Das Germanenbild im Wandel der Zeit

Hallo Fingalo,

Danke nochmal für diese Zusammenfassung, aber die Forschungsgeschichte und ihre teilweise verhängnisvolle Rezeption ist mir durch Studium und Eigenforschung wohlbekannt.

IMO geht es am Thema vorbei. Wenn ich ein neues, positives Germanenbild anregen will, dann geht es mir nicht um ethnische Säuberungen und "Reichs"-Grenzen. Indirekt belegst du ja mit deinem Beitrag eine gewisse Scheu vor einem positiven Germanenbild. Jedenfalls habe ich das mal so gedeutet.

Übrigens ging es dem Kreis um Himmler sicher NICHT um die Darstellung der Germanen, und schon garnicht im positiven Sinne. Also ich finde nichts positives an "kriegerischen Wehrbauern mit rassischer Reinzucht als Bollwerk gegen asiatische Tiermensch-Horden". Ich finde positiv, wie z.B. in den jeweiligen germanischen Königreichen der VWZ Kultur und Künste blühten, quasi eine kleine Rennaisance stattfand. Besonders sei hier das Westgotenreich in Spanien, oder das der Langobarden in Italien herausgestellt. Ich finde die Toleranz der Germanen positiv und ihren Willen zur Freiheit und einem Platz an der Sonne. Das sind Dinge, die man herausstellen sollte.
 
Skald der germanophile (nicht völkische) Skalde

Dass man als Historiker nach den germanomanischen Exzessen des vergangenen Jahrhunderts heute wieder über die Germanen sprechen und schreiben kann, ist den Anleihen bei der Ethnografie und der Übernahme ethnologischer Methoden zu verdanken, wie das Reinhard Wenskus in seinem bahnbrechendem Werk "Stammesbildung und Verfassung" 1961 getan hat.

In der Forschung ist der Abstand zu den unhistorischen Auswüchsen der Nationalsozialisten, die die Germanen für ihre Rassenlehre okkupierten und missbrauchten, inzwischen so groß geworden, dass sich eine junge Generation von Wissenschaftlern vorurteilsfrei mit ihrer Lebensweise, Religion und gesellschaftlichen Struktur beschäftigen kann.

Das schließt nicht aus, dass in der breiten Öffentlichkeit nach wie vor falsche Vorstellungn über die Germanen kursieren, die vom "edlen Wilden" bis hin zu einer nordischen Hochkultur reichen, was bekanntlich beides in das Land der Fabel zu verweisen ist.
 
In der Forschung ist der Abstand zu den unhistorischen Auswüchsen der Nationalsozialisten, die die Germanen für ihre Rassenlehre okkupierten und missbrauchten, inzwischen so groß geworden, dass sich eine junge Generation von Wissenschaftlern vorurteilsfrei mit ihrer Lebensweise, Religion und gesellschaftlichen Struktur beschäftigen kann.
Empfinde ich nicht ganz so, aber das ist ja hinlänglich bekannt.

Schöne Grüße,

Skald :)

Das schließt nicht aus, dass in der breiten Öffentlichkeit nach wie vor falsche Vorstellungn über die Germanen kursieren, die vom "edlen Wilden" bis hin zu einer nordischen Hochkultur reichen, was bekanntlich beides in das Land der Fabel zu verweisen ist.

Und es gibt auch die Gegenseite, eine sich selbst als "Bildungselite" bezeichnende links-alternative Gruppe, Taz-lesend, die die Germanen gerne zu Analphabeten und Barbaren macht, die doch um Gotteswillen doch schon 9 n. Chr. den römischen Lebensstil hätte aufnehmen sollen. Wir wären ein 2. kultiviertes Frankreich geworden und ohne Arminius hätte es Preußen, Willie, Adolf nie gegeben...überspitzt formuliert. Jedenfalls habe ich diese Meinung mindestens genausooft gelesen, wie Gesabere von den überlegenen Germano-Ariern.

