Der Baader-Meinhof-Komplex

Ashigaru

Premiummitglied
Hat mich erstaunt, dass es noch keine Diskussion über diesen Film gibt. Na ja, ich war neulich drin, hier mal eine kleine Rezension.

Deutsche Zeitgeschichte ist ja in den letzten Jahren zum internationalen Kassenschlager geworden, zumindest in den Kinosälen. Mit dem "Baader Meinhof-Komplex" legten Bernd Eichinger und Stefan Aust als Autor der Buchvorlage einen Film nach, der genau in diese Kerbe schlägt. Vorab gleich das Fazit: der Film ist gut - aber nicht so gut, wie es "Das Leben der Anderen", "Der Untergang" oder "Good bye Lenin" waren. Vielmehr gibt es viel Licht und Schatten - wobei der Film hauptsächlich daran leidet, dass er so überambitioniert ist.
Aust hat seinen Buchstoff in den späten 80er Jahren schon mal filmisch verarbeitet - der Film "Stammheim" zeigte fast ausschließlich den Prozess gegen Baader/Ensslin/Meinhof/Raspe 1975-1977. Das war ihm diesmal nicht genug - jetzt sollten quasi die ganzen 672 Seiten "Baader-Meinhof-Komplex" auf Celluloid untergebracht werden. Das Ergebnis dauert stolze 150 Minuten, und dennoch gibts hier Zeitgeschichte im Zeitraffer. Die Spanne von 1967-1977 wird hier abgehandelt, also circa 15 Minuten für jedes Jahr. Alles sollte drin sein: Benno Ohnesorg, das Dutschke-Attentat, der Frankfurter Kaufhausbrand und, und, und, bis zum "Deutschen Herbst". Eine solche Stoffülle packt keine Dramaturgie - und wer sich nicht schon mal ansatzweise mit der Zeit beschäftigt hat, kann sich zwischendurch ziemlich verloren fühlen in der Konfusion der Schießereien und unzähligen Nebenfiguren. Sehr gut vergleichbar ist das mit dem Film "Der Längste Tag", der genau wie BMK nicht schlecht ist, wo aber ebenfalls dieser Fehler auftritt. Kompensiert wird das wenigstens zum Teil durch das Beste, was der Film zu bieten hat: einen wirklich genialen Schnitt. Dokumentarische Aufnahmen werden mit Meisterschaft in den Film eingewoben, der Höhepunkt ist aber der Zusammenschnitt diverser RAF-Attentate von 1970-1972. Die technische Seite ist sowieso top; die Ausstattung definitiv museumsreif. Ohnehin bemühten sich die Macher, anders als etwa bei dem "Baader"-Film von 2004, um sehr hohe Authentizität, zumindest in Hinblick auf das Buch.
Kommen wir noch zu den Darstellern - hier bin ich etwas gespalten. In diese Materialschlacht wurden, übertrieben gesprochen, alle derzeit bekannten deutschen Schauspieler geworfen, denen Eichinger und Regisseur Uli Edel habhaft werden konnten - Alexandra Maria Lara oder Tom Schilling kommen etwa auf Auftritte im Bereich 15-60 Sekunden.
Bei den Hauptakteuren stiehlt m.E. Johanna Wokalek allen anderen die Schau, weil sie mit funkelnden Augen eine derart dämonische, giftspritzende Gudrun Ensslin gibt, dass ich Angst bekäme, würde ich ihr so auf der Straße begegnen. Ähnlich eiskalt überzeugt auch Nadja Uhl als Brigitte Mohnhaupt. Martina Gedeck ist als Ulrike Meinhof gut, aber nicht so gut wie in "Das Leben der Anderen". Als Fehlbesetzung empfinde ich Moritz Bleibtreu in der Rolle des Andreas Baader. Optisch hätte Jan Josef Liefers, der natürlich auch im Film mitspielt, besser gepasst. Zudem liegen Bleibtreu die Rollen des sportiven Helden, des debil-netten Gauners oder charmanten Schlitzohrs; das Düstere und Dämonische an Baader kann er damit nicht rausarbeiten, da nutzt auch das beständige "Fotzen"-Gebelfer nichts.
Also, es gibt zwiespältige Punkte, aber weiterempfehlen möchte ich den Film trotzdem. Eines noch: Dem Film wurde vorgeworfen, eine reine Täterperspektive einzunehmen. Das stimmt freilich, gilt aber auch für den 99 % der Literatur - ob populär oder wissenschaftlich - zur RAF.
Als Argument rechtfertigt das natürlich gar nichts, mir ist aber auch nicht so wirklich klar, warum das so ist.
 
