excideuil
unvergessen
Vor kurzem habe ich das Buch von Zamoyski [1] zum Feldzug in Rußland gelesen und war wieder einmal erschüttert über die unsäglichen Leiden und Verbrechen, die ein solcher Krieg mit sich bringt.
Mir ist klar, dass die Beurteilung, Bewertung und Ahndung von solchen Verbrechen früher anderen Rechtsgrundsätzen unterlag als dies heute der Fall ist.
Eine andere Qualität stellt wohl die Erschießung der Gefangenen von Jaffa (1799) dar. Der Dichter und Politiker – ja, er war auch einmal Außenminister – Vicomte de Chateaubriand schreibt zu diesem Thema folgendes:
„Jaffa wird genommen. Nach dem Sturme ergab sich ein Teil der Besatzung, von Bonaparte zu zwölfhundert, von anderen zu zwei- bis dreitausend Mann angegeben, und es wurde ihnen Gnade zugesichert; zwei Tage später befahl Bonaparte, sie niederzumachen.
Napoleon leugnet diesen Mord nicht, aber er schiebt die Schuld auf die Lage, in der er sich befand. Er konnte die Gefangenen so wenig ernähren , als das sie unter Bedeckung nach Ägypten schicken; sie auf Ehrenwort in Freiheit zu setzen, war ebenfalls nicht möglich, denn sie hätten gar keinen Begriff von einem solchen Versprechen und von diesem europäischen Verfahren gehabt. „Wellington würde an meiner Stelle ebenso gehandelt haben wie ich“ sagte er.
Waren den die Massaker nötig zur Rettung unserer Armee? Wusste Bonaparte nicht, mit welcher Leichtigkeit eine Handvoll Franzosen die Streitkräfte des Paschas von Damaskus besiegte? Vernichtete er nicht bei Abukir mit einigen Reitern dreizehntausend Osmanlis? Überwand nicht Kleber später den Großwesir und seine Myriaden Mohammedaner? Wenn vom Rechte gesprochen wird, welches Recht hatten die Franzosen, Ägypten mit Krieg zu überziehen? Warum ermordeten sie Menschen, die sich nur des Rechtes der Verteidigung bedienten? Auf die Gesetze des Krieges aber konnte sich Bonaparte nicht stützen, da die Gefangenen in Jaffa die Waffen gestreckt hatten und ihre Unterwerfung angenommen war. Bonaparte wusste recht wohl, was Recht war, aber er lachte darüber; er bediente sich der Wahrheit, wie er sich der Lüge bediente; er hatte nur das Resultat im Auge, das Mittel war ihm gleichgültig. Die Menge der Gefangenen setzte ihn in Verlegenheit, also ermordete er sie. [2]
Die Aussagen des Vicomte legen nahe, dass die Handlungsweise Bonapartes auch zu seiner Zeit kriegs- und völkerrechtlich betrachtet ein Kriegsverbrechen und Mord darstellte/darstellen konnte.
Frappant ist, dass er Bonaparte sowohl als Mörder sieht als auch als einen Rassisten, der sich das Recht anmaßt, die dortige Bevölkerung als Barbaren zu betrachten, die eine Behandlung nach europäischem Recht nicht notwendig macht. Schlussendlich sieht er in Bonaparte einen Mann, dem jedes Mittel (Verbrechen) recht ist, um seine Ziele zu erreichen.
Was sagte Bonaparte selbst zu den Vorwürfen:
Bei Wencker-Wildberg [3] heißt es im Text dazu:
„Die Division Bon, die den Auftrag erhalte hatte, auf dem rechten Flügel einen Scheinangriff zu machen, erstieg die Mauern mittels Leitern, sobald die Belagerten in Unordnung geraten waren. Die Wut der Soldaten hatte ihren Höhepunkt erreicht; sie ließen alles über die Klinge springen; die Stadt wurde geplündert und erlitt alle Gräuel, die einer mit Sturm genommenen Festung widerfahren können. Endlich gegen Mitternacht wurde ein Generalpardon verkündigt, von dem nur die wortbrüchigen Kapitulanten von Kalaat-el-Arisch ausgenommen wurden…
Die Anzahl der Gefangenen betrug 2500 Mann, darunter 800 – 900 Mann der Besatzung von Kalaat-el-Arisch. Diese, die vorher geschworen hatten, binnen Jahresfrist nicht nach Syrien zurückzukehren, waren nur drei Tage lang in der Richtung auf Bagdad marschiert, dann aber abgeschwenkt und hatten sich in die Festung Jaffa begeben.