Es gibt immer zwei Seiten einer Medallie.;-)
 
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Naja, die wilden Briten wollten nach einigen Jahren Fussbodenheizung und Import von Bildung und Südfrüchten die Römer nicht missen, während unsere Vorfahren tausend weitere Jahre in Lehmhütten Gerstengrütze essen mussten.
 
Naja, die wilden Briten wollten nach einigen Jahren Fussbodenheizung und Import von Bildung und Südfrüchten die Römer nicht missen, während unsere Vorfahren tausend weitere Jahre in Lehmhütten Gerstengrütze essen mussten.

...und sahen sich genötigt, Angeln und Sachsen ins Land zu holen, damit wenigstens irgend Jemand zugegen war, der sich bereit erklärte, diese hochgeschätzte nachrömische Kultur auch mit Waffengewalt zu verteidigen.
 
Zuletzt bearbeitet:
...und sahen sich genötigt, Angeln und Sachsen ins Land zu holen, damit wenigstens irgend Jemand zugegen war, der sich bereit erklärte, diese hochgeschätzte nachrömische Kultur auch mit Waffengewalt zu verteidigen.

Danke, ich wollte es gerade sagen. =)

Und ich wage es zu bezweifeln, dass der Großteil der Briten mit einsetzender Kollonialisierung der Römer kulturell so stark profitierte. Der einfache Bauer wird immer noch in einer Lehmhütte gehaust haben.
 
Die Verwendung der Germanen zur Volks-Identifikation ist weder ein deutsches, noch ein Nazi-Phänomen. In Skandinavien, vor allem in Schweden, wurden zunächst die Wikinger als die stolzen, unkultivierten aber rechtschaffenen Vorfahren entdeckt. Das war bereits am Ende des 17. Jh. Bei den Dänen dieser Zeit ist das gleiche zu beobachten. Da man keine eigenen schriftlichen Quellen hatte, vereinnahmte man die von Isländern teils in Island, teils in Norwegen verfasste Saga-Literatur. Die Deutschen zogen bald gleich. Herder, Klopstock und die Grimm-Brüder hielten diese Literatur für "gemeingermanisch". Bald wurde ganz Skandinavien als kulturell eigentlich "deutsch" vereinnahmt, was heftige Reaktionen bei den schwedischen Wissenschaftlern hervorrief. Auch England beteiligte sich, insbesondere Walter Scott und Thomas Percy. Wilhelm der Letzte war ebenfalls bereits vom allgemeinen positiven Germanenbild infiziert. Die Nazis (weniger Adolf als vielmehr Himmler mit seiner Thule-Gesellschaft) bauten also auf bereits intensiv vorbereiteten Boden.

Der romantische Gedanke des "Volksgeistes" führte einerseits zur Vorstellung "ein Volk in seinen Grenzen", also der Nation, bereitete aber auch den Boden für die ethnischen Säuberungen als Konsequenz dieser Vorstellungen.


So sehe ich es auch. Das Germanenbild im Laufe der Jahrhunderte sagt oft mehr aus über die Entstehungszeit der Germanenrezeption, als über die Germanen selbst. Bereits in der Renaissance entdeckten Autoren wie Ulrich von Hutten Arminius und die Germanen als "edle Wilde" und Freiheitskämpfer gegen ein korrumpiertes, dekadentes Rom, und auch Martin Luther gab zu, dass er Arminius sehr gerne habe. Die Germanen wurden sozusagen als Gegenentwurf zu(m) (päpstlichen) Rom funktionalisiert.
 
