Dagobert Trump, König in Preußen

Neddy

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Wozu Amazon-Rezessionen (schulligung :oops:) doch gut sein können! So erfahre ich dort, dass Barbara Stollberg-Rilinger (die ich bis dato gar nicht kannte, oh immerwährende, ewige Schmach & Schande!) über einer Biographie (endlich!:cool:) über mein Lieblings-Ungeheuer, Friedrich-Wilhelm, den Erst(- und Einzig)en sitzt. (freu!:))

Sie gibt hin- und wieder Werkstattberichte, die ich denen, die der dicke Grobian und Sparfuchs genauso fasziniert wie mich, nicht vorenthalten will.

Ich hoffe, dieser Link ist zulässig, mindestens ein neuerer Werkstattbericht findet sich auf dem Videoportaldessenadressenichtgenanntwerdendarf.
https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/vhs_wissenlive_barbarastollbergrilinger

Das Buch scheint noch nicht vorzuliegen und ich hab auf die Schnelle keine Prognose zum Veröffentlichungsdatum erhascht, aber auch nicht intensiv gesucht. Nixdestoweniger freu ick mir wie Bolle daruff.

In der Gesamtschau holt sie ihn von dem Sockel, den ihm die preußophile Geschichtsschreibung des 19. Jh. leihweise geschenkt hat, wieder runter auf den Theaterboden, auf dem seine Zeitgenossen ihn gesehen haben. Ein weltfremder, (geistes-)kranker Sammler von Kuriositäten, getrieben von Größen-Wahn und Controllingwut, ein homophober Frauenfeind, der sich [von seinem Fiekchen abgesehen] ausschließlich mit Männern umgab. [M E. mehrere Widersprüche in sich und ggf. passend zum parallelen Thread über sexuelle und genderelle (Nicht-)Devianzen in Gesellschaften mit und ohne dicke weiße alte Männer mit Schiffen, Waffen und Geld.]

Das Buch wird sicherlich Raum für wissenschaftliche Kontroversen bieten und ich würde mir wünschen, wenn sie den rational wirkenden Teil seiner Politik stärker mit den Praktiken seiner Kollegen vergliche, als sie das in den beiden Werkstattberichten tut, die ich mir bisher angehört habe.

Eine für mich spannende These ist, dass er das Bargeld, das er angehäuft hat, in wirtschaftsschädlichem Maße den Provinzen [der Volkswirtschaft] entzogen habe. Frage meinerseits: Das müsste dann ja eine erkennbare Deflation nach sich gezogen haben. Hoffentlich zeigt sie, dass dem so auch ist/war.
Etwas später kritisiert sie, dass er das aus den Provinzen gewrungene Geld ins Militär gesteckt habe. Einerseits find ich das angesichts der brandenburgischen Geschichte gar nicht so irrational (bin aber auch Schoeps- und Venohr-verdorben :(), andererseits pumpte er damit doch Geld in den Wirtschaftskreislauf zurück und wo es ging, m. W. auch mit Bevorzugung der heimischen Wirtschaft. Zugegebenermaßen ist das aber zu viel für einen Vortrag - wie geschreibt: ich freu mich aufs Buch.
 
Wo Friedrich Wilhelm I. schlecht abschneidet ist der Sektor Wissenschaften und Schöne Künste wo er gnadenlos den Rotstift ansetzte. Nicht zuletzt aber vertrieb er den Philosophen Christian Wolff aus Halle, und Wolff ging einige Jahre nach Marburg.
Die Rückberufung Wolffs unter Friedrich II. nach Halle wurde seinerzeit mit einer Gedenk-Medaille erinnert.
 
Ich habe ein paar Bücher von Stollberg-Rilinger und ich mag sie ganz gern. Meistens fördern Biographien aber nichts so bahnbrechend neues zutage. Auch ihre Biographie zu Maria Theresia hat das nicht getan.

Ich bin kein Fan von FW I.. Man muss ihm, seinem Vater und seinem Sohn aber anrechnen, dass sie zu der Zeit am Ruder waren, als es möglich war Kursachsen als bestimmende Macht im Obersächsischen Kreis und letztlich in ganz Norddeutschland zu entmachten - freilich mit Schützenhilfe vom südlichen Anrainer, der einfach die starke Position auch durch zahlreiche Fehler aufgab.
 
