Arne
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Redigierte Fassung (Ergänzungen und einen Fehler berichtigt]
Der Aufstand der ehemaligen Sklaven des Königs von Dahomey in deutschem Polizeidienst ist nicht nur eines der bittersten Episoden der deutschen Kolonialgeschichte und ein Beispiel eines gescheiterten Experimentes, sondern eine traurige Geschichte bemitleidenswürdiger Menschen im ausgehenden 19.Jahrhundert.
Vorgeschichte
1884 wurde Kamerun deutsches Schutzgebiet, als Dr. Gustav Nachtigal mehrere Schutzverträge mit an der Küste wohnenden Stämmen abschloss. Dabei handelte es sich vornehmlich um die handeltreibenden Douala, die wenig Interesse daran hatten, daß die Deutschen verstärkt ins Hinterland vorstoßen sollten, weil sie um ihr Zwischenhandelsgeschäft fürchteten. Im Schutzvertrag wurden auch diesbezügliche Abmachungen getroffen.
Wir überspringen jetzt einige Jahre, bis zum Frühjahr 1890. Nur langsam kam die Erforschung und tatsächliche Inbesitznahme des Kameruner Hinterlandes voran. Es haperte an vielen, vor allem aber, wie üblich, am Geld. Der Etat der Kolonien, beziehungsweise der gerade eingerichteten Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt, war ein beliebter Punkt, bei dem der eigentlich recht machtarme Reichstag mit der Regierung "abrechnen" konnte. Wenn es um Geld für Kolonialprojekte ging, war der Reichstag mächtig. Er ließ sich umfassend informieren, kritisierte und zeigte sich in der Regel knauserig.
Gerade war wieder eine Debatte um Geld für die Erschließung Kameruns im Gange, da hatte der Kolonialdirektor Kayser eine abenteuerliche Idee: Er wollte sich Geld von Hamburger Kaufleuten leihen, um sie dann später von erwarteten Steuer- und Zolleinnahmen zurück zu zahlen. Mit dem Geld wollte Kayser Expeditionen nach Nord- und Südkamerun, sowie eine Polizeitruppe bezahlen. Doch die geheime Anleihe flog auf, der Reichstag wurde davon informiert und intervenierte scharf, weil er seine Finanzkontrollfunktion in Gefahr sah, falls dies Beispiel Schule machen sollte. Die Sache kam in den Reichstag zur Entscheidung.
Noch während des Verfahrens waren die Vorplanungen für die Expeditionen angelaufen. Als Ersatz für den ursprünglich als Leiter gewünschten Hauptmann von Morgen, wurde der kolonialerfahrene Hauptmann Karl Freiherr von Gravenreuth eingesetzt. Dieser war zuvor von 1885 bis 1891 in Deutsch-Ostafrika tätig. Gravenreuth kaufte im Sommer 1891 im Auftrag der Reichsregierung dem König Behanzin von Dahomey 370 Sklaven und Sklavinnen aus verschiedenen Stämmen ab. Gravenreuth handelte ohne Zustimmung oder Wissen des Reichstages.
Die freigekauften Sklaven verpflichteten sich vertraglich ihre Kaufsumme in fünfjährigem Dienst in der Kameruner Kolonialverwaltung durch unentgeltliche Tätigkeit abzuarbeiten und dabei jede aufgetragene Arbeit zu verrichten. Sie sollten freie Beköstigung und Bekleidung haben, um danach weiterhin als freie Arbeiter in Kamerun leben zu können. Die Leute waren in einem erbarmungswürdigen Zustand. Schon bei der Überfahrt nach Kamerun und in den ersten drei Monaten verstarb rund ein Drittel der Menschen. In Kamerun wurden nach und nach 55 ehemalige Sklaven in die Polizeitruppe aufgenommen. Die anderen arbeiteten in den Plantagen.
Mit dem Kauf der Sklaven verfolgte Gravenreuth im wesentlichen zwei Zwecke. Einmal war es sinnvoll, keine Polizisten in Kamerun anzuwerben, weil sich diese im Krisenfall eher auf die Seite der einheimischen Stämme schlagen könnten und zweitens hoffte der Hauptmann, dass die Freigekauften dankbar, also besonders einsatzfreudig sein würden.
Erst jetzt, also im Nachhinein, genehmigte der Reichstag das Geld für Kamerun. Kayser hatte die Abgeordneten mit Argumenten überzeugt, die sie nicht ablehnen konnten. Das Reich hatte sich im Anti-Sklaverei-Vertrag von Brüssel zur Bekämpfung der Sklaverei verpflichtet, wozu ausdrücklich auch der Bau von Straßen und Stationen im afrikanischen Hinterland gehörte.
Gravenreuth stand schließlich im Oktober 1891, finanziell glänzend ausgestattet und mit einer ausgebildeten Mannschaft, bereit. Doch dann beging er einen Fehler: Er gab einem Ersuchen des Gouverneurs von Zimmerer statt, vorher noch bei einer Strafexpedition gegen Aufständische zu helfen, was eine Kette von Einsätzen nach sich führte, die nichts mit der ursprünglich geplanten Expedition ins Hinterland zu tun hatten..
Auf die kommenden Monate will ich hier nur kurz eingehen. Sie waren geprägt von ständigen Kampfeinsätzen in denen sich die Soldaten aus Dahomey gut bewährten. Inzwischen waren auch andere Söldner, keine freigekauften Sklaven, zur Truppe gestossen. Im November 1891 fiel Gravenreuth im Gefecht von Buea. Er wurde durch den Hauptmann Ramsey ersetzt, der die mehrfach aufgeschobene Adamauexpedition durchführen sollte. Er traf im Januar 1892 in Edea ein und verschob wieder die große Expedition, weil er der Ansicht war, die Truppe wäre für die anstrengende Unternehmung nicht ausgeruht genug.