IMO geht es am Thema vorbei. Wenn ich ein neues, positives Germanenbild anregen will, dann geht es mir nicht um ethnische Säuberungen und "Reichs"-Grenzen. Indirekt belegst du ja mit deinem Beitrag eine gewisse Scheu vor einem positiven Germanenbild. Jedenfalls habe ich das mal so gedeutet.
Richtig, ich habe eine Scheu - vor allen "Bildern" und vor "Germanen", und erst recht vor der Kombination. In Wikipedia schreibe ich aber (fast) nur über sie. Aber am "Germanen"-Artikel nicht. Denn für mich ist das ein ahistorischer Begriff. Ich schreibe über die einzelnen Völker, die Wikinger, die ich von den Norwegern, Dänen und Schweden unterscheide. Ich mache mir Gedanken darüber, wer im Nordsee- und Ostseeraum mit wem gut konnte und warum - oder umgekehrt, warum nicht. Ich befasse mich damit, warum die Leute in Trøndelag sich gegen das norwegische Königtum stellten und was die Leistung Harald Schönhaars und seiner Nachfolger war. Das kann ich allerdings nicht alles in einer Enzyklopädie schreiben.

Und dann interessiert mich die Interdependenz zwischen der Bildung der skandinavischen Nationalstaaten und der Renaissance der altnordischen Literatur, und da bin ich dann in der Romantik, die Rückbesinnung auf konstruierte Wurzeln, die nun zu einer neuen Qualität Abgrenzung führen (die es anders schon früher gab). Nun werden großräumige Stämme kostruiert, wo in Wirklichkeit noch gar kein Wir-Gefühl vorhanden war. Na ja, und dann haben wir schlißlich "Germanen" von Trøndelag und Island bis zu den Westgoten in Spanien. So kommt's dann, dass nach Pechta und Nertus in Norwegen gefragt wird. Das nervt, und dann verabschiede mich einfach.
 
Skald schrieb:
Im Grunde ist das doch alles aus unserer Perspektive aus betrachtet und zeitgeistlich eingefärbt. Egal wie man es dreht und wendet.
Sehr richtig. Daher halte ich es mal für angebracht den derzeitigen Zeitgeist zu beleuchten. Auf den germanophilen Zeitgeist im SPIEGELs verwies ja bereits. Es geht auch nicht um das politische Lager. Wobei ja die Verklärung der Germanen als klassenlose Urgesellschaft durch den Marx und Engels noch ein Thema für sich wäre

Mal ein Beispiel des Germanenbildes der bundesrepublikanischen Gegenwart, also unsere Perspektive:
Überlicherweise wird heutzutage vermittelt, dass soetwas wie "Rasse" und Abstammung eben bei den antiken Germanen keine Bedeutung gehabt hätte. Es habe kein einheitliches Volk, keine gemeinsame Identität gegeben. Dieses Bild verneint jegliche Bedeutung von Abstammung und schiebt sie den Nazis in die Schuhe. Ebenso werden die uneinheitlichen Germanen in eine teleologische Geschichtsmodell der Guido-Knopp-Pädgogik eingebaut, als wäre der deutsche Föderalismus schon durch die Germanen vorbestimmt.
Tatäschlich überlieferte Tacitus bereits mit eine germanische Sage über eine gemeinsame Abstammung der Germanen. Gotische und langobardische Geschichteschreiber behaupten skandinavischer Abstammung zu sein. Der Gipfel sind aber die Stammesrechte des frühen Mittelalters: Für Romanen war nur das halbe Wergeld eines Franken oder anderen Germanen zu zahlen, folglich waren die Romanen damals weniger wert. Planker Rassismus ist dann natürlich die Beschreibung der Hunnen durch Jordanes als entstellte von Dämonen abstammende Tiermenschen. (Ich behaupte also die antiken Germanen seien rassistisch gewesen!)
Dies alles wird heute gern unter einem politischen korrekten Germanenbild begraben, in denen wandernde Völkerhorden als harmonische Multi-Kulti-Gesellschaft verkauft werden.
 
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Zitat:"Und ich wage es zu bezweifeln, dass der Großteil der Briten mit einsetzender Kollonialisierung der Römer kulturell so stark profitierte. Der einfache Bauer wird immer noch in einer Lehmhütte gehaust haben."