Ja, Biographien sind oft per se echt unergiebig und damit aich unbefriedigend. Das hab ich selbst (leider auch erst beim und nach dem Schreiben) festgestellt. Eine thematische Arbeit im Sinne von "Preußens größter innerer König? Eine Bewertung der Wirtschafts- und Finanzpolitik FW I." fänd ich wirklich spannend(er).
 
Ja, Biographien sind oft per se echt unergiebig und damit aich unbefriedigend.
Das find ich gar nicht.
Ich lese gern Biografien. Momentan die Rilinger -Maria Theresia -.
Ich fand die MT eh schon interessant (Judson - Habsburger), aber den Ausschlag gab der Vortrag Deines Links.
Das mag nicht "bahnbrechend" sein wie @Brissotin bemerkt, und warum auch?
Aber die Rilinger hat viele kluge Gedanken, beschäftigt sich mit der Evolution und Formung des geschichtlichen Narrativs über die Zeit, und beschreibt akribisch und plastisch die Regeln der Bühne auf der das Stück der Mächtigen dieser Zeit aufgeführt wird. Und sie weist passend darauf hin, welche Fehlinterpretationen heutige Sichtweisen provozieren.
Bin noch nicht weit, es ist ja auch eine echte Schwarte.
Bis jetzt bin ich sehr angetan von dieser Historikerin.

Nun gut.
Dich interessiert ja mehr Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Da geben Biografien die ich gelesen habe weniger her.
 
Das find ich gar nicht.
Ich lese gern Biografien. Momentan die Rilinger -Maria Theresia -.
Ich fand die MT eh schon interessant (Judson - Habsburger), aber den Ausschlag gab der Vortrag Deines Links.
Das mag nicht "bahnbrechend" sein wie @Brissotin bemerkt, und warum auch?
Aber die Rilinger hat viele kluge Gedanken, beschäftigt sich mit der Evolution und Formung des geschichtlichen Narrativs über die Zeit, und beschreibt akribisch und plastisch die Regeln der Bühne auf der das Stück der Mächtigen dieser Zeit aufgeführt wird. Und sie weist passend darauf hin, welche Fehlinterpretationen heutige Sichtweisen provozieren.
Bin noch nicht weit, es ist ja auch eine echte Schwarte.
Bis jetzt bin ich sehr angetan von dieser Historikerin.

Nun gut.
Dich interessiert ja mehr Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Da geben Biografien die ich gelesen habe weniger her.
Ne, hat mit Wirtschafts- und Finanzpolitik als Hobby tatsächlich wenig zu tun. Ist auch gar nicht so mein Interressenschwerpunkt, nur bei FWI fände ich das interessant, da hier eben der Widerspruch "größter innerer König" vs. R-S' Vorwurf "der hat die Wirtschaft eher abgewürgt als gefördert" stärker herausgearbeitet werden könnte. (Das die Bildungsförderung durch seine Schulpflicht jetzt nicht so durchgestartet ist, war ja schon einigermaßen bekannt. Was bleibt also noch übrig?)

Ich hab mich selbst an einer Biographie verhoben: als Lebensbeschreibung geht das schon, ich finde eine reine Lebensbeschreibung inzwischen halt vom Lesen wie vom Schreiben her etwas fade, da man Gefahr läuft, sich nicht auf die wirklich interessanten Bereiche konzentrieren zu können und zuviel Beifang das Netz überschwemmt. Ich fände also ein "Joseph II. und seine Zeit" weniger prägnant als ein "Joseph II - gescheite oder nur gescheiterte Reformen?".

Anderes Beispiel: ich hatte im Sommer mal rausfinden wollen, ob (US- Bürgerkrieg) George H. Thomas und Jo Johnston tatsächlich die besseren Menschenführer, Generale und, im Falle Johnstons, weniger unanständigerer Typ, als ihre hier bekannteren Kollegen waren und hatte mir dazu ein paar Biographien besorgt. Mein Fehle!: da geht es immer erstmal endlos um Kadettenzeiten in West Point, Indianerkriege, über die Plains reiten, Mexiko erobern, Intrigen von Neidern (Thomas) bzw. ständiges Beleidigtsein mit irgendwas und jemandem (Johnston). Da waren dann schlagartig 480 von 500 Seiten ganz schnell quite tedious.

