@TomCooper
Deine beiden Postings sind irritierend.
Ich verstehe zwar nicht was ist daran 'irritierend', nehme aber an dass man verlangt 'Klartext' zu sprechen.
OK. Oben stehen mehrere Aussagen, darunter eine wonach die 'Rezeptionsgeschichte der irakischen Militärs... ex post' erfolgte, eine zweite, dass die 'Entscheidung für den Irak-Iran-Krieg als auch die Kuweit-Aktion völlig "beiläufig"' gefallen ist, und eine dass, 'tiefere strategische Anlaysen' eher 'unwahrscheinlich' waren.
Auf Grund dessen was ich darüber weiss stimmen alle diese Aussagen auf gar keinen Fall. Meinen Standpunkt mittels schriftlicher Dokumente nachzuweisen ist aber zZ nicht möglich. Es gibt keine Tagebücher/Geschäftsbücher oder ähnliches, welche die Vorgeschichte bestimmter Entscheidungen chronologisch und nachweislich beschreiben wäre (bzw. in Fällen wo es diese [wahrscheinlich] noch gibt, sind sie nicht zugänglich). Was vorhanden ist sind die Bänder die eine 'beiläufige' Entscheidung andeuten, bzw. zur Interpretationen führen, dass diese Entschedigung 'beiläufig' gefallen ist; aber auch Aussagen mehrerer Offiziere, wie auch andere Ereignisse die von einer Entscheidung zeugen die zwar 'spontan' gefallen ist, aber sehr wohl auf basis von 'tieferen strategischen Analysen'.
Beispiel 'Entscheidung für den Krieg mit dem Iran':
- Es gibt kein 'Saddam's Tagebuch'.
- Es gibt kein Dokument dass klar und unmißverständlich belegt, 'Saddam hat es sich 2-3 Monate (oder länger) überlegt, ob er Iran angreift oder nicht'.
- Es gibt noch nicht einmal ein Dokument der belegen würde, 'Saddam hat seine Entscheidung auf Grund nachrichtendienstlicher Informationen gebracht'.
- Und es ist bekannt, bzw. belegt, dass die Entscheidung von einem Diktator gebracht wurde dessen Weltbildvostellung, Gedankengänge usw. sich grundsätzlich von dem unterscheiden was wir als 'rationel' oder 'logisch' beschreiben würden.
Allerdings...
- Es gibt Beweise dafür, dass irakische Nachrichtendienste die Entwicklungen im Iran schon seit 20 Februar 1979 mit zunehmender Besorgnis beobachtet haben.
- Es gibt Beweise dafür, dass die irakische Luftwaffe eine ansteigende Anzahl an Verletzungen des irakischen Luftraumes durch iranische Kampfflugzeuge schon seit April registrierte.
- Es gibt Beweise dafür, dass im Juni 1980 zwei MiG-21R Aufklärungsflugzeuge der irakischen Luftwaffe tief in den iranischen Luftraum eingedrungen sind, und Aufnahmen iranischer Truppenbewegungen vom Stützpunkt al-Jufair und auf der Strasse Ahwaz - Abadan gemacht haben.
- Es gibt Beweise dafür, dass der irakische Militärnachrichtendienst auf grund dieser Zwischenfälle - wie auch weil Tehran die Barzani Brüder (Anführer der Peshmergas während dem Kurden-Aufstand im Norden Iraks von 1974-1975) aus dem Exil holte, und schlußfolgerte, dass Iran einen militärischen Angriff auf den Irak vorbereitet.
- Es gibt Beweise dafür dass das irakische Militärnachrichtendienst entsprechende 'tiefere strategische Analysen' vorbeiretete.
Allerdings...
a) Es gibt kein Beweis dafür dass diese Analysen auch von Saddam in Betracht gezogen wurden, und b) die oben-benannten Beweise waren Woods und Kollegen zur Zeit der Entstehung ihres Reports nicht zugänglich.
Also wurden diese von Woods und Kollegen bei der Vorbereitung ihrer Berichte ausser Acht gelassen. Ausserdem, aus einem Gespräch mit Woods weiss ich dass, selbst wenn er eine der betreffenden Analysen rechtzeitig bekommen hätte, er daraus keinen Zusammenhang (zwischen derartiger Analysen und Saddam's Entscheidung) gefolgert hätte, denn er hätte diesen Zusammenhang nicht eindeutig nachweisen können (genauso wie ich es nicht eindeutig nachweisen kann).
Bzw., er hätte sich auf 'das Wort' irakischer Offiziere verlassen müssen, die gesagt haben, dass Saddam ihre Berichte sehr wohl gelesen hat. Dass wollte er nicht machen.
Hier ist es wo ich sage: ja, es ist eine 'Graue Zone', aber, ich sehe nicht ein warum man die Aussagen irakischer Offiziere in derart wichtigen Fällen einfach als 'Araber lügen immer' (oder eben 'ex post Rezeptionsgeschichte') abschmettert.
Umso mehr wenn man die folgende Tatsache berücksichtigt: eigentlich gibt es einen weiteren - wenn auch indirekten - Beweis dafür, dass Saddam sehr wohl die Berichte seiner Nachrichtendienste berücksichtigte (zu mindest im Jahr 1980; ob es später, besonders nach 1991, noch immer so war, ist eine andere Story). Nämlich, am 4. Juni 1980, erhielt der CO No.1 Squadron IrAF (Iraqi Air Force) den Befehl einen Camp Barzani's Peshmergas innerhalb Irans anzugreifen. Acht Maschinen flogen diesen Angrif und die Resultate ihrer Mission waren nicht nur schwere Verluste der Kurden, oder ein Protest aus Tehran, sondern auch der darauffolgender 'Austausch Nachbarschaftlicher Höflichkeiten' in form von Luftangriffen und Artillerieüberfällen, der sich durch ganz Juli, August und September 1980 hinzog, der uns allen eigentlich gut bekannt seien sollte (und unterdessen auch als 'Einleitung in den Krieg' gedeutet wird).
Und hier ist es wo ich sage: 'Graue Zone' oder nicht, schriftlich/tonbandmäßig belegt oder nicht, aber ein derartiger Angrif hätte damals ohne Saddams Billigung auf keinen Fall stattfinden können.
Dementsprechend sehe ich es als belegt dass Saddam die Nachrichtendienstlichen Berichte und Analysen geselen und bei seinen Entscheidungen berücksichtigt hat. Aus diesem Grund folgere ich auch, dass Saddam's Entscheidung über dem Angriff auf den Iran auf keinen Fall 'beiläufig' fiel - und, aus noch mehr anderen Gründen (die, zBsp.,
hier zu lesen sind) - sehe ich es als bewiesen dass diese Entscheidung sehr wohl auf tiefgehenden strategischen Analysen basiert war.
Hoffe, dass mildert die Irritation ein wenig.