Sie hatten also ihren Eid gebrochen und wurden sämtlich erschossen. Die übrigen Gefangenen wurden mit den eroberten Fahne und anderen Siegeszeichen nach Ägypten geschickt.“ [3]
Bonaparte steht zu der Erschießung, reduziert sie auf 800-900 Eidbrüchige, sieht sich damit im Recht. Fraglich aber, ob eine solche Erschießung ohne ordentliches Militär- oder Kriegsgericht rechtes ist. Sehr fraglich, wie denn die Identifikation der Eidbrüchigen erfolgt sein soll!
In den Anmerkungen dazu heißt es:
„Die Erschießung der Gefangenen von Jaffa, die zum großen Teil aus der wortbrüchigen Garnision von Kalaat-el-Arisch bestanden, bot den Gegnern Napoleons willkommenen Anlass zu schärfster Kritik. [3]
Von der Kritikerschelte abgesehen, wird hier schon Bonaparte widerlegt, der im Text behauptete, nur die Eidbrüchigen erschossen zu haben.
„Um den Fall objektiv zu betrachten, muss man sich die schwierige Lage vergegenwärtigen, in die Napoleon sich durch diesen plötzlichen Zuwachs an Essern versetzt sah, deren Zahl (3000 Mann) entsprach. [3]
Das Argument kann ich nicht nachvollziehen. Wenn ich als Militär eine Festung erobere, muss ich nicht zwangsläufig damit rechnen, dass nach der Eroberung „zusätzliche Esser“ vorhanden sind? Es sei denn, ich habe nicht die Absicht, Gefangene zu machen!
„Eine großmütige Geste gegenüber den Gefangenen von Jaffa hätte ihm (Bonaparte) also auch in dem Lager des Seraskiers Achtung und Gegenliebe erringen können – wenn sein Gegner Djezzar Pascha nicht ein Barbar und asiatischer Despot gewesen wäre, der sich um keine Gesetze des Völker- und Kriegsrechts kümmerte. So ließ er nicht nur Napoleons verschiedene Briefe unbeantwortet, sondern auch den Parlamentär, der nach Jaffa geschickt wurde, um den Pascha im Auftrag Bonapartes zur Übergabe aufzufordern, gegen jeden Brauch hinrichten und den Kopf des Unglücklichen auf einer Lanze von den Wällen herab höhnisch den Franzosen zeigen. Gefangene machte Djezzar Pascha überhaupt nicht; wer von den Franzosen in die Hände der Türken fiel, wurde erbarmungslos niedergemetzelt. Diese orientalische Art der Kriegsführung musste Napoleons Soldaten aufs äußerste erbittern, zumal sie sahen, auf welch hinterhältige Weise die Großmut ihres Führers von der Besatzung von Kalaat-el-Arisch vergolten wurde.“ [3]
Abgesehen davon, dass ich nicht weiß, ob die Aussagen zum Pascha stimmen, kann aus einer solchen Handlungsweise Bonaparte eine Legitimation beanspruchen, – zumal er der Aggressor war - ähnlich „barbarisch“ und verbrecherisch vorzugehen?