Ich war vor zwei Wochen in London, im Museum of London(Stadtgeschichte) und in der Alteuropaabteilung des British Museum gab es einige Rekonstrutionen von Bauernhütten zur Antike. Also Steinmauern hatten die schon, erst nachdem die Sachsen das Land verheerten ging man wieder zu Strohhütten über.
 
es ging um tausend weitere Jahre in Strohhütten, weil die Römer geschlagen wurden. Die kleine Nordseeinsel war nur ein Beispiel für einen Gegenentwurf.
 
... es ging um tausend weitere Jahre in Strohhütten, weil die Römer geschlagen wurden...

Und das ist in dieser Verallgemeinerung eben nicht korrekt: nicht überall war dieser römische Einfluß derart stark gewesen (siehe Cornwall), und der Niedergang setzte zumindest teilweise bereits in spätrömischer Zeit ein (siehe York ab etwa 380).
Was die Strohhütten betrifft, so zeichnet sich die angelsächsische Zeit dann übrigens durch Bauten aus, welche zum Großteil aus Holz bestehen, wobei aber Stein als Baustoff keineswegs verschwindet (siehe Portchester). Daß sich die romano-britische von der anglo-sächsischen Siedlung unterscheidet, gilt zwar bzgl. Hausformen, aber nicht bzgl. Baumaterial.
Anm.: Hast Du die verlinkten Texte nicht gelesen?

Daß in kriegerischen Zeiten Häuser und Siedlungen zerstört werden bzw. verfallen, ist nicht ungewöhnlich. Ebenso ist der Effekt, daß germanische Völker für römische Villen u. dgl. nur wenig Verwendung hatten (wobei zudem der Umstand, daß für deren Unterhaltung mW eine gewisse Anzahl von Sklaven - welche bspw. bei Angelsachsen in erforderlicher Zahl nicht vorhanden waren - notwendig war, nicht ganz zu vernachlässigen ist), auch nicht ungewöhnlich.
Daß Stein als Baumaterial gegenüber dem Holz in den Hintergrund trat, hatte ebenso Gründe: Holz war als Baustoff leichter zu beschaffen.

PS: Und apropos "tausend weitere Jahre"; damit gelangst Du problemlos bis ins Spätmittelalter. Meinst Du ernsthaft, daß der Siedlungszustand im Reich der Angeln und Sachsen um etwa 500 bis 600 mit dem im Königreich England um 1400 bis 1500 derart identisch gewesen ist?

Die kleine Nordseeinsel war nur ein Beispiel für einen Gegenentwurf...

Welcher Gegenentwurf?
So nachhaltig kann - wie aus einigen Beispielen ersichtlich wird - der Einfluß nicht gewesen sein, wenn es schon vor 400 (und 410 gilt als Merkjahr für den Abzug der Römer) diesbezüglich bergab ging...
 
Mal ein Beispiel des Germanenbildes der bundesrepublikanischen Gegenwart, also unsere Perspektive:
Überlicherweise wird heutzutage vermittelt, dass soetwas wie "Rasse" und Abstammung eben bei den antiken Germanen keine Bedeutung gehabt hätte. Es habe kein einheitliches Volk, keine gemeinsame Identität gegeben. Dieses Bild verneint jegliche Bedeutung von Abstammung und schiebt sie den Nazis in die Schuhe. Ebenso werden die uneinheitlichen Germanen in eine teleologische Geschichtsmodell der Guido-Knopp-Pädgogik eingebaut, als wäre der deutsche Föderalismus schon durch die Germanen vorbestimmt.
Tatäschlich überlieferte Tacitus bereits mit eine germanische Sage über eine gemeinsame Abstammung der Germanen. Gotische und langobardische Geschichteschreiber behaupten skandinavischer Abstammung zu sein. Der Gipfel sind aber die Stammesrechte des frühen Mittelalters: Für Romanen war nur das halbe Wergeld eines Franken oder anderen Germanen zu zahlen, folglich waren die Romanen damals weniger wert. Planker Rassismus ist dann natürlich die Beschreibung der Hunnen durch Jordanes als entstellte von Dämonen abstammende Tiermenschen. (Ich behaupte also die antiken Germanen seien rassistisch gewesen!)
Dies alles wird heute gern unter einem politischen korrekten Germanenbild begraben, in denen wandernde Völkerhorden als harmonische Multi-Kulti-Gesellschaft verkauft werden.
Das wäre so in etwa auch meine Auffassung. Allerdings weiß ich nicht, inwiefern dies auch auf die seriöse Wissenschaft abfärbt, bzw. wie groß deren Einfluss auf solche "Bilder" ist. Am auffälligsten fällt mir diese Vereinnahmung der Germanen dann doch eher in populärwissenschaftlichen Werken, in Zeitungsartikeln oder in Dokus auf...also Formate, die einen auf die breitere Masse zugeschnittenen Bildungsauftrag haben.
Gutes Beispiel ist hier die Dokumentation "Sturm über Europa".
Die Botschaft in allen Ehren, aber es ist ein genauso zeitgeist-geprägtes Germanenbild wie eh und jeh.

