sollten. Man ging des Weitern davon aus, dass ein guter Teil der eingeplanten 58 Divisionen stationär untergebracht werden könne.

Das OKH bastelte gemäß den größenwahnsinnigen Vorstellungen Hitlers zwischenzeitlich an dem Umbau des Ostheeres. So sollten beispielsweise zwei Panzerdivision aus der Front gezogen werden und für den Einsatz in den Tropen ausgerüstet zu werden. Für diesen Zweck sollten sogar noch 2 Panzerdivisionen neu aufgestellt werden. Offenkundig hat man noch nicht ernsthaft realisiert gehabt, dass es mit den Planungen für Barbarossa so gar nicht plangemäß verläuft.

Interessanterweise hatte Halder aber durchaus Informationen vorliegen, dass sich in Moskau etwas tut. Die Stadt sei voller Truppen und es wurden auffallend viele Flugzeuge zusammengezogen. Es wurde auch für möglich gehalten, dass weitere Großverbände aus Fernost herangeholt werden könnten.

Kluge und Hoepner waren von dem Gedanken der erneuten Offensive gegen Moskau alles andere als begeistert.

Bock hatte nur sehr geringe operative Reserven zur Verfügung. Die Versorgungssituation war weit davon entfernt als akzeptabel bezeichnet zu werden. Panzer waren wohl auch nicht mehr in ausreichender Anzahl vorhanden.

Und trotz allem wurde die Offensive gegen Moskau begonnen, mit den bekannten Folgen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ob der deutsche Angriff dem sowjetischen tatsächlich zuvor kam, respektive um wie viel er ihm zuvorkam, ist eine recht strittige Sache, deren objektive Beurteilung schlussendlich auch kaum möglich ist, da Elemente des political correctnes berücksichtigt werden müssen. Daher würde ich eine derartige Diskussion hier ohnehin nicht führen.

elysian:
Ich bin da mit Dir einer Meinung, daß beiderseits des Hauptvorstoßes vorzurücken war.
Aber ich halte es für einen Fehler, daß in einer Weise zu tun, die Nord und Süd vom Hauptstoß mit jedem Tag des Vormarsches wesentlich entfernt!
Ja, da sind wir wirklich einer Meinung. Die Heeregruppen Nord und Süd hätten wohl weniger zu eigenen raumgewinnenden Operationen eingesetzt werden sollen, als hauptsächlich zur Flankendeckung der Gruppe Mitte.

Aber:


Zu den Pripjet-Sümpfen:
Stimmt, aber die sind nördlich von Kiev zu Ende. Eine Flankendeckung durch wäre sehr effektiv, aber nur in der Anfangsphase. Ab Höhe Kiev hätte man sicherlich mit starken Flankenangriffen aus Süden rechnen müssen.

Darüberhinaus ist es ein wesentliches Merkmal der Blitzkriegtheorie, daß sie gerade nicht primär auf die physische Vernichtung der Feindeinheiten gerichtet ist. Das konnte später immer noch erfolgen. Und so wurden Widerstandsnester einfach umgangen, isoliert und die wirklich wichtigen Ziele erreicht, bevor man sich um die Kessel kümmerte.
Das ist eines der Probleme beim Blitzkrieg. Ich habe mir erlaubt, das entscheidende Wörtchen in deinem Zitat hervorzuheben. Man muss die umgangenen Feindkräfte natürlich neutralisieren, man marschiert nich teinfach so an ihnen vorbei und winkt. Einen Stützpunkt einzukesseln verlangt Truppen und nicht wenige davon: Der Ring muss stark genug sein, einen Ausbruch wirksam zu verhindern. Diese Truppen sind dann gebunden und das sollten sie nicht allzu lange sein. Man muss den Kessel also auch irgendwann ausräumen.
Ein Blitzkrieg ist gegen ein Land begrenzter Größe, wie Frankreich oder die noch kleineren Beneluxländer, viel einfacher zu führen, da dort schon aus geographischen Gründen die Schlüsselziele auch in vernünftigen Zeiträumen erreicht werden können. Somit werden die isolierten und umgangenen Feindstreitkräfte auch relativ schnell zusammenbrechen. Falls nicht, werden nach zügigem Abschluss der Gewinnung der Schlüsselziele ausreichend Truppen frei, um sich um die noch standhaften Kessel zu kümmern.
Wenn ich allerdings davon ausgehe, dass ich fast ein halbes Jahr brauche, um ein einziges wirkliches Schlüsselziel zu erreichen, dann muss ich damit rechnen, dass die Schockwirkung irgendwann abgeflaut ist. Das ist kein Blitzkrieg mehr, höchstens eine Blitzeröffnung.