„Hätte ich diesen Leuten nochmals das Leben geschenkt und sie wieder auf ihr Ehrenwort entlassen, so hätten sie sich sofort nach Akka begeben und es wäre nochmals geschehen, was sich hier ereignet hatte. Aus Gerechtigkeit gegen meine eigenen Soldaten und weil jeder Heerführer sich als Vater seiner Soldaten und diese als seine Kinder betrachten soll, durfte ich dies nicht hingehen lassen,“ sagte Napoleon am 21. Januar 1817 zu Dr. O’Meara. „Einen Teil meiner ohnehin schon stark zusammengeschmolzenen Armee als Wache für die Wortbrüchigen abzugeben, war unmöglich. Hätte ich anders gehandelt, als ich es tat, so hätte ich wahrscheinlich den Untergang meiner ganzen Armee verschuldet. Ich machte also Gebrauch von dem im Krieg geltenden Recht, Soldaten, die unter solchen Umständen in Gefangenschaft geraten, erschießen zu lassen. Ich befahl, dass von der türkischen Garnison von Jaffa diejenigen, die ich in Kalaat-el-Arisch zu Gefangenen gemacht hatte und trotz ihres gegebenen Wortes in Waffen gegen mich wieder fand, erschossen würden. Alle übrigen – es war noch eine beträchtliche Zahl – blieben am Leben. Ich würde das, was ich damals tat, befände ich mich heute in derselben Lage, wieder tun. Und ebenso würde auch Wellington und jeder andere General unter ähnlichen Umständen gehandelt haben“ [3]
Kann das glaubhaft sein? Napoleon hebt wieder nur auf die „Wortbrüchigen“ ab und wollte wohl glauben machen, dass eine Verschonung der „Wortbrüchigen“, also 800 -900 Mann, eine Katastrophe für die Armee bedeutet hätte?
Auch stellt sich mir die Frage, ob es zu der Zeit dieses Recht (von mir im Text hervorgehoben) gab, auf welches Napoleon abhebt?
Was schreiben die Biografen:
Mereschkowskij:
„“Am 25. Februar waren sie in Gaza, der ersten palästinischen Stadt; am 6. März nahmen sie Jaffa, wo sie 2000 gefangene Arnauten erschießen mussten. „Noch nie ist der Krieg mir so gemein erschienen!“ schrieb Bonaparte an das Direktorium.“ [4]
Manfred:
„Bei der Einnahme Jaffas plünderten die Franzosen die Stadt und behandelten die Besiegten äußerst grausam.“ [5]
Dufraisse:
„Gaza ergab sich kampflos, Jaffa von den Mamelucken energisch verteidigt, wurde am 7. März erobert; dabei wurden 2000 türkische Soldaten und zahlreiche Zivilisten niedergemetzelt.“ [6]
Tulard:
„Gaza (wo 2000 Türken niedergemacht wurden) und Jaffa wurden ohne Schwierigkeiten genommen.“ [7]
Bis jetzt nicht sehr ergiebig, wobei mich die Aussagen von Dufraisse und Tulard schon etwas wundern, aber mehr dazu weiter unten.
Cronin:
„Dann setze N. den Marsch fort und erstürmte am 7. März Jaffa. Dort nahm er 4000 Türken gefangen, unter ihnen mehrere hundert der in Gaza auf Ehrenwort freigelassenen.
N. stand nun vor einer schweren Entscheidung. Er konnte die türkischen Gefangenen in Gewahrsam behalten, aber wie sollte er sie ernähren? Seine eigenen Leute führten, an die 500 km von ihrem Stützpunkt Kairo entfernt, nicht einmal Zwieback genug für sich selbst mit, und in der Wüste war zusätzliche Nahrung nicht aufzutreiben. Er konnte andererseits die Gefangenen freilassen, aber nun hatte er die Gewissheit, dass sie sich der türkischen Hauptarmee anschließen und die Zahl eines ohnehin stark überlegenen Feindes vermehren würden. Entweder mussten also die Türken verhungern, oder er musste ein zweites Mal gegen sie kämpfen – und franz. Blut opfern. Er scheute sich, die Verantwortung allein zu übernehmen, und tat, was er bis dahin noch nie getan hatte: er rief seine ranghöchsten Offiziere zu einem Kriegsrat zusammen. Sie besprachen sich zwei Tage lang. Die Mehrheit sah nur einen Ausweg: man musste die Gefangenen erschießen. So furchtbar diese Lösung war, man fand, dass sie verglichen mit den beiden anderen Möglichkeiten das geringere Übel darstellte. Napoleon gab die nötigen Befehle, und am 10. März wurden die Türken erschossen.“ [8]
Da stellt sich mir die Frage, scheute er die nur die alleinige Verantwortung – die er so oder so gehabt hätte - oder wollte er seine Unterführer zu Mitwissern und -tätern machen, damit sie ihn später nicht anklagen konnten?