Und das ist in dieser Verallgemeinerung eben nicht korrekt: nicht überall war dieser römische Einfluß derart stark gewesen (siehe Cornwall), und der Niedergang setzte zumindest teilweise bereits in spätrömischer Zeit ein (siehe York ab etwa 380).
Was die Strohhütten betrifft, so zeichnet sich die angelsächsische Zeit dann übrigens durch Bauten aus, welche zum Großteil aus Holz bestehen, wobei aber Stein als Baustoff keineswegs verschwindet (siehe Portchester). Daß sich die romano-britische von der anglo-sächsischen Siedlung unterscheidet, gilt zwar bzgl. Hausformen, aber nicht bzgl. Baumaterial.

Leider haben wir von den Langhäusern der Germanen, bzw. der Angeln und Sachsen selten nicht mehr übrig als Pfostenlöcher. Ich weiß nicht mehr die Quelle, aber in ihr schwärmt ein Geistlicher zumindest von der Schnitzkunst der Franken, mit der sie ihre Häuser zu "Kunstwerken" machen. Warum sollen die Angeln ihre Häuser nicht auch derart verschönert haben. Ließe sich der germanische Tierstil nicht wunderbar auf einen Häuserbalken übertragen? Natürlich arg spekulativ, aber doch durchaus möglich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Tatäschlich überlieferte Tacitus bereits mit eine germanische Sage über eine gemeinsame Abstammung der Germanen.
Da haben wir's: Eine "germanische" Sage. Wen hat er oder wen haben seine Gewährsleute befragt? Den Bauern hinterm Pflug? Oder nicht vielmehr die Häuptlinge? Wenn ein Kaufmann in ein fremdes Gebiet kam, so gehörte es sich, dass er zunächst den Häuptling aufsuchte. Zum einen zum Nachrichtenaustausch und zum anderen konnte er davon ausgehen, dass er dort Vermögensverhältnisse vorfand, die dem Absatz seiner Waren günstig waren. Nur dort waren diese Sagen virulent. Denn die Häuptlinge bezogen daraus ihre Herrschaftslegitimation, sei es, dass sie sich selbst auf sagenhafte Könige oder gar Götter zurückführten, sei es, dass sie ein Wissen hüteten, das den Stamm als solchen betraf und ihm Würde verlieh.

Gotische und langobardische Geschichteschreiber behaupten skandinavischer Abstammung zu sein.
Hier dasselbe: Wer tradierte diese Informationen und warum? Es wird völlig die Kluft zwischen Führungsschicht und Hintersassen ausgeblendet. Bei diesen heiratete man in die Nachbarschaft, die Führungselite heiratete international zur Besiegelung von Friedensverträgen. Es wird von "Nationalheiligtümern" gesprochen (Fesselhain der Semnonen, Uppsala), wo sich die "Stämme" in größeren zeitlichen Abständen versammelt hätten. War Skandinavien oder der norddeutsche Raum zu dieser Zeit menschenleer, weil sich alle zum Heiligtum begaben? Nein, nur die jeweiligen Eliten trafen sich da (mit ihrer Begleitmannschaft). Wir wissen nur von den Eliten. Da wir vom volk nichts wissen, identifizieren wir das Volk mit den eliten - was völlig falsch ist.