Elysian:
Man könnte hier auch sagen, in Anlehnung an ein altes Sprichwort, eine Armee ohne Führung ist so wenig eine Armee, wie ein Haufen Baumaterial ein Haus.
Das impliziert, die Rote Armee hätte, für ihre passierten Teile im Norden und Süden, keine Führung mehr gehabt, um zu planmäßigen Angriffen (auf die Mitte) fähig zu sein. Wohlgemerkt: Im Falle eines alleinigen Vorstoßes auf Moskau bei ausschließlicher Flankensicherung der benachbarten Heeresgruppen lediglich "passiert", nicht "eingekesselt".
Das ist so mit Sicherheit nicht zutreffend. Erst bei einer Eroberung des Hauptquartiers - also eben Moskau - hätte das zutreffen können, nicht aber durch bloßes Vorbeimarschieren. (Und selbst wenn Moskau erobert worden wäre, STAWKA hatte seine Evakuierung schon vorbereitet, auch wenn Stalin aus propagandistischen Gründen sagte, er werde Moskau nicht verlassen.)

Ich gehe davon aus, dass bei einer unmittelbaren Bedrohung Moskaus alle Armeen im Norden und Süden, so sie nicht durch eigene Kampfhandlungen massiv gebunden waren,
a)
Zur Verstärkung Moskaus abgezogen und/oder
b)
zu massiven Flankenangriffen auf den deutschen Vormarschkeil angesetzt worden wären.

Aus dieser Annahme schlussfolgere ich, dass es sehr wohl notwendig war, diese Truppen zu schwächen und vor allem für die Dauer des Vormarsches auf Moskau zu binden.

Turgot:
Für mich stellt sich gelegentlich schon die Frage, weshalb die Offensive gegen Moskau überhaupt wieder aufgenommen worden war. Es konnte angesichts der Lage des Heeres im Osten in November 1941 nicht ausgegangen werden, das die Operation Taifun erfolgreich verlaufen würde.

Weil man keinen anderen Plan hatte. Zur Eroberung Moskaus gab es keine Alternative. Man musste dieses einzige Ziel, welches man hatte (Außer Leningrad, was ja auch nicht geklappt hatte) unbedingt erreichen, sonst war der ganze Feldzug nicht erfolgreich.
Abgesehen davon ließ sich Operation Taifun ja gar nicht mal so schlecht an...
 
Panzerreiter schrieb:
Weil man keinen anderen Plan hatte. Zur Eroberung Moskaus gab es keine Alternative. Man musste dieses einzige Ziel, welches man hatte (Außer Leningrad, was ja auch nicht geklappt hatte) unbedingt erreichen, sonst war der ganze Feldzug nicht erfolgreich.

Schon Mitte November war doch eigentlich erkennbar, für Fantasten wie Hitler natürlich nicht, dass das Unternehmen Barbarossa gescheitert war. So hatten die Heeresgruppe Nord und Süd die weit gesteckten Ziele nicht erreichen können. Die Verluste waren ja nicht ganz unerheblich gewesen. Für die Heeresgruppe Mitte wäre es vernünftig gewesen, Stellungen zu beziehen, in denen man hätte überwintern können und die Truppen personell und materiell aufzufrischen. Stattdessen hat man durch die Wiederaufnahme der Offensive endgültig erheblich Kräfte verschlissen oder ganz und gar verloren.


Panzerreiter schrieb:
Abgesehen davon ließ sich Operation Taifun ja gar nicht mal so schlecht an..

Na ja, aber ab Anfang Dezember musste die Heeresgruppe Mitte an ihrer Front zur Verteidigung übergehen.
 