Ich fand den Film etwas heroisierend.
Ansonsten stimme ich Ashigarus Kritik im Großen und Ganzen zu.
Ensslin ist wirklich brilliant dargestellt, Baader bleibt eine leere Hülle, Bleibtreu vermag es nicht, ihm das Charakterisitsche einzuhauchen.
Im Bezug auf Meinhoff waren ein paar daramaturgisch gute Stellen dabei, im Großen und Ganzen wurde dieser Charakter durch Gedeck aber etwas zu unemotional dargestellt. Die Resignation des Prozesses, der ja dahin passt, durchzieht irgendwie den ganze Film wenn es um Meinhoff geht..
 
Ich fand den Film etwas heroisierend.
Ansonsten stimme ich Ashigarus Kritik im Großen und Ganzen zu.
Ensslin ist wirklich brilliant dargestellt, Baader bleibt eine leere Hülle, Bleibtreu vermag es nicht, ihm das Charakterisitsche einzuhauchen.
Im Bezug auf Meinhoff waren ein paar daramaturgisch gute Stellen dabei, im Großen und Ganzen wurde dieser Charakter durch Gedeck aber etwas zu unemotional dargestellt. Die Resignation des Prozesses, der ja dahin passt, durchzieht irgendwie den ganze Film wenn es um Meinhoff geht..

Der Film orientiert sich am Buch und das ist alles andere als objektiv geschrieben... Aust in aller Ehre...
 
Der Film orientiert sich am Buch und das ist alles andere als objektiv geschrieben... Aust in aller Ehre...

Das Original steht bei mir im Bücherschrank. Irgendwann Jahrzehnte später hat er es überarbeitet. Im Original schreibt er wirklich recht einseitig.
 
Das Original steht bei mir im Bücherschrank. Irgendwann Jahrzehnte später hat er es überarbeitet. Im Original schreibt er wirklich recht einseitig.

Ich möchte den Baader-Meinhof Komplex nicht verteufeln, aber, entgegen der Standartempfehlung, finde ich "Tödlicher Irrtum - Die Geschichte der RAF" einfach besser umgesetzt.
 
Ich finde das Buch "Der Baader-Meinhof-Komplex" sehr packend - der Reportagestil, die Materialfülle, letztendlich auch die Recherche bzw. die nicht genannten, gut informierten Quellen, die Aust gehabt haben muss.
Es ist ein großartiges Buch, aber auch ein eigentümliches - gleichermaßen Primär- wie Sekundärquelle. Als damaliger konkret-Autor ist Aust sicher mit etlichen Leuten zusammen getroffen, die der RAF später nahe standen oder sogar angehörten. Andere, wesentliche Teile kann er nur aus zweiter Hand erfahren haben. Ohne Frage hat er vielleicht am Wesentlichsten die heutige Sicht auf die RAF geprägt. Gerade z.B. für den Jemen-Aufenthalt der RAF 1970 und dessen recht farbige Schilderung dürfte Austs Buch bis heute die wesentliche Quelle geblieben sein. Freilich vertritt Aust auch die ein oder andere umstrittene Position. So hat er eine recht komplex dargestellte Skepsis gegenüber des Selbstmordes von Baader/Ensslin/Raspe - diese kommt sowohl in seinem Buch als auch im "Stammheim"-Film zu tragen. Und ebenso im neuen Film: über den Selbstmord wird zwar von den gefangenen wie freien Terroristen gesprochen, doch wirklich gezeigt werden nur die Toten, nicht die direkten Vorbereitungen.
 
Übrigens hat sich Aust nicht die Peinlichkeit erspart, sich selbst, dargestellt von einem Schauspieler, in den Film reinzuschreiben. Das habe ich oben noch vergessen zu erwähnen.
 
Ich persönlich fand' den BMK gar nicht mal so schlecht...
Klar, zu bemängeln gäbe es schon was - zum Beispiel, ob der Film verschönt oder vergraust oder was er genau anstellt - , trotzdem muss man auch bedenken, dass er für das Kino und nicht für Geschichtslehren oder sonst etwas in der Art gefilmt wurde.