Mir ist klar, dass die Beurteilung, Bewertung und Ahndung von solchen Verbrechen früher anderen Rechtsgrundsätzen unterlag als dies heute der Fall ist.
Eine andere Qualität stellt wohl die Erschießung der Gefangenen von Jaffa (1799) dar. Der Dichter und Politiker – ja, er war auch einmal Außenminister – Vicomte de Chateaubriand schreibt zu diesem Thema folgendes:
„Jaffa wird genommen. Nach dem Sturme ergab sich ein Teil der Besatzung, von Bonaparte zu zwölfhundert, von anderen zu zwei- bis dreitausend Mann angegeben, und es wurde ihnen Gnade zugesichert; zwei Tage später befahl Bonaparte, sie niederzumachen.
Napoleon leugnet diesen Mord nicht, aber er schiebt die Schuld auf die Lage, in der er sich befand. Er konnte die Gefangenen so wenig ernähren , als das sie unter Bedeckung nach Ägypten schicken; sie auf Ehrenwort in Freiheit zu setzen, war ebenfalls nicht möglich, denn sie hätten gar keinen Begriff von einem solchen Versprechen und von diesem europäischen Verfahren gehabt. „Wellington würde an meiner Stelle ebenso gehandelt haben wie ich“ sagte er.
Waren den die Massaker nötig zur Rettung unserer Armee? Wusste Bonaparte nicht, mit welcher Leichtigkeit eine Handvoll Franzosen die Streitkräfte des Paschas von Damaskus besiegte? Vernichtete er nicht bei Abukir mit einigen Reitern dreizehntausend Osmanlis? Überwand nicht Kleber später den Großwesir und seine Myriaden Mohammedaner? Wenn vom Rechte gesprochen wird, welches Recht hatten die Franzosen, Ägypten mit Krieg zu überziehen? Warum ermordeten sie Menschen, die sich nur des Rechtes der Verteidigung bedienten? Auf die Gesetze des Krieges aber konnte sich Bonaparte nicht stützen, da die Gefangenen in Jaffa die Waffen gestreckt hatten und ihre Unterwerfung angenommen war. Bonaparte wusste recht wohl, was Recht war, aber er lachte darüber; er bediente sich der Wahrheit, wie er sich der Lüge bediente; er hatte nur das Resultat im Auge, das Mittel war ihm gleichgültig. Die Menge der Gefangenen setzte ihn in Verlegenheit, also ermordete er sie. [2]
Die Aussagen des Vicomte legen nahe, dass die Handlungsweise Bonapartes auch zu seiner Zeit kriegs- und völkerrechtlich betrachtet ein Kriegsverbrechen und Mord darstellte/darstellen konnte.
Frappant ist, dass er Bonaparte sowohl als Mörder sieht als auch als einen Rassisten, der sich das Recht anmaßt, die dortige Bevölkerung als Barbaren zu betrachten, die eine Behandlung nach europäischem Recht nicht notwendig macht. Schlussendlich sieht er in Bonaparte einen Mann, dem jedes Mittel (Verbrechen) recht ist, um seine Ziele zu erreichen.
Was sagte Bonaparte selbst zu den Vorwürfen:
Bei Wencker-Wildberg [3] heißt es im Text dazu:
„Die Division Bon, die den Auftrag erhalte hatte, auf dem rechten Flügel einen Scheinangriff zu machen, erstieg die Mauern mittels Leitern, sobald die Belagerten in Unordnung geraten waren. Die Wut der Soldaten hatte ihren Höhepunkt erreicht; sie ließen alles über die Klinge springen; die Stadt wurde geplündert und erlitt alle Gräuel, die einer mit Sturm genommenen Festung widerfahren können. Endlich gegen Mitternacht wurde ein Generalpardon verkündigt, von dem nur die wortbrüchigen Kapitulanten von Kalaat-el-Arisch ausgenommen wurden…
Die Anzahl der Gefangenen betrug 2500 Mann, darunter 800 – 900 Mann der Besatzung von Kalaat-el-Arisch. Diese, die vorher geschworen hatten, binnen Jahresfrist nicht nach Syrien zurückzukehren, waren nur drei Tage lang in der Richtung auf Bagdad marschiert, dann aber abgeschwenkt und hatten sich in die Festung Jaffa begeben.