"Evakuieren? Im Augenblick des Triumphes? Ich glaube doch, Sie überschätzen ihre Chancen."
(Großmoff Tarkin in Star Wars - Episode 4, kurz bevor der Todesstern vernichtet wird) ;)

Rückzug? Das Ganze abblasen? Überwintern und die Initiative aufgeben? Nach all dem Geprotze und Geprahle, dieser Feind sei geschlagen und würde sich nie wieder erheben?
Das wäre propagandistisch ein vernichtender Schlag für die deutsche Moral und ein massiver Prestigegewinn für die Gegner gewesen. Die Nationalsozialisten stellten ja oft politische und propagandistische Gründe über rationale und militärische. So, denke ich, auch in diesem Fall.
Es gab nicht nur militärsch keine Alternative zur Eroberung Moskaus, es gab auch politisch keine. Da wurde wohl lieber nach dem letzten Strohhalm der Hoffnung gegriffen, wie bei einem Ertrinkenden.

Mit "ließ sich gar nicht mal so schlecht an" meinte ich, dass die Operation Taifun zu Beginn recht vielversprechend lief (Wjasma, Brjansk...) und man vielleicht meinen konnte, dass sie durch ihre Eigendynamik quasi noch "bis Moskau rollen könnte", etwa so wie ein Auto, dem auf der Autobahn kurz vor der Tanke der Sprit ausgeht.
Klingt vielleicht etwas dämlich, diese Vermutung, aber was genau in den Köpfen damals vorgegangen sein mag, ist wohl nicht mehr nachzuvollziehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
(1) Zu den Pripjet-Sümpfen:
Stimmt, aber die sind nördlich von Kiev zu Ende. Eine Flankendeckung durch wäre sehr effektiv, aber nur in der Anfangsphase. Ab Höhe Kiev hätte man sicherlich mit starken Flankenangriffen aus Süden rechnen müssen.

(2) Das impliziert, die Rote Armee hätte, für ihre passierten Teile im Norden und Süden, keine Führung mehr gehabt, um zu planmäßigen Angriffen (auf die Mitte) fähig zu sein. Wohlgemerkt:

(3) Ich gehe davon aus, dass bei einer unmittelbaren Bedrohung Moskaus alle Armeen im Norden und Süden, so sie nicht durch eigene Kampfhandlungen massiv gebunden waren,
a)Zur Verstärkung Moskaus abgezogen und/oder
b)zu massiven Flankenangriffen auf den deutschen Vormarschkeil angesetzt worden wären.

Hallo panzerreiter,

zu (1) hängt vom Zustand der Südfront/Südwestfront im August 1941 ab. Der war desaströs.

zu (2) Führung sicher, aber keine Kräfte, siehe oben.

zu (3) tatsächlich sind Abzüge vor der Kesselschlacht Kiew passiert; so aus dem Stand ca. im Umfang von 15-20 Divisionen, die aus dem Süden - hinter den Pripjets per Schiene transportiert - in die Mitte (Rokossowski) geworfen wurden. Zu der Gefahr von Flankenangriffen: wird immer wieder vorgetragen, so auch in DRZW 4, ohne Berücksichtigung und Analyse des Zustandes der in Frage kommenden Fronten.

Wer den Flankenangriff aus dem Süden als Argument anführt, sollte zunächst einmal vortragen, mit welchen Mitteln der überhaupt über 300-400 km geführt werden sollte. Da bin ich sehr gespannt :fs:
 
@silesia
Die Unterscheidung ist generell unsinnig, weil es keinen Unterschied gibt.
Mir geht es auch weniger um eine Unterscheidung als vielmehr darum, daß infolge dieser Maßnahmen die russischen Kräfte massiert an der Westgrenze aufgeboten worden waren und es frische und ausgeruhte Kräfte in erheblichem Umfang auf russischer Seite erst wieder im Winter gab, als der Nachschub aus Sibirien zum Wintersturm antrat.

