Caligula - Eine Biographie

tela

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Hi

Um den 'neronische Christenverfolgung'-Zweig nicht mit einem anderen Thema zu füllen, hier ein Versuch die Thesen von Aloys Winterling zu Caligula zusammenzufassen. Ich hoffe, es ist einigermaßen verständlich. Falls nicht, ist es kein Fehler im Buch, sondern einzig meine Unfähigkeit.

Der Prinzipat war ein hochkomplexes, nicht einfach zu handhabendes Gefüge.
"Damit (mit der Etablierung des Prinzipats durch Augustus) war eine merkwürdige Situation entstanden, die allen Beteiligten (Senatoren und Kaiser) hohes kommunikatives Geschick aberverlangte: Die Senatoren hatten so zu handeln, als besäßen sie eine Macht, die sie nicht mehr hatten. Der Kaiser hatte seine Macht so auszuüben, dass es schien, als ob er sie nicht besitze." (S. 16)

Augustus war fähig, dieses Spiel zu spielen. Bei ihm kam vielleicht auch dazu, dass er - vgl. res gestae - über derart hohe Autorität verfügte, dass es bei ihm einfach auch klappen 'musste'. Augustus handelte ohne Befehle gegenüber dem Senat, machte aber deutlich, was seine Wünsche waren, so dass die Senatoren diesen folgen konnten. Tiberius machte dies dagegen nicht. Die Senatoren hatten massive Schwierigkeiten zu erkennen, was Tiberius wünschte oder nicht. Bei Tiberius dagegen ging das System schief.

Caligula hatte damit eine schwere Hypothek. Und er hatte den ehrlichen Willen, seine Herrschaft in den Bahnen zu führen, die Augustus vorgezeichnet hatte. Caligula machte in einer Rede deutlich, dass er gewillt war, die Kommunikationsverhältnisse unter Augustus - die Gleichzeitigkeit von Adelsrepublik und Alleinherrschaft - wieder aufnehmen und fortführen wollte. Die Senatoren erkannten aber, dass diese 'Teilung' der Herrschaft von Kaisers Gnaden war, also de facto keine TEilung darstellte und jederzeit beendet werden konnte. Es war aber das höchste, was die Senatoren erwarten konnten.
Die Folge: 2 positive Jahre unter Caligula.

39 n. Chr. kam es zu einer großen Verschwörung im Senat und entsprechenden Reaktionen Caligulas -> Hinrichtungen.
Cassius Dio überliefert eine Rede, die Caligula in dieser Zeit im Senat gehalten hat. Er redet über das Verhältnis Kaiser-Senat:
"Wenn Tiberius wirklich ein solcher Bösewicht war, dann hättet ihr ihn, bei Gott, zeit seines Lebens nicht mit Ehren überschütten [...] dürfen."
Dann erfindet er ein Gespräch mit Tiberius:
"Gut und wahrheitsgetreu ist alles, was du da gesprochen hast, und daher schenke keinen von ihnen deine Zuneigung und schone niemand! Denn sie hassen dich alle und beten um deinen Tod; und wenn sie dazu imstande sind, werden sie dich ermorden."
Caligula entlarvt das Verhalten des Senats dem Kaiser gegenüber als Heuchelei, Verstellung und Lüge. Er hat erkannt, dass es der kaiserlichen Herrschaft an Akzeptanz durch den Senat fehlt.
Es ist nicht das schlimme, was Caligula gesagt hat, da die Senatoren genau wissen, dass es wahr ist. Das schlimme ist, dass Caligula es gesagt hat.
"Indem der Kaiser selbst dem Senat sein Kommunikationsverhalten gegenüber dem Kaiser vorhielt, machte er ihn kommunikationsunfähig. Die Senatoren konnten sich an einer Metakommunikation über die doppelbödige Kommunikation nicht beteiligen. Die Gewaltverhältnisse verhinderten, dass sie hätten einstimmen können:'Ja, wir hassen dich und würden dich gerne beseitigen', was der Realität wahrscheinlich entsprochen hätte. Sie waren macht-, hilf- und sprachlos und zugleich persönlich gedemütigt." (S. 94 - 96)
Caligula machte klar, dass er nicht mehr wie Augustus bereit war, zu schauspielern. Und er hatte vorhergesagt, dass die Senatoren nicht anders werden handeln können, als den Kaiser weiter zu ehren.
Und so kam es dann auch.
Caligula hatte im Umgang von Kaiser und Senat eine neue Situation geschaffen.
"Indem der Kaiser die Doppelbödigkeit der Kommunikation zwischen Aristokratie und ihm selbst offengelegt hatte, stand fortan jede Äußerung des Senats ihm gegenüber unter dem Verdikt: Sie ist nicht ehrlich gemeint, und der Kaiser weiß dies auch. Und die Senatoren wissen, dass der Kaiser weiß, dass sie wissen, dass er das weiß. Umgekehrt war aber auch jedem zukünftigem Entgegenkommen des Kaisers der Weg versperrt: Jeder hätte gewußt, der Kaiser sagt das nur, meint es aber nicht so. Und der Kaiser hätte gewußt, dass die Senatoren wissen, dass auch er das weiß, dass sie das wissen."
Die doppelbödige Kommunikation war unter diesen Bedingungen nicht fortzuführen, der augusteische Prinzipat unter Caligula Geschichte.
In der Folgezeit verhält sich Caligula klar wie ein Alleinherrscher, der sich um die Belange der Senats nicht mehr kümmert.

Das schlechte Bild des Caligula kommt natürlich durch die senatorische Geschichtsschreibung zustande, die u.a. durch gezieltes Auslassen von wichtigen Informationen ein Bild zeichnet, dass Caligula als komplett wahnsinnig erscheinen lässt. Allerdings erscheint dieses Bild in den zeitnahesten Quellen - Philo v. Alexandria und Seneca - nicht in der Form, wie dann bei Sueton oder Cassius Dio.

Der Begriff 'Cäsarenwahn' ist durch Ludwig Quidde Ende des 19. Jh. berühmt gemacht worden, der eine entsprechende Caligula - Biographie schrieb. Allerdings konnte man hinter diesem Caligula ganz deutlich Wilhelm II. erkennen. Quiddes Buch erzielte in kürzester Zeit 30 Auflagen, Quidde selbst musste deswegen ins Gefängnis und konnte seine akademische Laufbahn nicht fortsetzen.
 
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