Es gibt dazu in der Neuzeit gutes Anschauungsmaterial: Die großen Seuchen des 15. Jh. führten zu einer solchen Dezimierung der norwegischen Bevölkerung, dass die Selbständigkeit verloren ging. Christian III. von Dänemark erklärte in seiner Wahlkapitulation Norwegen zur dänischen Provinz. Da in Norwegen die Führungselite praktisch ausgestorben war, wurden die entsprechenden Funktionen von dänischen Adligen wahrgenommen. Als 1814 im Kieler Frieden Norwegen zu Schweden zugeschlagen wurde, wollten bestimmte politische Kreise die Selbständigkeit Norwegens erreichen. Nur - es fehlte völlig an norwegischem Nationalbewusstsein. Eine norwegische Geschichte musste erst etabliert werden. Munch machte sich an diese Aufgabe und übersetzte die Heimskringla Snorris mit den Königssagen, um den Norwegern zu zeigen, dass sie eine eigene Vergangenheit hätten. Er entwickelte die "Einwanderungstheorie", wonach Norwegen und Nordschweden von Norden aus besiedelt worden seien, Südschweden und Dänemark dagegen von Ostdeutschland. Diese Theorie erwies sich rasch als falsch, führte aber trotzdem dazu, eine eigenständige norwegische Geschichte zu etablieren und sich kulturell von Schweden und Dänemark abzusetzen. Darin zeigt sich, dass die einfache Bevölkerung sich für diese Themen überhaupt nicht interessiert und allenfalls die eigenen Großeltern kennt.

Der Gipfel sind aber die Stammesrechte des frühen Mittelalters: Für Romanen war nur das halbe Wergeld eines Franken oder anderen Germanen zu zahlen, folglich waren die Romanen damals weniger wert.
Ach du liebe Zeit! Der Hochmut der menschenrechtsgewohnten modernen Demokraten. Davor gab es Zeiten, da wurde Wehrgeld überhaupt nur für die eigenen Stammesangehörigen gezahlt, weil alle anderen gar keine Menschen waren.

Planker Rassismus ist dann natürlich die Beschreibung der Hunnen durch Jordanes als entstellte von Dämonen abstammende Tiermenschen. (Ich behaupte also die antiken Germanen seien rassistisch gewesen!)
Rassismus gab es damals überhaupt nicht, da man von "Rasse" gar nichts wusste. Dass man Fremde, von denen eine Bedrohung ausging, mit allen nur denkbaren negativen Attributen ausstattete, hat Jordanes nicht erfunden. Das hat aber mit Rassismus nichts zu tun.

Dies alles wird heute gern unter einem politischen korrekten Germanenbild begraben, in denen wandernde Völkerhorden als harmonische Multi-Kulti-Gesellschaft verkauft werden.
Kommt sicher vor. In der Wissenschaft bemüht man sich lediglich um eine differenzierte Betrachtung, die dann in den populärwissenschtlichen Darstellungen zu Softies führt, die gar nicht so schlimm waren.
 
Gutes Beispiel ist hier die Dokumentation "Sturm über Europa".
Die Botschaft in allen Ehren, aber es ist ein genauso zeitgeist-geprägtes Germanenbild wie eh und jeh.
Genau diese Dokumentation meinte ich.
Die alt hergebrachte Methode die eigenen Wertvorstellungen auf die Altvorderen zu projezieren, hat eben noch nicht ausgedient. Neuerdings müssen die Germanen sich eben mit Multikulti und auch mit der Ökologie beschäftigen. Die Germanen sind besonders anfällig hierfür, trägt doch schon die Germania des Tacitus Züge einer Utopie.
Das 2000jährige Jubiläum der Varus-Schlacht wird ja zeigen, wofür sie noch alles herhalten. Fakt ist aber, dass sie die deutsche Einheit genauso wenig gewollt haben wie die Europäische Union oder allgemein verbindlichen Menschenrechte.