@Panzerreiter
Kessel können natürlich nicht beliebig aufrecht erhalten werden. Allerdings ist es auch nicht unbedingt notwendig, den Kessel zu fixieren. Bei einem Ausbruch stellen sich ja für die ausgebrochenen Truppen erhebliche Probleme ein, wenn ihnen nicht bald der Anschluß an die Front gelingt. Sie haben keinen Nachschub, keine Informationen, wohin sie genau müssen, zudem den Feind quasi permanent im Nacken und schließlich kommt es in solchen Fällen nicht selten zur Desertation. Weiterhin bleibt in diesen Fällen gewöhnlich das schwere Gerät zurück.
Bezüglich der psychologischen Momente des Blitzkriegskonzepts muß man mehrere Ebenen unterscheiden, so verstehe ich es zumindest:
1. taktische Ebene
lokale Schockwirkung durch den geballten Einsatz gepanzerter Kräfte, konzentrierten Artilleriefeuers und Unterstützung aus der Luft; ferner Konfusion durch alarmierende Meldungen durch die rückwärtigen Verbindungen
2. strategische Ebene
Unterbrechung von Nachschubwegen mindert die Kampfkraft und langfristig den Kampfwillen eingeschlossener Verbände; Unterbrechung der Kommunikationswege, sodaß keine koordinierten Handlungen feindlicher Verbände erfolgen; Erreichung wichtiger Ziele möglichst bevor sie befestigt werden können und Information der Feindeinheiten über diese Erfolge, insbesondere bei Objekten mit Symbolgehalt, um ihre Kampfbereitschaft zu untergraben

Nimmt man dies zusammen, läßt sich die Schockwirkung eine geraume Zeit aufrecht erhalten und gegebenenfalls erneuern.

Das impliziert, die Rote Armee hätte, für ihre passierten Teile im Norden und Süden, keine Führung mehr gehabt, um zu planmäßigen Angriffen (auf die Mitte) fähig zu sein.
Nein, da hast Du mich falsch verstanden. Ich bezog mich auf die isolierten Truppen. Mir geht es dabei darum, daß isolierte Verbände eine erheblich verringerte Kampfkraft dadurch aufweisen, daß ihnen ein koordiniertes Vorgehen mit anderen Verbänden durch die infolge der Isolation eintretenden Kommunikationsprobleme schwerer fällt oder sogar unmöglich ist.
Daß sich bei einem alleinigen Vormarsch auf Moskau keine Kessel gebildet hätten, kann man so nicht sagen. Auch ein alleiniger Vormarsch auf Moskau kann so angelegt sein, dass die Masse der an der Grenze aufmarschierten Roten Armee eingekesselt wird. Deren Verbände standen ja nicht großzügig in die Tiefe verteilt. Die Kessel hätten sich dann meiner Meinung nach nur an anderen Orten gebildet. Mag sein, daß dann die russischen Verbände in Nord und Süd weniger in Mitleidenschaft gezogen worden wären, andererseits kommen wir dann wieder zu dem Punkt, daß ihre Einkesselung und Vernichtung aus der Sicht des Blitzkriegskonzepts, wie ich es verstehe und dargelegt habe, nachrangig ist. Ich meine mich zu entsinnen, daß es Liddle Hart war, der in einem frühen Stadium der Entwicklung dieser Methode an der Schwerpunktlegung Clausewitz Kritik übte, der für die vorrangige Vernichtung der Kampfmittel, also der feindlichen Truppen argumentierte.
Ich stimme Dir zu den wahrscheinlichen Folgen zu. Allerdings hätte dies welche Folgen gehabt? Entweder wäre die Flankenbedrohung durch die Sogwirkung des deutschen Angriffs entfallen oder die Russen hätten angegriffen, wofür man damals nach allgemeiner Ansicht eine Überlegenheit von 3 zu 1 benötigte. Im rückwärtigen Raum eines Heeres befinden sich einmal die eigenen Reserven. Weiterhin hätten die flankierenden Heeresgruppen Vorbereitungen treffen können. Und schließlich liefen auch die angreifenden Russen dann Gefahr, bei ihrem Vormarsch durch Gegenangriffe eingeschlossen zu werden. Unproblematisch ist also auch diese Option nicht.
Inwieweit diese Angriffe hätten massiv sein können, ist abhängig davon, wie intakt diese Verbände nach der ersten Phase noch gewesen wären. Wir kennen alle die Berichte, nach denen dem Rotarmisten nicht unbedingt auch ein Gewehr gegeben wurde, wenn er kämpfen sollte...

