Es wäre denkbar, aber wie schaut denn der archäologische Befund des Römerlagers bzw. der mutmaßlich bestehenden Lagervorstadt (canabae) aus?
Hat sich das heutige Günzburg aus einem der beiden entwickelt? (Online habe ich auf die Schnelle nichts gefunden, Literatur zur Raetia habe ich im Bücherregal nicht so viel)
Ein paar Zitate aus: Wolfgang Czysz, GONTIA – Günzburg in der Römerzeit, Friedberg 2002:
"Fassen wir die Beobachtungen zum spätantiken Kastell zusammen: Die Verteilung der Fundmünzen und die Herkunft der Architekturspolien und Südwasserkalktuff- und Jurakalk-Quader weist auf ein Areal zwischen der Brunnengasse, St. Martin und der Ulmer Straße. In ostwestlicher Richtung ergibt sich dadurch eine Breite von etwa 200 m, wenn wir annehmen, daß der Quaderfund noch im Bereich der eingebrochenen Nordmauer lag. Daraus ergäbe sich eine annähernd quadratische Innenfläche von rund 3 Hektar.
Von der Art und Dichte der Innenbebauung wissen wir noch nichts […] Ebensowenig wissen wir aber auch noch von der spätantiken Zivilsiedlung, ob sich die Bewohner innerhalb der Mauern einquartieren durften oder im offenen Gelände jenseits der Günz am Kappenzipfel niedergelassen hatten, wo doch eine ganz erhebliche Anzahl spätantiker Funde gemacht wurde; das bleibt durch zukünftige Forschungen zu klären.
Durch Brandschichten im Innern des Kastellareals deutet sich an, daß Günzburg in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts, vermutlich aber auch später, immer wieder zerstört worden ist." (S. 191-192)
"In dieser Zeit [ausgehendes 4. Jahrhundert] schwand die römische Besiedlung unter dem Druck anhaltender Bedrohung dahin. Nur wenige der noch existierenden Straßensiedlungen und die schwer zugänglichen Wehrsiedlungen im Landesinnern (Goldberg bei Türkheim, Lorenzberg bei Epfach, Moosberg bei Murnau) waren noch am Leben. Von den Villen im Umfeld der schützenden Hauptstadt hatte kaum eine die schweren Zeiten überstanden. Die Verteilung spätantiker Grab- und Siedlungsfunde zeigt überdeutlich, wie die einst dichte Besiedlung im Lauf des 4. Jahrhunderts auf das Dreieck zwischen der Hauptstadt, Kempten und der Münchner Schotterebene zusammengeschmolzen war.
[…]
Der Lebensstandard der Provinzbevölkerung war auf ein niedriges Niveau abgesunken. Das Ende des regulären Geldnachschubs in Günzburg wird durch den in Thessaloniki geprägten Halbcentenionalis des Theodosius I. von 384/388 markiert. Die Versorgungslage im Alpenvorland war nicht erst jetzt prekär. Die Abhängigkeit von Italien glich den Verhältnissen des frühen 1. Jahrhunderts. […] Die Verproviantierung der Grenztruppen mußte nunmehr wieder über die Alpenpässe schlimmstenfalls mit Saumpferden und Lasttieren bewerkstelligt werden" (S. 221)
"In Günzburg selber klafft einstweilen noch eine zeitliche Lücke von über 150 Jahren, bis die ersten Reihengräber der Merowingerzeit im Stadtgebiet faßbar werden. [...] Erst der Landesausbau des frühen 6. Jahrhunderts hinterließ wieder Spuren im archäologischen Fundbild. Er knüpfte, soweit man das heute sagen kann, nicht an die Topographie des spätantiken Kastells von Günzburg an, das längst ein Ruinenfeld geworden war. Wir kennen bisher ausschließlich Grabfunde, nämlich Ausschnitte kleinerer und größerer Reihengräberfriedhöfe aus der unmittelbaren Umgebung zugehöriger Gehöfte." (S. 223-224)