Natürlich gibt es andere, bessere Geschichtsdarstellende Filme, z.B. "Der Untergang" (auch wenn das Thema ein vollkommen anderes ist...).
Trotzdem würde ich sagen, dass er zu den besseren deutschen Filmen gehört und man ihn sich auf jeden Fall anschauen kann...
Sofern man denn die nötige Zeit dafür hat, denn man muss beim Film auf jeden Fall aufpassen (sofern einem die Story nicht genau bekannt ist), sonst versteht man es nicht mehr genau...
Finde ich zumindest, das habe ich auch von einigen anderen aus meiner näheren Umgebung gehört.

Nya...
 
... Als damaliger konkret-Autor ist Aust sicher mit etlichen Leuten zusammen getroffen, die der RAF später nahe standen oder sogar angehörten. Andere, wesentliche Teile kann er nur aus zweiter Hand erfahren haben. Ohne Frage hat er vielleicht am Wesentlichsten die heutige Sicht auf die RAF geprägt. Gerade z.B. für den Jemen-Aufenthalt der RAF 1970 und dessen recht farbige Schilderung dürfte Austs Buch bis heute die wesentliche Quelle geblieben sein. Freilich vertritt Aust auch die ein oder andere umstrittene Position. So hat er eine recht komplex dargestellte Skepsis gegenüber des Selbstmordes von Baader/Ensslin/Raspe - diese kommt sowohl in seinem Buch als auch im "Stammheim"-Film zu tragen. Und ebenso im neuen Film: über den Selbstmord wird zwar von den gefangenen wie freien Terroristen gesprochen, doch wirklich gezeigt werden nur die Toten, nicht die direkten Vorbereitungen.

Merkwürdig ... ich hab - unabhängig vom Film - Austs Buch in der Neuauflage vor einigen Monaten gelesen und bei mir entstand der Eindruck, als würde er von der These des Selbstmordes nicht viel halten ...
 
Sorry, aber wer das Buch gelesen hat, weiß vermutlich ziemlich schnell, dass sich knapp 1000 Seiten nicht in zweieinhalb Stunden verfilmen lassen, ohne ein "paar Passagen" zu kürzen oder komplett wegzulassen.
 
In der Ausgabe des Spiegels von letzter Woche steht ein Artikel über den Film und die momentan dagegen laufenden Gerichtsprozesse wegen Geschichtsverfälschung. Es wird eine allgemeine Debatte losgetreten, inwieweit eine filmische Darstellung der Geschichte fiktiv sein darf. Sehr interessant zu lesen.

Den Film habe ich noch nicht gesehen, aber werds mir vielleicht antun, wenn er in meiner Videothek auf DVD zu kriegen ist.
 
Ich gehöre zur etwas jüngeren Generation und habe nie viel über die RAF mitbekommen, deswegen fand ich den Film umso interessanter. Der FIlm hat mich schon sher beeindruckt, obwohl ich zwischenzeitlich überhaupt nicht mehr folgen konnte, weil einfach zu viele Personen darin auftauchten. Auch war er etwas langatmig, obwohl meine Mutter meinte, dass die Informationen über die 2. und 3. Generation schon sehr wichtig sind. Ich war überrascht darüber, dass sie sich erst 1998 (nach Wikipedia) offiziell aufgelöst haben. Ob der FIlm nun etwas verherrlicht oder nicht, kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht in dieser Zeit gelebt und bis vor Kurzem fast gar nichts darüber gewusst habe.
Ich habe mir nun auch das Buch gekauft und zugegebenermaßen ist das ein sehr sachlicher Bericht. Es werden Fakten und Daten und Namen aneinandergereiht und ist überhaupt nicht subjektiv geschrieben. Allerdings muss ich zwei DInge dazu sagen: 1. Es gibt wohl mehrere Ausgaben dieses Buches 2. Ich habe ein Buch auf dem Sonderausgabe steht. Ich werde wohl nochmal zur Mayerschen gehen und mir die andere Version besorgen, weil ich diesen sachlichen Bericht sehr schwer finde zu lesen.
Na ja, ich möchte und ich kann nichts davon beurteilen, ich kann nur glauben und/oder in Frage stellen, was ich lese, aber wissen, wie es war, werde ich wohl nicht. (Aber dafür werde ich mich wohl an andere Dinge erinnern...)
 