Weil man keinen anderen Plan hatte. Zur Eroberung Moskaus gab es keine Alternative. Man musste dieses einzige Ziel, welches man hatte
Das ist meines Erachtens falsch, denn daß Moskau gerade nicht das einzige Ziel war, sondern mit Sankt Petersburg, Moskau und Sewastopol gleich drei Ziele vorgegeben worden waren, die auch noch alle gleichzeitig bis Jahresende erobert werden sollten, kann nicht ernsthaft bestritten werden und ist der eigentliche Fehler in den Planungen des Feldzuges.
 
Es regt sich wieder der Advocatus Diaboli in mir, der im Rahmen einer Diskussion stets die Gegenseite vertritt:devil:
(also bitte nicht als Sturheit missverstehen)

silesia:
zu (1) hängt vom Zustand der Südfront/Südwestfront im August 1941 ab. Der war desaströs.

zu (2) Führung sicher, aber keine Kräfte, siehe oben.
wäre der Zustand dieser Truppen auch dann noch so desaströs gewesen, wenn man sie monatelang weitgehend in Ruhe gelassen hätte?

Wie Du schreibst, wurden doch signifikante Verstärkungen von Kiev zur Verteidigung Moskaus abgezogen. Und das, obwohl die Südwestfront von einer deutschen Heeresgruppe bedrängt wurde. Wie hätte es ohne diesen Druck ausgesehen?
Die Argumente gegen einen unter anderen Voraussetzungen möglichen Flankenangriff aus Süden basieren, so habe ich den Eindruck, irgendwie alle auf der tatsächlichen Lage im Spätsommer 41. Das passt nicht zusammen.
Es geht ja gerade darum, was geschehen hätte können, wenn man aufgrund anderer Planung eben nicht den tatsächlichen Verlauf des Feldzuges erhalten hätte.
Wenn man den beiden Heeresgruppen Nord und Süd falschen strategischen Ansatz bescheinigt, dann darf man auch nicht die gerade durch diesen Ansatz errungene Wirkung weiterhin als gegeben vorraussetzen.


@elysian

Das Problem ist m.E. das gleiche, das ich eben schon erwähnt habe:
Wären die entsprechenden russischen Armeen unbehelligt geblieben, dann wären sie eben nicht so durcheinander, konfus und abgenutzt gewesen. Und auch nicht unbedingt eingekesselt. Siehe oben: Die bei Kiev vernichteten russischen Truppen waren freilich nicht mehr in der Lage, einen Gegenangriff zu führen. Hätte man sie aber nicht vernichtet, hätte die Sache schon anders ausgesehen.

Mir ist klar, dass Du nicht davon ausgehst, man hätte die Nordwest und Südwestfront(en) von Anfang an in Ruhe lassen sollen. Du meinst, dass nach einem überraschenden Anfangsschlag die dann maßgeblich geschwächten Fronten eine Zeit lang keine ernstzunehmende Gefahr mehr dargestellt hätten. Während dieser Zeit hätten die benachbarten Heeresgruppen sich dann darauf konzentrieren können, den Hauptstoß der Gruppe Mitte zu unterstützen und nach Norden und Süden nur deckend tätig zu sein. Hätten die Russen dann angegriffen, hätte man diese Truppen durch geschickte Führung der Verteidigung halt nicht etwa vor Kiev, sondern - sagen wir mal beispielsweise - bei Brjansk oder Orel erwischt. Das lässt einerseits außer Acht, dass dann die Russen die örtliche Initiative besessen hätten (Gerade russische Gegenagriffe brachten die Wehrmacht immer wieder in prekäre Situationen), andererseits hat aber ja in späteren Kriegsjahren (Frühjahr 43, wenn ich mich recht entsinne: Unternehmen Rochade) Manstein vorexerziert, dass dies sehr wohl erfolgreich sein konnte.
Fazit: Es hätte den Russen nicht gelingen müssen. Es hätte aber auch für die Wehrmacht kräftig in die Hose gehen können. Zumindest wäre das Endergebnis wohl dasselbe gewesen: Die flankierenden Heeresgruppen wären beschäftigt gewesen und hätten der Mitte nicht helfen können. Ob zu diesem Zweck nun 600.000 Russen bei Kiev oder bei Orel gefangengenommen werden, ist leidlich egal.