@fingalo Klar muss man unterscheiden zwischen der geglaubten und tatsächlichen Abstammung. Dass eine gemeinsame Bestammung geglaubt wurde, kann man in Kenntnis der Quellen kaum leugnen.
fingalo schrieb:
Rassismus gab es damals überhaupt nicht, da man von "Rasse" gar nichts wusste.
Sicher war das kein moderner Rassismus, aber so was ähnliches. Zumindest wurde da über die Minderwertigkeit und Höherwertigkeit einzelner Völker entschieden.
 
Klar muss man unterscheiden zwischen der geglaubten und tatsächlichen Abstammung. Dass eine gemeinsame Bestammung geglaubt wurde, kann man in Kenntnis der Quellen kaum leugnen.
Was soll der Passiv? Wer glaubte?

Sicher war das kein moderner Rassismus, aber so was ähnliches. Zumindest wurde da über die Minderwertigkeit und Höherwertigkeit einzelner Völker entschieden.
Das war aber doch bei allen so. Die Griechen waren Griechen, der Rest Barbaren. Einen Gedanken an die Gleichheit der Menschen gab es lange nicht.
 
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Zitat:"Neuerdings müssen die Germanen sich eben mit Multikulti und auch mit der Ökologie beschäftigen."
Ja, es war schon blöd von den antiken Chronisten (Jordanes, Prokop) das sie überliefern mussen, das die Völker der Germanen oft bunt zusammengewürfelte Heerhaufen waren.
 
Ach du liebe Zeit! Der Hochmut der menschenrechtsgewohnten modernen Demokraten.

Ich störe mich ja nicht an eurem Meinungsaustausch, aber solche Aussagen sind ja wohl unter aller Kanone.
Es ist schließlich erlaubt, nach eigenen Maßstäben zu urteilen. Die Germanen und umliegenden Völker mögen eine andere Auffassung von der zwischenmenschlichen Ethik gehabt haben, das darf aber niemanden daran hindern diese Auffassung, gemessen an der eigenen, als ungenügend überlegt und reflektiert einzuordnen.
Das hat nicht das geringste mit Hochmut zu tun.
Daher verstehe ich nicht, was so ein Einwurf soll: Wir messen doch alles an unseren Maßstäben, so entstehen doch erst Bewertungen.
"Homo mensura" ist doch immer das Motto? ;)
 
Ja, es war schon blöd von den antiken Chronisten (Jordanes, Prokop) das sie überliefern mussen, das die Völker der Germanen oft bunt zusammengewürfelte Heerhaufen waren.
Buntzusammengewürfelt? Ich lese da irgendwie das genaue Gegenteil... :still:
Procops Vandalenkrieg:
There were many Gothic nations in earlier times, just as also at the present, but the greatest and most important of all are the Goths, Vandals, Visigoths, and Gepaedes.
For they all have white bodies and fair hair, and are tall and handsome to look upon, and they use the same laws and practise a common religion. For they are all of the Arian faith, and have one language called Gothic; and, as it seems to me, they all came originally from one tribe, and were distinguished later by the names of those who led each group.
Aber ist ja völlig in Ordnung, wenn das spätantike Germanenbild eben nicht politisch korrekt ist, erfinden wir eben ein neues. =)
Es wäre ja auch schwer verwunderlich, wenn ausgerechnet das Germanenbild der antiken Germanen nicht von der damaligen Tagespolitik geprägt war.
Was soll der Passiv? Wer glaubte?
Jordanes z.B., oder eben die Personengruppen, die das salfrämkische Recht für rechtsgültig hielten oder an die Mannus-Sage glaubten. Ob es da jetzt Unterschiede zwischen sozialen Schichten gab, kann ich wohl schlecht wissen.
 
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