Kannst Du ihre MT empfehlen? Ich hatte mir das auch schon überlegt, laboriere aber schon an Buchinfarkt. Ich hatte zu Ostern an einer sehr interessanten Stadtführung durch Bad Saulgau (Oberschwaben, ehemals Vorderösterreich) teilnehmen dürfen. Sie steht da hoch im Ansehen und immerhin lebensgroß am Rande des Marktplatzes, weil sie nach ihrer Machtübernahme in dem damals hochgradig unfähigen und schwer korrupten Örtchen quasi persönlich für Ordnung gesorgt hat. Hätte ich nun tatsächlich auch nicht gedacht, wo ich doch ihre Regierung bislang fast ausschließlich durch die Brille vom preußischen "außen" gesehen hatte.
 
Ich habe ein paar Bücher von Stollberg-Rilinger und ich mag sie ganz gern. Meistens fördern Biographien aber nichts so bahnbrechend neues zutage. Auch ihre Biographie zu Maria Theresia hat das nicht getan.

Ich bin kein Fan von FW I.. Man muss ihm, seinem Vater und seinem Sohn aber anrechnen, dass sie zu der Zeit am Ruder waren, als es möglich war Kursachsen als bestimmende Macht im Obersächsischen Kreis und letztlich in ganz Norddeutschland zu entmachten - freilich mit Schützenhilfe vom südlichen Anrainer, der einfach die starke Position auch durch zahlreiche Fehler aufgab.

Er war ja nun auch ein furchtbarer Typ. Er hat aber auf dem sehr unangenehmen Feld der Innenpolitik sehr wichtige Arbeit geleistet. Ohne seine eiserne Sparsamkeit, sein Organisationstalent, seinen Arbeitsfleiß hätte Friedrich II. seine riskante Expansionspolitik nicht betreiben können.

Durchaus zu recht hat man ihn den größten "inneren König" genannt, den Preußen je hatte.

Preußens haben einiges auf dem Kerbholz, was mir den "schiefen Fritz" irgendwie sympathisch macht, das war sein Faible für die schönen Künste und die Wissenschaft.

Bei Fridericus Rex haben ganze Generationen von pro-borussischen Apologeten dessen recht drögen Anti-Machiavell beschwülstet und seinen Schlachtenruhm gepriesen. Wenn es aber etwas gibt, was Friedrich sympathisch macht (oder machen könnte), so war es, meiner Meinung nach, die Abschaffung der Folter. Bei Mord und gegen Räuberbanden konnte sie weiterhin angewendet werden, und das Spießrutenlaufen zählte überhaupt nicht als Folter.
Dennoch war Preußen damit anderen Territorien um Jahre und Jahrzehnte voraus, und diese Reform drchgesetzt zu haben, bleibt ein Verdienst Friedrichs.

Aber auch dieser Wüterich von einem Vater, auch Friedrich Wilhelm I. hat eine humanitäre Tat, in diesem Fall auch ganz ohne eigennützige Hintergedanken vollbracht:

Es war ein Verdienst des Großen Kurfürsten, dass er den Hugenotten Asyl zu gewährte. Preußen gewann mit ihnen überaus tüchtige Fachkräfte und mit der Zeit auch glühende preußische Patrioten. Es bedurfte allerdings des Debakels von Jena und Auerstedt 1806 bis in der Familie Fontane Deutsch statt Französisch gesprochen wurde, aber der Sohn französischer Einwanderer Theodor Fontane wurde zu einem der sprachgewaltigsten preußischen Literaten, der in Romanen wie "Vor dem Sturm" oder "Der Stechlin" das alte Preußen sehr authentisch verewigte.

Friedrich Wilhelm I. hat dagegen den Salzburger Emigranten Asyl in Preußen gewährt, und soweit sich seine Motive rekonstruieren lassen, hat er in diesem Fall nicht mal auf die Vorteile geschielt, sondern hat vor allem aus christlich-humanitären Motiven gehandelt.
 
Friedrich Wilhelm I. hat dagegen den Salzburger Emigranten Asyl in Preußen gewährt, und soweit sich seine Motive rekonstruieren lassen, hat er in diesem Fall nicht mal auf die Vorteile geschielt, sondern hat vor allem aus christlich-humanitären Motiven gehandelt.
Peublieren war ihm ja nun auch nicht ganz unwichtig. Und wenn er dergestalt das Nützliche mit dem Gottgefälligen kombinationieren konnte: Gagnant-Gagnant.
 
Peublieren war ihm ja nun auch nicht ganz unwichtig. Und wenn er dergestalt das Nützliche mit dem Gottgefälligen kombinationieren konnte: Gagnant-Gagnant.