Statt dessen wurden kleinere Vorexpeditionen gemacht, die im Endeffekt immer wieder auf Kämpfe gegen unruhige Stämme hinausliefen. Nachdem er von einem dieser Züge aus Yaunde zurück nach Edea kam, erreichte ihn die Nachricht aus Berlin, daß die große Expedition entfallen sei und die Mannschaft zu entlassen wäre.
Der Aufstand am 15.Dezember 1893
Anlass zum Aufstand war öffentliche Auspeitschung von Dahomey-Frauen. Jedoch lag die Ursache viel tiefer. Da ihre Ehemänner kein Geld verdienten, waren die Frauen genötigt, für die gewährte Verpflegung bei der Verwaltung zu arbeiten. Bei Disziplinarverstößen wurden die Männer zu Prügelstrafen verurteilt, im Gegensatz zu ihren Kameraden, die als normale Söldner Geldstrafen erhielten. Die Arbeiten der Frauen reichten von Wäsche waschen, den Haushalt führen bis zur Garten- und Feldarbeit. Sie betrachten die unentgeltliche Arbeit als Ausbeutung, erledigten die Aufgaben nur widerwillig oder blieben ganz fern. Versuche ihr Los zu erleichtern, in dem sie beim Gouvernementsrichter Wehlan Beschwerden einreichten, fruchteten nicht.
Zusätzlich scheinen einige wenige Kolonialbeamte die Dahomey-Frauen als "Freiwild" betrachtet zu haben. Wenn man die Berichte und Zeugenaussagen aus der Zeit nach dem Aufstand liest, ist von "Notzüchtigungen", Schikanierungen, Prügelstrafen und auch nächtlichen Vergewaltigungen die Rede. Als besonders abscheuliches Beispiel ist der Kanzler des Gouvernements, Heinrich Leist zu nennen, der von Juni 1893 bis Februar 1894 den in Urlaub befindlichen Gouverneur Eugen von Zimmerer vertrat. Dieser ließ sich mehrfach nachts Frauen der Dahomey-Soldaten zuführen. Er behandelte die freigekauften Sklaven anscheinend tatsächlich wie Sklaven, wie man es heute im Klischee der amerikanischen Südstaaten aus dem Fernsehen kennt.
Am Nachmittag des 15.Dezember hatte sich nur ein Teil der Dahomey-Frauen auf dem Kaffeefeld des Gouvernements zur Arbeit eingefunden. Als Leist die Ferngebliebenen aus dem Dorf holen ließ, schlug er eine und beschimpfte die anderen. Die Wortführerin versuchte zu erklären, daß sie für ihre Männer das Essen kochen mussten. Leist, ein Choleriker, ließ das nicht gelten, ließ wahllos auf die Gruppe einprügeln und verurteilte sie sofort zu je 10 Peitschenhieben auf dem Exerzierplatz - vor den Augen ihrer Männer.
Die Strafen wurden vor den unbewegten Gesichtern der Soldaten vollzogen. Ihre Frauen wurden an Händen und Füßen über leere Zementtonnen gehalten und auf das entblößte Gesäß geschlagen. Erst später, zurück in ihren Unterkünften, berieten die Dahomey Leist zu töten und entschieden sich zum Aufstand.
Über den Verlauf der Geschehnisse liegen fast minutiöse Berichte aus vielen Verhören vor. Walter Nuhn hat das in seinem Buch ausführlich wieder gegeben. Ich will darauf verzichten und nur in Kürze den Verlauf wiedergeben.
Nachdem die Dahomeys die Waffenkammer erbrochen und sich mit Gewehren und Maschinengewehren versorgt hatten, erschossen sie in der Beamtenmesse den Gerichtsassesor Riebow von hinten durch das Fenster, den sie für Leist gehalten hatten. Übrigens eine besondere Tragik, denn Riebow hatte sich mehrfach für die Dahomey eingesetzt. Der Versuch der Dahomeys, die Douala mit auf ihre Seite zu holen und einen großen Aufstand gegen die Deutschen zu starten, misslang.
Nach kleineren Gefechten verschanzten sie sich schließlich mit ihren Frauen im Gouvernementsgebäude, zerschnitten die Telegraphendrähte und hielten die ganze Jossplatte in Ufernähe besetzt. Versuche sie zur Aufgabe zu bewegen scheiterten.
Die Deutschen beschossen das besetzte Gelände vier Tage lang unregelmäßig von den beiden Gouvernementsdampfern "Nachtigal" und "Soden" aus. Am 20.12 traf das Kriegsschiff S.M.S Hyäne mit Verstärkung ein und beschoss den Strand mit 12cm-Granaten. Doch der Widerstandswille war noch nicht gebrochen. Immer wieder wehrten die Dahomeys, hervorragend ausgebildet und kampferfahren, die deutschen Sturmversuche ab. Erst am 23.12 gelang nach einem gezielten Wirkungsschießen der Sturm auf die Stellungen der aufständischen Dahomey.
Die überlebenden Aufständischen, die dann versuchten zu fliehen, wurden recht schnell gefangen genommen. Die Douala lieferten 29 Männer und 34 Frauen aus. Alle Männer wurden gehängt, die Frauen teilweise auch zum Tod verurteilt aber wegen vieler kleiner Kinder begnadigt und zur Zwangsarbeit deportiert.
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