Die 3 zu 1 Geschichte ist mir bekannt. Die wurde sogar noch vertreten, als ich bei der Bundeswehr war. Warum diese Faustregel sich so hartnäckig hält, ist mir ehrlich gesagt schleierhaft, denn die moderne Militärgeschichte belegt reihenweise, dass man diese Überlegenheit eben gerade nicht unbedingt braucht, weder taktisch noch strategisch. Das haben die Deutschen, wenngleich vielleicht nicht unbedingt in Polen, dann auf jeden Fall in Frankreich, Nordafrika und auch bei der Eröffnung von Barbarossa bewiesen. Unmittelbar nach mehreren Gegenbeweisen kann ich nicht glauben, dass man sich vor Moskau auf diese Faustregel verlassen hätten. Wenn man wirklich von der 3:1 Regel überzeugt gewesen wäre, hätte man keinen einzigen der Feldzüge überhaupt begonnen.

Zitat:
Weil man keinen anderen Plan hatte. Zur Eroberung Moskaus gab es keine Alternative. Man musste dieses einzige Ziel, welches man hatte
Das ist meines Erachtens falsch, denn daß Moskau gerade nicht das einzige Ziel war, sondern mit Sankt Petersburg, Moskau und Sewastopol gleich drei Ziele vorgegeben worden waren, die auch noch alle gleichzeitig bis Jahresende erobert werden sollten, kann nicht ernsthaft bestritten werden und ist der eigentliche Fehler in den Planungen des Feldzuges.

Ich korrigiere mein Formulierung:
[...]Man musste dieses einzige Ziel, welches man noch hatte[...],da die beiden anderen ja nicht gelungen waren.
Dass es sich bei der Aufteilung der strategischen Ziele (3) um eine Fehlplanung gehandelt haben mag, ist einer der Punkte, bei denen wir uns weitgehen einig sind. Ich gebe aber zu bedenken, dass, hätte man von vornherein ausschließlich Moskau als strategisches Ziel verfolgt, ich weiterhin Bedenken hege, ob ein einziges Schlüsselziel selbst bei seiner Erreichung ausreichend psychologische Wirkung gehabt hätte.
 
@panzerreiter
http://www.ghwk.de/2006-neu/besatzung1941-44.pdf

Nimm die Bewegung nach dem Plan Barbarossa und dreh die Pfeile so um, daß sie gegen Moskau laufen. Dann wirst Du sehen, daß in der ersten Phase der Offensive die gegnerischen Verbände nicht notwendig nur abgedrängt worden wären, sondern auch eine Einkesselung einiger Teile möglich gewesen wäre. Ich denke also an drei Keile, die in unterschiedlichen Bewegungen und sich gegenseitig unterstützend auf Moskau zulaufen. ;)
Leider habe ich keine passende Karte, auf die ich Pfeile einzeichnen könnte. :(
Über Kiev zu reden ist nicht unproblematisch, da Kiev letztlich eine Folge der Planung und Durchführung von Barbarossa ist und wir uns eigentlich über den Planungsfehler und nicht seine resultierenden Folgen unterhalten. Als die Truppen einmal da waren, konnte man sie nicht unbedacht lassen, völlig klar. Wobei man vielleicht darüber streiten könnte, ob dafür unbedingt Kräfte der HGr. Mitte abgezogen werden mußten. Allerdings sehe ich darin wenig Nutzen.
Jedenfalls stammen die Beispiele erfolgreicher Gegenangriffe allesamt aus einem Zeitraum, in dem die Russen sich wieder stabilisiert und genügend Kräfte konzentriert hatten. Wie aber schon gesagt waren sie dazu nicht in der Lage, solange der deutsche Angriff rollte und die Bedrohung Moskaus führte nachweislich dazu, daß russische Einheiten z.B. bei Kiev abkommandiert wurden. Hier sieht man einen Zusammenhang von ausgeübter Initiative und Sogwirkung auf nicht unmittelbar betroffene Heeresteile.
Daran erkennt man aber auch, welche Bedeutung auch die Russen Moskau als Symbol, als Wirtschaftsmetropole und Knotenpunkt von Kommunikationslinien erachteten. Nicht zu vergessen, daß sich hier die Regierung auf funktionierende Strukturen stützen konnte, deren Fehlen die Kriegsführung in ihrem umfassenden Sinne erschwert haben würde. Da gilt für Moskau nichts anderes als für Paris. Dagegen hat die Eroberung der Krim gar keine positive Wirkung gezeitigt. Das war Verschwendung von Zeit, Menschen und Material und andere Folgen hätte auch St. Petersburg kaum gehabt.
Nochmal zu Kiev. Wie gesagt wurden Truppen abgezogen, der Nachschub war gering, die Moral am Boden. Ich kann nicht sehen, daß eine HGr. Süd, die sich hier nur um Kontrolle bemühen mußte, in meinem Szenario nicht unterstützend hätte operieren können. Die Russen hätten sehr lange gebraucht, um überhaupt wieder in der Verfassung zu sein, an dieser Stelle nach der Initiative zu greifen. Ein "morgen greifen wir an!" reicht da nicht.
Kommen wir zur Regel. Regeln kennen Ausnahmen, aber wichtig ist doch, daß diese Regel nicht nur allgemein zu verstehen ist. Sie meint die überlegene Konzentration von Modifikatoren zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Raum. Aus diesem Prinzip erklärt sich auch der Sieg bei Leuthen durch die sog. "schräge Schlachtordnung".
Kommen wir zu den Ausnahmen:
bei diesen lassen sich qualitative Unterschiede folgender Arten feststellen;
1. Überlegenheit der eingesetzen Mittel (z.B. modernere Gewehre)
2. Überlegenheit des Einsatzes der Mittel (besonders deutlich z.B. bei Schlacht bei Chancellorsville ? Wikipedia)
 
