Das Abendland emanzipiert sich langsam vom byzantinischen Reich

pegasussieben

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Hallo:winke:,

ich habe diesen Text gefunden;

Das Abendland emanzipiert sich langsam vom byzantinischen Reich als Erben des antiken römischen Reiches (eigene Kaiserwürde seit Karl dem Großen), bleibt aber vor allem kulturell noch in dessen Schatten.

Und nun stellt sich mir, nach dem lesen :fs: eine Frage:

Wie kann es sein, das sich das Abendland vom byzantinischen Reich lösen konnte, aber kulturell weiter unter dessen Einfluss stand ?

Würde mich über ne antwort freuen.

Ich verrats auch keinem Weiter :still: !

pegasussieben
 
Mit der Emanzipation ist offenbar nicht die Kultur, sondern der Anspruch, Erbe Roms zu sein, gemeint. Eben dadurch, dass Karl der Große zum (römischen) Kaiser gekrönt wurde, hatte man im Westen keinen römischen Kaiser aus Konstantinopel mehr nötig, der ja auch den Anspruch erhob, Oberherr über die abendländischen Reiche zu sein. Man hatte eben einen eigenen römischen Kaiser, der an die Antike anknüpfte.
Was noch sein könnte: Wenn die Person, die du zitierst (wer ist es denn eigentlich überhaupt?!), davon spricht, dass das Abendland im Schatten von Byzanz stand, dann könnte er damit auch auf die kulturelle Überlegenheit von Byzanz angespielt haben - nicht jedoch von einem kulturellen Einfluss.
 
Dazu folgende Ideen:

- die ersten spätantiken germanischen Herrscher - wie Odoaker oder Chlodwig - standen noch eng in außenpolitischem Kontakt mit dem verbliebenen römischen Reich. Sie versuchten noch, ihre Herrschaft durch den oströmischen Kaiser legitimieren zu lassen. Römisches Recht und Verwaltung hatten noch einen großen Einfluss auf die ersten germanischen Königreiche. Die Kirche blieb nach 476 noch für 150-200 Jahre ein rein römische Organisation, in dem Sinne, dass ihre Mitglieder nahezu sämtlich aus den verbliebenen Oberschichtsfamilien des alten Reiches kamen.
Das Imperium behielt als Idee seinen Vorbildcharakter über das ganze Mittelalter hindurch noch bis in die Neuzeit - ablesbar am Namen des Reiches:
Die Bezeichnung "Heiliges Römisches Reich" ist erstmals 1157 (!) bezeugt. Die deutschen Könige waren in der Titulatur auch "König der Römer", auch wenn sie die Stadt nie besaßen und regierten.
Auch der Titel des russischen Zaren rührt vom "Caesar" her.

In Staatsführung und Gesellschaft lösten sich die neuen Reiche in West- und Nordeuropa schon viel früher vom großen Vorbild. Das war kein geplanter Vorgang; vielmehr lösten sich die römischen Strukturen und Institutionen schrittweise auf. Die Mannigfaltigkeit und Gewalt dieser Prozesse lässt sich nicht in einem Forenbeitrag abhandeln. Als Beispiel sei aber die Entwicklung eines Geburtsadels als herrschende politische Schicht ab dem 8. Jahrhundert genannt.
Gegen Ende des Frühmittelalters wurde das byzantinische Reich auch immer stärker nicht mehr als Vorbild und bestimmende politische Macht in der damaligen Welt, sondern als Konkurrent um die Macht in Europa gesehen.

Die angesprochene Emanzipation war aber auch Ausdruck von Zerfallsprozessen - einerseits lebten im Westreich nicht mehr genug Menschen, andererseits fehlten kulturelle, technische und wissenschaftliche Kenntnisse, um den Zivilisationsstandard des Reiches aufrechtzuerhalten.

Der Ostteil des Reiches war schon in der Spätantike reicher und wohlhabender. Die antike mittelmeerische Städtezivilisation lebte hier weiter, und was Bildung, Kunst, Militär, Luxus etc. betraf, konnten die westlichen Reiche noch lange nichts entgegensetzen.

Dennoch finde ich es nicht ganz richtig, zu sagen, das Abendland sei "im Schatten" geblieben. Denn der Osten blieb letztendlich eher konservativ und neuen Entwicklungen verschlossen. Die für die ganze Geschichte des Mittelalters bedeutenden Entwicklungen in der Kirche kamen eher von Menschen aus dem Westreich, die zum Teil aus Gegenden kamen, die man am Hof in Byzanz noch immer als barbarisch betrachtete - man denke etwa an Bonifatius und seine angelsächsische Herkunft.
 
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