Er war ja im Allgemeinen recht sparsam, und er klagte mal, dass die Exilanten ihn ruinieren. Er hat natürlich Peuplierung im Auge gehabt, er hat immerhin aber auch unvermögende Leute, 4-5000 Knechte und Mägde aufgenommen, und ihnen eine Hufe Land zugeteilt, hat sie nicht in seine Armee gepresst, und bei Stiftungen und Spenden war er für seine Verhältnisse durchaus manchmal recht großzügig und spendabel.

Friedrich Wilhelm war ohne Frage nicht gerade eine einnehmende Persönlichkeit, als Vater pädagogisch ein Monster, aber ich kann das Faible für diesen Wüterich durchaus nachvollziehen.

Die Einschätzung als größter innerer König Preußens ist durchaus zutreffend. Er hat die Armee aufgebaut, die preußische Infanterie war sein Werk unterstützt von einem anderen Wüterich, dem alten Dessauer.
In diese Armee war er verliebt, berühmt sein Korps der Langen Kerls. Seine geliebten Riesen und seine Armee hat er äußerst selten nur feindlichem Feuer ausgesetzt. Er betrieb eine vorsichtige Außenpolitik und empfahl seinem Nachfolger, Kriegsabenteuer zu vermeiden.
 
Wozu Amazon-Rezessionen (schulligung :oops:) doch gut sein können! So erfahre ich dort, dass Barbara Stollberg-Rilinger (die ich bis dato gar nicht kannte, oh immerwährende, ewige Schmach & Schande!) über einer Biographie (endlich!:cool:) über mein Lieblings-Ungeheuer, Friedrich-Wilhelm, den Erst(- und Einzig)en sitzt. (freu!:))
imischen Wirtschaft. Zugegebenermaßen ist das aber zu viel für einen Vortrag - wie geschreibt: ich freu mich aufs Buch.

Es ist schon recht eigenartig. Friedrich Wilhelm I. zeigte eine Verachtung für Kunst und Wissenschaft wie für Künstler und Wissenschaftler. Er pflegte einen eigentümlichen Stil. Die Beamten und Diplomaten beklagten sich, dass sie keinen Ansprechpartner hatten.
Er war besessen von allem was zählbar und messbar ist. Er hortete Münzen, empfand ein erotisches Gefühl für Geld. Der Wirtschaft wurde Bargeld entzogen, es stieg die Zahl der Bankrotte. Vor Ihm konnte man nur die Flucht ergreifen. Zahllose Untertanen und auch sein Sohn versuchten vor seiner Zuchtrute zu fliehen. Er liebte den Gigantismus: Das Höchste, Meiste, Größte zu besitzen: Die größten Soldaten, die größte Medaille.
Er wollte alles fördern das Gute und das Nützliche und die Armee und alles, was ihr nützlich war.
Seine Werber schreckten vor nichts zurück, und obwohl vielfach kopiert, wurden sie aus Bayern, Sachsen, Kur-Hannover, Hessen-Kassel ausgewiesen. Mit seinem Cousin Georg II. kam es beinahe zum Krieg.

Für großgewachsene Soldaten konnte man alles von ihm haben, koste es, was es wolle: Ehren, Ämter, Titel, ein kostbares Porzellan-Service oder das Bernsteinzimmer.

Wer ihn auf Probleme seines Regierungsstils hinzuweisen wagte, riskierte buchstäblich einen Schlag ins Gesicht. Er misshandelte Bedienstete, Minister, Räte, Gesandte und die eigenen Kinder. Ihm fehlte jegliche Selbstbeherrschung. Er demütigte durch solche Entgleisungen nicht nur seine Opfer, seine Kinder, Bediensteten, sondern auch sich selbst.

Er war bereit, dem Beispiel Peters des Großen, Iwan IV. und Philipp II. zu folgen und seinen Sohn zu töten, dass war aber schon für die Zeitgenossen ein Beispiel extremer dynastischer Illoyalität. Es gab zahlreiche Proteste zugunsten Friedrichs.

Er hatte die Kriegskunst bei zwei Größen studiert: Marlborough und Prinz Eugen, und er war stolz auf seine Erfahrungen bei Ramillies und Malplaquet. Statt als Feldherr betätigte er sich als Drillmeister und ging bei all dem Kleinkram auf.