wäre der Zustand dieser Truppen auch dann noch so desaströs gewesen, wenn man sie monatelang weitgehend in Ruhe gelassen hätte?
Anmerkung: der Zustand der Südwestfront und der Südfront ergab sich aus den "Grenzschlachten" vom 22.6. bis Anfang August 1941, insoweit aus der Konfrontation mit der HG Süd. Truppen der HG Mitte haben damit an sich nichts zu tun.

Hier ergibt sich aber ein weiterer Gedanken: der nördliche Zangenarm des Kiew-Kessels (Guderian) wurde durch HG Mitte gebildet. Diese kämpfte im August gegen die "Kräftegruppierung Brjansk"; es wäre nun zu prüfen, ob diese Kräftgruppe zu größeren Operationen in der Lage war oder nur die Norddeckung der SW-Front zu leisten hatte.

Wie Du schreibst, wurden doch signifikante Verstärkungen von Kiev zur Verteidigung Moskaus abgezogen. Und das, obwohl die Südwestfront von einer deutschen Heeresgruppe bedrängt wurde. Wie hätte es ohne diesen Druck ausgesehen?
Das ist ein Mißverständnis. Ich habe keinen Abzug der Kräfte der HG Süd angeregt.

Einer Fehlprognose lagen auch OKH und Hitler auf: angenommen wurde, dass Stalin die Masse der Truppen ggü. HG Mitte konzentriert; tatsächlich waren die im Süden. Das wiederum erfolgte aus der Erwartung Stalins/Shukovs, dass der deutsche Schwerpunkt im Süden läge, aufgrund der (rüstungs)wirtschaftlichen Bedeutung der Ukraine.

Die Argumente gegen einen unter anderen Voraussetzungen möglichen Flankenangriff aus Süden basieren, so habe ich den Eindruck, irgendwie alle auf der tatsächlichen Lage im Spätsommer 41. Das passt nicht zusammen.
Es geht ja gerade darum, was geschehen hätte können, wenn man aufgrund anderer Planung eben nicht den tatsächlichen Verlauf des Feldzuges erhalten hätte.
Bei der Entscheidung Juli 1941: Moskau oder Kiew kann man nur von der tatsächlichen Lage ausgehen. "Kein Plan überlebt der ersten Zusammenstoß":winke:.
Dieses Wissen um den schlechten Zustand der südlichen sowjetischen Fronten, auch die mangelnde Operationsfähigkeit, kann man im August 1941 dann tatsächlich unterstellen. Schließlich sah man in der Realisierung der Kesselschlachten (Uman/Kiew) keine Probleme, um Flanken sorgte man sich überhaupt nicht.

