Verschiedentlich wurde die Entwicklung in Zusammenhang mit Imperialismus, Kolonialismus und dem deutsch-englischen Gegensatz 1914 angesprochen. Vielleicht läßt sich zu dem Thema einiges zusammentragen.
In den Jahren 1876-79, 1883-87 und 1892-95 ging die englische Wirtschaft durch drei schwere Depressionen. Diese Jahre/drei Phasen waren außerdem durch eine anhaltende landwirtschaftliche Depression und einem langfristigen Trend des Sinkens von Preisen und Gewinnen miteinander verknüpft.
Für die Gesamtperiode 1873 bis 1896 gibt es daher auch den Begriff der "Great Depression". Bürgerlich-liberale Konzeptionen von Freihandel und Selbsthilfe - die aus konjunkturell besseren Zeiten nach 1840 stammten und vorherrschten - erlitten in dieser Zeit schwere Rückschläge. Gleichzeitig beobachtete man den zunehmenden Angebotsdruck für landwirtschaftliche und industrielle Erzeugnisse auf dem Weltmarkt, sowie zunehmenden Protektionismus gegen Importe (USA, Frankreich, Deutschland, Italien etc.). Die englischen Exporte nach USA/Deutschland sanken in dieser Zeit sogar in absoluten Zahlen.
Die Krise führte zur Entstehung einer protektionistischen Bewegung auch in Großbritannien: da "echter" Protektionismus in Form von Einfuhrverboten dem englischen Freihandel wohl unmöglich war, wurden abgeschwächt "Vergeltungszölle" gefordert. Es gründeten sich auch schnell entsprechende Interessenvereine, die zT mit politischen Gruppen verbunden waren. In England entstand die Forderung nach einer "Custom Union comparable to the German Zollverein", eben nur bezogen auf das Britische Empire. Weitere Strömungen richteten ihr Interesse auf die Funktionen und Wirkungen der deutschen Arbeiterbewegung, auch hier wurden "Kopien" für England gefordert.
Diese protektionistischen Bewegungen erhielten einen schweren Dämpfer durch den überraschenden Exportboom 1904/07 und 1910/14, der vorwiegend in die nicht-kolonialen Märkte USA und Deutschland ging und von den dortigen "Binnenkonjunkturen" und der Expanison der Volkswirtschaften geprägt war. Während die britischen Exporte in den Jahren zwischen 1873 und 1896 bei etwa 200-250 Mio. GBP stagniert hatten, und 1896 bis 1904 von 264 auf 301 Mio. GBP anwuchsen, stiegen sie von 1903 bis 1913 von 301 auf 525 Mio. GBP. Außerdem stiegen in dieser Phase zum ersten Mal seit 50 Jahren die britischen Exporte schneller als die Importe.
Die Kritik und die protektionistischen Forderungen teilten sich in dieser Zeit: Basis des Booms waren Kohle, Schiffbau, Maschinen und Textilien. Dagegen expandierten aufgrund des ausländischen Wettbewerbs andere Industrien (Stahl-, Chemie-, Elektro-, Glas-, Keramik-, Leder-, Stickerei-, Fahrzeug- und metallverarbeitende Industrien) kaum. In diesen Branchen blieb die Kritik erhalten, schwächte sich jedoch insgesamt im Land aufgrund der Gesamtentwicklung ab. Sofern öffentliche Äußerungen aus dieser Zeit stammen, ist also der Kontext entscheidend.
Die ökonomischen Entwicklungen waren eng mit gesellschaftlichen Entwicklungen und Denkansätzen verbunden. In der zweiten Hälfte des 19. JH festigte sich in England der Begriff des "unemployment". Dabei wurde auch die deutsche Entwicklung beobachtet: man suchte nach Modellen und Prinzipien staatlicher Intervention in Wirtschaft und Gesellschaft, um die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern.
