Auf der anderen Seite der Welt gelang es Russland, trotz schlechter Verkehrsverbindungen (Wald, Steppen und Wüsten, dazu Flüsse, die großteils in die Nord-Süd- oder Süd-Nord-Richtung fließen statt praktischerweise von West nach Ost) nach Sibirien und Zentralasien zu expandieren.
Schon, aber wie sah es mit der tatsächlichen Durchdringung aus?
Bis zum Bau der transsibirischen Eisenbahn und bis vor allem die Sowjets anfingen, auch die Regionen östlich des Ural geplant zu durchdringen und zu modernisieren, , gab es in ganz Sibirien ein paar Hand voll befestigter kleinerer Ortschaften und ein paar Strafkolonien über die St. Petersburg irgendeine Art peripherer Kontrolle hatte, der Rest entzog sich dem doch weitgehend und war staatsferner Raum.
Nun hatten die Zaren dass Glück, dass dort das Klima in Teilen ziemlich extrem ist, der Großteil Sibiriens schon immer dünn und von zum Teil halbnomadischen Gruppen besiedelt war und dass es dort im Prinzip nichts gab, was als Gegenmachtzentrum hätte infrage kommen können, Abgesehen vielleicht von den größeren zentralaisatischen Orten, aber die kamen ja erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum russischen Machtbereich hinzu.
Ich glaube daher, dass von den naturräumlichen Gegebenheiten her allein ein vereinigtes Lateinamerika nicht zwingend zum Scheitern verurteilt war, zumindest nicht, wenn es dezentralisiert-föderal aufgebaut gewesen wäre.
Vielleicht wäre es nicht völlig unmöglich gewesen, aber sehr sehr schwierig.
Sogar dreihundert Jahre lang konnten die Spanier ein Riesenreich zusammenhalten
Aber nicht als Einheit. Nach weitgehendem Abschluss der spanischen Expansion in Lateinamerika gab es dort immer mehrere nebeneinander existierende Vizekönigreiche, Zahl und Grenzziehung zueinander änderten sich zuweilen.
Vor dem Ausbruch der Revolutionen in Lateinamerika gab es auf dem amerikanischen Doppelkontinent mit "Neuspanien", "Neugranada", "Perú" und "Rio de la Plata" vier von einander getrennt regierte Vizekönigreiche.
Ab den 1830er Jahren hätte es in Form der Eisenbahn und des Telegraphen auch die technischen Vorausetzungen für die Erschließung und Beherrschung des weiten Raums gegeben, von denen aber anders als in den USA kaum Gebrauch gemacht wurde (bis heute ist das Eisenbahnnetz in Südamerika völlig unterentwickelt).
Naja, es gab die ersten Prototypen davon.
Es dauert aber bis in die 1840er und 1850er Jahre hinein, bis dass allein in Europa einigermaßen ausgereift und so weit aufgebaut war, dass es die wichtigsten Orte miteinander verband und vor allem, war es auch sehr teuer und Ressourcenintensiv.
Eisenbahnbau war ohne die indusrtrielle Produktion von Stahl und industrielle Kohleförderung in der Weise, wie das in Europa und in den vereinigten Staaten passierte nicht denkbar.
Hinzu kommt ein enormer Finanzbedarf, der von den üblichen kleinen privaten Bankhäusern in der Regel nicht zu stemmen war, so dass entweder de facto Aktiengesellschaften gegründet werden mussten um das zu stemmen oder es mussten enorme staatliche Zuschüsse her um das zu finanzieren, was aber natürlich ein entsprechendes Steueraufkommen voraussetzte.
Und dann hatte man ja zunächst auch relativ leistungsschwache Maschinen, die in beladenem Zustand nicht ohne weiteres hohe Steigungen bewältigen konnten. Mit der Technik von 1830 mal eben eine Eisenbahn durch die Anden zu bauen hätte nicht funktioniert, so weit war man dann technisch vielleicht irgendwann am Ende des 19. Jahrhunderts, aber nicht am Anfang und bei der Überbrückung großer Flüsse durch die Eisenban galt natürlich ähnliches.
Da mussten erstmal Brückenkonstruktionen entwickelt und gebaut werden, die das Gewicht von Zügen überhaupt zuverlässig tragen konnten auch dass erforderte zusätzliche Innovation und war material und kostenintensiv.
Wenn du dir anschaust, wie dass in den USA läuft:
Da ging es mit dem Eisenbahnbau durch die großen unerschlossenen Räume vom Missisippi bis zum Pazifik auch erst in den 1860er Jahren los, weil das vorher überhaupt noch nicht machbar war:
de.wikipedia.org
Telegraphie war weniger ressourcenintensiv, aber knickt ein Sturm einen Telegraphenmasten weg, oder wird einer von einem Hochwasser weggespühlt, ist die Leitung dann halt im Zweifel irgendwo mitten im Nirgendwo unterbrochen.
Bolivar hatte zwar die Kraft die alte Ordnung zu zerschlagen, aber die neue, die er geschaffen hatte, entglitt sehr schnell seiner Kontrolle. Napoleon dagegen sah von St. Helena mühelos das Potential zur Imperiumsbildung auf dem amerikanischen Kontinent.