Sie hatten also ihren Eid gebrochen und wurden sämtlich erschossen. Die übrigen Gefangenen wurden mit den eroberten Fahne und anderen Siegeszeichen nach Ägypten geschickt.“ [3]
Bonaparte steht zu der Erschießung, reduziert sie auf 800-900 Eidbrüchige, sieht sich damit im Recht. Fraglich aber, ob eine solche Erschießung ohne ordentliches Militär- oder Kriegsgericht rechtes ist. Sehr fraglich, wie denn die Identifikation der Eidbrüchigen erfolgt sein soll!
In den Anmerkungen dazu heißt es:
„Die Erschießung der Gefangenen von Jaffa, die zum großen Teil aus der wortbrüchigen Garnision von Kalaat-el-Arisch bestanden, bot den Gegnern Napoleons willkommenen Anlass zu schärfster Kritik. [3]
Von der Kritikerschelte abgesehen, wird hier schon Bonaparte widerlegt, der im Text behauptete, nur die Eidbrüchigen erschossen zu haben.
„Um den Fall objektiv zu betrachten, muss man sich die schwierige Lage vergegenwärtigen, in die Napoleon sich durch diesen plötzlichen Zuwachs an Essern versetzt sah, deren Zahl (3000 Mann) entsprach. [3]
Das Argument kann ich nicht nachvollziehen. Wenn ich als Militär eine Festung erobere, muss ich nicht zwangsläufig damit rechnen, dass nach der Eroberung „zusätzliche Esser“ vorhanden sind? Es sei denn, ich habe nicht die Absicht, Gefangene zu machen!
„Eine großmütige Geste gegenüber den Gefangenen von Jaffa hätte ihm (Bonaparte) also auch in dem Lager des Seraskiers Achtung und Gegenliebe erringen können – wenn sein Gegner Djezzar Pascha nicht ein Barbar und asiatischer Despot gewesen wäre, der sich um keine Gesetze des Völker- und Kriegsrechts kümmerte. So ließ er nicht nur Napoleons verschiedene Briefe unbeantwortet, sondern auch den Parlamentär, der nach Jaffa geschickt wurde, um den Pascha im Auftrag Bonapartes zur Übergabe aufzufordern, gegen jeden Brauch hinrichten und den Kopf des Unglücklichen auf einer Lanze von den Wällen herab höhnisch den Franzosen zeigen. Gefangene machte Djezzar Pascha überhaupt nicht; wer von den Franzosen in die Hände der Türken fiel, wurde erbarmungslos niedergemetzelt. Diese orientalische Art der Kriegsführung musste Napoleons Soldaten aufs äußerste erbittern, zumal sie sahen, auf welch hinterhältige Weise die Großmut ihres Führers von der Besatzung von Kalaat-el-Arisch vergolten wurde.“ [3]
Abgesehen davon, dass ich nicht weiß, ob die Aussagen zum Pascha stimmen, kann aus einer solchen Handlungsweise Bonaparte eine Legitimation beanspruchen, – zumal er der Aggressor war - ähnlich „barbarisch“ und verbrecherisch vorzugehen?