Damit verstärkten sich zugleich Ideen, die auf eine Einbindung der Arbeiterschaft im nationalen Interesse zielten, die Stabilisierung des Sozial- und Machtgefüges und die Absicherung der Prosperität. Während es auf der einen Seite die Germanophoben gab (mit Forderungen nach einem "Imperial Zollverein" und Germaniam-esse-delenda), entstanden zeitgleich abgewogenere Artikel, die mit "Made-in-Germany" und Warnungen vor der deutschen Konkurrenz die Öffentlichkeit mit ihren Untersuchungen aufschreckten. Die Studien waren zT recht abgewogen: es gab seit den 1890ern detaillierte Untersuchungen über die deutsche (auch amerikanische) industrielle Effizienz und Modernität. Teilweise schlugen diese Untersuchungen sogar in Bewunderung über, während englische Bedingungen hart kritisiert wurden. Die deutschen Ursachen wurden zB in der Schrift des Protektionisten (!) Shadwell wie folgt beschrieben: Modernität, harte Arbeit, tüchtiges Management, gute Organisation und Ausbildung etc. Daraus wurden die gesellschaftlichen Ursachen schnell auf moralische, nicht etwa auf materielle Aspekte zurückgeführt: Disziplin + "collective steady and watchful effort"
Der liberale Wahlsieg von 1906, obwohl in der Phase des Aufschwungs und der Exportsteigerung liegend, ist auch durch diese Strömungen entscheidend mit beeinflusst. Zwar verwandte man kaum mehr das zwischenzeitliche Schlagwort des Staatssozialsmus, aber zahlreiche Aspekte/Forderungen zur "national effiency" schwappten aus der deutschen Entwicklung nach England: staatliche Invaliditäts- und Altersversicherung, Fürsorge auf verschiedenen Gebiete zB Wanderarbeiter, Pflicht-Krankenversicherung, Gewerbegerichte, Arbeiterausschüsse zur Verhinderung von Arbeitskonflikten und vieles mehr. In England äußerte man sich zu dieser Zeit begeistert über "Germanys policy of Social Organisation", die eben auch als Ursache der Prosperität verstanden wurde. Diese Wertungen standen außerdem im Gegensatz zu der allgemein aufgefaßten politischen Rückständigkeit des Deutschen Reiches (reaktionäre Verfassung, "cult of force", kulminiert in dem 1915ern Aufsatz von Dawson: "What is wrong with Germany?")
Die Entwicklung weist somit vermischte, in der Wertung sehr unterschiedlich betrachtete Aspekte von Politik und Wirtschaft in der deutsch-britischen Konkurrenz auf. Einfluß und Nutzung dieser Diskussionsebenen durch gemanophobe und gemoanophile Vertreter in der britischen Öffentlichkeit wechseln beständig. Alle Aspekte werden im Zeitraum 1890-1914 miteinander vermengt, zT instrumentalisiert, und sie können nicht losgelöst von der englischen (Binnen-)Wirtschaftsentwicklung betrachtet werden, die die genannten Phasen ausweist.
Daten von Sumida (In Defence of Naval Supremacy):
Einnahmen/Ausgaben/Saldo für den britischen Staatshaushalt (in Mio. GBP):
1908/09: 151,6 .../... 152,3 .../... -0,7
1909/10: 131,7 .../... 158,0 .../... -26,2
1910/11: 203,9 .../... 172,0 .../... +31,9
1911/12: 185,1 .../... 178,5 .../... +6,4
1912/13: 188,8 .../... 188,6 .../... +0,2
1913/14: 198,2 .../... 197,5 .../... +0,7
Der britische Schuldendienst zwischen 1907 und 1913 schwankte zwischen 26 und 38 Mio. GBP. Staatsverschuldung 1874: 723 Mio. GBP, in 1914: 586 Mio. GBP. Von 1900 bis 1914 stieg der Marinehaushalt von 33,2 auf 53,4 Mio. GBP.
In den Jahren 1876-79, 1883-87 und 1892-95 ging die englische Wirtschaft durch drei schwere Depressionen. Diese Jahre/drei Phasen waren außerdem durch eine anhaltende landwirtschaftliche Depression und einem langfristigen Trend des Sinkens von Preisen und Gewinnen miteinander verknüpft.
Für die Gesamtperiode 1873 bis 1896 gibt es daher auch den Begriff der "Great Depression". Bürgerlich-liberale Konzeptionen von Freihandel und Selbsthilfe - die aus konjunkturell besseren Zeiten nach 1840 stammten und vorherrschten - erlitten in dieser Zeit schwere Rückschläge. Gleichzeitig beobachtete man den zunehmenden Angebotsdruck für landwirtschaftliche und industrielle Erzeugnisse auf dem Weltmarkt, sowie zunehmenden Protektionismus gegen Importe (USA, Frankreich, Deutschland, Italien etc.). Die englischen Exporte nach USA/Deutschland sanken in dieser Zeit sogar in absoluten Zahlen.
Die Krise führte zur Entstehung einer protektionistischen Bewegung auch in Großbritannien: da "echter" Protektionismus in Form von Einfuhrverboten dem englischen Freihandel wohl unmöglich war, wurden abgeschwächt "Vergeltungszölle" gefordert. Es gründeten sich auch schnell entsprechende Interessenvereine, die zT mit politischen Gruppen verbunden waren. In England entstand die Forderung nach einer "Custom Union comparable to the German Zollverein", eben nur bezogen auf das Britische Empire. Weitere Strömungen richteten ihr Interesse auf die Funktionen und Wirkungen der deutschen Arbeiterbewegung, auch hier wurden "Kopien" für England gefordert.