Ich habe mir den Film vor einigen Wochen auch angesehen und habe es nicht bereut.
Er ist interessant geschildert und unterhaltsam.
Wer meint, hier Geschichtsunterricht zu bekommen, hat offenbar noch nicht viele historisch-gemeinte Filme gesehen. Fiktion ist immermal dabei und irgendwie spreche ich den Machern eines Films diese Freiheit auch zu, schließlich handelt es sich bei Filmen um Unterhaltung, nicht um Aufklärung... dafür gibt es Bücher und Dokus.

Dass das Thema RAF so sensibel betrachtet wird, kann ich irgendwo verstehen. Es liegen einfach zuuuu wenige Jahre und Generationen zwischen den tatsächlichen Geschehnissen und dem Film.

Zum Film "Baader-Meinhof-Komplex":

Vorweg sei gesagt, dass die Geschichte der RAF für mich unheimlich interessant ist, ich sie aber wegen meines Alters zum Glück nur aus Erzählungen meiner Eltern, Büchern und Dokus kenne.

Bleibtreu empfand ich unmöglich in seiner Rolle... total unsympathisch, dumm und patzig. Ob Baader tatsächlich so war, weiß ich nicht.
Die Figur der Ensslin... wow, einfach unglaublich dargestellt. Vor ihr hatte ich echt Angst und dachte nur "Die will man nicht zum Feind haben."
Da kann ich Ashigaru voll und ganz zustimmen.
Die Meinhof fand ich irgendwie merkwürdig, sie kam so melancholisch rüber, zeigte wenig Emotionen.
Aber, wie gesagt, ich hab keine Ahnung, wie die Figuren tatsächlich waren.
Zwischendurch dachte ich nur, ey, wenn der Baader wirklich so derart dämlich war, wie er hier rüberkam, dann wundert es mich, dass die Gruppe so lange zusammenhielt.


Mir selbst kam der Film keinesfalls verherrlichend vor. Ich bin schließlich mit dem Wissen da rein gegangen, dass es kein Film über die Opfer ist, sondern ein Film, der die Täter zeigt.
Die Täter sind Menschen, keine Dämonen, also werden sie auch menschlich gezeigt.
Und, dass sie ins Kriminelle abrutschen, zu Räubern und Mördern werden, zeigt der Film klar und deutlich.
Sympathien konnte ich nicht empfinden.
Ganz zu Beginn hatte man vielleicht Verständnis für den Unmut - die Ursachen, weshalb die Gruppe entstand, wurden ja aufgezeigt - , doch sobald die Gruppe vom rechten Weg abkam, war auch der Zuschauer überzeugt, DAS SIND VERBRECHER.

Vor Jahren sah ich einen Doku-Zweiteiler über die RAF, der speziell die Themen "Schleyer-Entführung" und "Entführung der Landshut" beleuchtete. Die Doku fand ich klasse... leider weiß ich nicht, wie sie hieß.
 
Habt Ihr - zum Vergelich - den Film Mogadischu gesehen? Würdet Ihr den positiver einschätzen als 'BM-Komplex'?
Er nimmt ja ausnahmsweise die Perspektive der Opfer ein, so dass man zumindest ahnt, was sie haben durchmachen müssen.
In der daran anschließenden Talkrunde war die Verbitterung der Opfer schon etwas überraschend, aber letztlich auch verständlich.
 
Habt Ihr - zum Vergelich - den Film Mogadischu gesehen? Würdet Ihr den positiver einschätzen als 'BM-Komplex'?
Er nimmt ja ausnahmsweise die Perspektive der Opfer ein, so dass man zumindest ahnt, was sie haben durchmachen müssen.
In der daran anschließenden Talkrunde war die Verbitterung der Opfer schon etwas überraschend, aber letztlich auch verständlich.


Warum war die Verbitterung überraschend?
Das finde ich jetzt überraschend!

Dass die in der Talkrunde anwesende Frau Müll, eines der Entführungsopfer von damals, nicht erbaut darüber ist, dass der Herr Klar demnächst aus der Haft entlassen werden wird, kann doch nicht wirklich überraschen oder ?

Gruß....
 
Zuletzt bearbeitet:
gaaaaaaaaaaanz meiner meinung josephine
hab übrigens beide filme gesehen. Mir persönlich hat der Baader Meinhof Komplex besser gefallen, da er die Seite der Täter besser beleuchtet.
 
Zurück
Oben