Siehe oben: Die bei Kiev vernichteten russischen Truppen waren freilich nicht mehr in der Lage, einen Gegenangriff zu führen. Hätte man sie aber nicht vernichtet, hätte die Sache schon anders ausgesehen.
Das ist nicht logisch. Der Zustand hat mit der Kesselschlacht nichts zu tun, er ergab sich schon davor




Über Kiev zu reden ist nicht unproblematisch, da Kiev letztlich eine Folge der Planung und Durchführung von Barbarossa ist und wir uns eigentlich über den Planungsfehler und nicht seine resultierenden Folgen unterhalten.

Das sehe ich anders, die Gründe:
1. die Fehleinschätzung über den sowjetischen Schwerpunkt im Süden, s.o.
2. die Unzulänglichkeit der Ausstattung der HG Süd mit einer zweiten Panzergruppe (Konkurrenz nur zur HG Nord!)
3. Die Kiewer Kesselschalcht ergab sich aus einem 4-wöchigen Planungsringen zwischen OKH/Generalität und Hitler über den weiteren Feldzugsverlauf; entschieden erst am 21.8.1941 durch "Anweisung".

Jedenfalls stammen die Beispiele erfolgreicher Gegenangriffe allesamt aus einem Zeitraum, in dem die Russen sich wieder stabilisiert und genügend Kräfte konzentriert hatten.
Daran erkennt man aber auch, welche Bedeutung auch die Russen Moskau als Symbol, als Wirtschaftsmetropole und Knotenpunkt von Kommunikationslinien erachteten. Nicht zu vergessen, daß sich hier die Regierung auf funktionierende Strukturen stützen konnte, deren Fehlen die Kriegsführung in ihrem umfassenden Sinne erschwert haben würde. Da gilt für Moskau nichts anderes als für Paris.
Wichtige Punkte!

Was ist "erfolgreich" aus Sicht der Roten Armee im Sommer 1941: die Verzögerung des deutschen Vormarsches.

Bemerkenswert ist, dass sämtliche nennenswerten Verstärkungen vor die HG Mitte gingen, um den Vormarsch auf Moskau zu verzögern. Die anderen Gruppierungen fallen dagegen weit ab, wurden regelrecht "hängegelassen" und am Schluss (Südwestfront) dem Zeitgewinn vor Moskau durch Stalin geopfert. Der sowjet. Führung muss die Verzögerungswirkung der Kiew-Gruppe klar gewesen sein, wenn sich die deutsche Seite darauf einläßt. Das hat sie dann auch.

Hinweis noch auf den Frontbogen von Jelnja, sowie die Versteifungen vor Smolensk und Witebsk.
 
Lagekarten sagen manchmal mehr als 1000 Worte:

Die Entwicklung im Süden der Ostfront bis zur Kesselschlacht von Uman/Perwomaisk, vor der Kesselschlacht von Kiew.
http://rkkaww2.armchairgeneral.com/maps/1941SW/Kiev/MC1_Kiev_Uman_July14_Aug11_41.jpg


Die sowjet. 5. Armee, die der HG Süd diese beachtlichen Anfangs-Schwierigkeiten vermittelte und den Vormarsch in der Flanke bedrohte, ist bereits mit dem Rücken gegen die Pripjets gedrängt, während die 37. Armee eingeengt den Kiewer Brückenkopf noch halten kann.
Teile der deutschen Panzergruppe 1 sind weit nach SO vorgestoßen und stehen kurz vor Errichtung der Dnjepr-Brückenköpfe (Dnjepropetrowsk).
 
Ich melde mich mal kleinlaut zu Wort.
Also. Blitzkrieg oder kein Blitzkrieg .
Ein Angriff auf Russland oder die damalige Sowjetunion war und ist heute noch absolut sinnlos . Ein Land von dieser Größe und mit diesem Menschenpotenzial ist und war von Anfang an zum Scheitern verurteilt . Allen hier Möchtegernstrategen zum Trotz . Man kann ein Land nicht erobern dessen Bevölkerung bedingungslos hinter der Regierung steht .
Und zu Moskau !!!!
Wo steht geschrieben, das die Einnahme der Hauptstadt eines Landes den Krieg beendet . Die Belagerung Moskaus war Blödsinn und band nur wichtige Kräfte .
 
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