„Hätte ich diesen Leuten nochmals das Leben geschenkt und sie wieder auf ihr Ehrenwort entlassen, so hätten sie sich sofort nach Akka begeben und es wäre nochmals geschehen, was sich hier ereignet hatte. Aus Gerechtigkeit gegen meine eigenen Soldaten und weil jeder Heerführer sich als Vater seiner Soldaten und diese als seine Kinder betrachten soll, durfte ich dies nicht hingehen lassen,“ sagte Napoleon am 21. Januar 1817 zu Dr. O’Meara. „Einen Teil meiner ohnehin schon stark zusammengeschmolzenen Armee als Wache für die Wortbrüchigen abzugeben, war unmöglich. Hätte ich anders gehandelt, als ich es tat, so hätte ich wahrscheinlich den Untergang meiner ganzen Armee verschuldet. Ich machte also Gebrauch von dem im Krieg geltenden Recht, Soldaten, die unter solchen Umständen in Gefangenschaft geraten, erschießen zu lassen. Ich befahl, dass von der türkischen Garnison von Jaffa diejenigen, die ich in Kalaat-el-Arisch zu Gefangenen gemacht hatte und trotz ihres gegebenen Wortes in Waffen gegen mich wieder fand, erschossen würden. Alle übrigen – es war noch eine beträchtliche Zahl – blieben am Leben. Ich würde das, was ich damals tat, befände ich mich heute in derselben Lage, wieder tun. Und ebenso würde auch Wellington und jeder andere General unter ähnlichen Umständen gehandelt haben“ [3]
Kann das glaubhaft sein? Napoleon hebt wieder nur auf die „Wortbrüchigen“ ab und wollte wohl glauben machen, dass eine Verschonung der „Wortbrüchigen“, also 800 -900 Mann, eine Katastrophe für die Armee bedeutet hätte?
Auch stellt sich mir die Frage, ob es zu der Zeit dieses Recht (von mir im Text hervorgehoben) gab, auf welches Napoleon abhebt?
Was schreiben die Biografen:
Mereschkowskij:
„“Am 25. Februar waren sie in Gaza, der ersten palästinischen Stadt; am 6. März nahmen sie Jaffa, wo sie 2000 gefangene Arnauten erschießen mussten. „Noch nie ist der Krieg mir so gemein erschienen!“ schrieb Bonaparte an das Direktorium.“ [4]
Manfred:
„Bei der Einnahme Jaffas plünderten die Franzosen die Stadt und behandelten die Besiegten äußerst grausam.“ [5]
Dufraisse:
„Gaza ergab sich kampflos, Jaffa von den Mamelucken energisch verteidigt, wurde am 7. März erobert; dabei wurden 2000 türkische Soldaten und zahlreiche Zivilisten niedergemetzelt.“ [6]
Tulard:
„Gaza (wo 2000 Türken niedergemacht wurden) und Jaffa wurden ohne Schwierigkeiten genommen.“ [7]
Bis jetzt nicht sehr ergiebig, wobei mich die Aussagen von Dufraisse und Tulard schon etwas wundern, aber mehr dazu weiter unten.
Cronin:
„Dann setze N. den Marsch fort und erstürmte am 7. März Jaffa. Dort nahm er 4000 Türken gefangen, unter ihnen mehrere hundert der in Gaza auf Ehrenwort freigelassenen.
N. stand nun vor einer schweren Entscheidung. Er konnte die türkischen Gefangenen in Gewahrsam behalten, aber wie sollte er sie ernähren? Seine eigenen Leute führten, an die 500 km von ihrem Stützpunkt Kairo entfernt, nicht einmal Zwieback genug für sich selbst mit, und in der Wüste war zusätzliche Nahrung nicht aufzutreiben. Er konnte andererseits die Gefangenen freilassen, aber nun hatte er die Gewissheit, dass sie sich der türkischen Hauptarmee anschließen und die Zahl eines ohnehin stark überlegenen Feindes vermehren würden. Entweder mussten also die Türken verhungern, oder er musste ein zweites Mal gegen sie kämpfen – und franz. Blut opfern. Er scheute sich, die Verantwortung allein zu übernehmen, und tat, was er bis dahin noch nie getan hatte: er rief seine ranghöchsten Offiziere zu einem Kriegsrat zusammen. Sie besprachen sich zwei Tage lang. Die Mehrheit sah nur einen Ausweg: man musste die Gefangenen erschießen. So furchtbar diese Lösung war, man fand, dass sie verglichen mit den beiden anderen Möglichkeiten das geringere Übel darstellte. Napoleon gab die nötigen Befehle, und am 10. März wurden die Türken erschossen.“ [8]
Da stellt sich mir die Frage, scheute er die nur die alleinige Verantwortung – die er so oder so gehabt hätte - oder wollte er seine Unterführer zu Mitwissern und -tätern machen, damit sie ihn später nicht anklagen konnten?