Es litt FW I. vermutlich an Porphyrie. Ein anderer Monarch mit dem gleichen Krankheitsbild und ähnlicher Erbbelastung durch Inzucht in den Häusern der Welfen und Stuarts Georg III. ging als "Mad King" in die Geschichte ein, FW I. erlebte eine extreme Wertschätzung der Preußenverehrung im 10. und 20. Jahrhundert.

Er galt als grob, derb aber im Kern gutmütig, als Erzieher zum Preußentum. Der Preußenverehrung folgte eine Art Damnatio memoriae, als sie selbst ihrem Herbst entgegenging, entdeckte aber selbst die DDR eine Liebe zum Preußentum, und das Urteil des 19. Jahrhunderts, dass FW I. der größte "innere König" Preußens war wird im Grunde geteilt.
Berichte seiner Tochter, von Szenen extremer häuslicher und physischer Gewalt, gefolgt von Versuchen der Versöhnung. FW I. war sich seiner Schwächen ja durchaus bewusst- wurden vielfach interpretiert, als maßlose Übertreibungen einer etwas geltungssüchtigen Frau.

Sein Tabakskollegium galt Preußenverehrern als Domizil bürgerlicher Gemütlichkeit und quasi proto-demokratischer Gesinnung.
Die "Späße" und Unterhaltungen der illustren Tafelrunde waren nicht nur äußerst geschmacklos, sondern teilweise extrem übergriffig und regelrecht lebensgefährlich. Die führenden Männer des preußischen Staates machten sich einen Spaß daraus, die "lustigen Räte" ihrer Majestät zu quälen. Einmal steckten sie sogar Gundlings Kleidung an. Gundling wurde zu übermäßigem Alkoholgenuss genötigt und um ihn lächerlich zu machen in einem Weinfass beerdigt, womit FW I. seine Verachtung für die Wissenschaften und Wissenschaftler zum Ausdruck brachte.

Ein Ungeheuer, das war FW I. zweifellos und dazu nicht gerade ein sympathisches. Was an ihm fasziniert, das sind die unbestrittenen Leistungen, die er auf sehr undankbaren Feldern der Politik durch seinen enormen Arbeitsfleiß, seine Zähigkeit und Beharrlichkeit erbracht hat. Die preußische Armee, die preußische Infanterie das war sein Werk. Bei aller Manie für den Militarismus, für den Kleinkram war er ein guter Organisator, ein guter Wirtschafter. Im Grunde seines Wesens war er wohl durchaus eine gutmütige Persönlichkeit. Im Staatsdienst unter der Staatsräson wurde er zu einem Grobian mit sadistischen Zügen, so wie sein Nachfolger dabei zu einem Misanthropen und Zyniker wurde. Er zwang seinen Sohn, sich die Exekution Kattes anzusehen.

An FW I. finden sich auf den ersten Blick wenige Eigenschaften, die einnehmend oder sympathisch wirken. Sein Benehmen war absolut rücksichtslos, er benahm sich buchstäblich wie die sprichwörtliche Axt im Walde. Was an ihm sympathisch wirkt, war seine Aufnahme-Politik. Die Salzburger Emigranten fanden großzügige Aufnahme, und Unter seiner Regierungszeit wurde die erste Moschee in Preußen gebaut. Ein Nachfahre der Beute-Türken ist der Historiker Götz Aly. FW I. hat außer einer kurzen Beteiligung am Großen Nordischen Krieg eine friedliche Außenpolitik betrieben und seinen Nachfolger vor ungerechten Kriegen gewarnt. Er hat zumindest seine Charakterfehler erkannt, er nannte sich selbst einmal ein Ungeheuer. Er wusste um seine Unbeherrschtheit bereute oft seine Entgleisungen. Am Ende seines Lebens nahm er sich viel Zeit, mit seinem Gewissen ins Reine zu kommen.

Zweifellos ist FW I. mit all seinen Marotten und Spleens, seinen Entgleisungen ein trotz zur Schau gestellter Schlichtheit ein widersprüchlicher, schillernder Charakter.
 
ber auch dieser Wüterich von einem Vater, auch Friedrich Wilhelm I. hat eine humanitäre Tat, in diesem Fall auch ganz ohne eigennützige Hintergedanken vollbracht:
1701 erließ König Friedrich Wilhelm I. (Preußen) am 13. Dezember 1714 ein von dem Minister von Plotho ausgearbeitetes Mandat, das die Hexenprozesse soweit einschränkte, dass es zu keinen weiteren Hinrichtungen kam.[91]
 
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