Diese protektionistischen Bewegungen erhielten einen schweren Dämpfer durch den überraschenden Exportboom 1904/07 und 1910/14, der vorwiegend in die nicht-kolonialen Märkte USA und Deutschland ging und von den dortigen "Binnenkonjunkturen" und der Expanison der Volkswirtschaften geprägt war. Während die britischen Exporte in den Jahren zwischen 1873 und 1896 bei etwa 200-250 Mio. GBP stagniert hatten, und 1896 bis 1904 von 264 auf 301 Mio. GBP anwuchsen, stiegen sie von 1903 bis 1913 von 301 auf 525 Mio. GBP. Außerdem stiegen in dieser Phase zum ersten Mal seit 50 Jahren die britischen Exporte schneller als die Importe.
Die Kritik und die protektionistischen Forderungen teilten sich in dieser Zeit: Basis des Booms waren Kohle, Schiffbau, Maschinen und Textilien. Dagegen expandierten aufgrund des ausländischen Wettbewerbs andere Industrien (Stahl-, Chemie-, Elektro-, Glas-, Keramik-, Leder-, Stickerei-, Fahrzeug- und metallverarbeitende Industrien) kaum. In diesen Branchen blieb die Kritik erhalten, schwächte sich jedoch insgesamt im Land aufgrund der Gesamtentwicklung ab. Sofern öffentliche Äußerungen aus dieser Zeit stammen, ist also der Kontext entscheidend.
Die ökonomischen Entwicklungen waren eng mit gesellschaftlichen Entwicklungen und Denkansätzen verbunden. In der zweiten Hälfte des 19. JH festigte sich in England der Begriff des "unemployment". Dabei wurde auch die deutsche Entwicklung beobachtet: man suchte nach Modellen und Prinzipien staatlicher Intervention in Wirtschaft und Gesellschaft, um die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern.
Damit verstärkten sich zugleich Ideen, die auf eine Einbindung der Arbeiterschaft im nationalen Interesse zielten, die Stabilisierung des Sozial- und Machtgefüges und die Absicherung der Prosperität. Während es auf der einen Seite die Germanophoben gab (mit Forderungen nach einem "Imperial Zollverein" und Germaniam-esse-delenda), entstanden zeitgleich abgewogenere Artikel, die mit "Made-in-Germany" und Warnungen vor der deutschen Konkurrenz die Öffentlichkeit mit ihren Untersuchungen aufschreckten. Die Studien waren zT recht abgewogen: es gab seit den 1890ern detaillierte Untersuchungen über die deutsche (auch amerikanische) industrielle Effizienz und Modernität. Teilweise schlugen diese Untersuchungen sogar in Bewunderung über, während englische Bedingungen hart kritisiert wurden. Die deutschen Ursachen wurden zB in der Schrift des Protektionisten (!) Shadwell wie folgt beschrieben: Modernität, harte Arbeit, tüchtiges Management, gute Organisation und Ausbildung etc. Daraus wurden die gesellschaftlichen Ursachen schnell auf moralische, nicht etwa auf materielle Aspekte zurückgeführt: Disziplin + "collective steady and watchful effort"
Der liberale Wahlsieg von 1906, obwohl in der Phase des Aufschwungs und der Exportsteigerung liegend, ist auch durch diese Strömungen entscheidend mit beeinflusst. Zwar verwandte man kaum mehr das zwischenzeitliche Schlagwort des Staatssozialsmus, aber zahlreiche Aspekte/Forderungen zur "national effiency" schwappten aus der deutschen Entwicklung nach England: staatliche Invaliditäts- und Altersversicherung, Fürsorge auf verschiedenen Gebiete zB Wanderarbeiter, Pflicht-Krankenversicherung, Gewerbegerichte, Arbeiterausschüsse zur Verhinderung von Arbeitskonflikten und vieles mehr. In England äußerte man sich zu dieser Zeit begeistert über "Germanys policy of Social Organisation", die eben auch als Ursache der Prosperität verstanden wurde. Diese Wertungen standen außerdem im Gegensatz zu der allgemein aufgefaßten politischen Rückständigkeit des Deutschen Reiches (reaktionäre Verfassung, "cult of force", kulminiert in dem 1915ern Aufsatz von Dawson: "What is wrong with Germany?")
Die Entwicklung weist somit vermischte, in der Wertung sehr unterschiedlich betrachtete Aspekte von Politik und Wirtschaft in der deutsch-britischen Konkurrenz auf. Einfluß und Nutzung dieser Diskussionsebenen durch gemanophobe und gemoanophile Vertreter in der britischen Öffentlichkeit wechseln beständig. Alle Aspekte werden im Zeitraum 1890-1914 miteinander vermengt, zT instrumentalisiert, und sie können nicht losgelöst von der englischen (Binnen-)Wirtschaftsentwicklung betrachtet werden, die die genannten Phasen ausweist.