Was genau wusste Napoléon von den Verhältnissen in Südamerika? Napoléon war ja z.B. auch der Meinung gewesen Spanien relativ einfach sozusagen in eine Filliale des Bonaparte-Familienimperiums umbauen zu können. Da hatte er sich allerdings ziemlich verschätzt.
Napoléon kannte sich im französischsprachigen Raum und in Italien, was die lokalen Verhältnisse und Befindlichkeiten angeht recht gut aus und da war er in Sachen Imperienbildung auch relativ erfolgreich.
Schon auf der iberischen Halbinsel scheint er erhebliche Schwierigkeiten gehabt zu haben zu verstehen, wie die Bevölkerung dort tickte und auf seine Schritte und auf die seines Brudes Joseph reagieren würde.
Napoléon mag in den Ergeignissen in Südamerika, soweit sie ihm auf St. Helena zur Kenntnis kamen ggf. Parallelen zur französischen Revolution gesehen haben, wie weit das eiene Berechtigung hatte, steht auf einem anderen Blatt.
Es gab zwar unter den Spaniern unterschiedliche Verwaltungszonen ("Vizekönigreiche"), aber die kulturelle Einheit in der Vielheit war - ähnlich wie im klassischen Deutschland oder dem antiken Griechenland - völlig offensichtlich (und ist es bis heute). Anders hätten Bolivar und San Martin auch gar nicht so einträchtig zusammenwirken können.
Das ist ein Missverständnis.
Die Vizekönigreiche waren nicht einfach "Verwaltungszonen" ein und des gleichen Apparates, die zentralistisch nach den gleichen Richtlinien funktionierten, sondern dass waren völlig unterschiedlich von einander und nach völlig unterschiedlichen Methoden regierte Territorien, die zwar alle eine spanischsprachige Oberschicht hatten, deren Gesamtbevölkerung sich aber deutlich von einander unterschied.
Im Gebiet des heutigen Venezuela z.B. gab es ausgedehnte Plantagenwirtschaft, was zum Jahrhundertelangen "Import" afrikanischer Sklaven führte, die in weiten Teilen von Perú eher gefehlt haben dürften.
Auch unterschieden sich natürlich die indigenen Gruppen im karibischen Raum deutlich von denen im Andenraum.
Kulrurell einigermaßen homogen war wenn überhaupt die amerikaspanische Oberschicht, aber dass allein reicht nicht um einen halben Kontinent zu vereinen.
Die europäischen Adligen, den 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts hatten auch viel gemeinsam. Vielfach den gleichen Glauben/die gleiche Konfession, die Mode, die gleiche Bildung, die gleiche französische Sprache, mit der sie sich verständigen konnten...........
Die Gemeinsamkeiten die ein angehöriger des Französischen Hochadels in Paris mit einem Österreichischen Adligen in Wien oder einem Italienischen in Rom hatte, dürften ähnlich groß gewesen sein, wie die der Eliten der verschiedenen spanischen Vizekönigreiche untereinander.
Trotzdem käme man nicht auf die Idee, dass sie auf Grund ihrer Gemeinsamkeiten mal eben Europa zu einem Riesenreich hätten vereinigen können.
die O'Higgins sind vielleicht namentlich etwas überraschend: Aber da im katholischen Irland die Katholiken Repressionen ausgesetzt waren, z.B. keine Schule besuchen durften und im Rahmen der Plantations land an anglikanische (englische) oder episkopale oder presbyterianische (schottische) Siedler verloren, schickte die irische Oberschicht ihre Söhne nach Italien, Spanien oder Frankreich, wo es irische Schulen gab. Die O'Higgins gehörten zu einer solchen irischen Familie.
Das ist eigentlich überhaupt nicht so überraschend, wenn man weiß dass schottische und irische Katholiken gerne mal auswichen.
Die finden sich vor allem im 18. Jahrhundert auch gerne mal im Europäischen Militäradel, z.B. im Siebenjährigen Krieg.
Z.B In der Schlacht von Lobositz 1756 wurden die Österreicher von eine irischstämmigen Feldmarschall namens Maximillian Ulysses Browne kommandiert, der zuvor schonmal Militärgouverneur von Siebenbürgen gewesen war. Auf der preußischen Seite nahm unter anderem unter dem Oberbefehl Friedrich II. ein aus Schottland gebürtiger General nahmens James Francis Edward Keith teil, der vor Lobositz die preußischen Truppen bei der Belagerung von Pirna kommandiert und vor seiner Karriere in Preußen schon in russischen Diensten gestanden hatte.
Mal eine Rückfrage zu den O'Higgins:
In Chile gibt es ja bis heute eine Provinz, die den Namen O'Higgins trägt, die war mir bei einem Geographie-Quiz im Netz mal aufgefallen.
Handelt es sich da um eine Ehrung, die sich auf Bernardo O'Higgins bezieht?
Provinzen/Verwaltungseinheiten, mit dem Namen "Bolivar" gibt es ja in vielen lateinameriaknischen Ländern, aber andere Ehrungen dieser Art waren mir in den lateinamerikanischen Ländern bislang nicht aufgefallen, außer evt. in Chile.
Warum es das in México in Form eines Bundesstaates "Iturbide" nicht gibt, kann ich mir denken.